Protokoll der Landratssitzung vom 22. September 2005

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2004-331 vom 14. Dezember 2004
Vorlage: Postulat 2002/230 vom 19. September 2002 von Dieter Völlmin betreffend Vermeidung der Mehrfachbestrafung bei SVG-Verstössen
- Bericht der Kommission vom: 10. Juni 2005
- Beschluss des Landrates < beschlossen >



Nr. 1360

Berichte des Regierungsrates vom 14. Dezember 2004 und der Justiz- und Polizeikommission vom 10. Juni 2005: Postulat 2002/230 vom 19. September 2002 von Dieter Völlmin betreffend Vermeidung der Mehrfachbestrafung bei SVG-Verstössen; Abschreibungsvorlage


Kommissionspräsidentin Regula Meschberger informiert, wenn jemand eine Verkehrsregel verletze und dabei erwischt werde, löse dies zwei Verfahren aus: Ein Administrativverfahren, in welchem beispielsweise über einen allfälligen Führerausweisentzug entschieden werde, und ein Strafverfahren, in welchem untersucht werde, ob sich jemand auch strafbar gemacht habe. Diese beiden Verfahren sind für viele Betroffene nicht ganz einfach zu verstehen. Das Bundesrecht jedoch sieht dieses zweistufige Verfahren vor. In zwei Kantonen der Schweiz (Obwalden und Schaffhausen) wurde die Zuständigkeit für die beiden Verfahren zusammengelegt. Eine solche Zusammenlegung würde im Kanton Basel-Landschaft grössere Umstrukturierungen erfordern und vor allem Personalverschiebungen bedeuten. Die Justiz- und Polizeikommission führte daher die Diskussion, den Vorstoss stehen zu lassen oder eben abzuschreiben, da eine entsprechende Umstrukturierung mit grösseren Kosten verbunden wäre.


Das heutige System bietet auch gewisse Vorteile: Bis ein Strafbefehl erlassen werden kann, dauert es nicht selten ein oder sogar mehrere Jahre. Wenn erst mit dem Erlass des Strafbefehls auch die Administrativmassnahme (beispielsweise Entzug des Führerausweises nach Fahren in angetrunkenem Zustand) greifen würde, stiesse dies ebenfalls auf Unverständnis.


Aus den genannten Gründen beschloss die Justiz- und Polizeikommission mit 8:0 Stimmen bei 5 Enthaltungen, vom Bericht des Regierungsrates Kenntnis zu nehmen und das Postulat 2002/230 abzuschreiben.


Ursula Jäggi -Baumann stellt fest, auch die SP-Fraktion sehe die Problematik der heutigen Situation, auf welche Dieter Völlmin mit seinem Postulat aufmerksam macht. Sie erkannte jedoch auch, dass einer Verbesserung der Situation viele Hindernisse im Wege stehen, welche zu überwinden eine recht grosse Organisation bedingen würde. Die Fragen zur im Postulat aufgezeigten Problematik wurden aus Sicht der SP-Fraktion genügend ausführlich beantwortet und sie kann sich mit dem Antrag der Kommission auf Abschreibung des Postulats 2002/230 einverstanden erklären.


Dieter Völlmin hat sich seinen Frust über die aktuelle Vorlage bereits in der Kommission von der Seele geredet und möchte sich im Landratsplenum nun nur in einer abgespeckten Version äussern. Wenn man etwas nicht wolle, finde man immer Gründe dagegen. Das Argument, Umstrukturierungen seien mit Kosten und einem gewissen Aufwand verbunden, treffe auf viele Geschäfte zu. Auch wenn es sich zugegebenermassen um eine komplexe Materie handle, verstehe er nicht, weshalb keine Verbesserungen vorgenommen werden sollen. Das von der Kommissionspräsidentin genannte Beispiel, dass jemandem nach Fahren in angetrunkenem Zustand nicht sofort der Ausweis entzogen würde (Sicherungsentzug), stimme so nicht, denn ihm gehe es um die so genannten Warnungsentzüge. Es sollen keine Delinquenten geschützt werden, jedoch setze bei anderer Kriminalität der Vollzug auch erst nach der gerichtlichen Beurteilung ein.


Gerade auch im Zusammenhang mit den geplanten Strukturänderungen der Motorfahrzeugkontrolle und Motorfahrzeugprüfstation wäre es sinnvoll gewesen, das Postulat 2002/230 mitzuprüfen. Der Bericht der Kommissionspräsidentin treffe den Nagel zum Thema auf den Kopf, indem sie schreibe: "Die heutige Regelung ist nicht nur schlecht." Dieter Völlmin nimmt zur Kenntnis, dass eine Regelung, welche nicht nur schlecht sei, belassen werde, nimmt jedoch nicht an, dass künftige Reformen immer dann nicht durchgeführt werden, wenn die heutige Regelung nicht nur schlecht sei.


Die SVP-Fraktion spricht sich nicht gegen die Abschreibung des Postulats 2002/230 aus, da es sinnlos sei, daran festzuhalten und weil das Postulat geprüft und darüber berichtet wurde, die Fraktionsmitglieder werden sich bei der Schlussabstimmung jedoch der Stimme enthalten.


Daniele Ceccarelli erklärt, im Strafrecht gelte der Grundsatz, dass niemand für das Gleiche zweimal bestraft werden dürfe. Beim SVG handle es sich in grossen Teilen um ein so genanntes Nebenstrafrecht, welches strafrechtliche Komponenten enthält und bei welchem der oben genannte Grundsatz ebenfalls Geltung haben müsse. Wenn also jemand ein schweres SVG-Delikt begehe, werde er mit einer Busse oder sogar mit Freiheitsentzug bestraft. Der nachfolgende Ausweisentzug, die so genannte Administrativmassnahme, wird von den Betroffenen immer auch als Strafe, meist sogar als die härtere Strafe, empfunden. Dies sei durchaus nachvollziehbar und es sei daher verständlich, dass bei den Betroffenen das Gefühl entstehe, für das gleiche Vergehen in der Tat zweimal bestraft worden zu sein. Aus diesem Blickwinkel umfasst Dieter Völlmins Vorstoss ein berechtigtes Anliegen.


Die regierungsrätliche Antwort erscheint Daniele Ceccarelli umfassend und plausibel. Selbst wenn die Administrativmassnahme aus einer Hand käme, würde es sich beim Entzug des Führerausweises noch immer um einen polizeilichen und nicht um einen gerichtlichen Akt handeln. Der Bundesgesetzgeber habe sich nun einmal entschieden, in Artikel 22 SVG festzulegen, dass die Ausweise von den Verwaltungsbehörden erteilt und entzogen werden. Der Kanton könnte daher höchstens kosmetische Änderungen an der heutigen Situation vornehmen, angesichts des dafür notwendigen Aufwands erachtet Daniele Ceccarelli jedoch eine Abschreibung des vorliegenden Postulats als gerechtfertigt.


Matthias Zoller bezeichnet es als auf den ersten Blick störend, wenn SVG-Verstösse zwei Verfahren auslösen. In Anbetracht des Bundesrechts jedoch werden immer zwei Wege bleiben, selbst wenn, wie in zwei anderen Kantonen, eine einzige Person die beiden Wege beschreiten würde. Dies würde laut Matthias Zoller keine Verbesserung bringen, weshalb es sich nicht lohne, eine Veränderung ins Auge zu fassen. Die CVP/EVP-Fraktion ist der Ansicht, das Postulat sei erfüllt, denn es wurde geprüft und darüber berichtet, weshalb es abgeschrieben werden könne.


Kaspar Birkhäuser betont, die Grünen könnten die Überlegungen des Postulanten nachvollziehen und anerkennen die teilweise Richtigkeit seines Ziels, die "Kundenzufriedenheit" von SVG-Delinquentinnen und -Delinquenten. Den Grünen erscheint jedoch der Ausdruck "Mehrfachbestrafung" im Titel der Vorlage irreführend, denn es gehe nicht um eine echte Mehrfachbestrafung, sondern um einen Sachverhalt, welcher von den Betroffenen so empfunden werden könne.


Die aufwändige und sicherlich auch kostenintensive Behandlung des Postulats in der Verwaltung wie auch in der Justiz- und Polizeikommission führte zur Erkenntnis, dass eine Zusammenlegung des Strafverfahrens mit dem Administrativverfahren letztlich mehr Nach- als Vorteile bringen würde. In seinem Votum stilisierte sich Dieter Völlmin ein Stück weit als Opfer einer Verwaltung hinauf, welche etwas einfach nicht wollte. Als Mitglied der Justiz- und Polizeikommission kann Kaspar Birkhäuser diesen Eindruck jedoch nicht teilen. Die Verwaltung sei sehr seriös und mit grossem Aufwand auf das Postulat eingegangen und auch die Justiz- und Polizeikommission habe sich ausführlich darüber unterhalten. Dieter Völlmin sei also kein Opfer.


Die Grüne Fraktion spricht sich für Kenntnisnahme und Abschreibung des Postulats aus.


Sabine Pegoraro dankt für Kaspar Birkhäusers Lob an die Adresse ihrer Mitarbeitenden und wird dies gerne weitergeben. Sie zeigt für Dieter Völlmin s Anliegen auch aus Sicht ihrer früheren Tätigkeit als Anwältin Verständnis, jedoch sieht das Bundesgesetz zwingend zwei Verfahren vor und Sabine Pegoraro ist immer noch der Ansicht, dass die heutige Regelung neben den sicherlich vorhandenen Nachteilen im Verständnis der Betroffenen auch Vorteile mit sich bringt, indem sie bürgernahe ist. Es ist heute möglich, unbürokratisch mit den Behörden auszuhandeln, wann für jemanden der beste Zeitpunkt ist, um den Ausweis abzugeben. Zudem können 86 % der administrativen Verfahren sehr schnell erledigt werden, eine Zahl, welche für sich spreche.


Das Modell von Obwalden oder Schaffhausen wäre die einzige Möglichkeit für eine andere Lösung. Dort wurde ein Verkehrs-Untersuchungsrichteramt geschaffen, was teurer und aufwändiger sei. Auch ist ein solches Amt für diejenigen Personen, welche dort arbeiten, nicht sonderlich attraktiv, da sie sich einzig mit Verkehrsdelikten beschäftigen müssen.


Sabine Pegoraro nimmt Dieter Völlmins Anliegen ernst und man werde dauernd darauf achten, welche Abläufe innerhalb der Verkehrssicherheitsabteilung der Polizei noch verbessert werden können, grundsätzlich soll jedoch das jetzige System beibehalten und das Postulat 2002/230 abgeschrieben werden.


://: Der Landrat stimmt dem Kommissionsantrag zu und beschliesst mit 58:2 Stimmen bei 18 Enthaltungen, das Postulat 2002/230 abzuschreiben.


Für das Protokoll:
Andrea Maurer, Landeskanzlei



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