Protokoll der Landratssitzung vom 24. April 2008

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2008-019 vom 22. Januar 2008
Vorlage: Einführung von Informationstechnologien (ICT) an der Primarschule als Unterrichtshilfe (2008 bis 2013)
- Bericht der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission vom 20. März 2008
- Beschluss des Landrats am 24. April 2008: < Nichteintreten beschlossen >

Nr. 438

Die Landratspräsidentin übergibt das Wort dem Kommissionspräsidenten.


Karl Willimann (SVP) führt aus: Mit Beschluss vom 23. Februar 2006 ist der Landrat dem Regierungsrat nicht gefolgt und hat den Auftrag des Landrates vom 20.  Mai 1999 zur «flächendeckenden Einführung von Computern an der Primarschule» nicht abgeschrieben. Damit beauftragte der Landrat den Regierungsrat, eine Vorlage über den Einsatz von ICT an der Primarschule als Unterrichtshilfe auszuarbeiten. Mit der Vorlage wird ein Verpflichtungskredit zur Umsetzung dieses Beschlusses in der Höhe von 5 Mio. Franken, verteilt auf die Jahre 2008 bis 2013, beantragt. Der Betrag betrifft vor allem die IT-Ausbildung der Lehrerschaft. Zielsetzung der Vorlage ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit an allen Primarschulen ab der 3. Klasse Schülerinnen und Schüler Erfahrungen in der Nutzung von ICT in den einzelnen Bildungsbereichen sammeln können.


In der Kommissionsberatung machte der Bildungsdirektor geltend, dass sich die Investition in eine Einführung von ICT nur dann auszahlt, wenn auch entsprechend in den Support und die Qualifizierung der Lehrpersonen etc. investiert wird, was absolut unbestritten war. Er stellte klar, dass der Auftrag gegen den Willen der Regierung erfolgte. - Denn nach einer ersten Konsultationsrunde vor einigen Jahren bei den Gemeinden habe man von diesen ein klares Nein erhalten und wollte daher auf die Vorlage verzichten. Eine Frage wie "Auch das noch?" sei bei den vielzähligen anstehenden bildungspolitischen Herausforderungen berechtigt.


Bei der Eintretensdebatte ergaben sich bei den Fraktionen unterschiedliche Haltungen zur Vorlage. Es wurden kritische Fragen gestellt, wie etwa, ob für den Einkauf der Hardware ein einheitliches Konzept bei den Gemeinden vorgesehen ist, wie die Nachqualifizierung der Lehrerschaft geplant und ob die Gemeinden bei den Folgekosten als Träger der Primarschule informiert sind.


Für die SP kommt die Einführung von ICT an der Primarschule eher zu spät, während die SVP die Einführung ab der dritten Klasse für einen relativ willkürlich gewählten Zeitpunkt hält und angesichts der Komplexität als zu früh einstuft. Die FDP bezweifelt, ob die Unterrichtsqualität gewährleistet werden kann und weist auf die Wichtigkeit des Tastaturschreibens hin. Die CVP stimmt mit einem kritischen Ja der Prüfung und Diskussion der Vorlage zu. Die Grünen führen an, der Einsatz von ICT auf Primarschulebene bringe zu wenige Vorteile, um den enormen Ressourceneinsatz zu rechtfertigen. Sie verweisen darauf, dass die zusätzliche Einführung von ICT neben den zwei Früh-Fremdsprachen zu einer Überforderung von Schülerinnen und Lehrpersonen führe.


Die Anschaffung von gemeinsamer Hardware hält die Bildungsdirektion mit Verweis auf die Gemeindeautonomie für eine heikle Angelegenheit. Als Lösung werde den Gemeinden ein Beitrag zur Standardisierung angeboten. Auch die Frage der Standardsoftware sei ein diffiziler Bereich, da Software vom Kanton nicht offiziell als finanziertes Lehrmittel betrachtet wird. Die Gemeinden wurden im Vernehmlassungsverfahren über ihre Kosten als Träger informiert. Total betragen diese ca. 2,6 Mio Franken; jährlich wiederkehrend 1,2 Mio Franken. Die Bildungsdirektion räumt auf Fragen der Kommissionsmitglieder auch ein, dass bei der amtierenden Lehrerschaft in Bezug auf ICT-Kenntnisse grosse Unterschiede bestehen. Die Lehrpersonen bringen ihr je individuelles Portfolio mit und sollen in den jeweiligen Bereichen, in denen Schwächen bestehen, geschult werden.


Für ein Eintreten sprachen sich CVP, FDP und SP aus, dagegen waren die SVP und die Grünen. Mit 6 : 5 Stimmen trat die Kommission nur knapp auf die Vorlage ein. In der Detailberatung weist die SP darauf hin, dass die Einführung des Tastaturschreibens einen enormen Nachschulungsbedarf für die Lehrkräfte bedeutet. Die Bildungsdirektion versichert, das Tastaturschreiben werde erst in der 6. Klasse eingeführt. Für die FDP vermögen die Massnahmen betreffend Weiterbildung, speziell in Bezug auf eine Qualifikation der Lehrkräfte, nicht zu überzeugen. Die SVP befürchtet, dass mit dem zusätzlichen Einsatz von ICT an der Primarschule, neben der Einführung von zwei Fremdsprachen, die Kluft zwischen stärkeren und schwächeren Schülern nochmals grösser wird.


Zum Abschluss der Kommissionsberatung wurde von der SP die Frage aufgeworfen, wie überhaupt, angesichts der in der Kommissionsberatung eher ablehnenden Haltung, bei der letzten Abstimmung im Landrat eine entsprechende Mehrheit gefunden werden konnte. Die FDP weist entgegnend auf ihre ablehnende Haltung bereits bei der Vernehmlassung hin. Sie ist zur Auffassung gelangt, dass die Einführung von ICT an der Primarschule hauptsächlich viel Zeitverschleiss für sehr wenig Ertrag darstelle. Die SVP verweist ebenfalls auf die schon kritische Haltung bei der Vernehmlassung, und die Grünen erklären, sie hätten sich seit jeher gegen ICT an der Primarschule ausgesprochen.


Die Ziffern 1 und 2 des Landratsbeschlusses wurden in der Folge mit 4 Ja- zu 6 Neinstimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Zu Ziffer 3 bestätigt die Bildungsdirektion einen von der Kommission bemerkten Schreibfehler. Der Betrag muss auf 272'000 Franken korrigiert werden. Die Abstimmung zur korrigierten Ziffer 3 ergab bei 4 Ja- zu 6 Nein- stimmen und einer Enthaltung ebenfalls eine Ablehnung.


Die BKSK beantragt daher dem Landrat Ablehnung der Vorlage betreffend Einführung von ICT an der Primarschule als Unterrichtshilfe.


Eva Chappuis (SP) freut sich, dem Landratskollegium die mittlerweile einstimmige Zustimmung der SP-Fraktion zur regierungsrätlichen ICT-Vorlage bekannt geben zu können. Bei der Einführung von ICT geht es nicht um ein neues Schulfach und nicht darum, dass alle Kinder jede Variante des Umgangs mit dem PC lernen sollen, vielmehr sollen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern PCs als Unterrichtshilfe zur Verfügung gestellt werden, so wie vor 200 Jahren Griffel und Schiefertafel.


Im vom Bildungsrat unter dem Vorbehalt der Kreditgenehmigung durch den Landrat geänderten Lehrplan sind dazu folgende drei Punkte aufgeführt: «Medien kennen- und nutzen lernen» als ein Grobziel, daneben sollen die SchülerInnen «Erfahrung in der sinnvollen Nutzung von ICT und von weiteren Medien für das Lernen machen - verpflichtend ab der 3. bis zur 5. Klasse». Als letzter Punkt ist aufgeführt «sich kritisch mit den Medien auseinander-setzen». Ob man nun den Kredit spricht oder nicht; in fast jedem Baselbieter Schulzimmer stehen bereits jetzt und werden auch in Zukunft PCs stehen. Nur ist nicht gewährleistet, dass der Umgang mit den Maschinen auch so erfolgt, wie er vernünftig, sinnvoll und nutzbringend wäre. Die Vorlage gewährleiste, dass alle Lehrpersonen der Primarschule methodisch-didaktischen Umgang im Unterricht mit diesem Medium lernen können; dies in obligatorisch vorgesehenen schulhausinternen Schulungen im Umfang von immerhin 15 Stunden.


Nicht vorgesehen ist es, alle Lehrpersonen einheitlich in einen Excel- oder Word-Kurs zu schicken. Es wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Lehrkräfte sich dort, wo spezieller Nachholbedarf besteht, eigenständig weiterbilden lassen. Genauso werde von jeder Krankenschwester erwartet, dass sie ihre Statistiken auf dem PC selbstständig führen kann, ohne deswegen PC-Spezialistin sein zu müssen.


Die Gemeinden sind völlig frei in der Art der Beschaffung solcher Unterrichtshilfen. Sie könne wählen zwischen der jetzt bestehenden Minimalausstattung bis hin zur Luxusausstattung, bei welcher jedem Schüler und jeder Schülerin ein eigener Laptop zur Verfügung gestellt würde. Den First Level-Support trägt die Gemeinde, während bereits beim Second Level-Support auf den Kanton zurückgegriffen werden kann, was auch Sinn mache. Seit 2004 ist im Netz ein Handbuch zur sinnvollen Organisation von Beschaffung und Unterhalt für Schulen und Gemeinden abrufbar; die Hilfe für sowohl einfache wie auch komplexe und teurere Varianten ist vorhanden. Die Gemeindeautonomie wird nicht tangiert. Die Gemeinden müssen zwar ein neues Instrument finanzieren, dafür aber keine Schiefertafeln und Griffel mehr anschaffen, meint die Landrätin. Sie bittet das Ratskollegium mit einer Zustimmung zur Vorlage dem etwas unschönen Theater von Ja-Nein-Ja- Nein ein Ende zu setzen mit Ja, Ja, Ja.


Dieser Bitte kommt Paul Wenger (SVP) nicht nach und setzt ein dreifaches Nein dagegen, welches er wie folgt begründet: Der Kommissionspräsident hat ausführlich über die Diskussionen in der Kommission berichtet. Die SVP kam vorgängig, nach Analyse der gesamten Vorlage, zum Schluss, dass die Einführung ab der dritten Klasse eine willkürliche Festlegung darstellt. Dazu fügt er folgendes Zitat des bekannten Publizisten Ludwig Hasler - aus einer Rede anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung der Lehrerbildung Schweiz - an: «Sehen Sie nur auf den akuten Streit um die zwei Fremdsprachen in der Primarschule. Da sind, grob geschätzt, drei von vier Pädagogen dagegen, nicht ohne achtbare Gründe. Anders als die Reformer blicken sie ins Schulzimmer nicht zum Fenster hinaus, in die Zukunft unserer Wettbewerbsfähigkeit. Und hier sehen sie, dass viele Kinder schon ohne Fremdsprachen überfordert sind. Also plädieren sie für Qualität vor Quantität.»


Für die SVP steht ausser Zweifel, dass nicht mehr mit Schiefertafel und Kreide unterrichtet wird, dass man nicht an Informationstechnologien vorbei kommt. Ganz klar aber ist man der Meinung, dass Schüler im Primarschulalter engagierte Lehrkräfte brauchen, die sich um sie persönlich kümmern, ohne selbst zwingend auch noch einen PC-Bildschirm vor dem Gesicht haben zu müssen. Aus diesem Grund hat die SVP einen Antrag auf Nichteintreten gestellt und dies auch vor der heutigen Landratsitzung entsprechend deponiert.


Eva Gutzwiller (FDP) blendet 2 Jahre und zwei Monate zurück. Damals ging es um die Abschreibung eines Verpflichtungskredites und gleichzeitig um die Abschreibung einer Motion, die im Jahr 1997 als Postulat überwiesen worden war. Damals habe man eine Vorlage verlangt, da eine Abschreibung nicht einfach ohne Bericht oder Vorlage vorgenommen werden sollte. Nun ist man einige Jahre weiter; der Auftrag ist erfüllt und die Vorlage liegt vor. Es ist schwarz auf weiss nachzulesen, was die flächendeckende Einführung der Informationstechnologie an den Primarschulen, notabene als Unterrichtshilfe, bringen soll. Hört man nun, dass bereits in den allermeisten Gemeinden im Baselbiet die Geräte, in welcher Form auch immer, zur Verfügung stehen und damit gearbeitet wird, so stellt sich doch die Frage, warum nun zusätzlich ein so hoher Kredit gesprochen werden soll. Welcher Nutzen, welche effektive Qualitätssteigerung kann mit dem investierten Geld tatsächlich erzielt werden? Ist die Einführung ab dem dritten Schuljahr auch wirklich das Nonplusultra angesichts der sich im Gange befindlichen grösseren Umwälzungen im Bildungswesen und speziell auf der Primar-stufe? Was passiert beispielsweise mit den geplanten zwei Fremdsprachen und der Basisstufe, wenn man weiss, dass die Lehrpläne so oder so wieder angepasst werden müssen?


