Protokoll der Landratssitzung vom 9. Februar 2017
Nr. 1230 |
18 |
2016-358 vom 17. November 2016
Postulat von Andreas Bammatter, SP: Postschliessungen – Regierung ist in der Verantwortung - Beschluss des Landrates vom 26. Januar 2017: < abgesetzt > - Der Regierungsrat beantragt: Entgegennahme und Abschreibung (siehe Beilage) - Beschluss des Landrates vom 9. Februar 2017: < überwiesen und abgeschrieben > |
Postulat von Andreas Bammatter vom 17. November 2016: Postschliessungen – Regierung ist in der Verantwortung
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass die Regierung das Postulat entgegennehme und zur Abschreibung beantrage.
> Begründung des Regierungsrats
Andreas Bammatter (SP) stellt fest, dass die Zeichen der Zeit erkannt worden seien. Die Post braucht Veränderungen. Dies ist bewusst, sein Vater hat noch in der PTT seine Lehre absolviert. Der Service Public ist kein Wunschdenken, die Post gehört dazu. Mit dem Dorfladen, der ÖV-Anbindung erbringt die Post wichtige Zentrumsdienstleistungen. Der Kanton ist in der Pflicht, so oder so, sich positiv und proaktiv für die Region speziell im Baselbiet einzusetzen. Jetzt ist eingetroffen, was im Postulat befürchtet wurde. Die Post hat bekannt gemacht, wo sie aktiv werden will – schnell aktiv werden will. Die Gemeinden wehren sich jetzt nach dem Motto, wie es jetzt weltweit gilt: «Ich zerscht». Die Petitionen laufen. Der Kanton soll die Chance nutzen und als Brückenbauer auftreten, um so den Standort des Kantons Baselland stärken und bei der Versorgung der Regionen zu unterstützen. Der Regierung wird für die Entgegennahme des Postulats gedankt; der Landrat wird gebeten, das Postulat stehenzulassen, damit die Regierung eine Chance hat, sich aktiv in den Prozess einzumischen und so eine Beteiligung für eine gerechte Verteilung zu gewährleisten.
Linard Candreia (SP) sagt, die Antwort der Regierung sei nichts als ein Resümee über die Möglichkeiten der Gemeinden im Fall einer Poststellenschliessung. In der Antwort fehlt gänzlich die Rolle der Regierung, der Exekutive, in einer sehr wichtigen Frage, bei der es um viele Arbeitsplätze geht. Der Kanton soll in dieser Angelegenheit viel aktiver werden, eventuell die Koordination unter den Gemeinden übernehmen und das Beste herausholen. In der BZ vom 30. Januar steht, dass in Solothurn viele Poststellen geschlossen werden. Der Kanton führt dort Gespräche. Der Kanton darf, soll, und muss aktiv werden.
Marianne Hollinger (FDP) äussert sich zur Antwort der Regierung. Es wird eine klare Äusserung der Regierung erwartet, wie das Baselbiet mit Poststellen bestückt sein soll. Es ist Aufgabe der Gemeinden, sie nehmen ihre Verantwortung auch wahr. Die Post verändert sich wie alles andere auch aufgrund der technischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Der Service Public, den die Post am Ende doch ist, ist auch Thema der Regierung. Es ist ausserordentlich nötig und hilfreich für die Gemeinden, um ihre Arbeit erfolgreich zu machen, wenn der Kanton seine Vorstellung klar veröffentlicht. Die Post ist nicht nur für Privatpersonen wichtig, sondern für das lokale Gewerbe. Das lokale Gewerbe muss die Möglichkeit haben, grössere Aufträge mit der Post möglichst lokal abzuwickeln. Die Regierung soll sich aktiv im Sinn des Kantons äussern. Vor allem, damit der Kanton im nationalen Vergleich nicht schlechter behandelt wird als andere Regionen.
Markus Dudler (CVP) äussert sich im Namen der CVP/BDP-Fraktion, die mit Sorge den Abbau des Service Public durch die Post zur Kenntnis nimmt. Die Möglichkeiten sind in der Antwort der Regierung klar aufgezeigt. Die Fraktion ist zuversichtlich, dass sich der Regierungsrat bei der Post dafür einsetzt, dass der Kanton ein möglichst gutes Poststellennetz hat. Der Vorstoss soll abgeschrieben werden.
Jan Kirchmayr (SP) informiert, dass schweizweit 600 Poststellen von einer Schliessung gefährdet seien. Die Transparenz, welche Poststellen dies genau sind, wird vermisst. Es gibt Listen, wonach viele Poststellen im ganzen Baselbiet betroffen sind. Die Bevölkerung ist verängstigt und besorgt, ob es die eigene Poststelle ist. In gewissen Gemeinden wurden Agenturen eingeführt. Diese bringen oft nicht viel. Der Hausservice führt dazu, dass die Post erst am späten Nachmittag geliefert wird. Mit der Postulatsantwort zieht sich die Regierung aus der Affäre und schiebt die Verantwortung auf die Gemeinden ab. Es sollte im Interesse der Regierung sein, eine möglichst flächendeckende Abdeckung des Kantons mit Poststellen zu haben. Das ist im Interesse der Bevölkerung. Für Seniorinnen und Senioren ist es eine Zumutung, den langen Weg mit dem ÖV oder in Gehdistanz von 20 Minuten für die Abholung auf den Poststellen auf sich zu nehmen. Wie Marianne Hollinger sagte, ist es genauso im Interesse der KMU, dass es Poststellen und nicht Agenturen gibt. Es sind viele Arbeitsplätze im Kanton, die die Post stellt. Das Postulat soll nicht abgeschrieben werden.
Florence Brenzikofer (Grüne) erinnert daran, dass die Postchefin Susanne Ruoff im Herbst 2016 sagte, als die Post die Poststellenschliessung angekündigt hat, dass der Wandel dem Bedürfnis der Bevölkerung angepasst werden müsse. Dabei sagte sie, dass eng die Gespräche mit den Kantonen gesucht werden. Die Frage wurde im Zusammenhang mit der Schliessung der SBB-Schalter schon einmal gestellt. Dabei wurde sie von Regierungspräsident Thomas Weber auf die Debatte zur Poststellenschliessung vertröstet. Daher wird die Frage hier erneut gestellt: Haben diese Gespräche stattgefunden? Gibt es Überlegungen, die Koppelung der SBB-Knotenpunkte und die Schliessung von Poststellen zu diskutieren? Wenn heute überlegt wird, wo die Poststellen besucht werden ist es wichtig zu Fragen, wo die SBB-Knotenpunkte sind. Um eine Antwort wäre sie froh, wobei unklar ist, wer von der Regierung dies kann.
Peter Brodbeck (SVP) informiert, die SVP-Fraktion befürworte Überweisen und Abschreiben des Postulats. Die Fraktion stellt immer wieder fest, dass es ein zentral geführter Kanton ist. Es braucht mehr Autonomie für die Gemeinden. Hier gibt es diese Autonomie. Es wurde sauber aufgezeigt, dass die Gemeinden hier in der Pflicht sind, ihre Aufgabe wahrzunehmen und ihre Interessen für ihre Bevölkerung und ihr Gewerbe zu vertreten. Es wurde ebenfalls aufgezeigt, dass die Wege vorhanden sind. Die Fraktion ist der Meinung, dass sich der Kanton in diesem Fall zurückhalten darf. Es sei denn, die in der Beantwortung aufgezeigten Wege werden nicht eingehalten. Dann bräuchte es eine Intervention des Kantons, wenn die Gemeinden übergangen werden. So, wie es aufgezeigt wird, ist es Pflicht der Gemeinden, vorstellig zu werden und nicht Aufgabe des Kantons.
Marie-Theres Beeler (Grüne) verzichtet jetzt auf das Votum, damit Regierungsrat Anton Lauber die Frage von Florence Brenzikofer beantworten kann.
Linard Candreia (SP) ergänzt, gerade hier müsste der Kanton zentralistisch sein, sonst nicht. Zur Verdeutlichung der Dimensionen: In der BaZ steht, dass in den 86 Gemeinden 22 Poststellen stark gefährdet sind und zum Teil geschlossen werden. Hier braucht es eine strake Regierung.
Martin Rüegg (SP) sagt, seine Devise sei «das Eine tun und das Andere nicht lassen». Es ist richtig, dass sich möglichst alle betroffenen Gemeinden melden sollen. Sie werden dies auch tun. Wenn aber die Unterstützung der Regierung des Kantons auch kommt, hat es ein anderes Gewicht. In dieser Frage muss gemeinsam vorgegangen werden. Im Zentrum steht der Inhalt, worum es wirklich geht. Sekundär ist, wie das Ziel erreicht wird. Die betroffenen Gemeinden und die Regierung werden gebeten, beides zu machen und vorstellig zu werden.
Hansruedi Wirz (SVP) meint, veränderte Umstände brauchen veränderte Massnahmen. Es erinnert an die Läden im Dorf: wer ihn hat, braucht ihn nicht, sobald er schliesst, wollen ihn alle. Wenn nur einige Briefmarken auf der Post geholt werden, kann die Poststelle nicht überleben. In Reigoldswil wird die Poststelle geschlossen, dafür gibt es in einem Laden eine Agentur. Das ist eine sinnvolle Lösung und aus seiner Sicht eine Win-Win-Situation. Es gibt allenfalls eine höhere Frequentierung für den Laden, zugleich können die Bedürfnisse, die die Post erfüllen muss, dort abgewickelt werden. Es kann nicht etwas aufrechterhalten werden, wenn es nicht im vergangenen Ausmass genutzt wird. Jeder kann feststellen, wie oft er noch auf die Post geht. Es ist viel weniger als vor zehn Jahren, darauf muss man reagieren. Es muss angemessene Lösungen geben in den einzelnen Dörfern. In gewissen Orten wird eine gute Lösung gefunden, andernorts braucht es sie nicht mehr. Es soll nicht mit Gewalt erhalten bleiben, einfach um es zu erhalten.
Regierungsrat Anton Lauber (CVP) äussert sich in Stellvertretung von Regierungspräsident Thomas Weber. Die Frage von Florence Brenzikofer, ob die Gespräche stattgefunden haben, kann er nicht konkret beantworten. Das Anliegen wird dem Regierungspräsidenten weitergegeben, die Frage wird zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet. Als ehemaliger Präsident einer Gemeinde, die ebenfalls von einer Schliessung betroffen war, kann er sich zur Sache äussern. Es ist klar, dass die Kompetenz am Ende bei der Post liegt. Die Post entscheidet, es gibt aber ein Anhörungsrecht der Gemeinden. Es ist auf Bundesebene so geregelt. Zunächst ist daher die Gemeinde der Ansprechpartner.
Als in Allschwil eine Poststelle geschlossen wurde, wurde sie durch eine Agentur ersetzt. Diese können sich bewähren. Vielfach sind die Poststellen schwach frequentiert; dass man sie gerne hätte wird oft erst realisiert, wenn man kurz davor ist, sie zu verlieren. Das war in Allschwil ähnlich. Die Regierung – dies muss mit Regierungspräsident Thomas Weber noch besprochen werden – wird die Gemeinden gerne unterstützen in ihren Anliegen und auch in den Zielsetzungen für ein gutes Poststellennetz im Kanton. Es ist schwierig zu erkennen, wann der Kanton stark sein soll, wann nur begleitend und wann er sich zurücknehmen soll. Wenn die Unterstützung ein Anliegen ist, wird diesem Anliegen sicher nachgekommen.
Die Koppelung der SBB mit dem Poststellennetz ist ein neuer Aspekt und müsste mit Regierungspräsident Thomas Weber besprochen werden. Wer ist Ansprechpartner, wenn es um eine Post bei der SBB geht – ist es auch das Gemeinwesen oder wäre es der Kanton?
Marie-Theres Beeler (Grüne) sagt, die Fraktion sei angetan von der Aussicht, dass sich der Regierungsrat kreativ und kooperativ in der Angelegenheit engagiere. Es muss geschaut werden, wie geänderte Bedürfnisse in Bezug auf Leistungen, die in den letzten Jahrhunderten von der Post erbracht wurden, sinnvoll angeboten werden können. Wichtig ist auch, dass nicht jede einzelne Gemeinde befragt wird, wie sie es gerne hätte. Es gibt Zentren und Konsumverhalten von Personen. Es muss im Dialog mit den Akteuren betrachtet werden. Daher ist die Mehrheit der Grüne/EVP-Fraktion gegen die Abschreibung mit erwähntem Auftrag anzuschauen, wie der Prozess begleitet werden kann.
Andreas Bammatter (SP) fühlt sich bestärkt von Regierungsrat Anton Lauber: Die Regierung hat eine Funktion. Der Kanton soll Brückenbauer sein. Es ist Aufgabe der Gemeinden zu verhandeln, aber der Kanton kann die Regionen wohlwollend unterstützen, damit die regionale flächendeckende Versorgung so ist, wie sie z.B. in Allschwil ist. Allschwil als grösste Gemeinde des Baselbiets hat eine Poststelle und eine Agentur. Dies ist sinnvoll und notwendig. Die Einwohner der Gemeinde können in die Poststelle oder die Agentur gehen. Es ist ein Unterschied, wenn man nur auf eine Agentur gehen kann bzw. wenn noch eine Poststelle zur Verfügung steht. In diesem Sinn, dass Regierungsrat Anton Lauber mit Regierungspräsident Thomas Weber zusammensitzen möchte, wird der Landrat gebeten, das Postulat jetzt nicht abzuschreiben.
://: Das Postulat 2016/358 wird stillschweigend überwiesen und mit 42:35 Stimmen abgeschrieben.
Für das Protokoll:
Léonie Schwizer, Landeskanzlei