Protokoll der Landratssitzung vom 25. März 2010

Nr. 1781

Mit grosser Enttäuschung und Konsternation nehmen regionale Politikerinnen und Politiker aller Parteien von den Vorschlägen des Bundesamtes für Verkehr BA V zur "Bahn 2030" Kenntnis.


Einmal mehr hat unsere Region kein Gehör in Bern gefunden. Das für die Weiterentwicklung der Regio-S-Bahn zentrale Bauvorhaben in Form der Innenstadtverbindung "Herzstück" erscheint überhaupt nicht im Katalog des BA V, der Wisenbergtunnel bloss in der teureren Variante. Immerhin wird der Ausbau der Regio-S-Bahn Basel als notwendig erachtet und der Viertelstundentakt soll eingeführt werden. Dieses Bekenntnis ist aber nicht frei von Widersprüchen. Denn ohne Wisenberg wird der Regionalverkehr durch den expandierenden Güter- und Transitpersonenverkehr weiter unter Druck geraten. Es sei daran erinnert, dass der Wisenbergtunnel nicht nur von regionaler, sondern auch von nationaler und europäischer Bedeutung ist. Der Katzenbergtunnel in Süddeutschland und die milliardenschweren NEAT-Bauwerke durch die Alpen machen ohne Wisenberg kaum Sinn. Sollen die Pläne des BA V noch substanziell in unserem Sinne angepasst werden, ist nun ein koordiniertes Vorgehen der ganzen Region absolute Bedingung. Bevor aber konkrete Schritte


gemacht werden, ist die Ausgangslage sauber darzulegen. Es stellen sich folgende Fragen:


Regierungsrat Jörg Krähenbühl (SVP) beantwortet die Fragen:


Zu Frage 1: Wie erklärt sich der Regierungsrat die Nichtberücksichtigung des Wisenbergtunnels und des Basler Herzstücks durch den Bund?


Bahn 2030 wurde nicht durch die Kantone vorbereitet, sondern durch das Departement Leuenberger. Das zuständig BAV hat aufgrund der Verkehrsprognosen die Anzahl der notwendigen Züge berechnet. Anschliessend wird aufgrund eines Fahrplans fest gestellt, wo die Engpässe bei der Infrastruktur bestehen. Gemäss BAV und SBB genügen die Kapazitäten im Jura weiterhin. Es ist ein grosser Vorteil unseres Systems, dass die Infrastruktur erst ausgebaut wird, wenn die Nachfrage auch wirklich gegeben ist; damit werden Fehlinvestitionen verhindert.


Das Herzstück hingegen ist jedenfalls planerisch noch nicht so weit wie die andern Grossprojekte in der Schweiz. Zudem könnten diese Projekte auch über den Infrastrukturfonds finanziert werden. Neben dieser fachlichen Ablehnung muss leider klar festgestellt werden, dass der Juradurchstich (wie auch das Herzstück) im Vergleich zu anderen Projekten sehr teuer ist. Andere Projekte hätten dann nicht realisiert werden können, was die politische Akzeptanz der Vorlage in den anderen Regionen reduziert hätte. Insgesamt ist es aber sehr enttäuschend, dass sogar für 21 Mia. Franken nur kleinere Massnahmen realisiert werden. Ein Konzept oder gar eine Vision sind nicht erkennbar.


Die Fragen 2 und 3 werden zusammen genommen.


Frage 2: Wer war in welcher Form am Lobbying in Bern beteiligt?
Frage 3: Welche Schritte gedenkt der Regierungsrat zu unternehmen?


Es gibt zwei Stossrichtungen. Einerseits müssen wir fachlich überzeugen und andererseits genügend politisches Gewicht einbringen können. Fachlich hat man eine sehr gute Allianz im Gotthard-Komitee. Die Grundlagen werden dort für die ganze Achse Basel - Chiasso durch die ETH aufbereitet. Zudem besteht dort auch die Möglichkeit, dass man Allianzen bilden kann, denn die Kantone entlang der Nord-Süd-Achse haben grundsätzlich dieselben Interessen. Politisch besteht jetzt wieder Unterstützung von Nationalräten wie auch von den beiden Ständeräten Baselland und Basel-Stadt. Bei der vorletzten Behandlung des Themas im Ständerat - mit den Ständeräten Leuenberger und Büttiker - versprachen diese vorgängig, den Wisenberg zu unterstützen, kippten dann aber im Rat...


Insgesamt hat sich das Lobbying aus der Nordwestschweiz deutlich verbessert, was aber leider keine Erfolgsgarantie bedeutet. Man wird weiterhin in enger Kooperation mit den Nachbarkantonen auf die knappen Kapazitäten hinweisen. Eine entsprechende Konferenz der kantonalen ÖV-Direktoren der Nordwestschweiz findet am 1. April statt. Es gibt ein Traktandum: Bahn 2030. Alle Kantone werden ihre Positionen einbringen und anschliessend das gemeinsame weitere Vorgehen besprechen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Lobbyarbeit des «Komitee pro Wisenberg», in welchem alt Landrat Dieter Schenk mitbestimmt. Man darf nicht vergessen, dass dank der engen Zusammenarbeit mit der SBB und der Finanzierung der Vorprojekte durch den Kanton nun zumindest der Ausbau der Regio-S-Bahn in Reichweite ist - sprich Viertelstundentakt im Ergolz- und im Laufental, wobei dort der Beschrieb nur bis Aesch geht; aber auch dort wird man noch eine Lösung finden.


Zu Frage 4: Wie steht der Regierungsrat zu einer regionalen Task-Force Bahn 2030, welche die weiteren strategischen Schritte partei- und kantonsübergreifend diskutiert und plant?


Gestärkt werden muss vor allem die Schlagkraft nach aussen. Ob jetzt ein weiteres Gremium geschaffen werden soll, ist fraglich. Neben «pro Wisenberg» gibt es die nordwestschweizerische Konferenz für den öffentlichen Verkehr, er selbst ist im Vorstand der schweizerischen Konferenz des ÖV, auch beim Gotthardkomitee wirkt man mit. Man steht in sehr gutem Kontakt mit den Stände- und Nationalräten und brieft sie immer wieder, wenn das Thema im Parlament oder in einer Kommission traktandiert ist. Es wird tatsächlich sehr viel unternommen - und trotzdem hat man versagt. Man wird sich aber weiterhin einsetzen, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Kanton BS, mit welchem ein sehr gutes Einvernehmen besteht; es finden gegenseitige Absprachen statt.


Der Baudirektor hofft, dass auch die kantonale Verwaltung, die immer wieder an verschiedenen Anlässen in Bern zugegen ist, eine Wirkung erzielen kann.


://: Der vom Interpellanten gewünschten Diskussion wird stillschweigend stattgegeben.


Martin Rüegg (SP) bedankt sich für die Beantwortung. Die Antwort zu Frage 3 scheint ihm ein wenig schwammig. Gibt es ausser der geplanten ÖV-Konferenz am 1. April noch weitere Überlegungen, wie man innerhalb der nächsten Monate und Jahre doch noch zum Ziel kommt und den Vorschlag des BAV zu Gunsten der Nordwestschweiz korrigieren könnte? Und damit kein falscher Eindruck entsteht, er habe in keiner Weise dem Baudirektor oder der Direktion unterstellt, einen schlechten Job gemacht zu haben. Auch er stelle einfach fest, dass das Ergebnis masslos enttäuschend ist. Nun müssten alle Kräfte gebündelt werden, um in dieselbe Richtung ziehen zu können. Wäre nicht die Idee eines koordinierten, kantons- und parteiübergreifenden Vorgehens im Sinne eines Runden Tisches möglich?


Auch Klaus Kirchmayr (Grüne) ist sehr enttäuscht darüber, was hier einmal mehr aus Bern kommt; das ist ein Rückschlag für die Region, welche nicht so behandelt wird, wie sie es verdient und auch nicht wie es ihrer Wertschöpfung im schweizerischen Staatswesen entspricht. Andererseits muss klar gesagt werden, dass in den letzten zwei Jahren eine Verbesserung der Lobbyarbeit fest gestellt werden kann. Es wird fokussierter und konzentrierter versucht, auf der politischen Ebene Einfluss zu nehmen - dafür ein Dankeschön an Regierunsgrat Krähenbühl.


Eine Anregung: Zeichnet sich jetzt aus welchen Gründen auch immer ab, dass die politischen Einflussnahmen offensichtlich nicht wirken, so müsste man sich überlegen, welche andern Mittel es gibt. Das stärkste Mittel der Region ist die Wirtschaftskraft, ihre Wertschöpfung. Er bittet die Regierung um einen engeren Schulterschluss mit den grossen Unternehmen der Region, und sie zu motivieren, direkt beim Bundesrat im gewünschten Sinne Einfluss zu nehmen. Er erhofft sich dadurch ein wenig mehr Druck. Ein bisschen Unterstützung für dieses langfristig doch sehr wichtige Vorhaben des Wisenbergtunnels durch die Wirtschaft würde es gut vertragen.


Regierungsrat Jörg Krähenbühl (SVP) zur Frage von Martin Rüegg: Morgen ist Vorstandssitzung der KÖV- Schweiz, in welcher alle Regionen der Schweiz vertreten sind, insofern sei dort seine 'Wisenberg-Stimme' wohl nicht so sehr gefragt. Hingegen geht es am 1. April in der KÖV- Nordwestschweiz in der Tat u.a. um den Wisenberg. Zudem hat man Kontakt mit dem Komitee pro Wisenberg aufgenommen, um dort allenfalls etwas aufzugleisen. Die Anregung von Landrat Kirchmayr nimmt er sehr gerne entgegen. Man werde sich bei den Zusammenkünften mit der Spitze der Industrie und den Verbänden dafür einsetzen und schauen, wie Kooperationen geschaffen werden können.


Karl Willimann (SVP) stellt fest, dass mit dem NEAT-Tunnel die Kapazität der Nord-Süd-Achse massiv verbessert wird. Nun konnte man auch beim Gotthardtunnel beobachten, dass durch das Entstehen einer solchen schnellen Route der Verkehr angezogen wird. Auch ihm ist aus Baselbieter Sicht der Entscheid zum Wisenbergtunnel unverständlich. Nun habe Max Friedli, Chef des BAV, gesagt, es gebe zum Wisenbergtunnel als Anschlussroute an Gotthard/Neat günstigere Alternativen aus Sicht der Eidgenossenschaft. Welches sind diese Alternativen, die gegen den Wisenbergtunnel sprechen? nimmt ihn Wunder.


Laut Jörg Krähenbühl (SVP) liegt die Alternative ausserhalb der Schweiz. Das BAV sagt, dass es nach dem Ausbau des Brenners in der Schweiz - also auf der Neat - ein Trassee weniger braucht. Ausländische Unternehmen oder auch die SBB kaufen Trassees, erläutert er dazu, und auf diesen Vorgang hat man keinen Einfluss, sondern lediglich auf den Regio-S-Bahn-Verkehr. Dort kann man mit einem Leistungsauftrag die SBB anbinden. Ist nun die Nord-Süd-Strecke über den Brenner - respektive unten durch - einmal ausgebaut, so braucht es laut Auskunft des BAV ein Trassee weniger. Dasselbe ist prognostiziert, wenn einmal der Tunnel von Frankreich Richtung Turin fertiggestellt ist, auch für diese Verbindung wird man dann ein Trassee weniger brauchen; dies wird wohl eher der Lötschberg sein. Laut Prgnosen der SBB und des BAV seien dann genügend Kapazitäten vorhanden. Dazu kommen Vergrösserungsmassnahmen an den bestehenden Tunnels.


Keine weiteren Wortbegehren


://: Damit ist die dringliche Interpellation 2010/122 beantwortet.


Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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