Nun bewirke die regierungsrätliche Vorlage nicht gerade ein "Hallelujah", was man der Regierung nicht übel nehme und nicht zuletzt darauf zurück führt, dass letztere selbst von Anfang an nur wenig Herzblut in das Geschäft gesteckt habe. Nun bleibe aber zudem in der Vorlage Vieles offen. Die Gemeinden werden "eingeladen", gewisse Dinge zu unternehmen. Ausstattung, Betrieb und technischer Support sind Aufgaben der Einwohnergemeinde. Primarschulen können ins kantonale Schulnetz einbezogen werden, aber die Einrichtung der internen und externen Vernetzung ist Sache der Gemeinden. Auch die Ausbildung ist ein Problempunkt: Sind keine klaren Anforderungen definiert und die Lehrkräfte nicht entsprechend geschult, so bleibt zu bezweifeln, ob das investierte Geld auch wirklich nutzbringend angelegt ist. Die FDP habe sich bereits seinerzeit in der Vernehmlassung gegen die Einführung ausgesprochen. Man wollte die Vorlage, um zu wissen, was Sache ist; man hat sie gelesen und spricht sich gegen die Vorlage aus.


Urs Berger (CVP) meint, die gegenwärtige Debatte lege den Eindruck nahe, man habe es bei ICT mit einem völlig neu zu implementierenden Instrument zu tun. Dabei habe die Wirtschaft bereits vor Jahren Millionen in die Hardware, aber auch in die Aus- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen, investieren müssen, um markttüchtig zu sein. Und heute gibt es keinen Arbeits- oder Lehrlingsplatz mehr, an dem nicht ein PC steht. Dass man heute sagt: ICT gehört an die Schulen, ist für ihn selbstverständlich, so wie es zu seiner Schulzeit selbstverständlich gewesen sei, dass man eines Tages nicht mehr das Tintenfass brauchte, sondern zum Füllfederhalter überging.


Die Kinder werden heute schon sehr früh mit ICT konfrontiert. Zudem hat der Kanton vor rund 10 Jahren Tausende von Franken in entsprechende Projekte gesteckt, um Lehrstellen in der Informatik zu schaffen - u.a. in das Projekt "Mädchen werden Informatikerinnen" etc. Soll denn das nichts gelten? - Die Kinder, die heute zur Schule kommen, werden bereits früh mit ICT konfrontiert. Kürzlich habe ihm ein dreijähriges Mädchen im Spielwarenladen erklärt, wie es die Farben und das Rechnen auf seinem Spiel-Computer lerne und selbst Liedchen darauf spielen lerne. ICT gehört für Urs Berger bereits in die Primarschulen, und zwar nicht als Hauptausbildungsbereich, sondern als neue Kern- und Basiskompetenz; die Jugendlichen sollen lernen, gezielt mit dem Computer umzugehen.


Dass bereits in vielen Gemeinden PCs vorhanden sind, die von den Primarschul-Lehrkräften im Unterricht benutzt werden, ist begrüssenwert. Im Sinne der Chancengleichheit muss aber eine Integration flächendeckend stattfinden, übrigens auch im Sinne des heute vom Bildungsgesetz vorgegebenen Qualitätsmanagements. Man könne nicht einerseits auf anderen Bildungsebenen von Qualität reden, und dies bei den Primarschulen vernachlässigen. Die CVP/EVP-Fraktion spricht sich grossmehrheitlich für die Vorlage aus.


Jürg Wiedemann (Grüne) merkt eingangs an, in die Bildungsanstalten FHNW, in die Uni und die Gymnasien sei in den letzten Jahren - aufgrund berechtigter Veränderungen - sehr viel Geld investiert worden. Die Volksschulen mit Kindergarten, Primarschule und Sekundarschule seien dabei ziemlich zu kurz gekommen. Nun investiere der Kanton endlich wieder einmal viel Geld - 5 Mio Franken - in die Volksschule; mit zig-Millionen, die durch die Gemeinden finanziert werden müssen. Nun hält man es für richtig, dass Geld in gute und bessere Primarschulen investiert wird. Man ist aber der Ansicht, 5 Mio Franken könnten wesentlich besser für eine gute Qualität der Primarschulen angelegt werden: Einerseits denkt man an kleinere Klassen, andererseits an einen differenzierbaren Unterricht. Eine zweite Primarlehrkraft sollte beispielsweise beigezogen werden können bei heiklen Klassen.


Zweitens sind die Primarlehrkräfte schon heute sehr stark gefordert, mit den zwei Fremdsprachen kommen weitere grosse Aufgaben hinzu. Man könne nicht alles in die Primarschulen hinein stopfen, das komme einer Überforderung der Kinder, wie auch der Lehrkörper gleich. Es gelte, sich jetzt aufs Wesentliche zu konzentrieren, bevor es zu spät ist. Drittens hält ein Grossteil der Fraktion aus pädagogischer Sicht eine flächendeckende Einführung von ICT an der Primarschule - bei 9-Jährigen - schlicht für verfrüht. Die Kinder nehmen den Computer als Spielkonsole wahr, die Einführung in der Schule würde dazu führen, dass die Kinder auch zu Hause vermehrt vor dem PC sitzen. Selbstverständlich sind Computer an den Schulen nicht mehr wegzudenken. Die Grünen plädieren aber für einen gezielten, sinnvollen Einsatz von PCs etwa bei der Abfassung von Arbeiten oder im Fach Mathematik/ Statistik, nicht aber zur Lösung von einfachen Rechenaufgaben oder Französischübersetzungen. Der PC-Unterricht in der Sekundarschule reiche völlig aus, um den SchülerInnen bis zum Abschluss der Volksschule eine perfekte Handhabung des Instruments zu ermöglichen. Ein Grossteil der Grünen Fraktion ist gegen Eintreten auf die Vorlage und wird sie auch bei einem allfälligen Eintretensbeschluss ablehnen.


Regula Meschberger (SP) fühlt sich vom Votum ihres Vorredners herausgefordert. Wird den Primarlehrkräften von einem Sekundarlehrer gesagt, die Primarschulen müssten verbessert werden, so wirft dies für sie ein paar grundsätzliche Fragen auf... Natürlich könne die Schule ganz generell immer verbessert werden. Bezüglich ICT liegt ihrer Ansicht nach zudem ein Irrtum vor. Es geht nicht um die Einführung von Informatikunterricht an der Primarschule, sondern darum, den PC als Instrument im Unterricht in der PS einzusetzen. Illusionslos betrachtet, findet dies bereits heute statt, was spricht also für einen gezielten Einsatz? Das Instrument kann genutzt werden wie früher Schiefertafel und Griffel.


Ein ganz grosses Thema ist, explizit auf der Primarstufe, die Heterogenität der Schülerniveaus; vom ganz schwachen bis zum sehr begabten Kind ist alles vertreten. Die Schule hat die Aufgabe, die Kinder in ihren Stärken zu fördern, dazu bildet der Computer ein Instrument unter vielen anderen. Auch er trägt zum individualisierten Unterricht bei. Jürg Wiedemanns Aussage, die Kinder seien damit überfordert, kann sie nicht stützen. Man müsse nur einmal einen Blick in eine Primarklasse werfen und beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder mit dem PC umgehen - und zwar nicht zuletzt deswegen, weil die Lehrpersonen sehr differenziert mit dem Instrument umgehen. Zudem betont sie, dass es u.a. bereits heute ein ausgezeichnetes Französischlehrmittel gibt, welches den Einsatz von PC mit einbezieht; die Kinder beherrschen diesen und können in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Es gehe nicht um Informatikunterricht, sondern um den Einsatz von PCs als Hilfsmittel.


Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) gibt bekannt, dass noch 5 Wortmeldungen anstehen. Angesichts des offensichtlichen Diskussionsbedarfs und der vorgerückten Zeit soll daher die Debatte um 12 Uhr unterbrochen und nach der Mittagspause wieder aufgenommen werden.


Thomas Bühler (SP) sieht sich als Primarlehrer durchaus in der Lage, einigermassen zu beurteilen, was mit 9 bis 12-jährigen Kindern im Unterricht in etwa zu bewerkstelligen ist. Aus der Erfahrung im eigenen Unterricht aber auch im Schulhaus kann er sagen, dass der Umgang mit ICT funktioniert. Die Einführung von ICT an den Primarschulen ist durchaus eine Erfolgsgeschichte, wenn die Lehrkräfte, die sie durchführen, gut ausgebildet sind. Man sei froh, dass die Gemeinde Lausen die Anschaffung von PCs ermöglicht hat. Noch zufriedener wäre man, wenn die Primarlehrpersonen noch besser geschult würden, speziell bezüglich methodisch-didaktischer Aspekte. Dies würden die Primarlehrerinnen und Primarlehrer des Kantons BL begrüssen, auch wenn damit eine neue Herausforderung in Bezug auf Weiter- und Fortbildung auf sie zukommt. Zudem sei festzustellen, dass der VBLG der Vorlage in der Vernehmlassung zugestimmt hat; denn viele Gemeinden haben bereits investiert.


Ein gewisser Druck auf die anderen Gemeinden sei durchaus angebracht, um eine generell gute Ausstattung zu erreichen. Auch wenn seines Erachtens die Vorlage ein wenig nüchtern daher kommt, so gehe es hier um eine Investition in die Zukunft. Diese betreffe vor allem die Fort- und Weiterbildung der Primarlehrpersonen; die Hardware braucht es zur Umsetzung mit den Schülerinnen und Schülern. Auch er spricht - wie seine Vorrednerin - dem Computer mit entsprechender Software als Hilfsmittel für einen binnendifferenzierten und individualisierten Unterricht ein gutes Zeugnis aus.


An dieser Stelle unterbricht die Landratspräsidentin die Debatte.


Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



[Fortsetzung der Debatte am Nachmittag (nach Behandlung der Dringlichen Interpellation 2008/103 ( Traktandum Nr. 32 )]

Daniele Ceccarelli (FDP) vertritt eine kleine Minderheit innerhalb der FDP: Man sei nicht glücklich, wenn die Drittklässler im normalen Unterricht vor einem Laptop sitzen würden. Ob zwei Computer pro Klasse für eine IT-Ausbildung sinnvoll sind, ist fraglich. Aber Kinder sollen so früh wir möglich einen IT-Kurs bekommen. Das Ziel wäre also ein IT-Raum, der von den Schülern zwei bis dreimal pro Woche benützt würde und ihnen auf spielerische Weise den Umgang mit Computern lernen würde, denn dies gehört heute einfach dazu. Weil dies eine Art Durchgangsstadium ist, wird diese Minderheit der FDP der Vorlage zustimmen.


Nach der Ansicht von Christoph Frommherz (Grüne) sollen Kinder im Primarschulalter erstmal die reale Welt und nicht eine virtuelle kennenlernen. Die reale Welt können sie im Schulzimmer und noch besser ausserhalb von diesem entdecken. An dieser Stelle wäre das Geld besser investiert mit Hilfestellungen an Lehrpersonen, weil diese sich oft nicht mehr aus den Schulzimmern getrauen.


Elisabeth Schneider (CVP) vertritt die Meinung einer Minderheit der CVP, dass in der Bildungslandschaft grössere Probleme vorkommen, als die Ausrüstung der Schulzimmer mit Computern, denn mit HarmoS und Bildungsraum Nordwestschweiz herrscht darin sehr viel Bewegung. Es sollten zuerst die wesentlichen Probleme angegangen werden, zumal sich mit HarmoS und der Bildungslandschaft Nordwestschweiz diese Fragestellung ohnehin ergeben wird und man sich derer dann annehmen kann. Im Weiteren entstehen enorme Kosten für die Gemeinden und die Bildung auf Primarschulstufe, in Bezug auf die Kosten, wird ohnehin vom Kanton festgelegt und die Gemeinden können nur bezahlen. Wenn der Landrat dieser Vorlage zustimmen würde, wäre der Zeitpunkt da, die Primarschulen durch den Kanton zu finanzieren. Aus diesen Gründen wird diese Minderheit der CVP gegen diese Vorlage stimmen.


Als Primarlehrer weiss Urs von Bidder (EVP), dass beispielsweise das Rechenüben am Computer in einer kurzen Sequenz mit einer kleinen Gruppe von Schülern sehr sinnvoll und für diese begeisternd ist. Das hat nichts mit dem Vergessen einer realen Sachbegegnung wie einem Zollibesuch zu tun. Es geht um kurze, klar definierte und gezielte Lerneinheiten in einer Übungsphase, um eine Binnendifferenzierung des Unterrichts, um Begabtenförderung, einen gezielten Förderunterricht bei Lerndefiziten sowie um Fremdsprachunterricht und nicht um IT-Schulung wie auf einer höheren Schulstufe. Die Formulierung «stufengerecht» im Lernplan ist wortwörtlich zu nehmen, denn mit Zweitklässlern, Fünftklässlern oder Sekundarschülern kann nicht gleich gearbeitet werden. Das Argument mit zwei Laptops im Klassenzimmer ist ein Trugschluss, meistens ist ein ganzer Zug in einem Schulhaus, beispielsweise sechs Laptops, die nicht alle gleichzeitig benötigt werden. Die Vorlage stellt eigentlich einen Nachvollzug der vielerorts bereits bestehenden Gegebenheiten dar. Mit dieser Vorlage hätten die Schulen etwas zeitgemässeres Equipment mit entsprechendem Support.


Diese Diskussion dünkt Christine Mangold (FDP) symptomatisch für die momentanen Diskussionen im Bildungsbereich, in welchen der rote Faden fehle. Man diskutiert punktuell über einzelne Bausteine, aber zu einer Debatte über das Ganze kommt man vor lauter Einzelprojekten nicht. Es geht nicht um ein Ja oder Nein zu ICT an den Primarschulen, denn dies gibt es in den meisten Gemeinden bereits seit Jahren, sondern um die vorliegende Vorlage, welche nicht die richtige ist. Im Bereich der Primarschule wird es in den nächsten Jahren grosse Veränderungen geben, was den Landrat beschäftigen wird. Beispielsweise werden die sechs Jahre Primarschule unter HarmoS anders sein als die heutige Primarschule. Das Argument, dass die Lehrbetriebe auf Computerkenntnisse der Lehrlinge angewiesen sind, ist nachvollziehbar, jedoch ist hier die Sekundarstufe 1 gefragt. Es sind also klare Aussagen über die zukünftige Ausgestaltung der Bildungslandschaft gefragt. Aus diesen Gründen ist die Vorlage abzulehnen.


Myrta Stohler (SVP) bestätigt, dass tatsächlich die Gemeinden von dieser Vorlage betroffen seien. Als diese Vorlage zum ersten Mal angesprochen wurde, herrschte seitens der Gemeinden eine grosse Skepsis. In der Zwischenzeit sind die Computer in der Schule längst eingeführt und man arbeitet damit, weshalb der VBLG zur Auffassung kam, dass man sich dieser Entwicklung nicht verschliessen kann. In der Vernehmlassung verlangten die Gemeinden jedoch Rahmenbedingungen, weshalb die vielen Ja in den Tabellen etwas trügerisch aussehen, denn die Gemeinden pochen auf die Durchsetzung der Rahmenbedingen. Die Ausstattung müsste den Gemeinden und Schulen überlassen werden. Ein weiteres Problem könnte die Fortbildung der Lehrer sein, nicht dass zuletzt die Kinder den Lehrern das Funktionieren des Computers erklären. Finanziell ist diese Vorlage für viele Gemeinden ein grosses Problem, die auf eine einfachere Lösung angewiesen sind. Aus diesem Grund ist der VBLG der Meinung, dass die Ausstattung nicht flächendeckend gleich sein muss. Die Landrätinnen und Landräte sollen diese Bedenken bitte bei der Entscheidung beachten.


Urs Berger (CVP) möchte Christoph Frommherz mitteilen, dass ICT nicht seit gestern, sondern seit vorgestern sehr real sei. Es ist richtig, dass ständig auf den Bildungsraum Nordwestschweiz und HarmoS verwiesen wird, denn genau dies ist eine Chance. Man weiss noch nicht, wie die Basisstufe aussehen wird, aber dass man ICT hat. In anderen Kantonen wie Solothurn oder Bern gibt es seit 2002 Vorlagen. Eine gute, vorbildliche und zukunftsorientierte Schule Baselland soll dies ein- und umsetzen zu Gunsten der Schülerinnen und Schüler. Auf der Sekundarstufe reicht dies nicht und man kann nicht immer die Probleme der Primar- auf die Sekundarstufe verschieben. Man darf dazu stehen, dass es ICT gibt und dies ein- und umgesetzt wird.


John Stämpfli (SD) argumentiert, man reklamiere dauernd über soziale Isolation, weil die Kinder zu Hause vor dem Playboy sässen (allgemeine Erheiterung) - der Redner korrigiert: vor dem Gameboy oder dem PC sässen und nicht mehr auf die Spielplätze gingen. Nun soll dies innerhalb der Schulen auch eingeführt werden. Viele Primarlehrerinnen und -lehrer wissen jedoch nicht einmal, in welcher Sprache sie unterrichten müssen. Nun auch noch das Computerwesen zu übermitteln, kann gar nicht funktionieren. Der Redner bekommt im Gespräch mit Primarschülern das Gefühl, diese können nicht mehr richtig Deutsch und nicht richtig lesen und schreiben. Der Computer ist für eine höhere Stufe angemessen, jedoch nicht für eine Primarschule.


