Protokoll der Landratssitzung vom 6. April 2017
Nr. 1394 |
28 |
2017-046 vom 26. Januar 2017
Postulat der Umweltschutz- und Energiekommission des Landrats: Bewilligungsverfahren für Windkraftanlagen regeln - Der Regierungsrat beantragt: Entgegennahme - Beschluss des Landrates vom 6. April 2017: < überwiesen > |
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass der Regierungsrat das Postulat entgegen nehme.
Andi Trüssel (SVP) ist mit der SVP-Fraktion dezidiert der Meinung, dass man den Vorstoss nicht überweisen solle. Es gibt schon heute bei den LSV-Gutachten mit ISO 9613-2 eine Norm, die unter den Fachleuten klar als nicht richtig gilt, um Anlagen auf Schallemissionen zu berechnen. Nun möchte man das Bewilligungsverfahren noch beschleunigen. Am Schluss werden diese einzeln in Lausanne abgehandelt, was nicht im Sinne der Sache ist. Deswegen hat der Votant eine Motion eingereicht, die heute Nachmittag allenfalls noch behandelt werden kann. Damit soll geschaut werden, wie sich das rechtens und gesetzmässig regeln lässt.
Christoph Buser (FDP) sagt, dass die Kommission mit diesem Vorstoss auf ein Vorkommnis rund um den Windpark auf dem Schleifenberg reagiert hatte. Die Meinung ist: Möchte man dies nicht, ist ein anderer Weg zu wählen als via Bewilligungsverfahren. Probleme beim Bewilligungsverfahren mussten bereits beim Kleinwasserkraftwerk Zwingen festgestellt werden – und nun auch bei den Windanlagen. Die Kommission hat allerdings nicht gut daran getan, ihr Anliegen nur auf den Wind zu beschränken. Eigentlich geht es grundsätzlich um das Bewilligungsverfahren, das stimmen muss. Kommt man dann politisch zum Schluss, dass man dies nicht möchte, lässt sich entsprechend entscheiden. Es darf aber nicht sein, dass Unterlagen in der Verwaltung so lange hängen bleiben, bis am Schluss ein Kantonsgericht sagt, dass es nicht aufeinander abgestimmt sei. Deshalb der Versuch, Klarheit rund um das Bewilligungsverfahren zu schaffen.
In der FDP wurde das Postulat sehr kontrovers diskutiert. Berechtigterweise wurde hauptsächlich moniert, weshalb der Fokus auf den Wind gelegt wird. Später wird zudem ein Vorstoss von Andi Trüssel behandelt werden, bei dem auf Abstandsregelungen eingegangen wird. Die Mehrheit der FDP meint, dass es nicht am Verfahren scheitern soll. Die Meinungen über die Sinnhaftigkeit dieser Art von Stromproduktion gehen aber ohnehin auseinander. Auch bezüglich der Überweisung wird die FDP ein gemischtes Bild abgeben.
Christine Gorrengourt (CVP) sagt, dass es bei der Diskussion in der Kommission nicht um eine Lockerung des Verfahrens ging, sondern um die Abläufe – das heisst um eine Planungssicherheit. Der CVP/BDP-Fraktion sind die Anliegen und Ängste der Bevölkerung sehr wichtig. Bezüglich der Lärmschutzverordnung (über die später geredet wird) liess auf Anfrage im Nationalrat das Bundesamt für Umwelt wissen, dass es dies aufmerksam verfolge und die Massnahmen anpassen würde. Es geht in diesem Postulat nun nicht um eine Lockerung, sondern um eine Planungssicherheit und darum, dass klar sein soll, welche Anforderungen man möchte. Entweder es kommt zu einem Bau oder nicht. Dies soll anschliessend die Bevölkerung entscheiden.
Als Einzelsprecherin gibt Mirjam Würth (SP) ihren Bedenken über diesen fragwürdigen Vorstoss der Umweltschutz- und Energiekommission Ausdruck. Es wird darin gesagt, dass es eine Koordination aller an der Einsprache berechtigten Verbände geben solle: Jeder Verband hat aber das Recht, seine eigenen Interessen geltend zu machen. Eine Pflicht zur Koordination würde gegen Bundesrecht verstossen. Weiter geht es um einen Nutzungsplan: Je nach Höhe, Breite, Modell und genauem Standort haben Windanlagen verschiedene Auswirkungen auf Natur- und Landschaft. Zudem wird gesagt, dass Windräder keine Waldersatzfläche nach sich ziehen: Eine Ausnahme von der Ersatzpflicht wäre aber bundesrechtswidrig. Auch der Punkt, dass es sich bei Windrädern lediglich um temporäre Eingriffe handelt und man sie nach mehreren Jahrzehnten wieder abbauen könne, ohne dass sich gross etwas verändert hätte, stimmt keineswegs.
Die Votantin wehrt sich nicht gegen erneuerbare Energien, auch nicht grundsätzlich gegen Windkraftwerke. Eine solche Vereinfachung, wie sie sich in diesem Vorstoss präsentiert, lehnt sie aber entschieden ab.
Hansruedi Wirz (SVP) gibt zu verstehen, dass die SVP-Fraktion in der Abstimmung anders als die FDP-Fraktion kein gemischtes Bild abgeben werde. Sie möchte keine Lex Windkraft, sondern das ganze Bewilligungsverfahren generell überprüft haben. Man erwartet, dass in Zukunft noch weitere folgen werden. Unter diesem Gesichtspunkt stimmten die SVP-Vertreter in der Kommission dem Vorstoss zu.
Das Votum von Mirjam Würth zeigt für Hannes Schweizer (SP), dass die SP-Fraktion in dieser Frage keine geschlossene Haltung einnimmt. Eine knappe Mehrheit unterstützt den Vorstoss. Wie ist dieser entstanden? Die Kommission unternahm eine Weiterbildungsreise und besuchte die geplante Windkraftanlage auf dem «Chall», zusammen mit den potentiellen Investoren. Diese zeigten auf, woran solche Projekte scheitern und wie ihnen langsam die Geduld ausgeht, wenn das Planungsverfahren so langwierig verläuft. Die Absicht hinter dem ganzen Vorstoss ist: Erstmal soll das Planungsverfahren generell klar strukturiert werden. In der Verwaltung braucht es eine Ansprechperson für Investoren, die sämtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bewilligungsverfahren abklären kann. Weiter geht es (an die Adresse von Mirjam Würth) nicht darum, die Einsprachemöglichkeit der Umweltschutzverbände einzuschränken. Es geht vielmehr um eine Koordination.
Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es womöglich den grössten Bedarf an Verbesserung. Es ist wichtig, dass bei jedem Projekt im Voraus festgelegt wird, was die Prüfung beinhalten muss, damit nicht, wenn später irgendeine Anpassung erfolgt, erneut eine Prüfung vorgenommen werden muss. Wenn sich die Produkte mit der Zeit verändern und z.B. andere Grössen im Angebot sind, kann es nicht sein, dass dafür nochmals dasselbe Bewilligungsverfahren durchlaufen werden muss. Das Postulat ist nichts anderes als ein Auftrag an die BUD, das Verfahren etwas zu straffen. Es ist durchaus so, dass in anderen Bereichen sich die gleiche Frage stellt. Die UEK hat nun aber auf diesen Bereich fokussiert.
Jacqueline Wunderer (SVP) war froh um das Votum von Mirjam Würth. Wenn EBL und IWB eine Weiterbildung auf dem «Chall» zur Planung einer Windkraftanlage durchführen, haben sie ausschliesslich ein Interesse finanzieller Art. Damit gewisse Hürden, die heute eine Windkraftanlage auf dem «Chall» oder anderen Standorten verunmöglichen, gebodigt werden können, krallen diese sich die zuständigen Kommissionen – allen voran Politiker, die blindlings Ideologien verfolgen, ohne Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen der Lockerungen, welche dieses Postulat beinhalten. Folgen für Menschen, die in unmittelbarer Nähe beheimatet sind, Folgen für den Wald, der schonungslos gerodet wird – und absolut rücksichtslos gegenüber der Tierwelt.
Leider ist vermehrt festzustellen, dass zugunsten des sogenannten Umweltschutzes der Naturschutz auf der Strecke bleibt. Zur Umwelt gehört für die Votantin die Natur und die Tierwelt, die es in erster Linie zu schützen gilt. Ein Windkraftwerk auf dem «Chall» ist aus ökologischer Sicht absolut nicht zu verantworten und würde verschiedenste Schutzgesetze der Schweiz grundlegend verletzen. Dieser Preis ist deutlich zu hoch für den geringen Stromgewinn.
Der UEK sei eine weitere Weiterbildungsreise auf den «Chall» empfohlen. Nicht mit dem Elektrobike, sondern diesmal zu Fuss. Nicht in der Gruppe mit lauten Geschwätz, sondern alleine. Dabei werden sie einer Natur und Tierwelt begegnen, die an Schönheit und Einzigartigkeit nicht zu übertreffen ist.
Rahel Bänziger (Grüne) stellt fest, dass ihre Vorrednerin Jacqueline Wunderer gezeigt hat, dass sie ein grosses Herz für die Umwelt und die Tiere hat. Die Votantin teilt dieses Empfinden – kommt aber zu einem anderen Schluss. Sie nahm damals auch an dieser Weiterbildungsreise teil. Es hatte dermassen «geschifft», dass man auf den Velos kaum miteinander sprechen konnte. Es geht nun im Vorstoss nicht darum, bestehende Bestimmungen zu bodigen oder eine Schutzbestimmung aufzuweichen. Übrigens gibt es Studien, die zeigen, dass nur etwa ein Prozent der Vögel, die menschengemacht umkommen, auf Kosten von Windkraftanlagen gehen. Die meisten fliegen in Fensterscheiben oder werden von den Katzen geholt.
Hauptstossrichtung des Postulats ist, die Verfahren zu optimieren und zu beschleunigen, dass ein Abbau von überflüssiger Administration betrieben und der Ablauf bei einer Amtsstellen zentriert werden soll, damit potentielle Betreiber nicht von einem Marathon durch alle möglichen Ämter abgeschreckt werden. Es soll auch Investoren eine Planungssicherheit ermöglichen. Dies entspräche durchaus der Wirtschaftsförderung in einem grünen Bereich.
Die Umweltverbände werden nicht zurückgebunden. Wenn die Einsprachen von Verbänden gebündelt werden, erhalten sie dadurch mehr Gewicht. Auch der Rahmen und die Tiefe der UVP soll definiert werden, damit man nicht bei jeder Bewilligung wieder von Null beginnen muss. Es geht also um ein Optimieren und Beschleunigen, nicht um ein Aufweichen von heute geltenden Schutzbestimmungen. Deshalb wird die Grüne/EVP-Fraktion das Postulat überweisen.
Andi Trüssel (SVP) dankt Mirjam Würth zur seltenen Gelegenheit, mit ihr einmal derselben Meinung sein zu können. Der Votant hat nichts gegen Prozesse, die man beschleunigt. Erst sollte man aber bei den eigenen Hausaufgaben anfangen: Die Dezibelberechnungen beziehen sich nämlich nur auf eine Anlage, während man die kumulative Wirkung von mehreren beieinander stehenden Anlagen ausser Acht lässt. Mit anderen Worten: Auf dem Schleifenberg sind etwa vier Anlagen geplant, die Richtung Hersberg emittieren würden. Dort käme man, gemäss einer ersten Hochrechnung, auf Grenzwerte, die über dem Industriestandard liegen würden. Hersberg – nur eine Schlafgemeinde?
Zu den Vögeln: Deutsche Umweltverbände haben errechnet, wonach zwischen 20'000 und 100'000 Vögel pro Jahr in den Windmühlenanlagen verenden. Wenn so viele Vögel – oder auch nur ein paar wenige – über einem AKW runterfallen würden, würde es abgestellt.
Stefan Zemp (SP) bittet zu berücksichtigen, dass man hier nicht über eine «Lex Chall» diskutiere. Zweimal bereits besuchte der Votant mit der Umweltschutz- und Energiekommission Windkraftanlagen. Jedesmal regnete es und die Gruppe stocherte im Nebel herum, so dass gar kein Windkraftwerk zu sehen war. Hätte er nicht selber schon einmal, zusammen mit der Bürgergemeinde Sissach, im Deutschen aktiv ein solches Windkraftwerk bei schönem Wetter aufgesucht, hätte er es wohl ebenfalls nicht gesehen.
Der Votant versteht nicht, weshalb hier ein solch grosses Büro gemacht wird deswegen. Es ist ganz einfach, denn da steht: Es wäre sinnvoll. Und: Wir könnten. Überweise man also das Postulat, dann wird geprüft und man erhält eine Antwort, in der klar steht, was geht und was nicht geht. Punkt.
Mirjam Würth (SP) findet, dass Jacqueline Wunderer wundervoll aufgezeigt hat, dass die EBL im Rahmen dieser Begehung eine Werbeveranstaltung für Windkraft machte. Die Votantin befürwortet Windkraft. Es steckt hinter dem Vorstoss zwar eine gute Absicht, allerdings wurde es sehr unsorgfältig formuliert und nun liegt etwas vor, das in allen möglichen Punkten geltendem Recht widerspricht. Das Anliegen der UEK ist zwar löblich, sie soll aber doch bitte etwas vorlegen, das auch umsetzbar ist. Und der Landrat soll so etwas doch bitte nicht überweisen und damit noch legitimieren.
Christine Gorrengourt (CVP) weist den Vorwurf zurück, die UEK habe an einer Werbeveranstaltung der EBL und IWB teilgenommen. Es ging nur darum, den Standort zu besichtigen, weil man gerade vor Ort war. Auch wurde ein weiteres Projekt im Wald besichtigt, bevor man den Bienen einen Besuch abstattete. Die Energieunternehmen bezahlten übrigens auch nicht das Mittagessen, obwohl das für den Kanton vielleicht noch ganz gut gewesen wäre.
Es geht auch nicht um eine Lockerung oder darum, andere Bedingungen aufzugleisen. Es geht alleine darum, festzulegen, was geprüft wird, damit die Prüfung durchgezogen werden kann, ohne es mit anderen Themen zu vermischen. Es geht darum, mit den Verbänden zusammen zu sitzen, dass es eine zuständige Stelle beim Kanton gibt, dass das Verfahren aufgegleist und es rechtmässig durchgezogen wird. Es geht im Postulat nicht darum, auf dem «Chall» eine Windkraftanlage zu bauen.
Hans-Jürgen Ringgenberg (SVP) befindet sich etwas im Dilemma. Wenn er keine Windkraftanlagen möchte, soll er dann einem beschleunigtem Bewilligungsverfahren zustimmen? Das ist für ihn ein absoluter Widerspruch. Natürlich lässt sich ein Gesuch dann schneller prüfen. Da der Votant aber nicht möchte, dass Windkraftanlagen die Landschaft verschandeln und die Vogelwelt vernichten, hat er keine andere Wahl, als von Anfang an pragmatisch dagegen zu sein.
://: Der Landrat überweist das Postulat 2017/046 mit 41:33 Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei