Protokoll der Landratssitzung vom 11. Mai 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 11. Mai 2006 |
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2005-317
vom 14. Dezember 2005
Motion
der SVP-Fraktion: Strukturell bedingte Unterdeckung der Pensionskasse beseitigen!
- Beschluss des Landrats < als Postulat überwiesen >
Nr. 1820
Regierungsrat Adrian Ballmer erklärt, warum die Regierung bereit ist, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen: Die Motion lehnt man ab, da mit ihr erstens zwei Forderungen miteinander verknüpft werden, welche für den Regierungsrat nichts miteinander zu tun haben; nämlich der Abbau der bestehenden Deckungslücke einerseits und die Umstellung auf das Beitragsprimat andererseits. Zweitens lehnt man die Motion ab, weil sie die Antwort betreffend Primatwechsel bereits vorwegnimmt.
Zur Zeit ist eine Arbeitsgruppe der Finanz- und Kirchendirektion unter Mitwirkung der Basellandschaftlichen Pensionskasse daran, die möglichen Massnahmen der Deckungslücke aus Optik des Arbeitgebers zu prüfen, führt Adrian Ballmer aus. Mit der Aufforderung, Vorschläge zum Abbau der bestehenden Deckungslücke vorzulegen, werden also offene Türen eingerannt. Parallel dazu wird auch bereits die Frage eines Primatwechsels geprüft; allerdings ganz klar nicht als Sanierungsmassnahme. Das klassische Modell einer Berufslaufbahn mit jahrzehntelanger Anstellung im Vollpensum beim selben Arbeitgeber bis zur Pensionierung nimmt tendenziell ab, während andere, flexible Modelle, wie etwa Mehrfachanstellungen, variable Pensen etc., tendenziell zunehmen. Diese sind mit Leistungsprimat sehr aufwändig zu administrieren. Daher wird die Frage des Primatwechsels, möglichst im Einvernehmen mit den Sozialpartnern, geprüft. Im Sinne dieser Erläuterungen ist die Regierung bereit, den Vorstoss entgegen zu nehmen, nicht aber als Motion, da man die Antwort des Primatwechsels nicht vorwegnehmen möchte.
Hildy Haas rekapituliert aufgrund der Aussagen von Adrian Ballmer: Die BLPK hat zwei Probleme. Eines davon ist die Deckungslücke, d.h. es ist nicht genügend Kapital vorhanden, um alle versprochenen Leistungen zu erfüllen. Daran ändern auch gute Abschlüsse, wie derjenige des Jahres 2005 nicht wirklich etwas, ist sie überzeugt. Der Kanton als grosser Arbeitgeber und Garant der Leistungen ist massgeblich mitbetroffen. Daher muss die Sanierung der Kasse, selbstverständlich als gemeinsame Aufgabe von Arbeitgeber, Arbeitnehmern und Kasse, in Angriff genommen werden.
Als zweites Problem nennt die Landrätin ein strukturelles Ungleichgewicht. Es sind Leistungen versprochen, und eine grundlegende Sanierung, um Einnahmen und Ausgaben in Zukunft im Gleichgewicht zu halten, ist nicht möglich. Man darf sich dabei nicht nur auf die - ihrer Ansicht nach zu unsicheren - Finanzmärkte verlassen. Die SVP-Fraktion ist überzeugt davon, dass es bei der Krankenkasse einen Primatwechsel braucht. Ein wichtiges Argument bilde auch die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Dort ist die Frage der Pensionskasse der Mitarbeitenden noch nicht gelöst. Der Kanton Solothurn wies in den Verhandlungen klar darauf hin, es könne nur eine Kasse mit Beitragsprimat in Frage kommen; er selbst hat den Wechsel bereits vollzogen. Der Kanton Aargau steht kurz vor einem Wechsel zum Beitragsprimat. Handle man also nicht bald, so führe das dazu, dass die BLPK sehr potente Beitragszahler ziehen lassen müsse, warnt sie.
Aus Sicht der SVP ist das Beitragsprimat klar und transparent. Der Versicherte hat den Überblick über sein Guthaben und kann es sogar, wenn nötig und möglich, selbst aufstocken. Ein Systemwechsel bringe nicht zwingend schlechtere Bedingungen für die Versicherten mit sich, argumentiert sie. Zudem sei es im Interesse aller Beteiligten, dass die Pensionskasse gesund und zahlungsfähig bleibt und ihre Leistungen auch nach Jahren noch zuverlässig erbringen kann. Man würde der Regierung gerne einen bindenden Auftrag erteilen und ist grundsätzlich der Meinung, eine Motion sei das richtige Mittel für das Anliegen. Die Frist von 4 Jahren würde der Regierung auch genügend Zeit zur Organisation des Übergangs und für die Detailklärung einräumen. Hildy Haas bittet daher das Ratskollegium, den Vorstoss als Motion zu überweisen.
Peter Küng möchte den Vorstoss namens der SP weder als Postulat noch als Motion überweisen. Warum? - 2002/03 wurde das Pensionskassendekret geändert, und es ist seit 1. Januar 2005 in Kraft. Der Vorstoss, der eine erneute Änderung verlangt, komme im falschen Moment. Wie der Regierungsrat ist man zudem der Meinung, dass hier zwei Themen vermischt werden, welche nicht zusammen gehören. Der Aussage im Vorstoss betreffend chronischer Unterdeckung hält er folgende Zahlen entgegen: 1997 wies die BLPK einen Deckungsgrad von 98,1 % auf, 1998: 99,6 %, 1999: 108,3 %, 2000: 109,4%, 2002: 80,1 % (Einbruch). Im Jahr 2005 sei man bereits wieder bei 90,5 %. Von chronischer Unterdeckung könne keine Rede sein.
Die Frage des Primatwechsels sei in der damaligen Debatte (vor etwa zwei Jahren) zum Dekret kein Diskussionspunkt gewesen und komischerweise auch von keinem Vertreter der SVP ins Feld geführt worden. Schliesslich verweist Peter Küng auf eine Aussage im Vorwort zum Pensionskassenbericht (Zitat): «Zur Zeit analysieren wir die Situation der BLPK in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft als Garantiegeber und diskutieren entsprechende Lösungsansätze.» Somit sei der Vorstoss auch als Postulat überflüssig, es werde bereits diskutiert.
Anton Fritschi meint, man habe nun zwei Extrermpositionen gehört. Die FDP vertritt eine Mitte-Lösung. Sie anerkennt die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens; sowohl eine Sanierung wie auch der Primatwechsel seien notwendig. Allerdings soll nach Meinung der FDP zuerst saniert werden. Dies setze ein Sanierungskonzept voraus; erst dann könne man handeln. Tue man beides miteinander, so würde dies einer Sanierung der Kasse auf Kosten des Primatwechsels gleichkommen, was man ganz bewusst nicht wolle. Man will auch keinen Sozialabbau; die Verknüpfung sei also denkbar schlecht, ja falsch. Wie so etwas herauskommen könnte, lasse bereits ein Blick nach Basel erahnen, mahnt er - die Pensionskasse von Basel lässt grüssen; diese Richtung wolle man nicht einschlagen. Nochmals, beide Aufgaben müssen gelöst werden, aber nicht miteinander. Aus dieser Überlegung unterstützt die FDP das Postulat.
Nach Ansicht von Eugen Tanner suggeriert der Vorstoss, der Schlüssel zum Glück, nämlich die Beseitigung der Unterdeckung, sei in der Umstellung auf das Beitragsprimat zu finden. Wenn auch Probleme im Bereich der Unterdeckung nicht verschwiegen werden sollen, so hält diese Gleichung der Prüfung trotzdem nicht stand, denn nicht nur Leistungsprimat-, sondern auch Beitragsprimatkassen können in Unterdeckungen geraten.
Die CVP/EVP-Fraktion unterstützt den Vorstoss, allerdings nicht als Motion, sondern in der Form eines Postulates.
Jürg Wiedemann weist auf die sich in den kommenden 20 bis 30 Jahren stark verändernde Bevölkerungsstruktur hin: Der prozentuale Anteil der Menschen im Pensionsalter wird sich vervielfachen. Immer weniger Menschen sind dann im arbeitsfähigen Alter, immer mehr Menschen aber im Pensionsalter. Diese Entwicklung erfordert frühzeitig Massnahmen, damit auch der Lebensabend der heute im Berufsalltag stehenden Menschen gesichert werden kann. Dass die Pensionskasse, die einen wichtigen Eckpfeiler der finanziellen Sicherung des Lebensabends darstellt, eine Unterdeckung aufweist, ist unschön, erweckt bei der Bevölkerung den Eindruck, die Pensionskasse stehe auf einem nicht soliden Fundament und verunsichert die BeitragszahlerInnen. Es gilt, heute die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Pensionskasse langfristig nicht aus dem Lot fällt.
Die Frage: Leistungs- oder Beitragsprimat? lässt sich nicht einfach beantworten. Wird der vorhandene Handlungsspielraum sozialverträglich ausgeschöpft, können beide Systeme sinnvoll sein. Das Beitragsprimat entspricht dem leicht nachvollziehbaren Sparkontoprinzip. Die klar definierten Leistungen richten sich nach dem angesparten Kapital. Beim Beitragsprimat haben flexiblere Beschäftigungsmodelle, beispielsweise Pensenänderungen, Teilzeitbeschäftigungen, Jobsharing und variable Löhne kurz vor der Pensionierung einen wesentlich geringeren Einfluss als beim Leistungsprimat. Die Grüne Fraktion erachtet die Vorteile des Beitragsprimates als überwiegend. Weil beim Leistungsprimat die Kapitalbindung in den jungen Jahren gering ist und erst gegen die Pensionierung hin massiv ansteigt, ist sich die Grüne Fraktion allerdings bewusst, dass fast alle Versicherten zum Zeitpunkt einer Umstellung ein zu tiefes Kapital angespart haben, um das ursprüngliche Leistungsziel auch im Beitragsprimat erreichen zu können. Dieses gewichtige Problem muss gelöst werden, durch einen Wechsel darf den Versicherten kein Nachteil entstehen. Sicherlich sind grosszügige Übergangsfristen vorzusehen.
Die Grüne Fraktion unterstützt den Vorstoss als Postulat und bittet die Regierung in einem Bericht zu prüfen, mit welchen Massnahmen die Pensionskasse langfristig, innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre, gesichert werden kann, insbesondere unter Berücksichtung der bevorstehenden Änderungen der Bevölkerungsstruktur.
Rudolf Keller verzichtet auf Darlegungen der Vor- und Nachteile von Beitrags- und Leistungsprimat, hofft aber, dass mit dem Entscheid zugunsten eines Primatwechsels nicht einfach eine Sanierung vorgenommen wird. Denn zwei sehr unterschiedliche Fragen stehen im Raum:
1. Wie gestalte ich die Pensionskasse?
2. Wie werden allenfalls vorhandene Deckungslücken gestopft?
Zu begrüssen ist, dass die Fragen diskutiert und der Kan- ton die Deckungslücke stopfen beziehungsweise so klein wie möglich halten will.
Nachdem der Kanton zur Schliessung der Deckungslücke 150 Millionen Franken einschiessen will, bittet Rudolf Keller den Finanzdirektor, klarzustellen, ob die verschiedenen nicht staatlichen Mitglieder der Pensionskasse ebenfalls an den 150 Millionen Franken Steuergeldern partizipieren sollen.
Paul Schär meldet sich als Einzelsprecher und Versicherungsexperte. Verständnis zeigt Paul Schär für die Fragen der SVP und meint im Sinne der Sache zugleich, man sollte auf der Schiene Postulat fahren, um auf dem Überprüfungswege mehr Handlungsspielraum offen zu lassen. Ins Schwarze getroffen hat Jürg Wiedemann mit seinen Erklärungen zum Leistungs- und Beitragsprimat. Die Erfahrung hat auch im Versicherungskonzern von Paul Schär gezeigt, dass jede Kassenumstellung mit einer Verschlechterung der Leistungen für die Arbeitnehmer einher ging.
Zwar gibt es sozialverträgliche Wege in der Ausgestaltung, doch ist die Sache heikler als angenommen, weshalb der Weg über das Postulat der richtige ist.
Karl Willimann weist im Zusammenhang mit dem Vorstoss auf die Verhandlungen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz hin: Im Staatsvertrag wurde die Frage, welcher Kasse der vier Trägerkantone die FH-Mitarbeitenden beitreten sollten, ausgeklammert. Allerdings hat der Kanton Solothurn sein Ja zu diesem Staatsvertrag nur unter der Bedingung abgegeben, dass nach einer Frist von fünf Jahren der Beitritt des Personals der Fachhochschule Nordwestschweiz zu einer Kasse mit Beitragsprimat erfolgt. Insofern zeigt sich, dass die Frage des Vorstosses sehr zeitgerecht gestellt worden ist.
