Protokoll der Landratssitzung vom 22. September 2005

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2005-203 vom 11. Juli 2005
Vorlage: Änderung des Dekretes zum Gesetz über die Organisation der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden (Gerichtsorganisationsdekret, GOD; SGS 170.1) vom 22. Februar 2001 bezüglich Anpassung der Präsidialpensen und der Zahl der nebenamtlichen Gerichtsmitglieder
- Beschluss des Landrates < beschlossen >



Nr. 1370

Berichte des Kantonsgerichts vom 11. Juli 2005 und der Justiz- und Polizeikommission vom 13. September 2005: Änderung des Dekretes zum Gesetz über die Organisation der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden (Gerichtsorganisationsdekret, GOD) vom 22. Februar 2001 bezüglich Anpassung der Präsidialpensen und der Zahl der nebenamtlichen Gerichtsmitglieder


Die Kommission der Justiz- und Polizeikommission, Regula Meschberger , erklärt, mit der letzten Justizreform habe die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts eine Führungsaufgabe in der basellandschaftlichen Gerichtslandschaft übernommen. Zu dieser Aufgabe gehört selbstverständlich auch eine regelmässige Überprüfung der Ressourcen.


Bei der Einsetzung eines a.o. Präsidiums am Strafgericht hat zudem die Justiz- und Polizeikommission die Überprüfung der Pensen am gesamten Strafgericht verlangt.


Dass das Resultat der Überprüfungen und die daraus abzuleitenden Konsequenzen ausgerechnet jetzt auf dem Tisch liegen, hat mit den bevorstehenden Gerichtswahlen zu tun: Die künftigen Präsidentinnen und Präsidenten müssen, bevor sie sich zu einer Kandidatur entschliessen, Bescheid über die Höhe der Pensen wissen.


Die Überprüfung hat sich an der Anzahl der Fälle pro Bezirksgerichtspräsidium ausgerichtet. Diese Fälle werden an allen Gerichten gleich erfasst, so dass die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Gerichtsstandorten gegeben ist.


Die Überprüfung hat ergeben, dass das Präsidialpensum am Bezirksgericht Laufen erhöht, jenes in Sissach/Gelter-kinden aber reduziert werden muss.


Die Kommission hat sich intensiv mit der Vorlage auseinandergesetzt. Unbestritten waren die Schaffung eines vierten ordentlichen Strafgerichtspräsidiums - eine Konsequenz der zweimaligen Zustimmung des Landrates zu einem a.o. Präsidium - und der neue vierte Richterposten am Verfahrensgericht in Strafsachen.


Zu Diskussionen Anlass gegeben haben hingegen die vorgeschlagenen Änderungen bei den Bezirksgerichtspräsidien, nicht zuletzt, weil sich die erstinstanzlichen Gerichte gewehrt haben. Nach diversen Anhörungen stellt die Kommission fest, dass die Fallerhebung durch das Kantonsgericht seriös und transparent durchgeführt worden ist, dass aber auch andere Komponenten für die Bemessung eines Pensums zu berücksichtigen sind: zum Beispiel die Kundenfreundlichkeit eines Gerichts und dass man sich Zeit nimmt für die Parteien. Dies hat dazu geführt, dass nach Ansicht der Justiz- und Polizeikommission das Pensum des Bezirksgerichtspräsidiums Sissach/Gelterkinden weniger stark gekürzt werden sollte als vom Kantonsgericht vorgeschlagen, nämlich statt um 30 % nur um 20 %. Aufgestockt werden soll dagegen das Pensum des Bezirksgerichtspräsidiums Laufen.


Die Kommission beantragt dem Landrat, dem Dekret mit den von ihr beschlossenen Änderungen zuzustimmen.


- Eintretensdebatte


Das Geschäft habe unter Zeitdruck behandelt werden müssen, so Annemarie Marbet , aber trotzdem habe sich die Kommission Zeit genommen, die Vorlage gründlich zu studieren.


Die erstinstanzliche Gerichtslandschaft ist im Bewegung: eine Pensenreduktion für das Bezirksgericht Waldenburg wurde erst kürzlich beschlossen, und die Vernehmlassungsvorlage «Aus 6 mach 2» wird auch noch viel zu reden geben.


Am Strafgericht haben die Fallzahlen erneut zugenommen; der Arbeitsvorrat beläuft sich auf rund zwanzig Monate. Deshalb ist die Überführung des a.o. in ein ordentliches Präsidium folgerichtig. Unbestritten ist auch das neue vierte Mitglied des Verfahrensgerichts.


An den Bezirksgerichten müssen die Qualität, die Kundenorientierung, die Sorgfalt und das Ernst-Nehmen der Klienten im Vordergrund stehen. Die erstinstanzlichen Gerichte sind das Aushängeschild der Baselbieter Justiz. Das wiegt höher als die reinen Fallzahlen, zumal deren Zählweise mit Unsicherheiten behaftet ist.


Der Kommission ist aufgefallen, dass im Laufental proportional zur Bevölkerungsgrösse mehr Gerichtsprozesse geführt werden. Das dortige Präsidialpensum muss von 50 auf 70 % erhöht werden, damit es im Vergleich zu den anderen Bezirksgerichten nicht übermässig belastet ist.


Die SP-Fraktion tritt auf die Vorlage ein und leistet dem Antrag der Kommission einstimmig Folge.


Die SVP-Fraktion hat laut Dieter Völlmin mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen, dass es die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts als ihre Aufgabe ansieht, in regelmässigen Abständen zu überprüfen, wie die Gerichtspräsidien belastet sind und ob die prozentuale Verteilung den Umständen entspricht. Diesen Auftrag hat das Kantonsgericht im Rahmen der Justizreform erhalten; der Landrat wollte nicht mehr dauernd ausserordentliche Präsidien bewilligen. Durch die Festlegung der Pensen in einem Dekret statt wie zuvor in einem Gesetz können Änderungen leichter vorgenommen werden.


Die SVP-Fraktion ist einverstanden mit dem angekündigten Überprüfungs-Rhythmus von vier Jahren und ist froh, dass es nicht nur bei einem Lippenbekenntnis geblieben ist, sondern dass die Justiz tatsächlich auch konkrete Anträge stellt.


Die Vergleichbarkeit der einzelnen Präsidien ist enorm schwierig. Die Fallzahlen sind die einzige Grösse, auf die man sich vernünftigerweise abstützen kann. Aber man muss auch aufpassen, dass man sich darauf nicht allzu sehr fixiert. Denn mit der gleichen Anzahl Fälle kann ein Präsidium eine ruhige Kugel schieben, während ein anderes damit sehr viel zu tun hat. Es kommt immer sehr darauf an, wie ein Gerichtspräsident sein Amt ausübt.


Begrüssenswert ist, dass das Kantonsgericht nicht nur Pensenkorrekturen nach oben, sondern auch nach unten vorschlägt. Aber ein Stück weit liegt der Entscheid, aufgrund der Fallzahlen ein Pensum auf 70 % oder 80 % festzulegen, im Streubereich der statistischen Unsicherheit.


Zum Fall des Bezirksgerichts Sissach/Gelterkinden sagt Dieter Völlmin, «damit die Kirche im Gerichtssaal bleibt», halte es die SVP-Fraktion für verantwortbar, dieses Präsidium mit einem 80-%-Pensum auszustatten, auch wenn dies mathematisch nicht völlig korrekt ist. Dafür lässt sich sicherstellen, dass weiterhin motivierte Gerichtspräsident(inn)en ihrer Arbeit nachgehen.


Die SVP-Fraktion ist für Eintreten und stimmt den Anträgen der Kommission zu. Die Schaffung eines zusätzlichen ordentlichen Strafgerichtspräsidiums bekämpft sie nicht mehr aktiv, sie stört sich aber am Vorgehen insgesamt: schon bei der zweimaligen Bewilligung eines a.o. Präsidiums hat die SVP gesagt, es werde zu einer Zementierung dieser Beschlüsse kommen. Diese Salamitaktik hat sie bekämpft, und nun wird dieses vierte Präsidium tatsächlich - weitgehend diskussionslos - in Stein gemeisselt.


Das Kantonsgericht habe seine Führungsaufgabe, die Pensen zu prüfen, wahrgenommen, lobt Daniele Ceccarelli . Die Vorlage ist begrüssenswert. Die FDP-Fraktion anerkennt den grossen Aufwand, den die Erarbeitung der Fakten erfordert hat.


Die Schaffung eines vierten ordentlichen Präsidiums am Strafgericht ist weitgehend unbestritten. Die Arbeitsbelastung erfordert diesen Schritt. Und die Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle am Verfahrensgericht in Strafsachen ist nur folgerichtig.


Die Pensenstruktur an den Bezirksgerichten hat Anlass zu langen Diskussionen gegeben. Die Stellungnahmen der Gerichte hat gezeigt, dass bezüglich der Fallzahlenerhebung nicht rundherum Einigkeit besteht. Einig sind sich die Bezirksgerichte, dass die erhobene Regelfallzahl von 900 Fällen pro Jahr und Präsidium hinterfragt werden müsse. Sie sind der Meinung, dass diese hohe Fallzahl keine Selbstverständlichkeit sein dürfe. Werden die 900 Fälle durch 220 Arbeitstage geteilt, ergibt sich ein Wert von 4,1 Fällen pro Tag und Präsidium - selbst wenn die unterschiedliche Komplexität der einzelnen Fälle ausser Acht gelassen wird, ist dies eine beachtliche Anzahl.


Das Anliegen der Bezirksgerichtspräsidien, auf die Komplexität der Fälle bei der Fallzahlenerhebung Rücksicht zu nehmen, erscheint nicht abwegig. Andererseits stellt sich die Frage, ob eine solche Gewichtung praktisch überhaupt durchführbar ist. Man wird damit leben müssen, dass der Zählraster eine gewisse Breite aufweist. Eine weitere Verfeinerung hält die FDP-Fraktion aber für wünschenswert.


Die Berechnungen eines Bezirksgerichtspräsidenten kommen zum Ergebnis, dass sogar ohne Berücksichtigung der ca. 3'500 Fälle aus dem Schuld- und Konkursbereich die Pensen etwa in der Grössenordnung dessen liegen, was die Justiz- und Polizeikommission nun beantragt. Deswegen und weil die Bezirksgerichtspräsidentin von Sissach/Gelterkinden in einer tieferen Lohnklasse eingereiht ist als ihre Amtskolleg(inn)en, kommt die freisinnige Fraktion zum Schluss, dass eine Reduktion ihres Pensums auf 80 % statt gleich auf 70 % angebracht wäre.


Die Mehrkosten dieses Entscheides dürften sich zwischen CHF 10'000 und 20'000 bewegen, sind also marginal. Der freisinnigen Fraktion ist eine qualitativ hochstehende Rechtsprechung wichtig; und dies muss man sich auch etwas kosten lassen.


Die FDP-Fraktion ist für Eintreten auf die Vorlage und unterstützt einstimmig die Anträge der Kommission.


Matthias Zoller bemerkt, die CVP/EVP-Fraktion sei froh, dass endlich eine Gesamtschau über die Personalsituation an allen Gerichten vorliege und dass das Kantonsgericht einen kostenneutralen Vorschlag präsentiere.


Der vom Landrat verlangte Personalstopp erstreckt sich nicht ausschliesslich auf die der Exekutive unterstellte Kantonsverwaltung, sondern durchaus auch auf die Judikative. Dies muss der Kantonsgerichtspräsident zur Kenntnis nehmen.


Die CVP/EVP-Fraktion tritt auf die Vorlage ein und steht hinter den Kommissionsanträgen.


Kaspar Birkhäuser bemerkt, mehrere Vorredner hätten schon sehr ausgiebig wiedergekäut, was in der Justiz- und Polizeikommission alles besprochen worden ist. Deshalb beschränkt er sich auf die Mitteilung, die grüne Fraktion sei für Eintreten und stimme den Anträgen der JPK zu.


Kantonsgerichtspräsident Peter Meier betont, in den 35 Jahren Justiz, die er selber überblicke, habe es noch nie eine solch umfassende Ressourcenüberprüfung gegeben. Die Resultate haben nicht eitel Freude ausgelöst, und die Geschäftsleitung ist in der Beliebtheitsskala nicht unbedingt gestiegen mit der Ankündigung, Pensen kürzen zu wollen.


Die Fallzahlen wurden mit grösster Sorgfalt erhoben. Es ist sinnlos, jetzt nach noch mehr Statistik zu rufen. Das würde nichts bringen - ausser noch mehr Arbeit.


Es wurden auch Langzeitvergleiche vorgenommen und die Pensen der Vizepräsidien sowie der Gerichtsschreiber berücksichtigt. Letztlich weichen die Anträge des Kantonsgerichts und der Kommission nur in einem Punkt voneinander ab.


Es wurde gesagt, es gelte auch andere Komponenten als nur Zahlen zu berücksichtigen wie Kundenfreundlichkeit, Sich-Zeit-Nehmen usw.; deshalb soll das Pensum in Sissach/Gelterkinden nur um 20 statt um 30 % gekürzt werden. Der Kantonsgerichtspräsident weist mit allem Nachdruck darauf hin, dass die anderen Gerichte, welche nun nicht in den Bezug eines solchen Bonus kommen, nicht weniger kundenfreundlich sind als jenes in Sissach/Gel-terkinden. So sind gegen Urteile des Bezirksgerichts Laufen am wenigsten Rechtsmittel zu verzeichnen, obwohl dieses am stärksten belastet ist.


Peter Meier kommt sich vor, als frage ihn der Metzger entschuldigend: «Dörf's e bitzli mehr sy?» Natürlich sagt er als höflicher Mensch nicht Nein.


Er wehrt sich demzufolge nicht gegen die Anträge der Kommission, das Bezirksgerichtspräsidium Sissach/Gel-terkinden statt auf 70 % nur auf 80 % zu reduzieren. Bloss widerspricht dies dem von Matthias Zoller angemahnten Grundsatz, beim Personal sparen zu wollen.


://: Eintreten ist unbestritten.


- Detailberatung


Es liegen keine Wortmeldungen vor, und es wird kein Rückkommen gewünscht.


://: Der Landrat beschliesst die Änderung des Dekretes zum Gesetz über die Organisation der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden (Gerichtsorganisationsdekret, GOD) gemäss den Anträgen der Justiz- und Polizeikommission mit 77:0 Stimmen.


Dekretsänderung siehe Beilage 1 [PDF]


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



Fortsetzung

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