Protokoll der Landratssitzung vom 19. Oktober 2006

21
2006-198 vom 7. September 2006
Interpellation von Rita Bachmann, CVP: Life Sciences in Muttenz
- Schriftliche Antwort des Regierungsrates vom 12. September 2006
- Beschluss des Landrats am 19. Oktober 2006: < erledigt >


22
2006-212 vom 7. September 2006
Interpellation von Karl Willimann, SVP: Life Sciences in der Fachhochschule Muttenz - wurden der Landrat und das Baselbiet getäuscht?
- Schriftliche Antwort des Regierungsrates vom 12. September 2006
- Beschluss des Landrats am 19. Oktober 2006: < erledigt >



Nr. 2047 und Nr. 2048

Landratspräsidentin Elisabeth Schneider -Schneiter (CVP) macht beliebt, die Traktanden 21 und 22 gemeinsam zu beraten und kann sogleich feststellen, dass sich gegen eine Diskussion der Interpellationen kein Widerstand regt.


Christian Steiner (CVP) spricht im Namen der ferienabwesenden Interpellantin Rita Bachmann, die vorab für die prompte Beantwortung danken lässt. Aufgrund der neustens rund um die Thematik Life Sciences vorliegenden Informationen widerspiegelt der Bericht der Regierung leider nicht die aktuelle Lage. Mit Karl Willimann hat Christian Steiner vereinbart, dass er, der über die neuesten Informationen verfügt, sich nun zuerst zu Wort meldet.


Karl Willimann (SVP) wurde im Juli von Medien mit der unglaublichen Frage konfrontiert, ob er wisse, dass die Fachhochschule Nordwestschweiz nach Basel umziehe. Er habe bloss antworten können, dies dürfe nicht wahr sein, und wäre es wahr, käme es einem Skandal gleich.


Im Jahre 2005 wurde dem Landrat der Wegzug der Technik nach Windisch mit der sogenannten neuen "Perle" Life Sciences von Regierung und Fachhochschule schmackhaft gemacht. Im Rahmen dieses Prozesses gab es bösartige Auseinandersetzungen in den Medien, es wurde behauptet, was Karl Willimann nicht glauben wollte, der Kanton Basel-Landschaft sei bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen worden. Heute muss er mit Konsternation feststellen, dass wohl etwas dran ist, dass die Interpellationsbeantwortung zum Geschäft 2006/212 die ganze Angelegenheit relativiert und dass sich die Bildungsdirektion um eine klare Antwort drückt. Was vor einem Jahr versprochen wurde, gilt schon heute nicht mehr. Behauptet werden darf, dass der Rat, hätte er damals gewusst, was er heute weiss, dem Staatsvertrag nicht zugestimmt hätte.


Aus Zeitgründen seien bloss zwei Ziffern der Interpellationsbeantwortung besprochen: Auf die Frage, wie die Regierung die Lehraufbauplanung für Life Sciences beurteile, wenn Raum und Laborprobleme kurz vor dem Start des ersten Lehrganges bekannt würden, stellte die Leiterin des Bereichs Life Sciences mit Bezugnahme auf den Businessplan Seiten 20 und 21 klar, alles sei bestens in Muttenz - dies wohlgemerkt unter der Annahme eines Vollausbaus mit 520 Studierenden. Wird nun, fünf Monate vor dem Start des ersten Lehrganges bei etwa 120 Studierenden festgestellt, dass Labor- und Lehrräume fehlen, drängen sich zwei mögliche Antworten auf: Die Lehraufbauplanung war entweder miserabel oder aber, dem Landrat wurde vor einem Jahr nicht reiner Wein eingeschenkt. Heute ergibt sich die korrekte Antwort aus einem vertraulichen, internen Mail vom 7. 7. 06 der Fachdirektorin Life Sciences, Gerda Huber, an ausgewählte Mitarbeitende in Muttenz. Zitat:


Liebe Mitarbeitende der Hochschule Life Sciences


Wie sie gestern an der Mitarbeitersitzung vernommen haben, wird ein Teil der Hochschule für Life Sciences diesen Herbst und schlussendlich die ganze Hochschule im Jahr 2008 ins Rosentalareal in Basel-Stadt gehen. Ich bitte Sie nach aussen bei Anfragen wie folgt zu kommunizieren:......


