Protokoll der Landratssitzung vom 4. Mai 2017
Nr. 1437 |
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2017-080 vom 23. Februar 2017
Resolution der Fraktionen Grüne/EVP, SP und glp/GU gegen die Wiederinbetriebnahme des AKW Leibstadt - Der Regierungsrat verzichtet auf eine Stellungnahme - Beschluss des Landrates vom 4. Mai 2017: < abgelehnt > |
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass die Resolution gemäss §39 des Landratsgesetzes als zustandegekommen gelte, wenn 60 Ratsmitglieder zustimmten. Der Regierungsrat verzichtet, zum Resolutionsbegehren Stellung zu nehmen.
Marie-Theres Beeler (Grüne) sagt, dass am 23. Februar 2017 39 LandrätInnen das Resolutionsbegehren unterzeichnet hätten, diesem aber keine Dringlichkeit zugestanden worden sei. Anlass für das Resolutionsbegehren sind im Sommer 2016 aufgedeckte Sicherheitsdefizite im AKW Leibstadt. Das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) unterband die Wiederinbetriebnahme aufgrund der Defizite. Nach einem halben Jahr Wartezeit wurde das AKW wieder in Betrieb genommen. Was das Problem des AKW Leibstadt ist, ist Betreiber und ENSI unbekannt. Es ist bekannt, dass Brennelemente bei hoher Leistung oxidieren, da sie nicht mehr genügend befeuchtet werden. Dieses sogenannte Dryout-Phänomen ist gefährlich, jedoch ist nicht klar, wieso es zustande kommt. Das ENSI bewilligte den Betrieb mit geringerer Leistung, ohne die Problemursache zu kennen. Das AKW Leibstadt befindet sich seit 1984 am Netz. Zwischen 1984 und 2012 wurde die Leistung kontinuierlich um einen Drittel erhöht. Während der ganzen Betriebszeit gab es immer wieder Probleme – wie festgestellt wurde, aufgrund der defekten Brennstäbe. Gründe für das Resolutionsbegehren sind die Unkenntnis des genauen Grunds für die defekten Brennstäbe und die Tatsache, dass zahlreiche Experten das Risikopotential komplett anders einschätzen als das ENSI.
Zum Schutz der Bevölkerung soll bei Bundesrätin Doris Leuthard, UVEK, sowie beim ENSI interveniert werden. Das AKW Leibstadt darf erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn die Ursachen für die Brennstabüberhitzung aufgeklärt sind.
Hansruedi Wirz (SVP) sagt, dass die SVP-Fraktion das Resolutionsbegehren nicht unterstütze.
Stefan Zemp (SP) hofft, dass es in Gösgen und Leibstadt nicht zu einem zweiten Tschernobyl komme. Cäsium-137 gelangte damals in die Luft und sorgte bei Bauern im Tessin und in Bayern für Unsicherheit, da ihre Erzeugnisse radioaktiv belastet waren. Statistisch gesehen erreichten die Abtreibungen im Kanton Tessin nach Juni 1986 einen Höhepunkt. Aus Angst vor missgebildeten Kindern entschieden sich die Frauen zu diesem Schritt.
Im AKW Leibstadt findet eine Oxidation statt. Ein anderes Wort dafür ist Rost. Die Brennstäbe rosten und niemand weiss wieso. Es ist naiv, dieses Problem zu ignorieren und lediglich die Leistung zu drosseln. Wenn etwas geschieht, dann hat das gravierende Folgen, weswegen es wichtig ist, dieses Problem ernst zu nehmen und sich für eine Lösung einzusetzen. Sich gegen die Gefahren von Atomkraft auch ausserhalb des eigenen Kantonsgebietes einzusetzen, steht im Übrigen auch in der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft.
Viele wollen das Resolutionsbegehren nicht unterstützen. Es bleibt zu hoffen, dass die Natur nicht eines Tages zurückschlägt.
Rolf Richterich (FDP) sagt, dass das Votum seines Vorredners schlecht recherchiert sei. Rost ist sicherlich nicht in den Brennstäben, da diese kein Eisen enthalten. Die FDP-Fraktion unterstützt das Resolutionsbegehren ebenfalls nicht. Das Vertrauen in das ENSI ist grösser als in Voten einzelner LandrätInnen, die der Ansicht sind, die Sicherheit von AKWs besser beurteilen zu können als die Experten.
Oskar Kämpfer (SVP) findet es erschütternd, was alles als Fakten verkauft werde. Die Feststellung, das ENSI wisse nicht, was das Problem in Leibstadt ist, stimmt nicht. Die Umspülung der Brennstäbe hat sich verändert. Strömungsversuche, welche die Sicherheit wieder auf 100% anheben sollen, werden durchgeführt. In der Zwischenzeit wird die Leistung gedrosselt. Diese Information stammt vom Strahlenschutzverantwortlichen des AKW Leibstadt, Lars Kämpfer.
Rahel Bänziger (Grüne) sagt, dass sie selbst mit Radioaktivität gearbeitet habe. Wenn die Experten des ENSI nicht wissen, wieso die Dryouts zustandekommen, die einzige Empfehlung aber das Herunterfahren der Leistung auf 90% ist, dann ist das Vertrauen in die Experten aus wissenschaftlicher Sicht nicht sehr gross. Eine genaue Untersuchung, wie es zu den Dryouts kommt, ist nötig. Erst danach können Gegenmassnahmen ergriffen werden.
Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige) sagt, dass die Fraktion glp/GU das Resolutionsbegehren einstimmig unterstütze. Die Meinung, dass Atomkraft relativ sicher ist, ist verständlich. Es bleibt jedoch immer ein gewisses Restrisiko, das extrem klein sein kann. Das Hauptproblem ist jedoch, dass ein Unfall reicht. Historisch betrachtet kann man feststellen, dass in Abständen von 20 Jahren irgendwo auf der Welt ein schwerer atomarer Unfall stattfindet. Diese fanden auch in AKW statt, die sich technisch in einem einwandfreien Zustand befanden. In der Schweiz sind die AKW verhältnismässig alt. Das Risiko mag zwar gering sein, die Auswirkung eines Unfalls aber so gravierend, dass nur ein Anzeichen eines Problems dazu führen sollte, den Betrieb einzustellen.
Oskar Kämpfer (SVP) ist der Ansicht, dass der technische Kenntnisstand über ein AKW innerhalb des Landrats ungenügend sei. Die Schweizer AKW sind alt, wurden aber entsprechend nachgerüstet. Es bleibt dabei, dass die Arbeit des ENSI mangels Verständnis seitens der Ratsmitglieder nicht nachvollzogen werden kann und deshalb unwahre Behauptungen aufgestellt werden.
Klaus Kirchmayr (Grüne) erinnert an die Verfassung des Kantons Basel-Landschaft. In dieser steht, dass sich der Kanton Basel-Landschaft gegen Atomkraftwerke zu wehren habe.
://: Der Landrat lehnt die Resolution 2017/080 mit 38:35 ab.
Für das Protokoll:
Benedikt Wirthlin, Landeskanzlei