Protokoll der Landratssitzung vom 9. Juni 2011

Nr. 2741

Karl Willimann (SVP), Präsident der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission (BKSK), erinnert daran, dass mit dem Postulat die Regierung gebeten wurde zu prüfen, ob ein Kompetenzzentrum für die Begleitforschung im Life-Science-Bereich der Fachhochschule und der Uni geschaffen werden könne.


Regierungsrat Urs Wüthrich nahm in der Kommissionsberatung Bezug auf die seinerzeitige Nichtabschreibung dieses Postulats. In der Zwischenzeit seien nun Entwicklungen an der Universität und der FHNW in Zusammenhang mit diesem Postulat eingeleitet worden.


Die Kommission ist mit der Stellungnahme des Regierungsrates generell einverstanden. Es wird festgestellt, dass inzwischen Massnahmen in Richtung des Postulats Brassel aufgegleist wurden. Eintreten war unbestritten, und die Kommission beantragt dem Landrat einstimmig, das Postulat 2006/153 als erfüllt abzuschreiben.


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- Eintretensdebatte


Marc Joset (SP) gibt bekannt, die SP-Fraktion sei für Abschreiben, allerdings eher aus formalen Gründen - der Auftrag «Prüfen und Berichten» ist erfüllt -, denn inhaltlich ist sie nicht ganz zufrieden. Es ist zwar einiges geschehen, wie in der Vorlage erwähnt: die Einrichtung gewisser Professuren werden bestimmt zu verstärktem interdisziplinärem Arbeiten führen; aber ein wirkliches Kompetenzzentrum, das unabhängig forschen und Stellung nehmen kann zu übergeordneten gesellschaftlichen Themen im Bereich Life Sciences und das sowohl national als auch international zur Stärkung des Standortes beiträgt, wäre weiter wünschenswert.


Paul Wenger (SVP) teilt mit, dass sich die SVP-Fraktion geschlossen dem einstimmigen Abschreibungsantrag der Kommission anschliessen werde.


Regina Vogt (FDP) meint, die Möglichkeit, mittels theoretischer Grundlagenforschung ins Leben von Mensch und Tier einzugreifen, habe komplexe gesellschaftliche Auswirkungen und könne ethische Probleme nach sich ziehen. Die Regierung ist der Auffassung, dass die Politik nicht direkt in die Forschungsorganisation eingreifen solle, sondern setzt auf eine Weiterentwicklung gemäss Reglement im Universitätsstatut, also auf einen Einbezug der Thematik in die entsprechenden Curricula.


Eine interessante Form der öffentlichen Auseinandersetzung ist das 2007 geschaffene Forum «Café scientifique», wo Wissenschaftler und Forscherinnen im Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit zu Chancen und Risiken in der Life-Science-Forschung vertieft diskutieren konnten. Ausserdem ist auf eidgenössischer Ebene die Botschaft zum neuen Humanforschungsgesetz auf gutem Weg, mit dem die Forschung am Menschen landesweit einheitlich geregelt werden soll, was im Interesse eines innovationsfreundlichen Umfelds und des hohen Niveaus der biologischen Forschung in der Schweiz nur zu begrüssen ist.


Die FDP-Fraktion ist dafür, das Postulat abzuschreiben.


Christian Steiner (CVP) erklärt, die CVP/EVP-Fraktion schliesse sich dem eindeutigen Antrag der Regierung und der Kommission an.


Rahel Bänziger (Grüne) begrüsst, dass gemäss Vorlage im Bereich der Risiko- und Technologiefolgenabschätzung und der Ethikkommissionen an den Universitäten einiges unternommen worden sei.


Sie hat am vom Regierungsrat erwähnten internationalen Kongress «Verdammte Forschung? Wie weiter mit den Tierversuchen in der Grundlagenforschung?» im November 2010 - als einzige Politikerin aus dem Baselbiet - teilgenommen. Dabei konnte sie miterleben, wie ausgewählte Forscher den Dialog mit der Öffentlichkeit suchten, dass aber die Öffentlichkeit dazu leider nicht sonderlich zahlreich erschien. Als betroffene Wissenschaftlerin war sie darüber recht enttäuscht.


Auf nationaler Ebene tut sich einiges. Momentan das heisseste Gebiet ist wohl die Nanotechnologie. So gibt es das Nationalfonds-Projekt 64, das die Risiken und die Technologiefolgenabschätzung genauer abklärt.


Bei der Gentechnologie war es so, dass sich die Technologie entwickelt hatte und man sich plötzlich überlegen musste, was sie für Auswirkungen hat. In der Nanomedizin wurde ein anderer, vielversprechenderer Weg eingeschlagen: Es gibt kein aussenstehendes Kompetenzzentrum, sondern man versucht, von Anfang auf die ELSI-Forschung (Ethical, Legal and Social Implications) zu setzen. Eine interfraktionelle Gruppierung setzt sich dabei mit den entsprechenden Fragestellungen auseinander. Diese Gruppierung aus sozial- und naturwissenschaftlichen Forschern begleitet die neue Technologie von Anfang an, kann früh genug auf auftretende Probleme aufmerksam machen und sie angehen. Das ist der richtige Weg. Die Grundlagenforschung sollte nicht ausgelagert, sondern in die Technologieentwicklung integriert werden. Es ist zu hoffen, dass es dank dem NFP 64 gelingt, gerade im Bereich Nanomedizin die politische und öffentliche Diskussion so zu führen, dass es nicht zu den gleichen Problemen kommt wie bei der Gentechnologie.


Die grüne Fraktion ist mit der Abschreibung des Postulats einverstanden, erhofft sich sehr viel vom neu eingerichteten Lehrstuhl für Ethik an der medizinischen Fakultät der Uni Basel und wird gegebenenfalls mittels Interpellation nachfragen, wie dieser Lehrstuhl verankert ist und ob er genügend interdisziplinär arbeiten kann.


://: Eintreten ist unbestritten.


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- Beschlussfassung


://: Das Postulat 2006/153 wird mit 73:0 Stimmen abgeschrieben. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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