Es folgen fünf Anweisungen, die das Ganze vertuschen sollen. (Bei Karl Willimann einsehbar.)


Die Angelegenheit verschönert sich nicht durch ein zugespieltes Dokument von Peter Schmid, das eine Sprachregelung zu diesem Vorgang bekannt gibt.


Dass sich heute beim Landrat Zweifel an der Integrität und Loyalität der Fachhochschulleitung Life Sciences in Muttenz regen, müsste sowohl für die Regierung wie für die Leitung der Fachhochschule verständlich sein. Damit sich die Sache nicht in der von der Fachhochschulleitung inszenierten Weise weiter entwickelt, wurde heute Morgen eine Motion eingereicht.


Christine Mangold (FDP) gibt ihren heute sehr schlechten Gefühlen Ausdruck, die sie überfallen, nachdem sie sich noch bis vor kurzer Zeit als Parlamentarierin intensiv für die Fachhochschule Nordwestschweiz eingesetzt hat.


Vor knapp einem Jahr bemerkte Regierungsrat Urs Wüthrich, der Kanton Aargau spreche im Zusammenhang mit Life Sciences von einer "Perle" der Fachhochschule Nordwestschweiz, während im Kanton Basel-Landschaft, der diese "Perle" erhalten soll, keine Freude aufkomme. Die Freude hat sich inzwischen durchaus eingestellt, denn man konnte vernehmen, der Fachbereich Life Sciences sei gut gestartet. So kann Christine Mangold die folgende Antwort des Regierungsrates auf die Interpellation unterstützen:


Der Regierungsrat hält fest, dass gegenwärtig von der Hochschule für Life Sciences und damit auch von deren Direktorin hervorragende Arbeit geleistet wird.


Die fachliche Kompetenz der Direktorin soll in keiner Weise in Frage gestellt werden. Zweifellos wurde mit Herzblut für einen hervorragenden Start des Fachbereichs Life Sciences gekämpft. Kann man aber mit gleichem Herzblut für den Standort Life Sciences im Kanton Basel-Landschaft kämpfen, wenn man die Ängste im eigenen Kanton nicht hautnah miterlebt hat? Schon vor einem Jahr stand diese Frage im Raum und nun flammte sie nach dem Zeitungsartikel vom 14. Juli verständlicherweise neu auf. Mit aller Deutlichkeit sei deshalb festgehalten: All jene, welche für die Gedankenspiele in den Medien verantwortlich sind, haben der Life Sciences-Direktorin keinen Gefallen erwiesen. Im November 2005 sagte Regierungsrat Urs Wüthrich, der Kanton Basel-Landschaft sei bereit für den neuen Fachbereich Life Sciences. Er nehme in Anspruch, dass alle zuständigen Stellen im Kanton, die Bau- und Umweltschutzdirektion, die Finanzdirektion und die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion alle Abklärungen termingerecht in Auftrag gegeben hätten, selber Abklärungen treffen würden, termingerecht Verhandlungen führten und in enger gegenseitiger Absprache die Interessen des Kantons vertreten würden. Liest man den als Gedankenspiel abgewerteten Zeitungsartikel, staunt man doch sehr. So stellt die Fachhochschulrätin Leuenberger im Artikel fest, aufgrund eines Grundsatzentscheides sei das Festhalten am Life Sciences Standort Muttenz wenig wahrscheinlich; Peter Meier-Abt meint: Ich weiss nicht, ob Baselland Freude hätte . Regierungsrat Urs Wüthrich soll bemerkt haben, er halte die Frage nicht für ein Tabuthema, und Regierungsrat Christoph Eymann möchte es den Baselbietern erleichtern, Life Sciences ziehen zu lassen.


Nach den schwierigen Diskussionen um die Fachhochschule Nordwestschweiz ist es für Christine Mangold unverständlich, wie unsensibel der Fachhochschulrat und Regierungsrat Urs Wüthrich mit der Thematik umgehen. Wird in der Beantwortung der Interpellation geschrieben, aus Sicht des Regierungsrates sei die Weiterabe von tendenziösen, nicht substanzierten Behauptungen in einer Interpellation ein problematischer Vorgang, so muss aus Sicht des Parlamentes, das die "Gedankenspiele" aus der Zeitung erfahren musste, erst recht von einem sehr problematischen Vorgang gesprochen werden. Alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sich damals für einen Beitritt zur Fachhochschule Nordwestschweiz stark gemacht und die eigenen Leute ermutigt haben, den Beitritt als Chance zu begreifen, müssen sich heute verschaukelt vorkommen. Das Schlimme daran: In Zukunft wird es schwieriger, für ähnliche Geschäfte Mehrheiten zu finden. Mit einem solchen Verhalten wird das Vertrauen wahrlich nicht gestärkt. Meint denn Regierungsrat Wüthrich tatsächlich, das Parlament hätte erst nach der Abänderung der Leistungsvereinbarung informiert werden sollen?


Wer die Angelegenheit als Bagatelle abtun, die Sache auf die leichte Schulter nehmen will, begeht einen grossen Fehler. Die Leute an den entscheidenden Positionen sollten endlich realisieren, dass ein derartiger Umgang mit seinen MitstreiterInnen der Sache nicht dienlich ist. Dem Kanton Basel-Landschaft wurde die Perle der Fachhochschule zugesichert, dass dieses Versprechen auch eingehalten wird, erwartet Christine Mangold von Regierungsrat Urs Wüthrich.


Sicherlich ein sehr schwieriges Unterfangen ist der Aufbau der Fachhochschule Nordwestschweiz, stellt Christoph Frommherz (Grüne) voran. Verschiedene Organisationen aus vier Kantonen müssen unter einem Dach zusammengeführt werden. Um gute Lösungen zu finden, muss Spielraum, sprich Vertrauen für die Handelnden vorhanden sein. Dieses Vertrauen fehlt den Interpellanten offenbar, sie schüren Ängste. Die von Karl Willimann vorgetragenen Informationen waren bisher nicht bekannt, sie müssen vorerst geprüft werden. Den Grünen geht es aber viel mehr darum, eine attraktive Fachhochschule in der Region zu verankern, ob das eine oder andere Institut in Basel oder im Kanton Basel-Landschaft unterrichtet, spielt weniger eine Rolle. Gäbe man den geschürten Ängsten nun nach, führte dies zu einer Einschränkung des Spielraums, den die Fachhochschule Nordwestschweiz benötigt.


Elsbeth Schmied (SP) begreift die emotionale Stimmung, die durch die - teilweise als Insiderinformationen zu bezeichnenden - Ausführungen von Karl Willimann aufgekommen ist, nicht. Zudem fragt sich angesichts der Darlegungen von Karl Willimann, wo da der Datenschutz geblieben ist. Mögen nun auch Emotionen geschürt werden, letztlich darf nicht vergessen werden, dass der Lead über Life Sciences bei Baselland bleibt. Den Lead über die Schule für Gestaltung hat der Kanton Basel-Stadt, der die Gebäulichkeiten auf Baselbieter Boden bauen wird.


Offiziell bekannt war bisher, dass aufgrund der hohen Anmeldezahlen Laborplätze in Basel gesucht werden mussten. Regierungsrat Urs Wüthrich wird um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten und die Kolleginnen und Kollegen sind aufgerufen, die Tatsachen emotionslos so zu nehmen, wie sie sind und zu Gunsten einer starken Fachhochschule Nordwestschweiz zu argumentieren.


Thomi Jourdan (EVP) hat im Protokoll der Landratsdebatte aus dem Jahre 2005 nachgelesen und dabei festgestellt, dass die Kritischen als Kleinkrämer und als "Schienbeingingger" gegen die Regierung diffamiert wurden. Der Verlust des Technikums wiege leicht gegenüber dem Gewinn der "Perle" Life Sciences, wurde vorausgesagt. Schon damals erwies sich die Diskussion als sehr emotional. Im grossen Vertrauen in die Fähigkeiten der Verantwortlichen stimmte der Landrat dem Vertrag zu. Damals kam gar die Angst auf, Muttenz könnte wegen eines möglichen Misserfolgs von Life Sciences auf leeren Räumlichkeiten sitzen bleiben. Nun aber drohen, wenn man den Ausführungen der Vorredner glauben darf, dass nämlich Life Sciences vollständig aus Muttenz verschwinden, viel grössere Probleme.


Die Frage, ob Muttenz oder Basel der korrekte Standort ist, stellt sich zur Zeit nicht. Im Raum steht vielmehr eine politische Frage. Komisch, um nicht zu sagen verschaukelt fühlt sich Tomi Jourdan als Volksvertreter, wenn er über die "Perle" sinniert, sie befürwortet und sich dann bewusst werden muss, dass die einzigen proaktiven Informationen aus irgendwelchen Mails stammen, die auf Hinterwegen zugeschoben werden. Warum müssen wir uns auf solche Mails berufen? Weil die proaktive Information auf all die Fragen, die schon lange unter den Nägeln brennen, fehlen. Man fühlt sich als Politiker, als Volksvertreter und - sorry - auch als Mensch nicht ernst genommen, wenn man sich durch die Hintertür informieren muss. Nur dank des nicht funktionierenden Datenschutzes ist die Regierung nun, Elsbeth Schmied, herausgefordert, endlich öffentlich Stellung zu beziehen. Ob der Lead bei Baselland bleibt, kann man im Moment nur glauben, nicht aber wissen. Letztlich geht es um das politische Klima und die Frage, ob die Regierung ihre Vertreter im Fachhochschulrat im Griff hat.


Bisher nicht beantwortet ist die Frage, ob das Baselbiet wirklich keine eigenen Lösungen bereit stellen kann, ob überhaupt geprüft wurde oder gewissen Vertretern schon heute egal ist, ob die Veranstaltungen hier oder dort stattfinden. Zumindest sollte allen Verantwortlichen klar sein, dass auch das Baselbiet ein wichtiger Pharmastandort ist. Auch das Baselbiet soll als starker Bildungskanton wahrgenommen werden. Bisher waren die Baselbieter stolz auf ihr gutes "Tech" in Muttenz, und künftig möchten sie stolz auf eine starke Life Sciences sein.


Philipp Schoch (Grüne) teilt die Auffassung, dass es für Landrätinnen und Landräte sehr unangenehm ist, wenn ihnen Informationen vorenthalten werden, wenn sie Informationen den Medien entnehmen müssen. Das Parlament verdient eine bessere Informationspolitik. Dass beim Aufbau eines heiklen Konstruktes wie der FHNW Probleme auftreten können, erstaunt nicht, dass aber bei auftretenden Problemen keine Informationen fliessen, gibt zu denken.


Trotzdem, die hochgehende Emotionalität ist unverständlich. Wichtig ist doch eine gute Ausstrahlung dieser Fachhochschule Nordwestschweiz in der Region, über die Region hinaus, vielleicht gar in die europäische Bildungslandschaft hinein. Der Life Sciences-Standort allein ist nicht der zentrale Punkt des Themas, wichtig ist, dass die Baselbieter ein aktiv mitmachender Part der FHNW sind. Ob der Standort im Laufental oder im Hafen Basel zu liegen kommt, ist Philipp Schoch ziemlich egal, Hauptsache, das Baselbiet ist mit dabei. Indem der Landrat dieses Theater um den Standort aufführt, tut er der FHNW keinen Gefallen.


Jürg Wiedemann (Grüne) hat das ominöse Mail kurz überflogen und dabei zwei drei etwas ungünstige Formulierungen festgestellt. Andererseits enthält der Text für die Standortfrage auch recht prägnante Aussagen. So steht, dass ein gewisser Teil von Life Sciences bis zur Realisierung des Neubaus als Provisorium nach Basel verlegt wird. Fragwürdig also, wenn man nun aus dem Mail punktuell ungünstige Formulierungen herausgreift, um Urs Wüthrich in die Ecke zu drängen.


Jürg Wiedemann ist überzeugt, dass Urs Wüthrich fundiert erklären kann, warum ein Teil von Life Sciences kurzfristig nach Basel umziehen muss. Der Landrat ist sehr darum gebeten, aus einer Kleinigkeit nicht einen riesigen Elefanten zu machen.


Wir reden nicht von einer Kleinigkeit, entgegnet Karl Willimann (SVP) Jürg Wiedemann. Vielmehr geht es um die sachliche Ebene der Hochschulplanung von vier Kantonen. Durchaus denkbar wäre es ja gewesen, wenn schon bei der Planung darauf hingewiesen worden wäre, Basel-Stadt biete aus labortechnischer Sicht beste Voraussetzungen für Life Sciences. Hier im Landrat aber wurde nicht diese, sondern die politische Ebene diskutiert, und dabei wurde dem Kanton Basel-Landschaft als Ersatz für die Technik Life Sciences versprochen. "Keine Geiss schleckt weg", dass Baselland, wäre dieses Versprechen nicht gegeben worden, den Staatsvertrag nicht unterschrieben hätte. Heute ist festzustellen, dass der Landrat hinters Licht geführt wurde. Ich lasse mich eben nicht gerne anlügen!


Nur sehr schwer kann Christian Steiner (CVP) die Beschwichtigungsversuche der SP und der Grünen verstehen. Es handelt sich wohl bloss um den Versuch parteipolitischer Schadensbegrenzung. Seit einem Monat steht das Gebilde Life Sciences in den Schlagzeilen, und nun ist ein erster Höhepunkt erreicht. Wenn nun die hochgelobte "Perle" schon wieder zu entschwinden droht, ist wirklich nicht verständlich, dass man so leicht darüber hinwegsehen soll. Christian Steiner fragt sich, ob der Fachhochschulverband die Technik nach Windisch transferieren und die Millionen wollte, um die Schule finanzieren zu können und dazu als Köder Life Sciences ausgeworfen hatte. Nun zeigt sich, dass kein Fisch angebissen hat, der blanke Haken aber im Wasser treibt.


Eugen Tanner (CVP) wehrt sich gegen den Vorwurf, der Landrat veranstalte wegen des Standortes ein Theater. Wer so etwas sagt, hat den Puck noch nicht gesehen. Richtig ist der Hinweis von Karl Willimann, dass damals im Rahmen der Verhandlungen über den Standort Life Sciences durchaus hätte diskutiert werden dürfen. Nichts derartiges fand indessen statt, es wurde klar gesagt, Baselland habe die Technik in Muttenz abzutreten und erhalte im Gegenzug die "Perle" Life Sciences. Im Vertrauen, dass dem so sei, stimmte der Landrat dem Vertrag zu. Dass sich der Landrat heute über den Tisch gezogen fühlt, darf niemanden überraschen.


Erinnert sei auch an die von der Finanzkommission zum Leistungsauftrag erteilten Aufträge - noch heute sind diese Aufträge nicht beantwortet. So darf es nicht weiter gehen!


Interessant ist, so stellt Ruedi Brassel (SP) fest, welche Rolle in der angelaufenen Debatte die Frage der regionalen und kantonalen Grenzen spielt. Wird gesagt, Life Sciences sei dem Baselbiet versprochen worden, so kann zurzeit tatsächlich nicht ausgemacht werden, wer dieses Fachgebiet dem Kanton Basel-Landschaft denn nun geraubt haben sollte. Zwar wird eine Regelung über die Grenze der Birs und des Rheins verschoben, doch bleibt die Zuständigkeit beim Baselbiet. Löst sich Baselland nicht von der gedanklichen territorialen Gefängnisstruktur, ist in der regionalen Zusammenarbeit kein Fortschritt zu erwarten. Im Dreispitz kommt auf Baselbieter Boden eine Institution zu stehen, die den Baslern versprochen wurde und Muttenz soll Standort der pädagogischen Hochschule werden, für die Basel zuständig ist. Weiterhin im alten, verkrusteten, territorialen Denken zu verharren, macht keinen Sinn. Das Baselbiet muss sich öffnen, denn gerade im Fach Life Sciences ist diese Öffnung Voraussetzung für Erfolg.


Der Entscheid für einen Standort muss letztlich auch in Berücksichtigung der Kostenfaktoren gefällt werden. Die Damen und Herren von der Gegenseite mögen sich beschwichtigen und den Wahlkampf - bitte sehr - über sinnvolle Themen führen.


Eva Chappuis (SP) räumt ein, den Puck und vieles andere mehr tatsächlich nicht immer zu sehen. Hier aber sieht sie eine dicke Grenze, und es wächst die Befürchtung, dass das Baselbiet bald schon Zölle einführt. In erster Linie sollte man jetzt den erfolgreichen Start der FHNW Life Sciences sehen. Bereits belegen derart viele Studierende das Fach, dass die Verantwortlichen auf Raumsuche gehen müssen. Sei der Landrat glücklich über das Kind, es scheint sich als "Perle" zu entwickeln. Zudem: Steuern zahlt die Fachhochschule am Standort nicht, geht er weg, so hat Baselland keinen Rappen Verlust. Die Studierenden bilden sich dann eben in der Stadt aus, wohnen aber vielleicht auf der Landschaft - Probleme sind keine erkennbar.


Der Vorwurf, die bürgerlichen Fraktionen nähmen das Thema zum Anlass, Wahlkampf zu betreiben, befremdet Christine Mangold (FDP). Wenn die Grünen damals Gespräche geführt haben mit den damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FHBB, so dürften sie sich an die Ängste und Sorgen der Fachhochschule wegen des Beitritts zur FHNW erinnern. Einer Ohrfeige an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachhochschule gleich kommt die Aussage, man solle aus einer Kleinigkeit keinen Elefanten machen.


Thomi Jourdan (EVP) erhält im Zusammenhang mit der von Ruedi Brassel aufgeworfenen Diskussion um Grenzen vor allem den Eindruck, die SP mache in Schadensbegrenzung, indem sie den bürgerlichen Parteien das Recht abspricht, sich nun komisch zu fühlen, obwohl doch letztlich der Landrat das Okay für diesen Staatsvertrag gegeben hat. Und: Die Schule für Gestaltung wird niemals, wie behauptet, dieselbe Strahlkraft haben wie der Life Sciences-Bereich.


Letztlich geht es weder um inhaltliche noch um Standortfragen, sondern darum, ob der Landrat im Rahmen der Vertragsverhandlungen getäuscht wurde. Sollte sich herausstellen, dass der Landrat getäuscht wurde, stellt sich die Frage, ob der Vertrag noch gültig sein kann. Die Grundlage, auf welcher das damalige Ja der bürgerlichen Parteien basierte, ist eine andere als die heutige. Ausgehend von der heutigen Faktenlage hätte der Staatsvertrag die Hürde des Parlamentes nicht genommen.


Auch in Zukunft wird der Landrat mit bildungspolitischen Fragen und dem Aufruf konfrontiert sein, Geldmittel ans Zentrum beizutragen. Nicht gerade vertrauensfördernd wirkt dabei, wenn immer wieder der Beweis erbracht wird, dass Abmachungen nicht eingehalten werden. Will sich der Kanton Basel-Landschaft für die Bildungsregion einsetzen, so ist ein ehrlicher gegenseitiger Umgang und eine proaktive Kommunikation gefordert.


Die Diskussion gemahnt Madeleine Göschke (Grüne) doch an eine ähnliche, in der Gesundheitskommission vor Kurzem geführte Debatte. Das Problem liegt bei der Informationspolitik. Welche Informationspolitik verfolgen eigentlich die Baselbieter Regierungsräte? Herrscht zuerst ein halbes Jahr lang Schweigen, so erfährt man plötzlich irgend etwas Wirres, nicht den Tatsachen Entsprechendes aus den Zeitungen. Bekanntlich aber sollte der Landrat als erster und aus erster Hand informiert werden. Man könnte dem Regierungsrat gar unterstellen, er betreibe absichtlich diese Informationspolitik, um die Emotionen hoch gehen und eine Wut über Basel aufkommen zu lassen.


Isaac Reber (Grüne) ruft in Erinnerung, dass die Zeit der kantonalen Fachhochschulen vorbei ist, neu geht es um die regionale Fachhochschule Nordwestschweiz. Dazu hat der Bund die Kantone gezwungen.


Erstaunlich auch, dass noch niemand die Perspektive der Auszubildenden angesprochen hat. Aus deren Sicht ist die Abschaffung der kantonalen Fachhochschulen und der Übergang zur Fachhochschule Nordwestschweiz zweifellos ein Fortschritt.


Röbi Ziegler (SP) teilt zur Frage, ob ein Fachgebiet, über das ein Kanton den Lead hat, auch örtlich an diesen Kanton gebunden ist, die Sichtweise der SP-FraktionssprecherInnen. Anders seine Haltung zur Frage der politischen Fairness: Sehr wohl möglich wäre es gewesen, dass der Landrat sein Einverständnis zur Unterzeichnung des Fachhochschulvertrages Nordwestschweiz nicht gegeben hätte, wenn er nicht mit der "Perle" am Standort Muttenz geködert worden wäre. Dies gilt es aus rein demokratischer und politischer Fairness einzugestehen.


Offen bleibt für Röbi Ziegler, warum der Fachhochschulrat nicht offensiver informiert hat. Wären die Informationen geflossen, hätte wohl niemand über eine Frage, wo beispielsweise Laborplätze angeboten werden sollen, eine grosse Geschichte gemacht. Der Verdacht der Vertuschung und der Verdacht, dass auch eine mittel- bis langfristige Planung für einen Wechsel des Standortes existiert, liegt deshalb nahe. Darüber sollte der Landrat heute Klarheit erhalten, um beurteilen zu können, ob etwas beziehungsweise was politisch unfair vonstatten ging.


RR Urs Wüthrich (SP) klärt vorab die etwas spezielle Ausgangslage der Fachhochschule Nordwestschweiz: Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor der Universität Basel ist ihre hohe Autonomie. Autonomie aber ist, für Regierungen und Parlamente gleichermassen, etwas Schwieriges. Staatsverträge bedeuten Kompetenzdelegation und Stärkung der Autonomie einzelner Institutionen, sie sind dann nicht mehr Abteilungen oder Dienststellen kantonaler Verwaltungen, weshalb sich auch die Rollen der Regierungen und der Parlamente ändern. Die politischen Instanzen erteilen den Leistungsauftrag, und der Hochschulrat hat dafür zu sorgen, dass dieser Auftrag umgesetzt wird.


Da bereits eine ausführliche schriftliche Antwort vorliegt, beschränkt sich der Bildungsdirektor in seinen mündlichen Ausführungen auf drei selbstkritische Feststellungen, auf drei Richtigstellungen und auf drei grundsätzliche Gedanken.


