Protokoll der Landratssitzung vom 6. April 2017
Nr. 1367 |
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[1. Lesung]
2015-068 vom 10. Februar 2015 Vorlage: Teilrevision des Gemeindegesetzes - Bericht der Finanzkommission vom 13. August 2015 - Beschluss des Landrats vom 27. August 2015: < Rückstellung beschlossen > - Bericht der Justiz- und Sicherheitskommission vom 24. März 2017 2016-136 vom 17. Mai 2016 |
Kommissionspräsident Andreas Dürr (FDP) erläutert, es gehe um eine sehr technische Materie. Sie wird nur selten zur Anwendung kommen, ist in diesen Momenten aber jeweils von gewisser Aufregung begleitet. Die Ausgangslage der beiden Vorlagen war eine grössere Aufregung: Es ging jeweils um die Einführung einer ausserordentlichen Gemeindeorganisation, nämlich die Gemeindeversammlung durch den Einwohnerrat abzulösen. Die Gemeindeversammlung hat es jeweils abgelehnt, sich selbst abzulösen, und gegen negative Gemeindeversammlungsbeschlüsse ist kein Referendum möglich. Die Gemeindeversammlung hat also diesbezüglich das letzte Wort.
Regular Meschberger hat zur Umgehung dieses Malheurs eine Motion eingereicht, wonach es in dieser Frage zu einer Volksabstimmung kommen soll. Der Vorstoss wurde überwiesen und dann sozusagen überholt durch die Überweisung der Motion von Christine Koch zur generellen Einführung des Initiativrechts in Gemeinden mit einer Gemeindeversammlung. Man beschloss eine Zusammenlegung. Obwohl das Gemeindegesetz bei der FKD angesiedelt ist, wurden die Vorlagen an die JSK überwiesen, welche die Aufgabe mit Freude aufnahm und sich durch den «Dschungel» des Gemeindegesetzes durchkämpfte. Schliesslich konnte die Vorlage einstimmig verabschiedet werden. Die wesentlichen Punkte:
Man war sich einig, dass es zu einer Urnenabstimmung kommen muss. Die Einführung eines Einwohnerrats und die Änderung der Gemeindeordnung von Gemeinden mit Gemeindeversammlung zur Zulassung der Initiative in ihrer Gemeinde wurden parallel behandelt. Im Gegensatz zum Vorschlag des Regierungsrats war die JSK der Meinung, dass es dem Stimmbürger auch möglich sein muss, sich mit einer unformulierten Initiative für einen Einwohnerrat auszusprechen. Diese Idee wurde eingebaut und die Gemeindeversammlung wurde in diesem Verfahren ein wenig wie ein Landrat behandelt. Sie muss die Einführungsinitiative gutheissen und überweisen, danach muss ein Vorschlag des Gemeinderats kommen, und es wird nochmals darüber abgestimmt. Zwingend kommt es am Schluss zur Urnenabstimmung.
Von einer gewissen Tragweite ist auch der Punkt Unvereinbarkeit. Es sollte Klarheit geschaffen werden, indem zukünftig alle Gemeindeangestellten – Gemeindelehrkräfte, SozialarbeiterInnen etc. – nicht mehr im Gemeinderat ihrer Wohngemeinde Einsitz nehmen dürfen. Eine institutionelle Unvereinbarkeit wurde beschlossen, um nicht immer wieder die Einzelfallfrage der Ausstandspflicht behandeln zu müssen. Ab jetzt ist es relativ einfach und klar, dass jemand, der von der Gemeinde angestellt ist, nicht auch noch im Gemeinderat sitzt. Die sogenannte Brunnmeisterklausel (Nebenbeschäftigung) spielt nicht. Vorsicht auch bei der Bestimmung in § 9: Ein Teilzeitlehrer ist kein nebenbeschäftigter Lehrer.
Einige Dinge wurden redaktionell bereinigt, damit soll der Landrat aber nicht gelangweilt werden. Das gemeindegesetz ist nicht einfach und die JSK ist froh, dass sie von Daniel Schwörer sanft durch den Dschungel geführt wurde. An dieser Stelle sei Daniel Schwörer herzlich gedankt für die fachkundige Beratung, auch wenn ihm die JSK mit der nicht formulierten Initiative ein wenig in die Parade gefahren ist. Die JSK war sich mit 13:0 Stimmen einig. Andreas Dürr bittet das Kollegium, dem Kommissionsantrag zuzustimmen.
– Eintretensdebatte
Jacqueline Wunderer (SVP) bedankt sich einmal mehr beim Kommissionspräsidenten dafür, alles auf den Punkt gebracht zu haben. Nach guten Diskussionen hat die JSK eine Einstimmigkeit erzielt. Somit wird die SVP geschlossen den Änderungsanträgen zustimmen.
Der Kommissionspräsident habe es verstanden aufzuzeigen, worum es gehe sowie die Spannungsfelder und Diskussionen in der Kommission abzubilden, so Bianca Maag-Streit (SP). Die Einführung eines Einwohnerrats in einer Gemeinde ist eine wichtige Veränderung. Die SP-Fraktion ist klar der Ansicht, dass zu einem derart weitreichenden Wechsel in einer Gemeindeorganisation der Souverän befragt werden sollte respektive eine Urnenabstimmung durchzuführen ist. Allein der Beschluss der Gemeindeversammlung reicht dafür nicht aus. Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, den politischen Willen auszudrücken. Das ausgeführte Thema der unformulierten Initiative soll klar den Wunsch nach einem Gemeindeparlament aufzeigen, welches die Details des Bevölkerungswunsches ausarbeiten kann, der anschliessend beschlussfähig ist. Die SP-Fraktion ist mit allen Änderungen betreffend § 49 einverstanden. Allen redaktionellen Änderungen und anderen Anpassungen stimmt die Fraktion zu, mit Ausnahme von § 9 zum Thema Lehrkräfte. Die Diskussion des Themas zeigte, dass die Mehrheit der Fraktion das bisherige Recht, welches eine Wählbarkeit der Lehrpersonen in den Gemeinderat vorsieht, so belassen möchte. Die Lehrpersonen sind nicht dem Gemeinderat unterstellt sondern dem Schulrat, und die Wählbarkeit soll möglichst nicht eingeschränkt werden. Das Volk soll entscheiden können, wer in den Gemeinderat gewählt werden soll und wer nicht.
Es gibt in jedem Gemeinderat Ausstandsregelungen und auch Interessenkonflikte, sei es bei Gewerbetreibenden, die Aufträge in der gleichen Gemeinde übernehmen könnten. Auch das ist in einem Gemeinderat geregelt und bei Schulfragen könnte auch eine Lehrperson in Ausstand treten: Es gibt also keinen Grund, warum eine Lehrperson nicht in den Gemeinderat gewählt werden soll. Die SP wird dazu einen Antrag stellen.
Marc Schinzel (FDP) informiert, die FDP-Fraktion sei fast geschlossen für die geänderte Gesetzesrevision. Es ist richtig, dass die Einführung einer ausserordentlichen Gemeindeorganisation (Einwohnerrat) zwingend dem Volk unterbreitet werden muss. Ebenso richtig ist es, dass die Unvereinbarkeitsregelung ausgedehnt wird und die Gemeindeangestellten nicht mehr länger in Kontrollorgane der eigenen Wohngemeinde gewählt werden können.
Sara Fritz (EVP) dankt dem Kommissionspräsidenten für die Zusammenfassung. Als Birsfelderin ist sie froh über die Regelung, damit sich ein derartiger Fall nicht mehr wiederholen kann. Dankbar ist sie auch, dass es weiterhin möglich sein wird, mit einer nichtformulierten Initiative die Einführung eines Einwohnerrats zu fordern. Sie wäre froh um eine Synopse zum Kommissionsbericht gewesen, damit Änderungen genau nachvollziehbar wären. Hilfreich wäre es, bittet sie, allen Landratsmitgliedern eine Synopse zuhanden 2. Lesung vor dem nächsten Landratstag zuzusenden.
Béatrix von Sury d'Aspremont (CVP) und die CVP/bdp-Fraktion schliessen sich klar der Meinung an, dass das Initiativrecht für Einwohnergemeinden mit Gemeindeversammlung, die es bisher nicht kannten, verankert werden kann, d.h. die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, dies zu tun, um die Gemeindeautonomie zu respektieren. Wichtig ist es auch, dass es im Falle einer Initiative nachher einen Urnenbeschluss geben muss, damit eine rechtsgültige Initiative nicht einfach von einer Gemeindeversammlung abgeschossen werden kann. Der Punkt der Unvereinbarkeit bei den Lehrpersonen wurde in der Fraktion wesentlich kontroverser diskutiert. Grossmehrheitlich schliesst sich jedoch die CVP/glp der als klar und sauber erachteten Lösung mit der Unvereinbarkeit an. Es ist nicht nachvollziehbar warum Lehrpersonen einen Sonderstatus haben sollen. Alle Gemeindeangestellten sollen mit gleich langen Spiessen behandelt werden.
Regula Steinemann (glp) und die glp sind erfreut über das Ergebnis der Kommission, insbesondere darüber, dass das Begehren einer unformulierten Initiative auch so noch möglich ist. Andreas Dürr sei nochmals gedankt für sein geschicktes Durchmanövrieren der Kommission durch die Vorlage. Grundsätzlich ist die glp für die Ausdehnung der Unvereinbarkeitsregelung, gewisse Exponenten haben aber grosse Sympathien für den Antrag von Bianca Maag und werden ihn wohl teilweise unterstützen.
Thomas Bühler (SP) gibt bekannt, dass von Seiten SP-Fraktion bein der Gesetzeslesung ein Antrag zu §9 eingebracht werden wird.
Marianne Hollinger (FDP) hält als Einzelsprecherin ein Plädoyer für die Gemeindeversammlungen, den eigentlichen Ursprung der direkten Demokratie. Nun sei zu hören, dass diese bei wichtigen Angelegenheiten nicht bestimmen könne. Oder die Gemeindeversammlung reguliere sich nicht selbst weg. Wer ist aber die Gemeindeversammlung? Es ist die Stimmbevölkerung! Jeder Stimmberechtigte der Gemeinde kann teilnehmen. Wenn es um wichtige Angelegenheiten geht, kommen die Leute zur Gemeindeversammlung. In Aesch kamen einmal 1'200 Personen. Wenn alle, die einen Einwohnerrat wollen, an die Gemeindeversammlung kommen, dann gibt es einen Einwohnerrat, und es braucht keine Sonderregelung. Es ist bedenklich, wenn gesagt wird, nur eine Gemeindeversammlung könne nicht beschliessen: Es sind die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die anschliessend an der Urne entscheiden. Die Gemeindeversammlung kann nicht bei gewissen Geschäften für zu blöd dargestellt werden. Sie ist der Souverän und das Stimmvolk. Vertrauen wir dem Stimmvolk! Wenn die Gemeindeversammlung zustimmt, gibt es eine Änderung der Gemeindeordnung und es kommt immer zur Urnenabstimmung; der Einwohnerrat wird also nie allein durch die Gemeindeversammlung eingeführt.
Wenn aber die Gemeindeversammlung nicht zustimmt, so gibt es keinen Einwohnerrat. Dann sind die, die den Einwohnerrat wollen, nicht gekommen und damit auch ein wenig selbst schuld an der Ablehnung. Wegen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die nicht zur Gemeindeversammlung kommen, sollte nicht das Gesetz geändert werden. Das ist der völlig falsche Weg. Sie bittet, nochmals über die Bücher zu gehen – auch ihre eigene Fraktion ruft sie dazu auf. Die restlichen Gesetzesänderungen begrüsst die Landrätin.
Regula Meschberger (SP) findet die Argumentation ihrer Vorrednerin etwas seltsam. Mit keinem Wort sei von irgend jemandem gesagt worden, eine Gemeindeversammlung sei unfähig oder bestehe aus unfähigen Leuten. Das wäre eine absolute Unterstellung. Vielmehr geht es darum, dass die ganze Stimmbevölkerung die Möglichkeit zur Stellungnahme haben soll. Denn nicht alle Leute können an die Gemeindeversammlung gehen. Viele Personen können aus beruflichen oder familiären Gründen nicht an der Gemeindeversammlung teilnehmen. Es ist ein faules Argument zu sagen, wer nicht kommt, hat selber Schuld. So funktioniert das Staatswesen nicht. Aber an der Urne können alle ihre Stimme abgeben. Es ist doch nicht mehr als richtig, wenn eine Volksinitiative – wird sie nicht zurückgezogen – eine Urnenabstimmung zur Folge hat. Das ist nicht mehr als selbstverständlich im Kanton. Warum nicht auch in der Gemeinde?
Auch kann es nicht sein, dass bei einem derart wichtigen Thema wie der Gemeindeorganisation ein prinzipielles Ja oder Nein notwendig ist. Und das Ja oder Nein soll von der Stimmbevölkerung kommen und nicht von der Gemeindeversammlung allein.
– 1. Lesung Gemeindegesetz
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) bittet um Aufmerksamkeit, damit die richtigen Anträge zum richtigen Zeitpunkt kommen.
Titel und Ingress keine Wortbegehren
I.
§ 9
Thomas Bühler (SP) stellt im Namen der Mehrheit der SP-Fraktion folgenden Antrag:
Absatz 1: Wiedereinfügung von «mit Ausnahme der Lehrpersonen».
In unserem Rechtsstaat, unserem Kanton sollten sich möglichst viele Leute an einer Entscheidung beteiligen können, aber auch in den entsprechenden (Gemeinde-) Gremien. Es ist wichtig, dass nur dort Unvereinbarkeitsregeln eingeführt werden, wo es zwingend nötig ist. Hier ist es nicht nötig. Als Primarlehrperson ist er retrospektiv betroffen. Er war 14½ Jahre lang Gemeinderat und wurde bei vier Wahlgängen von der Bevölkerung gewählt. Es hat keine Probleme in Lausen gegeben. Selbstverständlich ist er teilweise in Ausstand getreten. Im Unterschied zu den übrigen Gemeindeangestellten sind die Lehrpersonen nicht dem Gemeinderat unterstellt, sondern dem Schulrat. Der Schulrat definiert aufgrund kantonaler Richtlinien die Anstellungsbedingungen, er wählt die Primarlehrpersonen oder kann sie wieder abwählen. Er hat direkten Zugriff via Schulleitungen auf das Personal der Primarschulen und Kindergärten. Diese Regelung hat sich in der Vergangenheit bewährt und sie sollte nicht ohne Not nicht geändert werden. Es ist ein konservativer Antrag. Er plädiert für Beibehaltung der bisherigen Lösung und Wiedereinfügung von «mit Ausnahme der Lehrpersonen» unter § 9 Absatz 1.
://: Der Landrat lehnt den Antrag mit 26:45 Stimmen bei acht Enthaltungen ab.
§§ 12a - 46b keine Wortbegehren
§ 47a Initiativrecht
Peter Riebli (SVP) hat folgende Verständnisfrage: Was ist der Unterschied zwischen dem Initiativrecht, das die Gemeinden einführen können und dem jetzt nach § 68 Gemeindegesetz bestehenden so genannten selbständigen Antrag, der an einer Gemeindeversammlung gestellt werden kann, ausser dass es bei der Initiative ein paar Unterschriften braucht, damit sie eingereicht werden kann, ein selbständiger Antrag aber von einer Einzelperson gestellt werden kann.
Kommissionspräsident Andreas Dürr (FDP) fragt nach, ob der Fragesteller § 68 als Substitution der Initiative sehe.
Das Gemeindegesetz hält fest, dass jeder Bürger an der Gemeindeversammlung einen selbständigen Antrag stellen kann, wiederholt Peter Riebli (SVP). Der Gemeinderat muss diesen aufnehmen, kann eine Eintretensdebatte machen und muss dann mit einem entsprechenden Vorschlag zurückkommen. Er sieht den Unterschied zwischen diesem selbständigen Antrag, der schon heute möglich ist und der Einführung des möglichen Initiativrechts nicht.
Kommissionspräsident Andreas Dürr (FDP) führt aus, dass sich § 68 grundsätzlich auf jeden Antrag bezieht, den ein Stimmbürger in der Gemeindeversammlung machen kann. Wird dieser nicht für erheblich erklärt, so ist fertig. Das Recht auf Volksinitiative führt dazu, dass dann darüber abgestimmt werden kann, auch wenn die Gemeindeversammlung dagegen ist. Wenn es gemäss § 68 einen Negativentscheid gibt, ist kein Referendum dagegen möglich, da die Rechtsordnung nicht geändert wurde.
§§ 49 - 49c keine Wortbegehren
§ 49d
Marianne Hollinger (FDP) wird ihren Antrag auf die nächste Sitzung ausformulieren und an der zweiten Lesung stellen. Der Inhalt ist bekannt.
§§ 54a - 185a keine Wortbegehren
II.-IV. keine Wortbegehren
://: Damit ist die erste Lesung abgeschlossen.
Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei