Protokoll der Landratssitzung vom 31. August 2017

Der Kommissionsantrag ist mit 10:2 Stimmen erfolgt, sagt Landratspräsidentin Elisabeth Augstburger (EVP). 

Kommissionspräsident Roman Klauser (SVP) sagt, dass die nicht-formulierte Gemeindeinitiative zum Ausgleich der Sozialhilfekosten in der Finanzkommission angeschaut und geprüft worden sei. Man hat zwei, drei grosse Probleme gesehen. Man weiss, dass es nicht so einfach ist, 70 % der Gesamtkosten über eine Stelle laufen zu lassen und 30 % bei den Gemeinden zu belassen. Als man den Ablauf durchgespielt hat, hat man gesehen, welchen enormen Aufwand dies bringen würde: Was heisst das  konkret? Wer gibt wo wann welche Zahlungen frei? Wer muss was untersuchen? Man hat dort gesehen, dass es riesige Probleme geben würde. Zudem hat man gesehen, dass die Lastenabgeltung des Finanzausgleichs, wo die Bereiche Bildung und Sozialhilfe dabei sind, völlig durcheinander kommen würde.

Man hat daraufhin den Auftrag erteilt, wie man es machen könnte; weil man ja eine bestehende Härtefallregelung hat. Es wurde gesagt, sie sei zu hart. Man hat in der Folge einen Gegenvorschlag, den die Regierung ausgearbeitet hat, in der Kommission angeschaut – und befunden, dass er den Weg weisen könnte. Die Änderung des Härtefall-Paragrafen (§ 8 des Finanzhaushaltsgesetzes) wurde als Antrag beschlossen. Man hat von den Initianten einen Brief erhalten, dass sie grundsätzlich mit diesem Gegenvorschlag einverstanden sind. Darum war für die Finanzkommission ganz klar, dass sie – wie im Landratsbeschluss beantragt und im Finanzhaushaltsgesetz festgelegt – den Gegenvorschlag in dieser Form vorschlägt. 

Eintretensdebatte 

Die SVP-Fraktion, so sagt Dominik Straumann (SVP), sei grossmehrheitlich der Meinung, wie sie auch die Finanzkommission vertritt. Auch wegen der Problematik, dass mit der Umverteilung respektive der Korrektur eines Faktors Auswirkungen auf ein langjährig bewährtes System  entstehen, die nicht richtig sind. Man hat auch diskutiert, dass das Problem der ständig steigenden Sozialhilfekosten nicht korrigiert wird, indem sie auf mehrere Schultern verteilt werden und alle solidarisch mehr zahlen. Grundsätzlich muss man das Problem an der Wurzel anpacken – man muss die Kosten in den Griff bekommen und sie senken können. Darum ist die SVP grossmehrheitlich (bei ganz wenigen Gegenstimmen, die von Betroffenen aus den tangierten Gemeinden stammen) für den Gegenvorschlag. 

Die Sozialhilfekosten stiegen in den laufenden Jahren stetig an, sagt Urs Kaufmann (SP). Man spürt die Sparbemühungen des Bundes, der bei der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung neue und höhere Hürden geschaffen hat. Das hat zur Folge, dass vermehrt Leute in der kommunal finanzierten Sozialhilfe hängen bleiben – und nicht mehr in den schweizweit solidarisch finanzierten Sozialwerken aufgenommen werden können. Dass die Sozialhilfe aus traditionellen Gründen noch weitgehend von den betroffenen Gemeinden getragen wird, führt zu sehr grossen Unterschieden und Ungerechtigkeiten zwischen den Gemeinden. Eigentlich müsste die Sozialhilfe – wie andere Sozialwerke auch – mindestens kantonal oder auf Bundesebene solidarisch getragen werden. In den Kantonen Bern und Solothurn ist eine solidarische Finanzierung bereits umgesetzt. Man darf gespannt sein auf die Rezepte von Dominik Straumann zur Senkung der Kosten; damit die Ungerechtigkeiten zwischen den Gemeinden aufhören. Dazu konnte man bisher nicht nie hören, wie das funktionieren soll.

Entscheidend ist, dass man sehr grosse Unterschiede und Ungerechtigkeiten zwischen den Gemeinden hat. Man hat in Baselland aber im Rahmen des Finanzausgleichs eine Sonderlastenabgeltung für sozialhilferelevante Risikofaktoren. Es handelt sich aber nur um den Ausgleich der Risiken – und nicht der effektiven Belastung. Dieser Ansatz ist leider noch ganz fest in den Köpfen der Finanzausgleichskonstrukteure drin. Es zeigt sich denn auch, dass die Gemeinden ganz unterschiedlich von der Sonderlastenabgeltung im Finanzausgleich profitieren – oder eben nicht profitieren. Wenn man die Detailzahlen über mehrere Jahre anschaut, so sieht man klar, dass der Sonderlastenausgleich in vielen Fällen nicht plausibel und sinnvoll funktioniert. Beispiel Liestal: Der Kantonshauptort hat gemäss den gestern publizierten Zahlen für 2016 Netto-Kosten von 543 Franken pro Einwohner. Und Liestal hatte letztes Jahr mit 6,2 % wieder die grösste Sozialhilfequote. Über den Sonderlastenausgleich hat Liestal im letzten Jahr 124 Franken pro Einwohner erhalten. Damit bleiben immer noch 419 Franken pro Einwohner, welche die Stadt selber zahlen muss. Liestal liegt mit diesem Wert doppelt so hoch wie der kantonale Durchschnitt bei den selber getragenen Netto-Kosten im Bereich Sozialhilfe. Wenn man das in absolute Zahlen umrechnet (mit der Anzahl Einwohner multipliziert), so kommt man auf rund drei Millionen Franken, die Liestal gegenüber den durchschnittlich selber zu tragenden Kosten mehr bezahlen muss. Diese drei Millionen an überdurchschnittlicher Sozialhilfebelastung machen etwa 10 % der Einkommens- und Vermögenssteuer von Liestal aus. Das ist eine happige Zusatzbelastung für Liestal – und langfristig nicht tragbar.

Dass nun als Gegenvorschlag die Härtefallregelung etwas aufgeweicht werden soll, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem ist es weiterhin der falsche Weg. Er treibt die belasteten Gemeinden weiterhin in Richtung Armengenössigkeit und in eine Negativspirale. Liestal geht es im Moment noch so gut, dass die Stadt nicht um einen Härtefallbeitrag ersuchen kann. Der Steuerfuss ist zwar schon auf unattraktiven 65 %, wie man ihn gemäss der aufgeweichten Härtefallregelung neu haben muss. Andererseits hat Liestal aber noch zu viel Eigenkapital. Man müsste also Eigenkapital vernichten, um dann als mausarme Gemeinde von einem Härtefallbeitrag profitieren zu können. Es ist sicher nicht der rechte Weg, dass man Gemeinden erst in die Armut treibt, bevor man dann irgend einen Härtefallbeitrag zahlt und die Sozialhilfebelastung so abmildert. Der Härtefall muss auch jedes Jahr neu beantragt werden – so können die Gemeinden nicht sinnvoll und langfristig planen und sich verbessern. Sobald nämlich eine Verbesserung eintritt, fällt der Härtefallbeitrag wieder weg – und schon ist man wieder im gleichen Dilemma und fällt wieder in die Armengenössigkeit zurück, wenn man weiterhin hohe Belastungen in der Sozialhilfe hat. Es wird darum für diese Gemeinden nie möglich sein, ihren Steuerfuss zu senken (weil der Härtefallbeitrag dann definitiv weg ist), um so attraktiver zu werden. Der Härtefall-Weg ist darum für gewisse Gemeinden eine Rettung vor dem Totalabsturz – er bringt aber keine nachhaltige Verbesserung.

Die SP-Fraktion wird aber die Mini-Verbesserung des Gegenvorschlags mit der leichten Aufweichung der Härtefallkriterien unterstützen. Die Ausgleichsinitiative hat in der Fraktion zu Diskussionen geführt. Man ist sich einig, dass die Sozialhilfe eigentlich ein Sozialwerk ist, das mindestens auf kantonaler oder noch höherer Ebene angesiedelt werden sollte. Die Mehrheit der Fraktion unterstützt die Initiative – als Schritt zu einer solidarischen Finanzierung der Sozialhilfekosten. 

Die FDP sehe die Sache ähnlich wie die SVP, sagt Christof Hiltmann (FDP); sie steht grossmehrheitlich hinter dem Gegenvorschlag. – Es wurde gesagt: Die Sozialhilfekosten sind eine sehr grosse Herausforderung für die Gemeinden. Es ist aber nicht die einzige Herausforderung auf der Kostenseite; das darf man nicht vergessen. Man hat hier aber ein Thema, das besonders polarisiert und emotional geladen ist – und unter besonderer Beobachtung steht. Es wurde genannt: Die Kosten sind ansteigend; das ist sicher korrekt so. Es wurde aber auch erkannt, dass das angepeilte Mittel – die neue Ansiedlung der Verantwortung für die Kosten – nicht hilft, die Kosten zu senken. Der Lösungsvorschlag der Initiative heisst: Solidarisierung der Kosten. Man hat noch kein Modell erlebt, bei dem eine Solidarisierung der Kosten zu einer Kostensenkung geführt hat. Solch ein Modell müsste erst mal präsentiert werden. Wenn man also der Meinung ist, dass man die Kosten solidarisieren soll, so ist das natürlich ein Riesenirrtum. Das Gegenteil ist der Fall: Überall dort, wo Solidarisierungsmodelle eingeführt sind, hat man mit enormen Kosten zu kämpfen. Man geht im Moment bei den EL in die umgekehrte Richtung: Man hat beschlossen, dass dort eine Deckelung stattfindet und die Solidarisierung eben nicht mehr greift. Man hat ein Solidarisierungkostenproblem bei den Gesundheitskosten – ein weiteres Thema, das die Gemeinden stark beschäftigt. Überall dort, wo man die Solidarisierungsmodelle hat, hat man die Kosten nicht im Griff – weil sich niemand verantwortlich fühlt. Und man kann die Kosten nie wirklich klar zuweisen.

Dass man bei der Sozialhilfe in einzelnen Gemeinden ein Problem hat, ist richtig. Es soll nicht verniedlicht werden. Für die betroffenen Gemeinden ist es eine unglaubliche Herausforderung. Es ist aber zu erinnern, dass die Finanzausgleichsgesetzgebung ein unglaublich fein austariertes Instrument ist. Urs Kaufmann hat es zuvor eher lächerlich gemacht, indem er sagte, dass die Abstützung auf die Risiken (und nicht auf die realen Kosten) der falsche Weg sei. Man muss sich aber einen Finanzausgleich vorstellen, der auf den Kosten basiert. Jede Gemeinde, die irgendwelche Kosten anhäuft, würde profitieren. Möglichst hohe Kosten würden zu möglichst hohen Kick-backs führen – das geht ja nicht. Darum ist die Finanzkraft massgebend – sie schafft den Ausgleich. Genau gleich wird die Sonderlastenabgeltung gehandhabt. Die Gemeinden können nicht beeinflussen, wie viel sie aus dieser Abgeltung bekommen – es werden Risiken identifiziert, die massgebend sind für den Ausgleich.

Die Finanzausgleichsgesetzgebung greift auf drei Ebenen: Einerseits beim Finanzausgleich selber, er setzt bei der Finanzkraft an. Die Gemeinden, die von einer übermässig hohen Sozialhilfelast betroffen sind, haben in der Tendenz eine tiefere Finanzkraft; das heisst: Sie können eher vom Finanzausgleich profitieren. Das ist die erste Stufe. Die zweite Stufe ist die Sonderlastenabgeltung mit drei Faktoren; die Sozialhilfekosten sind eine Sonderlast, die abgegolten wird (daneben hat man die Bildung und die Nicht-Siedlungsfläche). Die Gesundheit findet man dort nicht. Man muss also ganz vorsichtig sein, wenn man Sonderlasten identifiziert. Man hat drei Kategorien; es ist eigentlich eine Abkehr vom Prinzip, dass man nicht auf einzelne Lasten abstützt. Dann hat man noch die Härtefallbeiträge – das ist ein Element, das greifen soll, wenn die ersten beiden Elemente nicht wirken. Man muss sehen, dass diese Zusatzbeiträge mit einem Pro-Kopf-Beitrag alimentiert sind. Je mehr Zusatzbeiträge man schafft, desto mehr müssen die andern Gemeinden aufbringen. Es kann also zur Situation kommen, dass eine Gemeinde, die in einem andern Bereich eine Last trägt, in den Topf für die Zusatzbeiträge zahlen muss – zu Gunsten einer Gemeinde, die hohe Sozialhilfekosten hat. Das  führt zu Ungleichgewichten.

Die Lösung, die man in der Finanzkommission gefunden hat, ist ein Entgegenkommen. Mehr kann und darf es nicht sein. Sonst wird das Gleichgewicht im Finanzhaushaltsgesetz arg strapaziert. Wie gesagt: Die FDP hat die Thematik und die Solidarisierung der Sozialhilfekosten sehr intensiv diskutiert. Es wurde ins Feld geführt, dass gewisse Gemeinden wie etwa Liestal, Grellingen oder Waldenburg teils keine Chance haben, die Sozialhilfekosten zu reduzieren respektive Voraussetzungen haben, die dazu führen, dass sie besonders viele Sozialhilfebezüger haben; in Liestal etwa ist es die gute ÖV-Erschliessung. Man darf aber nicht vergessen, dass dies die eine Seite der Medaille ist. Die andere Seite bietet Chancen für Einnahmen. Pratteln führt dies perfekt vor. Man hat dort eine sehr hohe Belastung bei der Sozialhilfe – das wird aber mit der Standortgunst wettgemacht; es gibt Mittel und Wege!

Zudem: Wenn man die Solidarisierung vorantreibt, werden die Gemeinden ihre Anstrengungen zur Reduktion der Sozialhilfe herunterfahren. Es gibt unterschiedliche Instrumente, welche die Gemeinden zur Hand haben, um die Sozialhilfe zum Teil zu beeinflussen. Man kann sie nicht zu 100 % beeinflussen, aber zum Teil. Es gibt zum Beispiel das Instrument der Mietzinszuschüsse. Damit verhindert eine Gemeinde, dass eine Person in eine Sozialhilfeabhängigkeit schliddert. Wichtig ist, dass die Mittel und Wege dort greifen, wo die Kosten entstehen – auf Gemeindeebene.

Für die FDP sind sämtliche Anstrengungen, die Belastungen auf eine kantonale oder die Bundesebene zu heben, der falsche Weg. Die Subsidiarität muss greifen. Auf Gemeindeebene ist die Thematik richtig angesiedelt. Das Finanzausgleichsgesetz wirkt im Kern – es wirkt nicht in etwa drei bis vier Fällen (von 86 Gemeinden). Für diese Fälle muss man einen Weg finden; mit den Zusatzbeiträgen. Man muss aber feststellen, dass das Finanzausgleichsgesetz funktioniert – die Sozialhilfekosten werden zum allergrössten Teil zu Gunsten der belasteten Gemeinden ausgeglichen. 

Nicht ganz überraschend ist man in eine ideologische Grundsatzdiskussion geraten, was solidarisiert respektive subsidär behandelt werden soll, stellt Klaus Kirchmayr (Grüne) fest. Wie meist im Leben ist die Wahrheit irgendwo in der Mitte. – Man muss zurückgehen auf das, was man weiss: Man weiss, dass es im Baselbiet einige wenige Gemeinden hat, welche ziemlich «bluten» im Verhältnis zu den andern Gemeinden. Ein Faktor 3 besteht zwischen dem Durchschnitt und jenen Gemeinden, welche die meisten Lasten zu tragen haben. Das ist das Problem, vor dem man steht. Man hat eine Sozialhilfe, welche in den Gemeinden in aller Regel sehr gut funktioniert. Die Belastung für die Gemeinden ist aber unterschiedlich. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dies fundamental anzugehen, indem man sagt, man wolle die Sozialhilfe kantonal oder gar eidgenössisch solidarisieren. Das hat in der föderalistischen Schweiz nicht wirklich eine Tradition. Die Zweifel, dass dies gut funktioniert, sind bei den Grünen vorhanden. Lokales Handeln ist effizient. Entscheidungs- und Finanzkompetenz am gleichen Ort – das ist grundsätzlich der richtige Weg.

Nichtsdesotrotz kann es den Verantwortlichen des Kantons nicht egal sein, wenn die zentrifugalen Kräfte, welche solche Ungleichbehandlungen produzieren, zu gross werden. Es besteht die Gefahr von Ghetto-Bildungen mit Folgekosten, die weit über die Möglichkeiten einer einzelnen Gemeinden hinaus gehen. Darum ist der Ansatz der Regierung, über eine Härtefallregelung nachzudenken, nicht falsch. Man muss aber anschauen, was in dieser Beziehung konkret auf dem Tisch liegt – da stellt man enttäuscht fest, dass der Vorschlag den Namen nicht wirklich verdient. Man muss wirklich armengenössig sein, damit man – in diesem Fall recht viel – Geld «geschüttet» erhält. Andere Gemeinden, welche nur wenig weg sind von dieser Grenze, bekommen gar nichts. An der jetzigen Lösung sind zwei Dinge zu kritisieren: Erstens setzt die Abfederung zu spät ein; und die Abgeltung erfolgt nicht stetig, sondern sprunghaft. Das löst nicht das Problem – über kurz oder lang wird man die Problemverschärfung weiter auf dem Tisch haben.

Die Fraktion hätte sich eine Lösung gewünscht, bei der ab einem gewissen Mass der Überbelastung (z.B.  mehr als das Doppelte des Durchschnitts) langsam eine Hilfe und Solidarität einzusetzen beginnt. Die Gemeinde sollen aber weiter in der Verantwortung sein. Da wäre die gescheitere und nachhaltigere Lösung gewesen; auch wenn es keine vollständige Gerechtigkeit geben wird und geben kann. – Insgesamt ist man enttäuscht vor der Härtefallregelung. Man wird die Initiative deshalb unterstützen und dem ungenügenden Gegenvorschlag nur halbherzig zustimmen. 

Die Initiative habe bewirkt, dass das Thema der Sozialhilfekosten auf der politischen Agenda ist, sagt Simon Oberbeck (CVP). Es gibt tatsächlich einige Gemeinden, welche grosse Probleme haben, diese Kosten in den Griff zu bekommen. – Die CVP/BDP-Fraktion hat ein Mitte-Resultat; man hat ein Unentschieden, wenn es um die Art und Weise der Unterstützung geht. Einerseits sagt man, man solle den Finanzausgleich nicht weiter belasten und überborden lassen, sondern eine bessere Härtefallregelung auf Verordnungsebene schaffen, welche den Gemeinden effektiv nützen kann. Man darf nicht vergessen: Die Gemeinden haben sowieso den Sonderlastenausgleich – sie bekommen also nicht nichts. Bei den Kriterien wird dann eben bestimmt, wo diese Unterstützung einsetzt. Aus persönlicher Sicht ist das ausreichend. Weil man in der Fraktion ein Unentschieden hat, wird es aber einen zweiten Sprecher geben. 

Die GLP/GU-Fraktion empfehle die Initiative einstimmig zur Ablehnung, gibt Matthias Häuptli (glp) bekannt. Die Sozialhilfe ist grundsätzlich eine Gemeindeaufgabe. Wenn die Initiative 70 % der Kosten auf alle Kantonseinwohner umverteilen will, gleichzeitig aber daran festhält, dass es eine Sonderlastenabgeltung gemäss Finanzausgleich geben soll (obwohl die Kosten ja zu 70 % umverteilt würden), geht das eindeutig zu weit. Das setzt falsche Anreize – es ist auch nicht praktikabel, dass die Gemeinden selber einen Ausgleich organisieren, wie die Initiative dies will. Dazu müsste man eigene Organisationsstrukturen erfinden – wie soll das gehen?

In einem Punkt haben die Initianten aber recht: Die Gemeinden vollziehen die Sozialhilfe, die Kosten können sie aber nur begrenzt beeinflussen. Die Anspruchsberechtigung und die Höhe der Sozialhilfe sind vom Kanton bestimmt; da haben die Gemeinden nichts zu sagen. Es besteht Niederlassungsfreiheit – jeder Sozialhilfebezüger kann sich dort niederlassen, wo er eine passende Wohnung findet. (Das Wohnungsangebot beeinflusst die Sozialhilfequote relativ stark; da hat die Gemeinde wenig Einfluss – und selbst wenn sie diesen Einfluss hätte, würde dies nur dazu führen, dass die Bezüger anderswohin abgeschoben werden. Irgendwo im Kanton fallen die Kosten dann doch an.) Es gibt zudem Massnahmen, die von der KESB verfügt werden und von der Sozialhilfe getragen werden müssen; dort haben die Gemeinden nicht einmal beim Vollzug etwas zu sagen. Ansonsten können sie aber beim Vollzug etwas tun – bei der Betreuung der Klienten und bei den integrativen Massnahmen. Dort müsste sicher die eine oder andere stark belastete Gemeinde mehr tun. Wenn man aber das Gesamtbild ansieht, besteht in der Fraktion die Überzeugung, dass die Initiative deutlich zu weit geht, der Gegenvorschlag aber auch nicht genügt. Er nützt nur jenen Gemeinden, die bereits auf dem Zahnfleisch gehen – und er löst das Problem nicht, dass die Gemeinden sehr unterschiedlich betroffen sind von einer Belastung, für die sie nur zu einem kleinen Teil verantwortlich sind.

Die Fraktion will einen besseren Gegenvorschlag, der analog zu andern Kantonen (Bern und Solothurn wurden genannt) eine Umverteilung eines fixen Prozentsatzes der Sozialhilfekosten beinhaltet, aber als Maximum 50 % (oder auch weniger). Im Gegenzug müsste die Sonderlastenabgeltung im Finanzausgleich aufgehoben oder reduziert werden. Das sind Änderungsvorschläge, die man nicht in der Detailberatung übers Knie brechen kann. Weil man nicht in der Finanzkommission vertreten ist und sich deshalb nicht früher einbringen konnte, nimmt man sich die Freiheit, Rückweisung an die Kommission zu beantragen – mit dem Auftrag, einen besseren und griffigeren Gegenvorschlag vorzulegen.

Vertreter der zweiten Hälfte der CVP/BDP-Fraktion will Franz Meyer (CVP) auf gewisse Fakten eingehen. Man hat gehört, dass die Sozialhilfekosten sich im Kanton in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben; sie liegen bei über 60 Millionen Franken pro Jahr. Man hat auch gehört, was die Gründe dafür sind: Es liegt vor allem auch am Bund, der bei der Arbeitslosenversicherung und der IV spart und die Leute möglichst frühzeitig in die Sozialhilfe drängt. Auch gesellschaftliche Gründe wie vermehrte Scheidungen, Veränderungen des Arbeitsmarkts und eine zunehmende Migration sind sicher mitschuldig an dieser Situation. – Die Betroffenheit ist so unterschiedlich, dass man unbedingt  eine nachhaltige Lösung finden muss. Es gibt Gemeinden im Baselbiet, welche für die Sozialhilfe eine Pro-Kopf-Belastung von unter 30 Franken haben; in andern Gemeinden liegt dieser Wert bei 600 Franken. – Christof Hiltmann hat recht: Es gibt auch andere Sonderlasten. Ein solches Missverhältnis wie bei der Sozialhilfebelastung kennt man sonst aber nicht (sonst müsste das dem Redner aufgezeigt werden). Insofern darf man überzeugt sein, dass die Ausgleichsinitiative den nachhaltigsten Ansatz bietet, den man im Moment auf dem Tisch hat. Denn: 70 % der Netto-Sozialhilfekosten würden pro Kopf im Kanton verteilt. 30 % blieben immer noch bei den Gemeinden. Es ist deshalb nicht richtig zu sagen: Es gibt keine Anreize mehr für eine effizient gestaltete Sozialhilfe. Die Kantonsfinanzen – das weiss man auch – sind nicht betroffen. Und es wäre für die Gemeinden einfacher zu budgetieren, weil die neue Kostenverteilung eine gewisse Glättung bringen würde.

Was ist denn am Gegenvorschlag schlecht? Es macht einerseits keinen Sinn, dass man erst das Eigenkapital völlig aufbrauchen muss, bevor man berechtigt ist, Härtefall-Gelder in Anspruch zu nehmen. Diese Gemeinden kommen in einen Negativstrudel, aus dem sie nie mehr hinauskommen. Auch der Steuerfuss von mindestens 65 % (Grellingen musste ihn noch auf 67 % hinaufsetzen) führt in eine negative Spirale; der Schuss geht nach hinten los – weil die wenigen guten Steuerzahler, die man noch hat, dann auch noch abwandern. Wer jetzt hier drinnen meint, die betroffenen Gemeinden seien selber schuld an dieser Situation und man müsse ihnen darum nicht nachhaltig helfen – diesen Stimmen kann man sagen: Georges Thüring und der Redner können aus ihrer langjährigen Erfahrung als Gemeindepräsidenten von Grellingen gerne Red und Antwort stehen und die Landräte einladen, genau hinzusehen: So würde man sehen, dass die Gemeinden bereits heute sehr viel machen. Grellingen hat vor 1996 ein Beschäftigungsprogramm eingeführt, das den betroffenen Personen eine Tagesstruktur gegeben hat und ihre Chance auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erhöhen sollte.

Man hat es aber auch gehört: Der Spielraum der Gemeinden ist praktisch gleich null. Das Sozialhilfegesetz ist kantonal; die Gemeinde ist nur für den Vollzug zuständig. Es gibt zudem gewisse Rahmenbedingungen, günstigen Wohnraum etwa. Auch dazu könnte man ein paar Geschichtchen erzählen: Der Gemeinderat hat unzählige Male versucht, Wohnungen, bei denen man das Gefühl hatte, sie seien nicht mehr bewohnbar, abzusprechen. Man hat vor Gericht aber nie Recht erhalten. Auch hier ist die Gemeinde auf sich selber gestellt und hat fast keine Möglichkeiten.

Aus all diesen Gründen bittet der Redner den Landrat, die Gemeinden nicht im Stich zu lassen und sich für die Ausgleichsinitiative auszusprechen. Wenn es dafür keine Mehrheit gibt und der Gegenvorschlag zum Tragen kommt, so müsste er zumindest so ausgestaltet werden, dass nicht die Fakten Steuerfuss und Eigenkapital zwangsläufig zu einer Negativspirale führen.

Landratspräsidentin Elisabeth Augstburger (EVP) begrüsst an dieser Stelle Miriam Dürr, die seit Anfang August beim Parlamentsdienst der Landeskanzlei arbeitet. Sie führt das Sekretariat der Personalkommission und wird gelegentlich auch im Landrat zum Einsatz kommen. Viel Zufriedenheit im neuen Job!

Der Berg habe eine Maus geboren, sagt Linard Candreia (SP). Was man hier vorgesetzt bekommt, ist ein Revisiönli, ein Zückerli. Und dies angesichts einer Problematik,  die alle 86 Gemeinden angeht – und nicht nur die elf stark belasteten Initiativgemeinden. – Acht Mal in Folge hat man im Baselbiet eine Zunahme der Sozialhilfekosten erlebt. Der Trend ist schweizweit gegeben. Die Schere zwischen den Gemeinden, die extrem belastet sind, und jenen Gemeinden, die wenig bis gar nicht belastet sind, geht auseinander – und sie wird weiter auseinander gehen. Die Initiativgemeinden haben eine realistische und solidarische Lösung vorgeschlagen; ganz nach dem Prinzip des fairen Lastenausgleichs. Was bedeutet Lastenausgleich? Man hat es heute morgen technisch erklärt bekommen. Der Lastenausgleich gehört zum Grundprinzip unseres Staatswesens. «Was alle angeht, können nur alle lösen», hat Dürrenmatt bereits in «Die Physiker» gesagt. Und der Redner ist fest davon überzeugt: Der Vorschlag der Initiativgemeinden ist eine echte Chance – der Gegenvorschlag ist nur ein Revisiönli und ein Zückerli. Der Vorschlag der Initiative ist richtige Antwort auf ein gesellschaftliches Problem, das alle angeht.

 

Für das Protokoll:
Georg Schmidt, Landeskanzlei

Andrea Kaufmann (FDP) erinnert daran, dass die Sozialhilfekosten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen seien. Von dieser Entwicklung sind mehrere Gemeinden so stark betroffen, dass sie finanziell an ihre Grenzen stossen. Wie es aussieht, wird es in Zukunft nicht besser werden.

Wenn es um finanzielle Engpässe geht, sind die Waldenburger Gemeinden leider meistens in der Poleposition. Jammern nützt in dieser Situation nichts, sie wollen handeln. Eine Gemeinde allein kann heutzutage sowieso nichts mehr erreichen. Deshalb haben sich die betroffenen Gemeinden zusammengeschlossen, um gemeinsam Lösungen zu finden und die Hintergründe zu evaluieren. Was führt zu der höheren Zahl an Fällen? Wie können die Gemeinden die dadurch entstehenden Kosten wieder in den Griff bekommen? Weshalb sind die einen Gemeinden so stark betroffen und die anderen nicht?

Folgende, von den Gemeinden kaum beeinflussbaren Faktoren führen zu einem hohen Anteil an Sozialhilfebezügern: günstiger, unattraktiver Wohnraum, guter ÖV-Anschluss, ein hoher Ausländeranteil und die Möglichkeit für die Sozialhilfebezüger, in einer gewissen Anonymität zu leben. Mit der Ausgleichsinitiative wurde eine Lösung für die Problematik gefunden.

Welche Argumente sprechen für die Initiative? Die gesetzlichen Grundlagen für die Sozialhilfe werden vom Kanton vorgegeben. Die Gemeinden müssen die finanziellen Auswirkungen tragen, ohne dass sie die Rahmenbedingungen selber steuern können. Durch diese Diskrepanz ist es den Gemeinden nicht möglich, dieses Geschäft eigenständig zu führen. Die Idee, gewisse Lasten auf alle Gemeinden zu verteilen, ist ein Grundprinzip unseres Staatswesens. Der Kanton wird mit dieser Initiative finanziell nicht belastet. 30% der Sozialhilfekosten und sämtliche Verwaltungskosten werden von den Gemeinden getragen. Deshalb werden auch mit einer Poollösung ausreichend Anreize gesetzt, die eigenen Kosten im Sozialbereich zu reduzieren. Denn das Ziel eines jeden Sozialdienstes soll es sein, ihre Klienten so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und wenn möglich die Beiträge wieder zurück zu fordern.

Die Initiativgemeinden danken dem Regierungsrat, dass er das Problem erkannt hat, und sind der Meinung, dass der Gegenvorschlag in die richtige Richtung geht. Da mit dem aktuellen Gegenvorschlag nicht allen Gemeinden gedient ist, wird an der Initiative festgehalten. Es ist an der Zeit, dass Änderungen am Sozialhilfewesen vorgenommen werden. Wie gross die Solidarität unter den Gemeinden ist, wird sich früher oder später bei der Abstimmung zeigen. Die Initiativgemeinden sind für den Abstimmungskampf gewappnet. Sie danken im Namen des Komitees allen, die sie dabei unterstützen.

Hanspeter Weibel (SVP) weist darauf hin, dass die Kosten in der Vergangenheit gestiegen seien. Es wird niemand bestreiten, dass sie in Zukunft noch stärker steigen werden. Was heute diskutiert wird, sind Lösungen, welche das Problem im Grundsatz nicht lösen können. Sowohl die Umverteilung von bestehenden und zukünftigen Kosten als auch die Beibehaltung des Systems bringen nichts.

Die Summe von etwas ist immer eine Multiplikation. Die Zahl der Fälle nimmt zu. Über die Höhe der Ansätze entscheidet der Kanton. Am kürzlich aufgetauchten Sozialhilfefall in Biel wurde ausgerechnet, was die CHF 600'000 umfassen. Im Detail betrachtet führt dies zu Erstaunen, Minimal-AHV-Rentner mit EL bekommen Tränen in den Augen. Einen Eindruck davon, wie viel Geld hier im Spiel ist, zeigt auch der Besuch einer Western-Union-Filiale. Dort sieht man, dass Milliarden von Franken ins Ausland überwiesen werden. Am Schluss stellt sich die Frage, ob die Ansätze, welche der Kanton den Gemeinden vorschreibt, noch richtig sind.

Dass einzelne Gemeinden ein Problem haben, ist unbestritten, aber was jetzt im Landrat diskutiert wird, dient nicht der Lösung des Problems. Es ist nur ein Aufschieben des Problems in die Zukunft. Immerhin zeichnet sich ab, dass der Gegenvorschlag eine Mehrheit findet. Ob eine Abstimmung über die Initiative tatsächlich eine Mehrheit findet, ist zu bezweifeln.

Georges Thüring (SVP) meint, es sei alles gesagt und möchte das Votum von Franz Meyer unterstützen. Nur in einem Punkt ist er anderer Meinung: Grellingen ist nicht armengenössig und gibt acht, es nicht zu werden. Wenn sie weiterhin in diese Richtung getrieben wird, wird die Gemeinde auf ewige Zeiten Bettler bleiben.

Die Gemeinde erledigt die Aufgaben des Kantons. Die Gründe dafür wurden bereits alle erwähnt. Genau so, wie der Kanton Baselland den Kanton Basel-Stadt in die Pflicht nimmt, muss der Kanton auch die Gemeinden richtig behandeln.

Kathrin Schweizer (SP) betont, dass es eine heikle Angelegenheit sei, am Finanzausgleichsgesetz herum zu schrauben. Es gibt tatsächlich eine Vielzahl unterschiedlicher Lasten, welche ungleich auf die Gemeinden verteilt sind. Wird nur ein einzelner Aspekt herausgepickt, bringt dies das ganze Gefüge durcheinander. Deshalb ist es schwierig, die Forderungen so umzusetzen, wie sich die Gemeinden diese aktuell vorstellen.

In der Initiative fehlt, dass die Aufwendungen der Gemeinden für Integrationsleistungen oder das Ausschöpfen der Subsidiaritäten einberechnet werden. Es wurde nur angeschaut, was an die Klienten ausbezahlt wird. Dabei wurde nicht berücksichtigt, was die Gemeinden leisten, um weniger Klienten zu haben und so die Kosten zu senken. Indem man nur den einen Teil der Kosten verteilen will, gibt man die falschen Anreize an die Gemeinde.

Dass die Kosten der Gemeinde im Bereich der Sozialhilfe ansteigen, hängt einerseits damit zusammen, dass die Zahl der Fälle ansteigt. Dort ist die Gemeinde stark abhängig von der Wirtschaft. Aber es gibt gewollte Entscheidungen, auch vom Landrat, welche diesen Anstieg mitverursachen. So schlägt sich zum Beispiel die Senkung der Prämienverbilligung direkt in den Kosten der Sozialhilfe nieder, da die Gemeinden die Krankenkassenprämien der Sozialhilfeempfänger bis zum Durchschnitt übernehmen müssen. Die Prämienverbilligung wird zu einem immer kleineren Teil an den Gesamtkosten. Über ein Jahr betrachtet, ergibt sich daraus eine grosse Summe. Mit der Prämienverbilligungsinitiative der SP würden Massnahmen ergriffen, um die Gemeinden im Bereich der Sozialhilfe zu unterstützen, indem die Krankenkassenprämienverbilligung mindestens 80% des Durchschnittes betreffen soll. Kein Haushalt sollte mehr als 10% für Prämien ausgeben.

Es braucht einen Ausgleich, aber die Initiative ist der falsche Weg. Eine Minderheit der SP befürwortet den Gegenvorschlag, aber unterstützt gleichzeitig auch die Rückweisung. Die Finanzkommission soll sich noch einmal Gedanken dazu machen, wie der Gegenvorschlag eine für alle tragbare Lösung bringen kann. Die Initiative wird von einer starken Minderheit der SP-Fraktion abgelehnt.

Thomas Eugster (FDP) konstatiert, dass die Sozialhilfekosten steigen und weiter ansteigen werden. Eine Umverteilung der Kosten führt nicht zu tieferen Kosten. Der Kostenantieg ist das Grundproblem. Aber auch der Gegenvorschlag greift zu kurz. Zum Beispiel würde damit die grösste Gemeinde im Kanton, Liestal, überhaupt nicht entlastet. Man hat die Chance verpasst, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, welcher wirklich wirkt. Deshalb soll diese Lösung zurückgewiesen werden. Weder die Initiative noch der Gegenvorschlag lösen das Problem.

Marie-Theres Beeler (Grüne) stellt fest, dass der Gegenvorschlag die Schere zwischen Gemeinden, die hohe Sozialhilfekosten tragen und jenen, die praktisch keine Sozialhilfekosten haben, nicht zu schliessen vermag.

Kein Lastenausgleich kann Kosten im Zaun halten, sondern führt vielmehr zu Kostensteigerungen. Die Idee des Gegenvorschlags, dass nur den absolut verarmten Gemeinden ein Ausgleich bezahlt werden soll, taugt überhaupt nicht, um die Sozialhilfekosten insgesamt zu senken. Genau diese Möglichkeit bietet die Initiative. Es gibt eine Solidarität, die Sozialhilfekosten insgesamt unter den Gemeinden zu tragen. Zudem gibt es einen massiven Anreiz mit 30% Zuständigkeit, selbst Massnahmen im Bereich der Sozialhilfe zu ergreifen, welche helfen, die Kosten langfristig zu senken. Eine Gemeinde muss finanziell in der Lage sein, eine Sozialhilfe anzubieten, die nicht nur Geld ausbezahlt, sondern auch berät und unterstützt. Dafür hat eine verarmte Gemeinde keine Ressourcen.

Der Gegenvorschlag ist völlig untauglich. Es ist wesentlich, dass sich die Initiative durchsetzt, damit die Sozialhilfeabhängigkeit im Kanton langfristig und umfassend gesenkt wird.

Marianne Hollinger (FDP) unterstützt das Votum von Kathrin Schweizer. Es zeigt, dass sie als Gemeinderätin tätig und an der Basis zu Hause ist und weiss, wie die alltägliche Arbeit in den Gemeinden tatsächlich abläuft. Gemeindevertreter sollten aber nicht nur die eigene, sondern die Summe der Gemeinden im Kopf haben.

Die Gemeinden müssen ermuntert werden, weiterhin gute Arbeit zu leisten. Es muss viel getan werden für wenig Sozialhilfefälle und niedrige Kosten. Es kann aber nicht alles ausgeglichen werden. Grellingen ist ein schwieriger Fall, genau deshalb braucht es eine Härtefallregel.

Die Gemeinde kann beeinflussen, ob jemand überhaupt zu einem Sozialhilfefall wird. Zum Beispiel indem Mietzinsbeiträge ausgeschüttet werden. So hat Aesch eine niedere Anzahl an Fällen, obwohl in der Gemeinde alle Voraussetzungen für eine hohe Zahl an Bezügern vorhanden sind. Diese Bedingungen umfassen unter anderem ein guter ÖV, wenig Hanglange mit Wohnraum für die guten Steuerzahlenden, viele Mehrfamilienhäuser und ein hoher Ausländeranteil. Bei einem Vergleich der Verwaltungskosten, welche für die Sozialhilfe aufgeworfen werden, würde Aesch wohl bei den Schlechteren, bei jenen mit hohen Kosten, rangieren. Genau diese Ausgaben braucht es, um die Anzahl der Empfänger in Grenzen zu halten.

Für die Menschen ist es viel besser, wenn sie sich selbst an der Generierung von ihrem Einkommen beteiligen können anstatt dass sie in die Sozialhilfe gedrängt werden.

In der Diskussion geht es grundsätzlich um den Finanzausgleich im Bereich der Sozialhilfe. Der Finanzausgleich ist so erfolgreich, weil nicht Geldbeträge, sondern die Risiken ausgeglichen werden. Im Bereich der Schulen berücksichtigt der Finanzausgleich nicht die Kosten für die Schulen, sondern die Anzahl Schüler pro Gemeinde. Und so wird auch in der Sozialhilfe nicht die Höhe der Kosten betrachtet, sondern andere Faktoren wie der Ausländeranteil, die Anzahl Alleinerziehende und anderes. Dieser Ansatz muss beibehalten werden. Ansonsten übernimmt niemand mehr die Verantwortung und die Kosten bleiben nicht nur gleich, sondern steigen sogar noch. Deshalb ist die Härtefallklausel der richtige Weg.

Peter Riebli (SVP) legt offen, dass er Gemeindepräsident einer Gemeinde sei, welche von der sogenannten Ausgleichsinitiative profitieren würde. Es ist unbestritten, dass die Sozialhilfekosten in den Gemeinden steigen. Immer mehr Menschen beziehen immer mehr Geld über immer längere Zeit. Dies bereitet vielen Gemeinden grosse Sorgen. Doch anstatt das Problem an der Wurzel anzupacken, wird nun versucht, das Problem zu vernebeln. Die Kosten werden «vergesellschaftet», sie werden auf verschiedene Schultern verteilt, aber es wird nicht versucht, die Kosten effektiv zu senken.

Politiker sind sich gewohnt, die Probleme in zentralistischen Gebilden mit einem Lastenausgleich zu lösen und sind dann erstaunt, weshalb die Probleme in 10 Jahren noch grösser sind als zuvor. Nebst dem, dass die Ausgleichsinitiative gegen die Gemeindeautonomie verstösst, führt sie dazu, dass keine Anreize mehr gesetzt werden, um Missbrauch aufzudecken. Es ist zu befürchten, dass die Initiative die Kosten explodieren lässt. All jene, welche auf den erfolgreichen Umgang mit dem Lastenausgleich in Solothurn oder Bern verweisen, können aus den Zahlen lesen, dass dort die Kosten explosionsartig angestiegen sind.

Die Sozialhilfe funktioniert umso besser, desto kleinräumiger sie organisiert ist. Nur so können gezielt Massnahmen ergriffen werden und besteht die Möglichkeit, Missbrauch schnell und klar zu erkennen. Die Gemeinden sind zahlungspflichtig, aber ihr Spielraum ist relativ klein. Dort muss man ansetzen.

Es braucht keine ungeeignete Initiative, welche die Kosten verschleiert. Der Gegenvorschlag bietet Sofortmassnahmen, welche rasch greifen, aber sie bringen längerfristig nicht das erhoffte Resultat. Die Fürsorgezahlungen, welche die Gemeinden auszahlen, waren ursprünglich als Überbrückungshilfe gedacht. Je länger je mehr entwickeln sich diese Zahlungen zu einer konstanten «Lebensrentenzahlung». Das darf nicht sein. Das Geld muss dafür verwendet werden, die Menschen möglichst schnell wieder einzugliedern. Wieso soll sich jemand wieder eingliedern, wenn es sich mit dem Geld der Sozialhilfe, welches die Steuerzahler zahlen, gut leben lässt?

Man muss den Gemeinden wieder die nötige Variabilität zugestehen, damit sie eigene Massnahmen ergreifen können, um mit der Sozialhilfe nicht nur zu fördern, sondern um auch etwas von diesen Menschen zu fordern. Dort muss man ansetzen und nicht bei der Vergesellschaftung der anfallenden Kosten, denn so wird man diese nie in den Griff bekommen. Weder die Initiative noch der Gegenvorschlag werden dies ändern. Es muss beim Sozialhilfegesetz angesetzt und den Gemeinden Variabilität zugestanden werden. Der Gegenvorschlag ist als Sofortmassnahme zu unterstützen, danach muss blitzartig das Sozialhilfegesetz angepackt werden. Es wurde mehrfach gesagt, man solle sozial und solidarisch sein zwischen den Gemeinden. Solidarität bedeutet, in erster Linie für sich selbst zu sorgen und nicht von anderen abhängig zu sein. [Zustimmender Applaus von rechts]

Klaus Kirchmayr (Grüne) ist der Meinung, dass der Rückweisungsantrag ein sinnvoller Weg wäre. Der vorliegende Gegenvorschlag hat Schwächen. Er greift zu spät und führt zu Fehlanreizen. Die Initiativgemeinden haben dem Regierungsrat n einem Brief signalisiert, dass sie für einen vernünftigen Gegenvorschlag empfänglich sind. Die Initiative ist bewusst unformuliert eingereicht worden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll und seriös, wenn nun ein Gegenvorschlag ausgearbeitet wird, in dem eine Härtefallregelung konstruiert wird, keine Fehlanreize gesetzt werden und eine Dämpfung im Kostenwachstum angestrebt wird. In diesem Sinne unterstützt die Grüne/EVP-Fraktion die Rückweisung.

Andrea Heger (EVP) stellt fest, dass in der Diskussion aneinander vorbeigeredet wird. Das Argument, dass die Initiative keine Lösung bietet, ist nicht stichhaltig. Die Initianten wollten nie eine Lösung anbieten, sondern haben Solidarität gefordert. Alle wollen eine langfristige Lösung, auch die Gemeinden. Deshalb haben sie eine Kostenbeteiligung von 30% vorgeschlagen. Der Gegenvorschlag legt das Gewicht einseitig auf die Kostensenkung, während der Solidaritätsgedanke verloren geht. Der Rückweisungsantrag soll unterstützt werden, damit beide Aspekte miteinbezogen werden.

Christof Hiltmann (FDP) spricht sich dafür aus, die Ausformulierung des Gesetzes in die Hände des Regierungsrates zu legen. Der Regierungsrat wird im Gesetzesentwurf beauftragt, in der Verordnung Kriterien für die Ausbezahlung eines Härtefallbeitrags festzulegen. Der Rückweisungsantrag ist nicht notwendig, weil bei der Ausarbeitung der Vorlage alle Seiten zur Sprache kommen, weil es am Ende um das Geld der Gemeinden geht. Die Gemeinden haben in den Fonds eingezahlt und daraus wird das Geld für die Härtefälle bezogen. Der Entscheid des Regierungsrats wird im Austausch mit den Gemeinden ausgearbeitet und gehört auf Verordnungs- und nicht Gesetzesebene. So könnte schnell reagiert werden. Den wenigen Gemeinden, die ein Problem haben, muss mit einer Sonderregelung geholfen werden. Die Rückweisung bringt bezüglich der Zusatzbeiträge nichts. Jene, welche die Lösung der Initiative mit der Solidarisierung wollen, können den Gegenvorschlag zurückweisen. Die Finanzkommission wird wohl zum selben Schluss kommen wie jetzt. Zentral sind die Zusatzbeiträge und dafür bietet der Gegenvorschlag eine gute Lösung.

Roman Klauser (SVP) erklärt, dass die Kommission den Passus im Gegenvorschlag bewusst so formuliert habe, dass der Regierungsrat die Möglichkeit hat, selber den geeigneten Weg zu finden, um den Härtefall-Gemeinden zu helfen. Wenn nun über Kürzungen und Einsparungen in der Soziahilfe diskutiert wird, ist das eine Vermischung von Themen. Hier geht es nicht um die Sozialhilfe an sich, sondern um das Verschieben von Geld im Sinne der Solidarität. In der Gemeindeinitiative geht es darum, 70% der Gesamtkosten in einen Topf zu geben und neu zu verteilen. Die restlichen 30% geben den Gemeinden einen Anreiz zu sparen. Jene Gemeinden, die 100% bezahlen, haben einen noch grösseren Anreiz zu sparen. Der Regierungsrat hat mit dem Gegenvorschlag die Möglichkeit, die Lösung so auszutarieren, dass es für die Gemeinden, für die es eng ist, am Ende auch aufgeht.

Linard Candreia (SP) spricht sich für den Rückweisungsantrag aus. Es braucht kreativere Lösungen. Zum Beispiel das sogenannte «Spitzenbrecher-Gesetz»: als Ausgangspunkt dienen die Kosten einer Gemeinde pro Einwohner. Wenn diese zum Beispiel 250 Franken übersteigen, ist die Spitze erreicht. Alles, was darüber hinaus geht, wird aus einem Pool geholt.

Urs Kaufmann (SP) plädiert dafür, den Gegenvorschlag in die Kommission zurückzuweisen. Die Chance für eine Nachbesserung muss genutzt werden, damit die Gemeinden die Chance haben, ihre Initiative zurück zu ziehen. Die aktuelle offene Lösung bedeutet für die betroffenen Gemeinden, die «Katze im Sack» zu kaufen.

Regierungsrat Anton Lauber (CVP) hält fest, dass die Konsultativkommission «Aufgaben und Finanzen» die Initiative abgelehnt und den Gegenvorschlag unterstützt habe. In dieser Kommission sind sowohl die Geber- als auch die Empfängergemeinden aus dem kantonalen Finanzausgleich vertreten. Auch der VBLG lehnt die Initiative ab und unterstützt den Gegenvorschlag. 72 Gemeinden sind mit dem Gegenvorschlag einverstanden. Damit sind 82% der Baselbieter Bevölkerung vertreten.

Zur Diskussion steht ein absoluter Systemwechsel. Auch wenn der Kanton im Sozialhilferecht gewisse Vorschriften macht, haben die Gemeinden in der Ausführung bis heute eine gewisse Autonomie. Sie entscheiden darüber, was sie tun, welche Fälle sie annehmen, ob sie Integrationsmassnahmen oder Arbeitprogramme anbieten. Gewisse Gemeinden machen das mehr, andere machen das weniger. Die Audits vom Sozialamt geben dazu detaillierte Auskünfte. In der laufenden Diskussion geht es nur um die Verteilung der Kosten. Eine Steuerung nur über die Kosten ist keine echte Steuerung. Es geht darum, in Prozentzahlen zu definieren, wer wie viel Kosten tragen muss. Es wird aber nichts am System geändert. Damit wird das Sozialwesen nicht besser und es wird keinem Sozialhilfeempfänger geholfen. Die Kosten werden lediglich von jemand anderem bezahlt, sie werden verteilt. Die Sparanreize sind anders, wenn eine Gemeinde 70% anstatt 100% der Kosten trägt. Es ist unschön, eine Symptombekämpfung zu betreiben.

Der Kostenanreiz ist im Finanzausgleichsgesetz nicht enthalten. Darin wird von einer Selbständigkeit der Gemeinden ausgegangen. Diese Autonomie soll nun plötzlich wegen der Kostenverteilung in einem ganz spezifischen Bereich, dem Sozialen, eingeschränkt werden. Und dies obwohl das Soziale bis heute eine klassische Aufgabe der Gemeinden ist. Die 70% Kostenübernahme, wie sie in der Initiative gefordert wird, müssten ganz genau gerechtfertigt werden, damit ein gleichmässiges Level unter den Gemeinden besteht. Das ist ein Problem. Dieses Vorgehen erinnert an die Auseinandersetzung bei der Asylbetreuung. Dort wurde diskutiert, welche Gemeinde ihre Quote nicht erfüllt. Wenn nun 70% der Kosten ohne spezielle Kriterien berechnet werden müssen, ist das sehr schwierig.

Die Spitzenbrechung gibt es bereits. Mit der Härtefallregelung kann den betroffenen Gemeinden geholfen werden.

Um etwas zu ändern, mus beim Sozialhilfegesetz angesetzt werden. Der Regierungsrat hat vom Parlament bereits den Auftrag erhalten, eine Auslegeordnung zur Sozialhilfe im Kanton zu machen. Um Massnahmen und Instrumente auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, muss man diesen Ansatz wählen. Eine Rückweisung der Vorlage bedeutet eine magere Veränderung, wenn man weiss, dass im falschen System gearbeitet wird.

://: Eintreten ist unbestritten.

Rückweisung an die Kommission

://: Der Landrat beschliesst mit 43:43 Stimmen mit Stichentscheid der Präsidentin die Rückweisung an die Kommission.

[Namenliste]

 

Für das Protokoll:
Miriam Dürr, Landeskanzlei