Regierungsrat Urs Wüthrich (SP) bemerkt wenigstens in einem Punkt Konsens, nämlich dass man momentan mit einer originellen Situation konfrontiert sei: Ausgerechnet die Bildungskommission und viele Votantinnen und Votanten lehnen das Projekt ab, welches der Landrat zweimal bestellt hat. Jetzt liegt die Vorlage vor, doch man will sie nicht mehr. Der Regierungsrat geht auf einige zentrale und widersprüchliche Punkte ein:


1. Widerspruch zwischen Beratungen und Entscheiden: Wenn ein Entscheid ansteht, wird argumentiert, man könne diesen Entscheid nicht fällen, weil der in ein ohnehin schon grosses Paket gehöre. Kommt dann aber dieses Paket zur Abstimmung, wird es heissen, es sei unzumutbar, über das ganze Paket zu entscheiden, da es unübersichtlich sei und man nicht zu einzelnen Punkten Stellung nehmen könnte. Es wäre etwas Mut zu wünschen, die Entscheide zu fällen, wenn die Gelegenheit dazu da ist; ausser man wünscht weiterhin, über Nicht-Entscheide zu polemisieren.


2. Den Vorwurf von Eva Gutzwiller, die Vorlage sei mit zu wenig Herzblut bestritten worden, entspricht weder der Erinnerung des Regierungsrats noch den Kommissionsprotokollen. Fehlender Mut soll auch nicht mit Pragmatismus und Finanzierbarkeit verwechselt werden. Ganz bewusst sind Minimalstandards vorgesehen und nicht ein Riesenprojekt, das nicht finanzierbar ist, ausser vielleicht von einigen wenigen Gemeinden.


3. Die Gegner der Vorlage propagieren Wildwuchs, gleichzeitig wird aber eine zu wenig detaillierte Beschreibung der Vorlage kritisiert. Dies zeigt einen zentralen, nicht auflösbaren Widerspruch zwischen der Forderung nach Bildungsharmonisierung und der Unfähigkeit, innerhalb des Kantons schon nur einen Minimalstandard herbeizuführen. Denn heute diskutiert man nicht über die Frage nach Informatiknutzung in der Primarschule, sondern ob dies dem Zufall überlassen wird oder Minimalstandards vorgegeben sein sollen.


4. Zum Vorwurf von Elisabeth Schneider bezüglich zusätzlicher Kosten für die Gemeinden erwidert der Regierungsrat, dass der Kanton immerhin fünf Millionen in die Gemeindeschulen investiere. Für die Gemeinden kommt es nie mehr günstiger, wenn jede Gemeinde weiterhin für sich selber schaut.


5. Die Schule sollte auch genutzt werden, einen verantwortungsbewussten Umgang mit diesen neuen Medien zu lernen, denn viele nicht so gut betreute Kinder haben dazu wenig Chancen. Schliesslich beginnen Kinder nicht erst im Alter von 16 Jahren, sich mit Computern zu beschäftigen.


5. Kumulierung mit dem Fremdsprachenunterricht: Gerade da der Fremdsprachenunterricht früh beginnt, ist es wichtig, diesen mit modernen Mitteln zu unterstützten. Alle Lehrerinnen und Lehrer auf Primarschulstufe sollen einen vollständigen Werkzeugkasten zur Verfügung haben und es soll nicht ausgerechnet das modernste Werkzeug verhindert werden.


Aus den genannten Gründen bittet die Regierung, dieser Vorlage zuzustimmen.


Karl Willimann (SVP) muss im Bericht in Ziffer 3 noch einen Fehler eingestehen: es wurde fälschlicherweise 272'000 statt 772'000 geschrieben. Zur Aussage von Urs Berger, der dieses Projekt mit dem Übergang von der Füllfeder zum Kugelschreiber verglich, ist zu bemerken, dass dieses nicht fünf Millionen Umschulungskosten der Lehrer kostete. Im Weiteren wird durch die PC-Ausbildung an der Schule der Druck auf die Eltern steigen, zu Hause auch einen Computer anschaffen zu müssen, was finanziell nicht immer möglich ist. Der Kommissionspräsident änderte in den letzten drei Jahren seine Meinung betreffend möglichst früher Computer-Ausbildung der Kinder, weil überall sichtbar ist, dass bei Kindern und Jugendlichen infolge des Umgangs mit Gameboys und Spielkonsolen der Umgang mit Technik schon sehr weit entwickelt ist. Aus diesem Grund ist die Bedienung eines Computers aus Sicht der Logik schon vorhanden. Müssen denn Lehrpersonen für die Bedienung von Hardware ausgebildet werden, wenn die Kinder es schon mehrheitlich können? Diese Überlegung ist ein Argument, die Vorlage abzulehnen.


Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) stellt fest, dass Eintreten umstritten sei und lässt darüber abstimmen.


://: Mit 38:45 Stimmen bei 1 Enthaltung beschliesst der Landrat, nicht auf die Vorlage 2008/019 einzutreten. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Miriam Schaub, Landeskanzlei



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