Protokoll der Landratssitzung vom 8. September 2011

Nr. 40

Kommissionspräsident Philipp Schoch (Grüne) erinnert daran, dass die Fluglärmkommission (FLK) und deren Arbeitsweise schon mehrfach kritisiert worden seien. Deren Kritiker erwarten, dass sie sich mit diesem Problem anders als nur mit der «Verwaltung gewisser Statistiken» auseinandersetzt. Peter Bachmann als Präsident der FLK ist von der UEK als Referent eingeladen und von dieser auch befragt worden.


Nun liegt Bericht Nr. 10 vor, der Punkte erwähnt, die von der UEK schon oft kritisiert und deswegen teilweise angepasst worden sind, der aber gewisse, kritisierte Punkte auch nicht erwähnt. Nicht zuletzt diese Tatsache hat zur kritischen Haltung gegenüber der FLK geführt. Da die UEK die entsprechenden Fragen nicht unbeantwortet lassen wollte, sind von der UEK direkte Diskussionen mit der FLK geführt worden.


Jetzt geht es darum, den Bericht zu den Bemühungen für die Verminderung der Fluglärmbelastung vom letzten Jahr zur Kenntnis zu nehmen. Auch dieses Jahr geschieht dies erst im September, so dass nach wie vor die Hoffnung besteht, dass künftige Berichte vielleicht schneller erstellt werden, damit auch jeweils etwas früher über dieses Thema diskutiert werden kann.


Im Titel der Vorlage ist die Rede von der «Verminderung der Fluglärmbelastung». Genau dies ist der kritische Punkt: Die FLK muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den Fluglärm nur zu verwalten anstatt tatsächlich zu vermindern. Die UEK nimmt den Bericht mit 10:1 Stimmen bei 2 Enthaltungen zur Kenntnis.


Susanne Strub (SVP) erklärt namens ihrer Fraktion, diese wolle den Bericht zur Kenntnis nehmen. Erfreulich ist, dass die Passagierzahlen und der Frachtumsatz zugenommen haben.


Ein wichtiges Thema ist der Abschluss der Überprüfung der Betriebszeiten. Diese hat gezeigt, dass eine Verkürzung derselben unverhältnismässig hohe, volkswirtschaftliche Verluste bei gleichzeitig wenig Lärmentlastung bringt. Demgegenüber sollen die 4 vom Verwaltungsrat des EAP beschlossenen Lärmschutzmassnahmen so wie aufgeführt durch- und umgesetzt werden.


Thomas Bühler (SP) sieht in seinen einleitenden, grundsätzlichen Ausführungen zu den verschiedenen Geschäften betreffend EuroAirport Basel (EAP) die LandrätInnen verpflichtet, verschiedene Interessen zu berücksichtigen und wahrzunehmen. Einerseits muss die von Fluglärm betroffene Bevölkerung angehört werden, um entsprechend auf Lärmemissionen reagieren zu können. Anderseits ist der EAP auch als Wirtschaftsfaktor zu berücksichtigen. Der EAP ist unbestritten ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor für die Region, denn dort werden auch viele hochwertige Arbeitsplätze generiert. Diese gilt es nach Möglichkeit zu erhalten, weil viele dieser Arbeitnehmer auch aus Baselland kommen.


Das Mobilitätsbedürfnis ist gestiegen und wird wohl in den nächsten Jahren nicht abnehmen. Der Betrieb des EAP muss aber auf das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und die Lärmproblematik Rücksicht nehmen. Bei gewissen Fluglinien findet ein fragwürdiger Ausbau des Angebots zu Dumpingpreisen statt, und es stellt sich die Frage, ob die Wirtschaft in allen Fällen Just-in-time-Lieferungen durchführen können solle. Sind solche Zustände wirklich einfach hinzunehmen? Solche Fragen müssen gestellt werden, denn bekanntlich löst Flugverkehr Emissionen aus.


Die SP sagt Ja zum EAP und auch zu qualitativ nachhaltigem Wachstum. Sie sagt aber auch klar Nein zu ungeregeltem Wachstum auf Kosten der Wohnqualität und der Gesundheit der Bevölkerung. Die Politik ist gefordert: Sie muss Rahmenbedingungen setzen und nicht eine Laissez-faire-Strategie verfolgen. Darum verlangt die SP eine Nachtflugsperre, wie sie für den Flughafen Zürich gilt. Und eigentlich sollten alle europäischen Flughäfen die gleichen Rahmenbedingungen haben, damit nicht eine so starke Konkurrenz unter ihnen herrscht. Im Weiteren sollen für Charterflüge und besonders für laute (Fracht-) Flugzeuge strenge Regeln gelten, vor allem an Sonn- und Feiertagen. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten wie z.B. Nachtflugsperren oder Landegebühren.


Bis jetzt sind vom Verwaltungsrat des EAP zu wenig griffige und starke Massnahmen eingeführt worden. Dabei sind für ein nachhaltiges Wachstum zwingend vermehrt Flugzeuge mit neuster Technologie bzgl. Lärm und Verbrauch einzusetzen. Um dieses Ziel in nützlicher Frist zu erreichen, muss die Politik Druck auf den EAP machen, während dieser wiederum Druck auf die Fluggesellschaften ausüben muss, damit diese entsprechende Maschinen einsetzen.


Zu Traktandum 14: Die SP nimmt den Bericht zur Kenntnis. Dieser ist eine ausführliche Analyse auf der Basis des Berichts der FLK. Messungen müssen stattfinden, publiziert und hinterfragt werden. Die Bevölkerung erwartet, dass die Spielregeln eingehalten bzw. allenfalls Massnahmen ergriffen werden. Der Bericht 2010 ist diesmal zeitgerecht eingetroffen, und die Flugbewegungen und Lärmemissionen sind daraus ersichtlich. Hoffentlich kann heute auf der Basis der traktandierten Vorstösse ein Schritt vorwärts gemacht und Klarheit geschaffen werden.


Gemäss Thomas Schulte (FDP) werden von der FDP die 4 Massnahmen des EAP sehr befürwortet. Lärmschutz muss durchgesetzt werden, aber es müssen alle Aspekte gegeneinander abgewogen werden. Seine Fraktion nimmt den Bericht zur Kenntnis.


Auch für Elisabeth Augstburger (EVP) ist die Zunahme bei den betriebswirtschaftlichen Zahlen erfreulich. Positiv ist zudem, dass sich die Flughafenbehörde um Starts in Richtung Norden bemüht, wenn solche möglich sind. Damit sind weniger Menschen von Lärm betroffen. Zudem haben die Bewegungen zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr weiter abgenommen. Die Massnahmen des EAP (z.B. Erhöhung der Gebühren in sensiblen Nachtstunden oder das Verbot von lauten Flugzeugen) werden sehr begrüsst. Leider ist die Ost-West-Piste nicht optimal benutzbar, weil sie für bestimmte Flugzeugtypen zu kurz ist.


Ein Problem waren 2010 die Landungen mit ILS 33. Die Benutzungsvereinbarung ist zwar eingehalten worden, aber wegen entsprechender Windlagen war nichts anderes möglich. 2011 soll es besser werden. Der Anteil der Südlandungen soll möglichst gering gehalten werden, vor allem in den Randstunden. Die Daten des ILS 33 werden vom EAP publiziert, und die Benutzung von ILS 33 muss weiterhin gut beobachtet werden. Die FLK leistet gute Arbeit, aber die Bevölkerung muss mit entsprechenden Vertretern darin vertreten sein, um so ihre Meinung einbringen zu können.


Der EAP bietet viele Arbeitsplätze gerade auch für Lehrlinge an. Darum muss von den Beteiligten zwischen Lärmproblem und wirtschaftlicher Bedeutung des EAP ein Konsens gefunden werden. Die CVP/EVP-Fraktion nimmt den Bericht zur Kenntnis.


Laut Simon Trinkler (Grüne) ist das Fluglärmproblem nicht kleiner geworden, obwohl sich die entsprechende Kommission für weniger Lärm einsetzen sollte.


Die Nachtflüge auf Schweizer Seite zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr haben im Vergleich zu 2009 im Jahr 2010 massiv zugenommen. Die Schweizer Starts auf der Ost-West-Piste sind 2010 trotz einer Tarifsenkung auf einem Tiefststand angekommen, und die Lärmbelastung hat in den letzten 5 Jahren nicht abgenommen. Die Südlandungen haben in den letzten 18 Jahren von 2% auf 10% zugenommen, so dass in den entsprechenden Vororten der Lärm und das Risiko zugenommen haben.


Der Bericht der FLK ist «ein Stück weit tendenziös», denn der Fluglärmbericht ist von der Verwaltung und nicht von der FLK verfasst worden. Diese kann im Übrigen wegen ihrer aktuellen Zusammensetzung auch nicht ausgewogen berichten. Von 19 Mitgliedern sind 7 Personen Vertreter der Bevölkerung und von diesen gerade mal 2 aus dem Kanton Baselland. Im Bericht wird für den Bereich Lärm um den EAP die Abnahme der Südanflüge zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr gelobt. Aber die massive Zunahme der Flüge zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr wird im Bericht nicht explizit erwähnt. Da dafür von Seiten der Kommission keine Rüge an den EAP erfolgt, kann der Bericht nicht als ausgewogen bezeichnet werden. Auch wird nicht erwähnt, dass in Allschwil die Planungsgrenzwerte überschritten werden. Die FLK rechtfertigt also den Lärm und bringt keinen Mehrwert. Die Kommission hat im Übrigen auch nie einen Vorschlag eingereicht, der nicht ursprünglich vom EAP gekommen ist. Das zeigt, dass die Kommission unnötig ist. Er bittet den Landrat, den Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen, so, wie dies die Grünen grossmehrheitlich tun werden.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) erinnert Simon Trinkler daran, dass die FLK eine regierungsrätliche Kommission sei. Der Regierungsrat hat diese eingesetzt, weil er deren Bericht braucht - nicht, weil Simon Trinkler den Bericht nicht braucht.


Jedes Jahr berichtet die FLK ausführlich über das Thema Fluglärm. Die jährlichen Berichte wiederholen sich in einigen Teilen. Das wird auch kritisiert: Die Jahresberichte seien jedes Jahr die gleichen, und sie enthalten kaum Neues. Diese Kritik stimmt teilweise, aber nur teilweise: Die FLK kontrolliert, ob die Lärmschutzmassnahmen eingehalten werden, und die Kommission muss zu allen wichtigen Themen Stellung beziehen. Diese Arbeiten sind für die Regierung sehr wertvoll. Selbstverständlich ist es richtig, dass sich die Berichte teilweise wiederholen. Weshalb? Weil es eben relativ wenig Neues gibt.


Erstens blieb die Lärmbelastung in den vergangenen Jahren im Wesentlichen unverändert, was nicht erstaunlich ist, weil zweitens die Bewegungen und drittens die Flugrouten unverändert blieben. Viertens ist das aktuelle An- und Abflugregime bereits lärmoptimiert. Fünftens sind die Möglichkeiten, weitere Verbesserungen umzusetzen, sehr bescheiden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hat dazu unmissverständlich dargelegt, dass das Änderungspotenzial am EAP im Mikrobereich liege.


Natürlich gäbe es auch grundlegende Veränderungen, wie z.B. die Verkürzung der Betriebszeiten - nur muss man dann aufpassen, ob damit der Flughafen nicht gleich ganz geschlossen werden muss: Wenn man wesentlichste Rahmenbedingungen, d.h. die Betriebszeiten, einschränkt, dann ist es nur ein Lippenbekenntnis zu betonen, wie wichtig der EAP sei. Die FLK nimmt immer Stellung zu allen Fragen, wie es auch ihr Auftrag ist, den sie vom Regierungsrat erhalten hat. Die Kommission wird die Kritik aufnehmen, das Konzept überprüfen und den Bericht kürzen. Man kann sich fragen, ob es sinnvoll ist, dass die Lärmschutzkommission jedes Mal Bericht erstattet und dieser dem Landrat vorgelegt wird. Der Bericht könnte ja auch z.B. nur dann vorgelegt werden, wenn etwas Neues drin steht bzw. wenn es wirklich etwas zu berichten gibt. Der Grund für die jährliche Berichterstattung ist aber ein Beschluss des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt. Der Grosse Rat wünscht ausdrücklich eine jährliche Berichterstattung zum Fluglärm.


Zum Bericht selber: Im vergangenen Jahren gab es weniger als 80'000 Flugbewegungen. Die Bewegungen waren auf dem zweittiefsten Stand seit 15 Jahren. Im Jahr 2000 waren es noch 120'000. Deshalb ist auch die Fluglärmbelastung nach wie vor deutlich tiefer als vor rund 10 Jahren. Damals hat es aber noch weniger Beschwerden gegeben - wahrscheinlich, weil Computer und Internet noch nicht so verbreitet wie heute gewesen sind. Ein weiterer Grund für die abnehmende Fluglärmbelastung ist, dass die Flugzeuge immer leiser werden. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Die nächste Flugzeuggeneration wird nochmals spürbar leiser sein als die heutige.


Die besonderen Schutzmassnahmen für die Schweiz werden nach wie vor eingehalten:


Die Zivilluftfahrtbehörden bestätigen, dass die Nutzungsbeschränkungen gemäss ILS 33-Abkommen eingehalten wurden. Die Zivilluftfahrtbehörden haben zudem weitere Optimierungsmassnahmen umgesetzt, damit die Anzahl der Südlandungen möglichst tief bleibt. So unbefriedigend die relativ hohe ILS 33-Quote auch ist, muss man festhalten, dass der Fluglärm des ILS 33 relativ gering ist. Dies zeigen die Lärmmessungen deutlich. Der Fluglärm des ILS 33 liegt deutlich unter allen Grenzwerten der Lärmschutzverordnung. Und wenn eine Lärmschutzverordnung des Bundes vorhanden ist, dann gelten deren Werte, denn das Empfinden von Lärm ist ja etwas sehr individuelles.


Der Landrat mag bitte auch beachten, von welcher Lärmintensität die Rede ist. Im Kanton sind viel mehr EinwohnerInnen von Strassen- und Schienenlärm betroffen als vom Fluglärm - die Autobahn wird nicht um 22.00 Uhr geschlossen, und auch die SBB fahren noch nach 23.00 Uhr. Im Vergleich zu Zürich ist der hiesige Fluglärm gering: Rund um Zürich-Kloten leben über 73'000 Personen mit einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts. In Baselland gibt es keine einzige Person, die mit einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte leben muss. In Frankreich sieht das etwas anders aus.


Trotzdem ist es selbstverständlich, dass sich der Regierungsrat weiterhin zusammen mit dem EAP und den Fachleuten darum bemüht, dass die Lärmbelastung möglichst gering ist. Aber: Lärm gehört wie die Steuern zum Preis der Zivilisation.


Für Hanspeter Weibel (SVP) hat sich beim Vergleich der Fluglärmbelastung im Jahr 2000 und jetzt sehr wohl etwas geändert: 2007 hat sich das Anflugregime geändert! Seither werden 70'000 Menschen in Baselland neu von Fluglärm belästigt. Die Zunahme der Klagen über Lärm ist nicht auf die Zunahme von Computern in Privathaushalten zurückzuführen, sondern auf die Umstellung im Dezember 2007.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) ruft die grosse Diskussion vor ein paar Jahren in Erinnerung, in der eine bessere Verteilung des Fluglärms gefordert worden ist. Er selbst war immer gegen eine bessere Verteilung des Lärm. Die Reklamationen zeigen, dass das Verteilen keine gute Lösung war, weil diejenigen, die weniger Lärm erdulden müssen, nicht so laut danke sagen wie jene, die plötzlich auch einen gewissen Lärm ertragen müssen.


://: Der Bericht der Fluglärmkommission der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft wird mit 67:8 Stimmen bei 2 Enthaltungen zur Kenntnis genommen.[ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Michael Engesser, Landeskanzlei



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