Protokoll der Landratssitzung vom 6. April 2017
Nr. 1387 |
19 |
2016-308 vom 20. Oktober 2016
Postulat der Fraktion Grüne/EVP und Fraktion SP: Unterzeichnung der Charta "Lohngleichheit im öffentlichen Sektor" durch den Kanton Basel-Landschaft - Der Regierungsrat beantragt: Ablehnung (siehe Beilage) - Beschluss des Landrates vom 6. April 2017: < abgelehnt > |
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass der Regierungsrat das Postulat ablehne.
> Begründung des Regierungsrats
Marie-Theres Beeler (Grüne) ruft in Erinnerung, was Ziel und Zweck der Charta für Lohngleichheit im öffentlichen Sektor ist. Es gibt immer noch Defizite für die Realisierung von gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit. Der Bund ergriff die Initiative, um mit gutem Beispiel voran zu gehen und forderte die Kantone dazu auf, ihm zu folgen, indem sie entsprechende Massnahmen ergreifen, um ihre Betriebe im Kanton zu motivieren oder unter Druck zu setzen.
Die Antwort der Regierung lässt sich dahingehend übersetzen, dass man nicht bereit sei zu überprüfen, ob sich die Lohngleichheit innerhalb der kantonalen Institutionen auch faktisch erreichen lasse, und zu vergleichen, wie das in anderen Kantonen (z.B. Bern, Fribourg, Genf, Graubünden, Jura, Neuenburg, Tessin, Waadt, Zürich) gemacht wird. Es gibt Grund für ein gutes Vorgehen des Kantons. Letztes Jahr konnte der Gleichstellungsbericht entgegen genommen werden, der klar zeigt, dass es im Kanton keinen gleichwertigen Lohn für gleichwertige Arbeit gibt. Der Unterschied zwischen Männer- und Frauenlöhne bei vergleichbarer Arbeit beträgt 13 Prozent. Bei höherer Einstufung, also im obersten und im mittleren Kader, beträgt im Kanton Basel-Landschaft laut statistischem Amt des Kantons und Gleichstellungsbericht der Unterschied 22 Prozent. Der Regierungsrat lässt wissen, dass er nicht annehme, dass sich innerhalb der kantonalen Institutionen etwas verändert habe. Er ist nicht bereit, Rechenschaft abzulegen und zu untersuchen.
Gleichzeitig aber verlangt der Kanton seinen Leistungserbringerinnen und -erbringern ab, dass sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit deklarieren. Es besteht eine Unglaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Betrieben, wenn der Kanton etwas einfordert, und selber nicht bereit ist, bei sich selber zu überprüfen, indem er auf den grossen Aufwand verweist und meint, dass es vor fünf Jahren in Ordnung war. Die Votantin bittet um Überweisung ihres Postulats.
Oskar Kämpfer (SVP) fühlt sich an das Weihnachtslied erinnert, das da heisst: Alle Jahre wieder. Die Gleichstellung ist in der Verfassung verankert, es gibt auch keine zwei Lohnsysteme im Kanton – sondern nur eines, das sowohl für Männer als auch für Frauen gilt. Bei einer Anstellung werden alle gleich behandelt. Der Beitritt zur Lohngleichheit-Charta ist somit tatsächlich unnötig. Der Kanton hat bewiesen und zeigt auch mit seinen Handlungen, dass die Gleichstellung ein ernstzunehmendes Anliegen ist. Ansonsten müssten ja entsprechende Grundlagen vorliegen, die eine Differenz zwischen Mann und Frau überhaupt erst ermöglichen. Liegt eine Differenz vor, so kann dies einen ganz sachlichen Hintergrund haben: Nämlich eine kleine Differenz in der fachlichen Qualifikation. Diese Differenz betrifft aber natürlich ebenso häufig auch die Männer. Komplett daneben ist also, hier von einem Defizit zu sprechen. Die SVP-Fraktion wird das Postulat vermutlich einstimmig ablehnen.
Für die FDP ist Lohngleichheit eine Selbstverständlichkeit, stellt Andrea Kaufmann (FDP) klar. Sie wird aber nicht mit der Unterzeichnung einer schönen Charta erreicht, sondern mit konkreten Massnahmen. In diesem Zusammenhang ist die FDP froh, dass der Kanton als Arbeitgeber die Lohngleichheit im Griff hat, vor allem aus folgenden Gründen: Mit einem starren Lohnsystem, wie der Kanton es kennt, ist das Risiko für Lohnungleichheit ohnehin sehr klein. Zudem nahm der Kanton Baselland im Jahr 2012 bereits vorbildlich und freiwillig am Logib teil und führte eine umfassende Lohnanalyse durch. Das Resultat: Der unerklärbare Teil der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau beträgt 0.3 Prozent. Der Toleranzbereich liegt bei 5 Prozent. Damit ist klar, dass kein Handlungsbedarf für die Unterzeichnung einer Charta besteht, die wieder neue Bürokratie mit sich bringen wird. Dem Personalamt sei gedankt, dass der Kanton die Lohngleichheit auch ohne sie schon lange im Griff hat. Die FDP-Fraktion lehnt das Postulat einstimmig ab.
