Protokoll der Landratssitzung vom 9. Februar 2017
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2016-328 vom 3. November 2016
Motion von Sabrina Corvini-Mohn, CVP/BDP-Fraktion: Harmonisierung und Koordination von Sozialleistungen - Der Regierungsrat beantragt: Entgegennahme als Postulat (siehe Beilage) - Beschluss des Landrates vom 9. Februar 2017: < als Postulat überwiesen > |
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass der Regierungsrat die Motion als Postulat übernehmen wolle.
> Begründung des Regierungsrats
Christine Gorrengourt (CVP) zöge es im Namen der CVP/BDP-Fraktion vor, an der Motion festzuhalten. Damit wird der Regierungsrat beauftragt, das geltende Bedarfsleistungssystem als Ganzes einer detaillierten Prüfung zu unterziehen und umfassende Reformen zur Harmonisierung und Koordination von bedarfsabhängigen Sozialleistungen einzuleiten. In der Begründung schreibt der Regierungsrat: «Entsprechend soll eine Grundanalyse im Sinne der Motion vorgenommen werden». Wird eine solche Grundanalyse gemacht, sind 3/4 des Jobs bereits erledigt. Dies eröffnet einen Handlungsspielraum, den man ausnutzen sollte. Wenn dies im Rahmen eines Postulats abgeklärt würde, stellt sich die Frage, ob die Abklärung vertieft genug vorgenommen wird. Die Votantin würde deshalb gerne hören, ob die Fraktionen eine Motion unterstützen würden, um eine Grundanalyse vornehmen zu lassen.
Oskar Kämpfer (SVP) hat in seinem vorherigen Votum bereits dargelegt, weshalb er sich bei diesem Thema so stark engagiert. Möchte man die Armut wirklich bekämpfen, bringt es nichts, Sozialleistungen koordinieren zu wollen. Es müssen vielmehr alle Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Betroffenen wieder einen Job haben, der ihnen ein anständiges Einkommen garantiert. Alles andere bekämpft die Armut nicht. Es hilft nur, wenn man sich wieder selber ernähren kann. Dort muss man den Hebel ansetzen. Mit einem besseren Verwalten von Sozialleistungen kommt man keinen Schritt weiter. Deshalb wird der Votant die Motion ablehnen.
Hilfe zur Selbsthilfe, findet Christof Hiltmann (FDP), sollte bei der Sozialhilfe eigentlich zuoberst stehen – ebenso bei der Koordination. Der Vorstoss hat genau das zum Ziel. Vermutlich haben alle, die ihn unterzeichnet haben, eine etwas andere Zielsetzung damit verbunden. Deshalb findet die FDP-Fraktion ein Postulat am sinnvollsten. Die Herausforderungen bei der Sozialhilfe sind sehr komplex, insbesondere bei jenen Elementen, die subjektfinanziert den Leuten es ermöglichen sollen, sich selbst zu helfen, oder wenn es darum geht, bei Notfällen einzuschreiten. Der Votant spricht hier auch aus der Erfahrung mit seiner Gemeinde Birsfelden, wo unlängst eine Reform unternommen wurde. Dabei wurden die Subjektfinanzierungen wie Mietzinszuschüsse oder Schulzahnklinikbeiträge einer Wirksamkeitsprüfung unterzogen und eruiert, ob diese auch sinnvoll angewendet werden. Dabei kam man zum Schluss, dass bei einigen Subjektfinanzierungen ein völliger Wildwuchs bezüglich Tarifierung herrscht – einmal wird die Sozialhilfe tangiert, einmal die EL, einmal geht es darum, dass die Leute nicht in Sozialhilfe abrutschen, einmal ist der untere Mittelstand betroffen etc. Es existiert also ein grosser Mischmasch an Zielsetzungen. Deshalb wäre eine Gesamtanalyse sehr hilfreich.
Der Votant kann, obschon er die Motion mitunterzeichnet hat, mit einem Postulat gut leben. Möglicherweise wurde in den einzelnen Forderungen etwas über das Ziel hinausgeschossen, z.B. bezüglich eines IT-Systems. Es geht aber darum, in einer Analyse des bestehenden Systems abzuklären, was man mit den Subjektfinanzierungen und Unterstützungen überhaupt bezweckt, ob die Zielsetzungen erreicht werden, ob sie aufeinander abgestimmt sind, ob es Allokationsprobleme und dergleichen gibt. Diese Übung wäre es Wert, anzugehen. Das Argument des hohen Aufwands gilt hier nicht; denn nichts ist so schlimm wie ein ineffizientes Unterstützungssystem, das dazu führt, dass die Leute nicht in den Arbeitsalltag integriert werden. Hier gibt es mit Sicherheit noch Optimierungsbedarf. Die FDP-Fraktion würde dazu Hand bieten, indem sie das Postulat überweist.
Regula Meschberger (SP) weist darauf hin, dass es in diesem Vorstoss nicht nur darum geht, Armut zu bekämpfen. Mit den erwähnten Systemen wird bis in den Mittelstand hinein unterstützt, z.B. damit garantiert ist, dass jedes Kind ein Instrument lernen kann oder zum Zahnarzt geht. Wie von Christof Hiltmann bereits angesprochen, gibt es in den Gemeinden und im Kanton ganz verschiedene Systeme, wie und wo Unterstützung geleistet wird. Es ist nur sinnvoll, dieses System einmal unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen, ob die Ziele damit wirklich erreicht werden und sie aufeinander abgestimmt sind.
Mit den Unterstützungen soll ein gewisser Lebensstandard ermöglicht werden, weshalb möglichst gleiche Voraussetzungen und Chancen gelten sollen. Die Bereitschaft des Regierungsrats, eine solche Grundanalyse vorzunehmen, ist sehr bedeutend. Regierungsrat Lauber hat zuvor darauf hingewiesen, dass diese Analyse auch ein wichtiges Instrument darstellt, um eine Strategie zur Bekämpfung der Armut zu entwickeln. Die SP-Fraktion würde ein Postulat einstimmig und eine Motion mit einer grossen Mehrheit unterstützen.
Marie-Theres Beeler (Grüne) führt aus, dass es in diesem Vorstoss – wie bereits von Christof Hiltmann dargelegt – darum geht, Schwelleneffekte zu vermeiden und die Effizienz der bestehenden Instrumente zu verbessern. Eine Mehrheit der Fraktion Grüne/EVP unterstützt den Vorstoss auch als Motion. Der Regierungsrat erklärt, weshalb er von einer Motion absieht, mit folgenden Worten: «Dies alles in ein Gesetz zu giessen ist sehr komplex». Es geht aber nicht darum, dass eine Motion alles in ein Gesetz giesst, sondern dass aufgrund von Erkenntnissen Revisionsvorschläge auf den Tisch kommen. Aus diesem Grunde hält die Mehrheit der Fraktion/EVP an der Motion fest.
Regierungsrat Anton Lauber (CVP) dankt Christof Hiltmann für sein Votum. Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht in der Tat darum, zu erreichen, dass jeder wieder wirtschaftlich selbständig sein kann. Alle Instrumente sind theoretisch auf dieses Ziel hin ausgerichtet. In seiner Stellungnahme zum vorherigen Traktandum hat der Votant viele dieser Aspekte aufgezählt (Arbeitsmarktmassnahmen, Wiedereingliederung etc.). Dies gibt es aber sowohl in der Gemeinde oder auf dem Sozialamt wie auch bei der IV und so weiter. Am Ende ergibt es ein riesiges Bündel an Massnahmen. Möchte man das Ziel möglichst effizient erreichen, wäre es angebracht, eine Koordination zu prüfen. Der Mehrwert wäre somit die Prüfung einer Wirksamkeit des heutigen Systems.
Grundsätzlich sollte dieser Vorstoss als Postulat überwiesen werden. Der Regierungsrat hat nicht vor, daraus Massnahmen vorzuschlagen, deren Umsetzung der Landrat beschliessen muss. Es geht vielmehr um eine Auslegeordnung in Form einer Strategie, um, darauf basierend, den Hebel mit weiteren konkreten Vorstössen ansetzen zu können.
Felix Keller (CVP) hat mit grossem Interesse die Diskussion verfolgt. Weil die Motionärin nicht mehr im Rat vertreten ist, unternimmt es der Votant, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln. Es hat sich gezeigt, dass ein Bedarf für eine Auslegeordnung gegeben und vorhanden ist. Es wäre deshalb sinnvoll, dies mit einem Postulat anzustossen. Anschliessend lassen sich die nächsten Schritte, darauf aufbauend, einleiten.
://: Der Landrat 2016/328 überweist das Postulat 2016/328 mit grossem Mehr.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei