Protokoll der Landratssitzung vom 25. März 2010

Nr. 1796

Für Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit es Aufgabe des Parlaments sei, Vorgaben zu erlassen, welche Werkzeuge in der Verwaltung zum Einsatz kommen. Man könnte sich sonst nämlich auf den Standpunkt stellen, der Landrat könne wegen der Schwierigkeiten bei General Motors verlangen, dass die Polizei Basel-Landschaft schleunigst von Opel auf BMW umrüste.


Gleichwohl hat die Regierung den vorliegenden Vorstoss ernst genommen und ist bereit, ihn in der Form eines Postulats entgegenzunehmen und dann in einem Bericht aufzuzeigen, wie sich die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien an den Volksschulen bisher gestaltet hat und wie die zukünftige Entwicklung in die Wege geleitet werden soll.


Die Grundlage für die nächsten Entwicklungsschritte muss eine solide konzeptionelle Basis sein. Im Rahmen der regierungsrätlichen Gesamtstrategie wird eine spezifische «IT-Strategie Schule» entwickelt. Auf der Grundlage dieser Strategie und - was nicht unwesentlich ist - im Rahmen der finanzpolitischen Möglichkeiten sollen künftige Umsetzungsschritte geplant werden. Bei dieser Gelegenheit werden vor allem die beiden folgenden Aspekte wichtig sein:


Eva Chappuis (SP) gibt bekannt, dass sich die SP-Fraktion der Überweisung auch eines Postulats widersetze. Was der Motionär verlangt, ist, ein rein operatives Geschäft in die Hoheit des Landrates zu ziehen und den einen Konzern gegen den anderen auszuspielen. Dabei ist Microsoft kein bisschen besser als Apple. Zudem werden erst noch eine verkürzte Behandlungsfrist und die Systemumstellung innert fünf Jahren verlangt.


Das ergibt keinen Sinn, hebt die Bildungsqualität um keinen Milimeter, verursacht aber massive Kosten. Nötig wäre hingegen nochmals eine Vorlage, die klarstellt, wie mit den Informationstechnologien an den Primarschulen umgegangen werden soll und wie die Primarschulen konkret ausgerüstet werden sollen. Denn der Lehrplan 21 - an sich völlig unbestritten - und der Frühfremdsprachen-Unterricht werden den Einsatz von PCs an der Primarschule erforderlich machen. Die Mittel sollen dort eingesetzt werden, wo das sinnvoll ist. Die Umsetzung des vorliegenden Vorstosses wäre allerdings Vergeudung.


Karl Willimann (SVP) teilt mit, die SVP-Fraktion sei für die Überweisung eines Postulats.


Das Thema ist schon ziemlich alt. Als der damalige Regierungsrat Hans Fünfschilling einmal für etwa anderthalb Jahre die Erziehungs- und Kulturdirektion übernehmen musste, bevor er Finanzdirektor werden durfte, gehörte Karl Willimann dem Bildungsrat an. Hans Fünfschilling, ehedem Informatikchef der Roche, hatte damals, Ende der 1980-er Jahre, genau die Idee, die nun der Motionär hat. Damals gab es erstmals Alternativen zu Mac.


Unter der Lehrerschaft hat und hatte Mac eine grosse Fangemeinde, weil es im Unterschied zu anderen das grafische Bedienungssystem schon früh hatte. Später wurde es von Microsoft kopiert, und heute ist das Betriebssystem Windows mit einer Verbreitung von 90 % auf PC-/Laptop-Basis die Nr. 1; Apple verfügt über Anteile von 10 %.


Im Hinblick auf den Eintritt in die Berufswelt wäre es wünschenswert, die Schüler könnten schon früh mit Microsoft-Produkten arbeiten. Es ist deshalb angezeigt, die Umstellung zu planen, allerdings nicht in einer Hauruck-Übung. Deshalb ist das Postulat zu überweisen.


Rolf Richterich (FDP) und eine Mehrheit der FDP-Fraktion sind gegen die Überweisung sowohl einer Motion als auch des Postulats.


Die Motion setzt einen zurück in wahre Urzeiten, als in den einschlägigen Heftchen die Grabenkämpfe zwischen Mac und MS-DOS tobten, etwa 1985-1995. Diese Zeit scheint längst überwunden, ist es aber offenbar doch noch nicht ganz.


Wenn man sich überlegt, wie viele Betriebssystem die heutigen Kinder und Jugendlichen in den Hosentaschen mit sich herumschleppen und womit sie sich zuhause beschäftigen - der eine spielt PS-Station, die andere Xbox - und dass heute schon Fünfjährige ihrem Vater überlegen sind bei der Bedienung einer Fernseh-Fernbedienung, steht es dem Landrat nicht an zu beurteilen, ob ein PC besser sei als ein Mac.


Dass der Umstieg später Mühe bereite, ist nicht der Fall: Was bei diesem Wechsel neu ist, hat man innerhalb eines Tages begriffen. Vielleicht kann ja Jürg Wiedemann, der bedauerlicherweise diese Diskussion aus dem Skilager verfolgen muss, dort zu diesem Thema gleich eine repräsentative Umfrage durchführen.


Ein grösseres Problem als das in der Motion angeführte ist die Umstellung z.B. von Windows XP auf Office 2010: Das sieht ganz anders aus, ist aber im Hintergrund immer noch PC! Wenn aber jemand von Mac auf PC umsteigt auf einem ähnlichen Level des jeweiligen Betriebssystems, gibt es praktisch keine Probleme. Der Vorstoss ist derart weltfremd, dass man darüber eigentlich nur lachen kann.


Am Gymnasium Laufen besteht eine Musik-Umgebung, die seit Jahrzehnten über Mac läuft. Die Lehrkräfte haben eine beinahe professionelle Produktionsanlage aufgebaut und investieren viel Freizeit und Herzblut. Würde nun die Motion überwiesen, müssten diese Lehrerinnen und Lehrer den Stecker ausziehen; sie gingen wohl sofort in Pension. [Heiterkeit]


Diese Motion ist absolut «bireweich». Sinnvoll wäre eher, ein Konzept zu verlangen, wie die IT-Entwicklung an den Schulen aussehen soll - aber dafür ist auch die Ummodelung in ein Postulat das falsche Vehikel, denn der Auftrag bleibt ja der gleiche. In einem solchen Konzept müsste auch auf Themen wie Linux oder OpenSource eingegangen werden. Wäre Thomi Jourdan noch im Landrat, hätte er sich schon längst gemeldet und ein flammendes Votum für OpenSource-Systeme gehalten.


Die Motion stammt aus dem Dinosaurier-Zeitalter und gehört in der Luft zerrissen. [zustimmendes Klopfen]


Christoph Frommherz (Grüne) erklärt, die grüne Fraktion sei geteilter Meinung punkto Motion, befürworte aber die Überweisung eines Postulats.


Allen Unkenrufen zum Trotz möchte Jürg Wiedemann sicher nicht die beiden Anbieter gegeneinander ausspielen. Er hatte seiner Motion vielmehr praktische Überlegungen zugrunde gelegt: In der Wirtschaft gibt es viel mehr PCs als Macs, und deshalb fielen bei einer Umstellung an den Schulen viele Kompatibilitätsprobleme weg. Zudem würden die Wartung sowie die Instruktion einfacher.


Gegen den Vorstoss spricht, dass Kinder wohl wirklich viel leichter zwischen den verschiedenen Systemen hin und her switchen können als Erwachsene.


Rolf Richterich gebührt der Ehrentitel eines «Schein-Heiligen Geistes». Er heuchelt Bedauern über die Abwesenheit des Motionärs während der Behandlung seines Vorstosses, dabei hat gerade er dafür gesorgt, dass es dazu kommt.


Urs Berger (CVP) dankt für die Ausführungen des Regierungspräsidenten und betont, er möchte keine Diskussion über bessere oder schlechtere Betriebssysteme.


Die CVP/EVP-Fraktion ist aufgrund der Erklärungen des Bildungsdirektors zur Überzeugung gelangt, dass sie weder eine Motion noch ein Postulat überweisen möchte.


Paul Wenger (SVP) fühlte sich von den Ausführungen Rolf Richterichs veranlasst, sich zu Wort zu melden.


Die Berufsfachschule Muttenz bildet u.a. Informatiker aus, und zwar in zwei Zentren in Muttenz und Pratteln. Dass das nicht alles «Bireweiche» und «Dinosaurier» sind, davon sollte sich Rolf Richterich vor Ort einmal ein Bild machen - er ist zu einem Schulbesuch herzlich eingeladen.


Paul Wenger als Mit-Motionär hat sich im Vorfeld in der einen oder anderen Informatikerklasse unter den 17- bis 22-jährigen Schülern umgehört. Sie haben die Welt etwas anders gesehen als Rolf Richterich eben.


Den Motionären vorzuwerfen, sie lebten auf dem Mond, ist ebenfalls nichts als «bireweich». Mit der Verwendung solcher Ausdrücke sollte man sich zurückhalten.


Oskar Kämpfer (SVP) bemerkt, es werde in der Diskussion gar keine Unterscheidung zwischen Hardware und Software gemacht.


Wahrscheinlich ist die Absicht des Vorstosses, Geld zu sparen. Wenn man PCs installiert, kann man darauf auch OpenSource verwenden - bei Macs geht das in Gottes Namen schlicht nicht. Dabei bietet OpenSource ein riesiges Einsparpotenzial, und deshalb ist die SVP-Fraktion der Ansicht, eine Prüfung lohne sich durchaus.


Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) ist froh, dass er nicht mit einer überwiesenen Motion in der Form eines Bestellzettels zurückgeschickt wird. Wird das Postulat überwiesen, kommt selbstverständlich der gewünschte Bericht. Wenn nicht, kommt der Bericht nichtsdestotrotz, und zwar unter Angaben der Kosten. In Bezug auf die Wartung an vielen dezentralen Standorten fällt übrigens die Rechnung sehr deutlich zugunsten von Mac aus.


Die Erfahrungen mit Betriebssystemen sind etwa so breit wie das Spektrum der im Landrat vertretenen Leute. Urs Wüthrichs Töchter nutzten in privater Umgebung Microsoft, in der Schule Mac, und sobald sie es sich leisten konnten, kauften sie sich ein Mac Book. Es besteht kein Leidensdruck unter Schülerinnen und Schülern.


Der Auftrag des Regierungsrates ist klar: Innerhalb einer IT-Strategie für den ganzen Kanton soll eine spezfische Strategie für den Bildungsbereich erarbeitet werden.


://: Die Überweisung der in ein Postulat umgewandelten Motion 2009/038 wird mit 41:21 Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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