Miriam Locher (SP) gibt zu bedenken, dass der Aspekt bislang etwas ausgeblendet wurde, dass der Kanton als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion hat. Es ist der Votantin deshalb völlig unverständlich, dass sich der Regierungsrat gegen eine Unterzeichnung ausspricht. Die SP bedauert diesen Entscheid sehr. Es ist klar, dass mit der Unterzeichnung der Charta es auch darum geht, Haltung zu zeigen und diese nach aussen zu tragen. Es geht um Prävention anstelle von Kontrolle; doch genau das funktioniert nicht flächendeckend und reicht leider nicht aus.
Die Lohngleichheit ist nach vielen Jahren leider immer noch nicht befriedigend umgesetzt. Im Gegenteil. Es klafft eine grosse Lücke zwischen der rechtlichen und der gelebten Gleichstellung. Der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit stimmt eben nicht. Die 0.3 Prozent sind für die Votantin immer noch zu viel. Deshalb plädiert die SP-Fraktion einstimmig ganz klar für eine Überweisung des Vorstosses.
Pia Fankhauser (SP) glaubt nicht, dass sich sehr viel vom Anliegen überzeugen lassen; die Einstimmigkeit in gewissen Fraktionen ist für die Votantin dennoch etwas überraschend. Der Grund, weshalb man gegen eine Überweisung ist, ist eine etwas seltsame Mischung von «Wir tun schon sehr viel» und «Achtung, da kommt viel Bürokratie auf uns zu». Wie will man das denn wissen, wenn die Charta noch gar nicht unterschrieben wurde? Man verteufelt es schon im Voraus als Bürokratiemonster, während andere Kantone die Charta bereits unterschrieben haben – und man darf davon ausgehen, dass diese ebenfalls den Aufwand im Blick behalten.
Es heisst, man würde bereits viel Aufwand betreiben. Entweder stimmt das gar nicht und man betreibt ihn nicht wirklich: Dann wäre das Unterschreiben der Charta tatsächlich ein Mehraufwand. Oder aber es stimmt und man betreibt tatsächlich schon viel Aufwand (wie es in der Begründung heisst): Dann sollte das Unterschreiben der Charta aber auch keinen grossen Schritt mehr bedeuten.
Letztes Jahr hiess es, man befände sich in der Beobachterposition. Die Votantin hätte erwartet, dass die Regierung auf Basis einer Evaluation argumentiert, weshalb sie der Charta nicht beitreten möchte. Die vorliegende Begründung ist jedoch nicht schlüssig. Es ist zu bedauern, dass es der Kanton nicht fertig bringt zu sagen, dass man Lohngleichheit als wichtiges Anliegen erachte und man deshalb auch die Charta unterschreibe, im Wissen, dass es für viele Institutionen wegweisend wäre. In Basel-Stadt müssen Institutionen, um Subventionen zu erhalten, ein entsprechendes Commitment abgeben. Daran ist nichts falsch.
Marc Schinzel (FDP) sagt, dass Andrea Kaufmann vorhin sehr gut darauf hingewiesen habe, dass es um Theorie und Praxis gehe. Man sieht ganz klar, dass es auf die Praxis ankommt. In dieser Hinsicht ist Baselland vorbildlich. Der Kanton machte sich die Mühe, die Lohngleichheit zu erreichen. Es wurde schon auf die Abweichung gemäss Logibanalyse verwiesen (das Bundes-Tool, das gratis zur Verfügung gestellt wird), die 0.3 Prozent beträgt. Dazu ist zu sagen, dass der nicht erklärbare Anteil der Lohndifferenz, der als diskriminierend bezeichnet wird, in der Regel bei 7 Prozent und mehr liegt. Es ist übrigens auch nicht der Fall, dass die von Marie-Theres Beeler erwähnten 22 Prozent der Diskriminierung entsprechen. Hierbei handelt es sich um eine teilweise auch erklärbare Differenz. 40 Prozent dieser Differenz werden im Bund als nicht erklärbar und vermutungsgemäss widerlegbar betrachtet. Fazit: Baselland macht seine Hausaufgaben; die Logibanalyse wurde 2012 gemacht, wobei sich ergeben hat, dass die Lohngleichheit hier umgesetzt wird. Das ist entscheidend. Damit befindet sich der Kanton bereits in der Vorbildfunktion, und es braucht keine zusätzlichen Papiere, um dies abzubilden.
Marie-Theres Beeler (Grüne) weist darauf hin, dass der Kanton nicht 22 Prozent Unterschied aufweist. Es handelt sich um Institutionen und den durchschnittlichen Lohn im mittleren, oberen und obersten Kader. Dies ist ein Grund, weshalb der Kanton vor fünf Jahren nicht nur die Überprüfung gestartet hat, sondern jetzt auch eine Vorbildfunktion ausübt und sich dafür einsetzt, um kontinuierlich zu überzeugen und auch etwas Druck aufzusetzen, damit jene Unternehmen, die die Lohngleichheit bislang nicht leben, sich dem annähern.
://: Der Landrat lehnt das Postulat 2016/308 mit 41:38 Stimmen ab.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei