Protokoll der Landratssitzung vom 5., 12. und 19. November 2015

Nr. 365

Landratspräsident Franz Meyer (CVP) teilt mit, der Regierungsrat lehne das Postulat ab.


> Begründung des Regierungsrats


Christoph Buser (FDP) führt aus, die FDP-Fraktion sei nicht einverstanden mit dem Vorschlag der Regierung, das Postulat abzulehnen. Der Schänzli-Tunnel und die ganze Hagnau-Verzweigung haben es seit Jahren in sich, wie alle wissen, die die Strecke befahren. Gerade heute Morgen ist wieder etwas passiert, als drei Autos ineinanderfuhren. Auch wenn man ein Strassensystem nicht nach den Verkehrsspitzen ausrichten kann, ist festzustellen, dass in dieser Verzweigung historisch ein Knoten gewachsen ist, der den heutigen Gegebenheiten nicht mehr genügen kann. Gemäss einer Messung, die allerding schon etwas älter ist, hatte man hier 68'000 Fahrzeuge pro Tag; heute dürften es bereits erheblich mehr sein, wie vom ASTRA zu hören war. Am Belchentunnel mit 48'000 Fahrzeugen sagt man, man könne es sich nicht mehr leisten, den Tunnel über längere Zeit zu schliessen, weil der volkswirtschaftliche Schaden zu hoch wäre.


Das ASTRA hat sehr schlecht und sehr spät kommuniziert, dass die Sanierung insgesamt sieben Jahre dauern werde. Anfänglich musste man sogar davon ausgehen, dass dies sieben Jahre Tunnel-Sanierung bedeutet, was dann auf unter dreieinhalb Jahre korrigiert wurde. Aber auch das wird massive Behinderungen und volkswirtschaftliche Schäden durch Staukosten erzeugen. Nach Meinung der FDP-Fraktion muss man jetzt beim ASTRA eine Zusage einfordern, dass im Zuge der Sanierung eine Kapazitätserweiterung zumindest in der Planung an die Hand genommen wird. Der Kanton sollte hier das kleine Pfand, das er immerhin hat, ausspielen, das darin besteht, dass das ASTRA, wie man an vielen Beispiel gesehen hat, darauf bedacht ist, nicht völlig konträr zu den Wünschen eines Kantons zu planen. Auch wenn viele Jahre von einer Planung bis zur Realisierung verstreichen, gibt es doch immer wieder Erfolge, wie ein Blick in andere Regionen der Schweiz zeigt. So ist etwa die Umfahrung Zürich fertig oder in der Westschweiz hat man gleich zwei Autobahnen nach Lausanne. In der Nordwestschweiz fehlt es nach Meinung der FDP-Fraktion an einer ausreichend fordernden Haltung der Regierung gegenüber dem ASTRA. Selbstverständlich wäre es nett, wenn die baselstädtische Regierung das Gleiche tun würde, aber dort dürfte in dieser Frage Hopfen und Malz verloren sein. Darum muss jedenfalls das Baselbiet eine klare Position haben. Man sollte jetzt eine Second Opinion einholen, nachdem man überfallen worden ist mit einer Kommunikation, die sagt, dieser Tunnel bricht jetzt gleich zusammen und muss gesperrt werden. Will man diese Aussage hinterfragen, so weigert sich das ASTRA, darauf einzugehen, was auch nicht gerade vertrauensbildend ist. Letztlich sollte auch erwogen werden, dass man erst einmal eine provisorische Sanierung an die Hand nimmt, bevor man dreieinhalb Jahre lang sperrt. All diese Optionen einfach abzuschreiben, würde ein völlig falsches Signal nach Bern, respektive nach Zofingen geben.


Die FDP-Fraktion bittet daher den Rat, den Vorstoss zu unterstützen.


Christine Koch (SP) kündigt an, die SP-Fraktion werde das Postulat ablehnen. Das ist vorab eine Frage des Geldes, man müsste zuerst einmal wissen, wie teuer die verlangte Expertise wäre. Warum soll ein Expertenteam aus dem Ausland beigezogen werden? Es gäbe sicher auch qualifizierte Teams an der ETH. Und warum wird überhaupt dem ASTRA misstraut?


Markus Meier (SVP) teilt mit, die SVP-Fraktion teile die Analyse von Christoph Buser.


Felix Keller (CVP) weist auf die Dringlichkeit der Sanierungsmassnahmen hin. Jeder, der schon einmal im Schänzli-Tunnel im Stau gestanden sei und gesehen habe, wie links und rechts der Beton herunterfällt, wisse das. Er wundert sich allerdings ebenfalls, dass die FDP Experten aus dem Ausland beiziehen will. Es gibt in der Schweiz genügen Experten, die den Fall beurteilen können, und nicht alle sind vom ASTRA abhängig. Wenn man dafür ins Ausland gehen muss, so ist das ein Armutszeugnis für die Schweiz. Im Übrigen: Wenn der Kanton jetzt nicht vorwärts macht, dann zieht das ASTRA das bereitgestellte Geld weg, und dann ist einfach eines Tages der Tunnel gesperrt und dann geht der ganze Verkehr drei Jahre lang aussen herum. Es liegt eine gute Lösung auf dem Tisch. Diese muss jetzt und sofort realisiert werden. Es ist auch unrichtig zu sagen, es seien sieben Jahre Dauerstau zu erwarten. Es gibt während etwa vier Jahren flankierende Massnahmen, und drei Jahre lang dauert die Tunnel-Sanierung.


Die CVP/BDP-Fraktion lehnt das Postulat ab.


Lotti Stokar (Grüne) teilt mit, die Fraktion Grüne/EVP lehne das Postulat ebenfalls ab; es sei nicht einsehbar, was es bringen soll. Wenn schon, dann bräuchte es ein Budget-Postulat, vorausgesetzt man hätte noch irgendwo im Kanton Geld, um eine solche Expertise anfertigen zu lassen, von der man aber nicht einmal weiss, ob sie dann jemand beim ASTRA zur Kenntnis nehmen wollte. Aber was soll es, dass die Regierung «prüfen und berichten» soll, zumal sie sagt, sie kenne den Zustand des Tunnels sehr wohl. Das hat keinen Sinn.


Andreas Dürr (FDP) erläutert, der FDP-Fraktion gehe es um eine Second Opinion. Bisher hat man aus Zofingen nur gehört, die Sanierung sei dringend, der Tunnel falle bald einmal zusammen. Die Frage ist aber, wie die Sanierung durchgeführt werden soll. Das ASTRA möchte nach seinen Vorstellungen sanieren. Und wie man in der BPK und bei der Sitzung in Zofingen gesehen hat: Es fehlt an der Kapazität. Das wird uneingeschränkt zugegeben. Es wird weiträumig Rückstaus geben, und es soll dem Kanton überlassen werden, wie er damit umgeht. Was die FDP daher will, ist, dass ein unabhängiger Experte prüft, ob der vom ASTRA vorgeschlagene Weg die einzige Möglichkeit darstellt, und wie dringend die Sanierung überhaupt ist. Die FDP will einen unabhängigen Experten, nicht notwendig einen aus dem Ausland. Es heisst im dem Vorstoss wörtlich «...zum Beispiel aus dem Ausland». Man hat in der kleinräumigen Schweiz eben das grosse Problem, dass Verkehrs-Ingenieurbüros, die für diese Prüfung infrage kommen, sehr wahrscheinlich das ASTRA als einen Hauptauftraggeber haben. Wenn man als Strassenverkehrsingenieur in der Schweiz Nationalstrassen bauen will, dann wird es wahrscheinlich keinen anderen möglichen Auftraggeber als das ASTRA geben. Dies ist die Befürchtung der FDP; sie möchte für diese Überprüfung und Zweitmeinung kein ASTRA-höriges Expertenteam haben. Es geht auch um die Frage, wie dringend die Sanierung ist und welches Ausmass sie haben muss. Vielleicht gäbe es ja auch weniger tiefgehende Lösungen, die weniger kosten und viel schneller auszuführen sind. Bisher hat man immer nur gehört, es müsse so gemacht werden, wie es das ASTRA vorhat, und nicht anders. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Massnahme für den Kanton - das ganze untere Baselbiet muss durch diesen Tunnel fahren - ist es angebracht, eine unabhängige Zweitmeinung einzuholen.


Rolf Richterich (FDP) findet es erstaunlich, dass der kleine Klammersatz «zum Beispiel aus dem Ausland» einen solchen Aufruhr ausgelöst hat. Das sei nur ein Hinweis gewesen, dass man vielleicht über den Tellerrand der Landesgrenze hinaus denken müsse, gerade im Tunnelbau. Den ganzen NEAT-Gotthard-Tunnel hätte die Schweiz niemals ohne Ausländer bauen können. Südafrikaner haben in Sedrun einen 800 Meter tiefen Schacht gebohrt. Das hätte niemand aus der Schweiz machen können. Der Votant versteht diese Aversionen gegen ausländische Auftragnehmer nicht, wenn es um Unabhängigkeit und Kompetenz geht. Notabene argumentiert ja Links-Grün bei der zweiten Gotthard-Röhre, dass der Arlberg-Tunnel zu einem Bruchteil der Kosten saniert werden könne. Gerade Österreich wäre eine Adresse für die Suche nach unabhängigen Ingenieurbüros. Wenn man sich dagegen sträubt, zeigt man nur, dass man auf keinen Fall dem ASTRA auf die Zehen treten will.


Daniel Altermatt (glp) führt aus, die Fraktion glp/Grüne-Unabhängige sehe überhaupt nicht ein, was das Postulat soll. Wer sich ein wenig in der Geologie im unteren Birstal auskennt, der wundert sich höchstens darüber dass der Schänzli-Tunnel überhaupt noch steht, aber nicht darüber, dass er sanierungsbedürftig ist. Er liegt nämlich genau über dem Grabenbruch, und eigentlich hätte man ihn gar nicht bauen dürfen, respektive man hätte ihn viel stärker bauen müssen. Was soll nun die geforderte Expertise? Das Einzige, was man noch zur Lösung machen könnte, wäre, eine dritte Röhre zu bohren, nur wo sollte das sein? Das geht nicht. Der Votant ist selbst betroffen und weiss, dass er in nächster Zeit im Verkehr ertrinken wird. Aber da hilft auch eine Expertise nicht, denn am Schluss muss der Tunnel saniert werden.


Martin Rüegg (SP) teilt mit, in der Analyse sei er gleicher Meinung wie die FDP: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Aber das Postulat der FDP verzögert das Ganze nur. Man stelle sich vor, eine Expertise, die man einholt, käme zu einem Ergebnis, das nicht ganz mit demjenigen des ASTRA übereinstimmt, dann käme es unweigerlich zu einer weiteren Expertise, und das Resultat wäre, dass man gar keine Lösung hat. Das kann nicht das Interesse des Kantons sein. Im Übrigen hat ja das ASTRA seine Auffassung in der BPK sehr wohl erläutert. Man muss dieses Postulat ablehnen, damit die Sache endlich vorwärts geht.


Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) weist darauf hin, dass das ASTRA Eigentümer des Tunnels und für dessen Betrieb verantwortlich sei. Es hat die Situation analysiert und kam zum Schluss, dass der Tunnel dringend sanierungsbedürftig ist. Die Situation hat sich aktuell noch verschärft. Letzte Woche haben sich Betonteile gelöst und beim Herunterfallen zwei Autos beschädigt. Man hat dann in Nachtarbeit geprüft, ob noch mehr herunterfallen könnte. Für das ASTRA ist der Tunnel klar und sofort sanierungsbedürftig, und es wird sicher nicht mit sich reden lassen. Was die Art und Weise der Sanierung angeht, so ist festzuhalten, dass der Widerstand und Protest vor Ort durchaus etwas bewirkt hat. Es liegt jetzt die Zusicherung vor, dass die Sperrung einer Spur - die anderen drei sollen ja in Betrieb bleiben - nicht länger als drei Jahre dauern wird. Das Problem ist, dass der Verkehr der jeweils geschlossenen Spur via St. Jakob über eine Hilfsbrücke geführt werden muss. Diese Umleitung führt zu einem verzögerten Verkehrsfluss und hat in Spitzenzeiten nur halb so viel Kapazität - 800 statt 1'500 Fahrzeuge - wie die jetzige Spur. Das ist die Schwachstelle dieser Lösung. Das ASTRA hat zugesichert, dass es noch nach zusätzlichen Optimierungen suchen will. Das Jahr, um das sich der Baubeginn verzögert, soll für diese Suche genutzt werden. Die Regierung steht deswegen in engem Kontakt mit dem ASTRA. Zu einer zusätzlichen Expertise wie von der FDP gewünscht wird das ASTRA nicht Hand bieten.


Christof Hiltmann (FDP) hält fest, es bestehe Einigkeit darin, dass der Tunnel saniert werden muss. Auch die FDP sieht das, was sie aber nicht will, ist, dass die Situation in der Hagnau und im Schänzli auf Jahre hinaus so zementiert wird, wie sie heute ist. Das aber würde mit dem jetzigen Projekt passieren. Der Tunnel wird ja nicht nur betontechnisch saniert, sondern er wird auch mit neuer Elektronik versehen und in allen sonstigen Aspekten erneuert. Er wird fit gemacht für die nächsten 30 Jahre. Das ganze Hagnau-Geflecht, das ja von oben betrachtet seinesgleichen sucht, wird zementiert. Da wird nichts Neues mehr kommen. Damit ist die FDP nicht einverstanden. Sie will eine Kapazitätserweiterung. Darum ist sie gegen die vorgesehene Sanierung, nicht weil sie den Sanierungsbedarf als solchen anzweifeln würde. Es gäbe eventuell noch andere Sanierungsmöglichkeiten, um die baulichen Mängel zu beheben und die Sicherheit wieder zu gewährleisten, aber ohne dass man mit der ganz grossen Kelle anrührt und die Situation auf 40 Jahre hinaus zementiert und das ASTRA hinterher sagen kann: Der Raum Basel ist erledigt; jetzt können wir uns wieder dem Wallis oder dem Raum Zürich zuwenden. Das ist die grosse Gefahr. Wenn man jetzt nicht aufpasst, hat man eine Situation, die sich nie mehr ändern wird. Das kann die FDP so nicht akzeptieren.


Paul R. Hofer (FDP) weist ergänzend darauf hin, dass während der mindestens dreijährigen Engpasssituation durch Verspätungen von je einer halben oder ganzen Stunde insgesamt über 700'000 Arbeitstage verloren gehen würden. Er fragt sich, ob es sich nicht lohnen würde, das nochmals genau zu überprüfen.


Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) erwidert auf das Votum von Christoph Hiltmann, das Problem sei nicht die Kapazität des Schänzli-Tunnels. Man hat ja jetzt schon den Rückstau, aber nicht wegen dem Schänzli-Tunnel, sondern das Problem liegt vorne an der Einmündung auf die A2. Dort ist der Flaschenhals. Die A2 ist verstopft, man kann aus Richtung Birstal nicht auffahren, und darum gibt es den Rückstau. Dort muss man sich wehren, und da hat die Region ja auch Druck gemacht, und das war gut so. Der Bund hat sich bewegt und gesagt, er werde die Kapazitätserweiterung auf der A2 schaffen inklusive Schweizerhalle-Tunnel.


Christoph Buser (FDP) findet, das Votum von Sabine Pegoraro zeige, wie man der ASTRA-Argumentation verfallen könne. Die Osttangente ist in der Tat die Stauwurzel. Dennoch bleibt es notwendig, das Hagnau-Geflecht zu entflechten. Sonst werden sich, wenn die A2 dann einmal verbreitert sein wird, die Stauräume einfach nur verlagern. Es ist nicht so, dass alle Probleme gelöst sein werden, wenn der Rheintunnel erst einmal existiert. Man muss entflechten. Wenn hingegen gemäss ASTRA-Planung saniert wird und die vorgesehenen 70 Millionen verbaut sind, dann heisst es dort: So, was wir tun mussten im Schänzli-Gebiet, haben wir getan. Und die Region wartet weitere Jahrzehnte, bis sich wirklich etwas bessert. Der Votant hat erst heute Vormittag wieder an einer TCS-Verwaltungsratssitzung gehört, wie viele Projekte in der ganzen Schweiz am Laufen sind; und überall geht es um die gleiche Frage: Wer ist baubereit und wer stellt Forderungen? Das ASTRA funktioniert eben so. Der Votant ist überzeugt, dass es andere Lösungen gäbe als dieses historisch gewachsene Hagnau-Geflecht. Das ASTRA soll jetzt eine provisorische Sanierung vornehmen, die zehn Jahre hält, und dann eine definitive Lösung verwirklichen. Das wäre sinnvoll.


Christine Koch (SP) findet, bei allem Verständnis für die Forderung der FDP, dies sei der falsche Weg, das Geld fehlt auch. Viel besser wäre es, wenn man nicht weiterhin an den Grenzen Mauern und Wälle aufziehen oder Gräben graben würde, sondern mit den Nachbarkantonen zusammensitzen und eine Priorisierung erarbeiten würde, für welche Projekte man in den kommenden Jahren gemeinsam kämpfen will. Dann könnte man in Bern gemeinsam auftreten und hätte eine stärkere Stimme als der kleine Halbkanton mit seinen wenigen Vertretungen im National- und Ständerat.


Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) möchte klarstellen, was bei der A2 geplant ist. Der Bund habe ein Projekt namens Engpassbeseitigung. Der erste Teil davon ist die Osttangente mit dem Rheintunnel, der geplant wird. Der zweite Teil bezieht sich auf den Bereich Hagnau/Schweizerhalle-Tunnel und noch weiter ostwärts. Dieser Teil ist ebenfalls aufgegleist. Dort sind auch Entflechtungen vorgesehen, soweit das räumlich machbar ist. Es geht dort eben sehr eng zu, vor allem wegen der Bahnlinie und den Flussläufen. Und die Engpassbeseitigung und die Entschärfung von Unfallschwerpunkten auf der H 18 ist ein Teil der Schänzli-Sanierung. Um etwas Grösseres zu machen, fehlt aber wahrscheinlich der Platz.


://: Das Postulat 2015/046 wird mit 57:26 Stimmen abgelehnt. [ Namensliste ]


Für das Protokoll:
Jörg Bertsch, Landeskanzlei


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