Protokoll der Landratssitzung vom 18. Oktober 2012

Nr. 764

Gerhard Schafroth (glp) bedauert, trotz der zweiten Lesung auf die Beiträge für Investitionen an Dritte zurückkommen zu müssen, und betont, dass die zweite Lesung zum Glück auch ermögliche, klüger zu werden. Bereits bis Ende 2005 wurde praktiziert, was neu eingeführt werden soll, nämlich Beiträge und Investitionen zu aktivieren. Dieses Aktivieren war damals abgesetzt worden, weil die Finanzkontrolle kritisiert hatte, dass nicht Sachen aktiviert werden können, die dem Kanton gar nicht gehören. Ab 2006 wurden die Beiträge nicht mehr aktiviert und die Werte aufgelöst. Die Rechnung wurde mit 200 Mio. CHF belastet. Erneut durch Anpassungen an das Rechnungsmodell HRM2 begründet soll mit der jetzigen Vorlage der Paragraf 15 im Finanzhaushaltsgesetz geändert werden. Der Absatz 4 dieses Paragrafen besagt, dass im Verwaltungsvermögen Beiträge für Investitionen an Dritte nicht aktiviert werden. Indem «Beiträge für Investitionen an Dritte» aus diesem Paragrafen gestrichen wird, können entsprechende Beiträge aktiviert werden. Dies kann aber nur dann gemacht werden, wenn sie Teil des Verwaltungsvermögens sind.


Wenn aber der übrige Wortlaut des Paragrafen so weiter bestehen bleibt, hat das zwei Konsequenzen, die nicht weiterhelfen. Erstens können Mobilien, Fahrzeuge und Maschinen nicht aktiviert werden. Wenn in den öffentlichen Verkehr investiert werden soll - etwa durch die Beschaffung neuer Fahrzeuge für die Waldenburgerbahn -, kann trotzdem nicht aktiviert werden, weil Fahrzeuge weiterhin nicht aktiviert werden dürfen. Die Streichung von Beiträgen für Investitionen an Dritte hilft also gar nicht oder nur teilweise weiter. Zweitens werden die Beiträge noch nicht aktivierbar gemacht, indem die entsprechende Stelle im Paragrafen zum Verwaltungsvermögen gestrichen wird. Denn Beiträge an Altersheime oder den öffentlichen Verkehr gehen in das Eigentum Dritter über und gehören nicht zum Verwaltungsvermögen. Damit diese Investitionen zum Verwaltungsvermögen gezählt werden können, braucht es eine eigene Norm, die das Verwaltungsvermögen so umschreibt, dass die Investitionen Teil davon sind. Denn nur so können sie überhaupt aktiviert werden.


Gerhard Schafroth unterbreitet einen Vorschlag mit drei Varianten, wie diesen Auswirkungen der Gesetzesänderung begegnet werden könnte. Er schlägt vor, Paragraf 12 durch einen dritten Absatz dahingehend zu ergänzen, dass das Verwaltungsvermögen auch aktiviert werden kann:


Variante 1
Zum Verwaltungsvermögen gehören auch Investitionen in Sachanlagen im Gebiet des Kantons an Dritte im Bereich des öffentlichen Verkehrs.


Mit dieser Variante wird auch den Vorstössen von Lotti Stokar und von Hans-Jürgen Ringgenberg, die darauf abzielen, Investitionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs aktivieren zu können, Rechnung getragen. Wenn das Aktivieren solcher Investitionen gewollt ist, kann die Verwaltungsvermögensdefinition entsprechend ausgeweitet werden. Gerhard Schafroth ist mit dieser Lösung nicht glücklich, betont aber, dass der entsprechende Wille auf richtigen gesetzlichen Grundlagen abgestützt sein müsse.


Zu fragen ist auch, ob die Definition des Verwaltungsvermögens viel weiter gefasst werden soll. Falls nicht nur Beiträge für Investitionen an Dritte und Investitionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs als Teil des Verwaltungsvermögens sondern auch - wie von Klaus Kirchmayr in einem weiteren Vorstoss angeregt - Investitionsbeiträge an Alters- und Pflegeheime aktiviert werden sollen. Wenn dies der Wille des Landrats ist, muss er sich für eine andere - entsprechend ergänzte - Variante entscheiden:


Variante 2
Zum Verwaltungsvermögen gehören auch Investitionen in Sachanlagen im Gebiet des Kantons an Dritte im Bereich des öffentlichen Verkehrs und von Alters- und Pflegeheimen.


Falls aber die Definition des Verwaltungsvermögens mit Blick auf das Aktivieren total geöffnet werden soll und gesagt wird, dass überhaupt alles, was an Beiträgen für Investitionen an Dritte gesprochen wird, aktiviert werden kann, dann wäre die dritte Variante die richtige:


Variante 3
Zum Verwaltungsvermögen gehören auch Investitionen in Sachanlagen Dritter.


In diesem Fall ist man total frei. Dann kann sogar ein Investitionsbeitrag an eine neue Uniform des Musikvereins Reigoldswil geleistet und in der Kantonsbilanz aktiviert werden. Ob es wirklich Sinn macht, Werte, die nicht in die Bilanz gehören, weil sie nicht Teil des Eigentums des Kantons sind und nicht in seinem wirtschaftlichen Herrschaftsbereich liegen, zu aktivieren, ist sehr zu bezweifeln.


Gerhard Schafroth beantragt daher als Kompromisslösung, dass der Vorschlag der Vorlage, Beiträge für Investitionen an Dritte in Paragraf 15 zu streichen, belassen und um einen dritten Absatz in Paragraf 12 ergänzt wird (Variante 1). Damit kann gezielt und limitiert, das erreicht werden, was in der Sache Sinn macht.


Zu den Alters- und Pflegeheimen ergänzt Gerhard Schafroth, dass derzeit ein einmaliger Investitionsschub festzustellen sei. Dieser erklärt sich damit, dass die Alters- und Pflegeheime neu von den Gemeinden und nicht mehr vom Kanton finanziert werden und die Gemeinden jetzt noch Subventionen auslösen. Da sich diese Entwicklung langfristig von selbst erledigt, sind die Alters- und Pflegeheime nicht in die Regelung aufzunehmen.


Thomas Weber (SVP) bemerkt, dass diese Erwägungen soweit nachvollzogen werden konnten, und dass es sich in der Tat um eine gesetzliche Lücke handle. Er schlägt vor, die Variante 3, die das Verwaltungsvermögen offener formuliert, der von Gerhard Schafroth beantragten Variante 1 gegenüberzustellen.


Kommissionsvizepräsident Hans-Jürgen Ringgenberg (SVP) bestätigt, dass sich die FIK dieser allfälligen Problematik nicht bewusst gewesen sei. Er spricht sich für Variante 3 aus, weil diese alles abdecke.


Ruedi Brassel (SP) betont, wie wichtig es sei, eine zweite Lesung durchzuführen und eine Vorlage nicht rituell durchzuwinken. Er bedankt sich bei Gerhard Schafroth für die Aufmerksamkeit, die er eigentlich von der gesamten Kommission, sich eingeschlossen, aber auch von der Verwaltung, die die Vorlage vorbereit hat, erwarten würde. Eiltempo schützt vor Sorgfalt nicht!


Materiell etwas zu diesen Varianten zu sagen, ist schwierig. Heute sind die Bereiche öffentlicher Verkehr und Alters- und Pflegeheime substanziell. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass in Zukunft auch andere substanzielle Beiträge an Investitionen von Dritten geleistet werden sollen, aber je nach Variantenentscheid verunmöglicht werden. Gewiss kann später nachgebessert werden. Ruedi Brassel tendiert aber zu Variante 3, im Wissen darum, dass damit Tür und Tor etwas geöffnet werden.


Es stellt sich die Frage, ob das Aktivieren dieser Investitionen, vor allem die Beiträge an Investitionen von Dritten, dann zwingend ist. Denn wenn marginale Beiträge von ein paar hunderttausend Franken an eine Investition von Dritten geleistet werden, dann macht es materiell keinen Sinn, diese zu aktivieren. Unter Umständen ist hier auch eine kann-Formulierung möglich.