Die Frage: Beitragsprimat oder Leistungsprimat? ist eine sehr emotionale, stellt RR Adrian Ballmer voran. Deshalb soll die Angelegenheit nun rationaler und frei von Ideologien betrachtet werden.
An die Adresse von Peter Küng, der meinte, die Kasse habe mal 100 Prozent erreicht und sei dann wieder darunter gefallen, hält der Finanzdirektor im Dienste der historischen Wahrheit fest, dass die Kasse seit ihrem Beginn in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts an Unterdeckung leide. Der Deckungsgrad habe in der Regel so um die 80 Prozent betragen, sei im Zuge der Börsenblase Ende der Neunziger Jahre mal auf 100 Prozent gestiegen und nach der Korrektur wieder deutlich darunter gefallen. Als Erstes, nämlich bis zu den Sommerferien, will Regierungsrat Adrian Ballmer das Sanierungskonzept der Arbeitsgruppe sehen. Dieses wird in der Folge Diskussionsgegenstand in der Regierung und mit den Sozialpartnern, bis es schliesslich auch dem Parlament vorgelegt werden kann. Wenn der Finanzdirektor das Sanierungskonzept absegnen kann, möchte er auch die Frage des Primatwechsels geprüft haben.
Ob Leistungs- oder Beitragsprimat, bei gleichem Input folgt grundsätzlich dieselbe Leistung. Zudem werden beim Beitragsprimat verschiedene denkbare Modelle geprüft. Im Rahmen der letzten Dekretsänderung beantragte der Finanzdirektor in der Regierung, die Frage des Primatwechsels noch beiseite zu lassen, um einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden. Zuerst sollte die Frage der Flexibilisierung und erst an zweiter Stelle die Frage des Primats behandelt werden.
Hildy Haas gegenüber gibt der Regierungsrat der Überzeugung Ausdruck, dass das Beitragsprimat in Zukunft die administrativ bessere und nicht weniger soziale Lösung sein wird. Für sehr unglücklich hielte der Finanzdirektor, wenn Hildy Haas auf einer Motion beharren und diese in der Folge abgelehnt würde. Dies wäre ein falsches, die Position der Regierung schwächendes Signal. Ebenso verkehrt wäre eine Überweisung der Motion. Deshalb die eindringliche Bitte an Hildy Haas, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln.
Gegenüber Rudolf Keller klärt der Finanzdirektor, die 150 Millionen Franken seien selbstverständlich als Rückstellung für den Arbeitgeber Kanton zu verstehen.
Der Hinweis des Finanzdirektors, die Diskussion um Leistungs- und Beitragsprimat sei eine emotionale, stimmt nicht, führt Eva Chappuis aus. Vielmehr handelt es sich um ein sehr einfaches Kalkül: Bei einer Leistungsprimatkasse liegt das Risiko, ein Leistungsziel zu erreichen, bei der Kasse, beim Beitragsprimat im Allgemeinen beim Versicherten. Durchaus möglich ist es, ein Modell zu entwickeln, das diesen enormen Mangel des Beitragsprimats aufhebt; allerdings dürfte dies nicht die Absicht der Motinäre sein. Deshalb die Bitte, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln.
Daniel Münger hält zur Behauptung von Regierungsrat Ballmer, der Deckungsgrad der Pensionskasse habe nie mehr als 100 Prozent betragen, dezidiert folgende Fakten fest: Im Jahre 1997 betrug der Deckungsgrad 98,1 Prozent, 1998 waren es 99,6 Prozent, 1999 schon 108,3 und im Jahre 2000 waren es 109,4 Prozent. In der Zwischenzeit liegt der Deckungsrad der Kasse wieder bei 90 Prozent, nachdem er noch vor Kurzem bei 80 Prozent lag. Die Kasse steht auf sehr gesunden Beinen und erreichte früher mit dem noch immer geltenden Leistungsprimat Deckungsgrade von deutlich über 100 Prozent.
Hildy Haas haben die vielen Voten überzeugt, sie ist bereit, den Vorstoss in ein Postulat umwandeln zu lassen. Gleichzeitig hofft die Landrätin, das Postulat werde in den kommenden Verhandlungen die gebührende Beachtung erfahren.
://: Der Landrat überweist den Vorstoss der SVP-Fraktion (2005/317) mit 52 zu 18 Stimmen bei 2 Enthaltungen als Postulat.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Fortsetzung