Zur Selbstkritik: Ich lehne mich bewusst nicht zurück und sage, schliesslich bin ich ja nicht Mitglied des Hochschulrates; vielmehr möchte ich versuchen, meine Verantwortung wahrzunehmen. Das von Karl Willimann besprochene Mail kenne ich übrigens seit gestern.


Unterschätzt habe ich, dass bereits die Aufforderung des Hochschulrates (formuliert Ende Juni 2006), die beiden Regierungen sollten mittelfristig alle Hochschulbereiche, also Universität, Fachhochschulen und ETH im Zusammenhang mit Life Sciences an einem Standort zusammenfassen, politisch derart brisant ist und zu einer intensiven öffentlichen Diskussion führt.


Weiter habe ich auch das Risiko unterschätzt, welche Dynamik und welche Spekulationen entstehen können, wenn so ein knapper Beschluss irgendwo in einem Newsletter auftaucht und wenn Informationen einzelner Mitarbeitender an Medien und Mitglieder des Parlamentes gelangen.


Drittens unterschätzte ich, wie stark am gemeinsamen Fachhochschulstandort beider Basel zwischen Muttenz und Basel unterschieden wird. Diese Grenze ist zwar ernst zu nehmen, spielt aber beispielsweise finanziell überhaupt keine Rolle.


Zu den Richtigstellungen:


Grundsätzliche Gedanken: Mit dem Staatsvertrag hat der Landrat ausdrücklich festgelegt, dass Basel-Stadt und Basel-Landschaft als ein Standort gelten. Auf die Finanzierungen haben, wie gesagt, Standortverschiebungen keine Auswirkungen, auch nicht auf die Vertretungen im Hochschulrat. Verschiebungen über den Jura sind für mich übrigens wesentlich bedeutungsvoller als Verschiebungen nördlich des Juras.


Das Horrorszenario, dass Life Sciences in Industriebrachen in Pratteln oder Muttenz gelehrt werden, findet mit Sicherheit nicht statt. Zudem wird in Muttenz garantiert gebaut und damit entsprechende Präsenz markiert.


Ein wesentlicher, für das Parlament vielleicht etwas schwer zu verstehender Gedanke betrifft die Konkurrenz: Konkurrenz findet nicht zwischen Gründenstrasse und Rosentalanlage statt, unsere Konkurrenz sitzt vielmehr in Wädenswil, in Lausanne, zunehmend auch in München und in Strasbourg.


Zur Raumfrage: Durch die Tatsache, dass die Fachhochschule Nordwestschweiz die Raumbewirtschaftung und Raumentwicklung professionalisiert hat, gewann die Raumdiskussion eine andere Qualität. Die Überlegungen zielen nun stark Richtung Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und Entwicklungsfähigkeit.


Zum Schluss: Obwohl ich die Kritik teilweise teile, will ich ganz entschieden feststellen, dass eine Hochschule, die nicht denkt, keine Perspektive haben kann. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass die Verantwortlichen der Hochschule für Life Sciences in Muttenz für einen ausserordentlich erfolgreichen Start gesorgt haben, für einen Start, der die Erwartungen deutlich übertrifft. Für diesen aus drei Gründen nicht ganz selbstverständlichen Erfolg ist danke zu sagen: Einerseits ist der finanzielle Rahmen für die Aufbauarbeit sehr, sehr eng gesteckt; zweitens wird Neuland betreten und drittens erweist es sich im Rahmen der Aufbauarbeit nicht als sehr einfach, wenn gewisse Leute, meist nicht die Leistungsträger, jedes Internum sofort hinausspielen.


Für positiv an der heutigen Diskussion halte ich die Überzeugung und die Hoffnung, dass das flammende Bekenntnis zu Gunsten der Fachhochschule für Life Sciences dann wieder zum Tragen kommt, wenn wir mit einem Investitionsantrag hier vor dem Landrat wieder antreten werden.


(Applaus)


://: Damit sind die Interpellationen 2006/198 und 2006/212 über Life Sciences erledigt.



Fortsetzung

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