Ruedi Brassel bedauert, dass solche Aspekte in einer Landratssitzung erwogen werden müssten, da es sich um Fragen für die Kommissionsberatung handle. Er hält es aber für wichtig, Fragen zu stellen, und erhofft sich auch von der Finanzdirektion einen Beitrag.


Monica Gschwind (FDP) räumt ein, dass sie auf die Schnelle überfragt sei, was HRM2 hinsichtlich dieser Frage detailliert beinhalte. Sie spricht sich tendenziell für Variante 3 aus, weil sie die Sache offen halte. Sie erbittet sich vom Finanzdirektor weitere Auskünfte, zumal sie der Meinung ist, dass die Finanzdirektion über die besten Kenntnisse in der Sache verfügt und diese seriös abgeklärt hat.


Claudio Botti (CVP) bemerkt, dass der Antrag ihn überrascht habe und dass er sich den Voten von Hans-Jürgen Ringgenberg und Monica Geschwind, sich mit Variante 3 anzufreunden, anschliessen könne. Er hält aber fest, dass er nicht genau absehen könne, welche Konsequenzen die Varianten haben würden. Weil der Landrat die Diskussion einer Kommisionssitzung führe, beantragt Claudio Botti - vorbehältlich einer klärenden Stellungnahme durch Regierungsrat Adrian Ballmer -, dass die Vorlage zur Überarbeitung an die FIK zurückgewiesen wird. Dann kann sich der Landrat in zwei oder drei Wochen oder einem Monat noch einmal damit befassen.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) zeigt sich überrascht und irritiert darüber, dass er über einen solchen Antrag in der zweiten Lesung nicht vorgängig informiert worden ist. Er betont, dass die Gesetzesänderung in der Kommissionsberatung unbestritten gewesen sei und dass die Frage dort andernfalls seriös behandelt worden wäre. Er warnt davor und spricht sich dagegen aus, nun eine Variante aus dem Stegreif heraus rasch und ohne Kommissionsberatung zu beschliessen.


Seiner Meinung nach gilt Variante 3 ohnehin, auch wenn es so nicht ausdrücklich im Gesetz stünde. Denn so war es bis 2005 der Fall. Das Budget 2013 sieht die Verschiebung der Beiträge an Investitionen Dritter von der Erfolgs- in die Investitionsrechnung vor. Wenn aber diese Teilrevision nicht in diesem Jahr vollzogen werden kann, dann sieht das Budget plötzlich ganz anders aus. Gegen eine nochmalige Behandlung in der Kommission ist nichts einzuwenden. Aber diese ist rasch vorzunehmen, damit die Teilrevision sicher auf den 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.


Klaus Kirchmayr (Grüne) zeigt sich ebenfalls überrascht. Er schliesst sich dem Votum von Ruedi Brassel und auch dem Dank an Gerhard Schafroth an. Er unterstützt den Antrag von Claudio Botti, die Sache an der nächsten FIK-Sitzung zu behandeln. Dies wird nicht lange dauern. Zwar wird es wohl auf Variante 3 hinauslaufen. Aber im Sinne einer sauberen Legiferierung muss es sich die Finanzkommission noch einmal anschauen. Und dann kann der Landrat möglichst an der nächsten Sitzung noch einmal darauf zurückkommen.


Ruedi Brassel (SP) spricht sich dafür aus, die Behandlung in der nächsten Landratssitzung wieder aufzunehmen und die neu aufgeworfenen Fragen in der Finanzkommission detailliert zu erörtern. Er hält eine rasche Behandlung durch die FIK bis zur nächsten Landratssitzung für möglich.


Gerhard Schafroth (glp) unterstützt den Rückweisungsantrag an die Kommission und zieht seinen Antrag zurück.


://: Mit 81:0 Stimmen weist der Landrat das Geschäft an die Finanzkommission zurück. [ Namenliste ]


Für das Protokoll:
Valentin Misteli, Landeskanzlei



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