Protokoll der Landratssitzung vom 16. Juni 2016

Nr. 735

Landratspräsident Franz Meyer (CVP) erklärt, dass an der letzten Sitzung die erste Lesung mit Änderungen abgeschlossen wurde. Heute steht die zweite Lesung an. Die Fassung nach erster Lesung liegt als hellgrünes Papier auf den Tischen. Eine Anfrage bei der Kommissionspräsidentin ergibt, dass Christine Gorrengourt (CVP) das Wort nicht wünscht.


Thomas Bühler (SP) erklärt, die SP-Fraktion habe in der Kommissionsberatung etliche Kompromisse eingehen müssen, und an der regierungsrätlichen Vorlage seien Abstriche gemacht werden. Auch kam bei der ersten Lesung im Plenum der eine oder andere Antrag nicht durch. Heute ist die Fraktion nach eingehender Diskussion zum Schluss gekommen, gewisse in erster Lesung gestellte Anträge zurückzustellen. Ein paar wenige Anträge werden nochmals eingebracht. Der Sprecher bittet das Ratskollegium sehr, den wenigen SP-Anträgen, die eine Kommissionsmehrheit gefunden haben, in der nun vorliegenden Fassung zuzustimmen. Sollte dies nicht der Fall, wird ein Teil der SP dem Energiegesetz in dieser Form nicht zustimmen können.


Um Missverständnissen vorzubeugen, weist Landratspräsident Franz Meyer  (CVP) vor Inangriffnahme der zweiten Lesung darauf hin, dass es sich um eine Totalrevision handelt. Da in der ersten Lesung § 5 gestrichen wurde, verschiebt sich somit auf dem grünen Papier die Nummerierung der Paragrafen ab § 6 um eine Nummer nach vorn. § 6 ist nun § 5 usw.


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2. Lesung Energiegesetz


Titel und Ingress keine Wortbegehren


§§ 1-3 keine Wortbegehren


§ 4


Urs Kaufmann (SP) stellt Antrag, den in erster Lesung gestrichenen § 5 «Wärme- und Kälteversorgungsnetze in Gemeinden» gemäss Kommissionsfassung wieder aufzunehmen. Begründung: Wärmenetze sind im Kanton Baselland sehr verbreitet, es gibt unzählige davon. Es werden auch weiterhin neue Netze realisiert oder bestehende ausgebaut, so dass keinesfalls von einer veralteten Technologie gesprochen werden kann, wie dies an der letztmaligen Debatte behauptet wurde. Wärmenetze sind auch heute noch nötig. Es gibt diverse Formen von erneuerbaren Energien, die nur so genutzt werden können, u.a kann Abwärme oft nur mittels solcher Netze genutzt werden. Ein typischer Fall ist auch Abwärme - sei es aus Kläranlagen, aus dem Grund oder aus dem Flusswasser -, die nur mit grösseren Anlagen und mit der Verteilung in solche Netze genutzt werden kann. Auch bei Holzschnitzelfeuerungen ist dies häufig der Fall.


Für die Wirtschaftlichkeit ist eine hohe Anschlussdichte von zentraler Bedeutung. Viele Anschlüsse führen zu einer besseren Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Wärmenetze. Daher ist eine mögliche Anschlusspflicht im Interesse aller versorgten Wärmebezüger.


Dank des neuen Energiegesetzes wird aber auch der Wärmebedarf in Zukunft steuerbar sinken, d.h. bei den bestehenden Wärmenetzen wird die Nachfrage dank der Einsparungen zurück gehen. Daher ist es wichtig, dass die Gemeinden mit der Anschlusspflicht die Wirtschaftlichkeit der bestehenden Netze sicherstellen können. Es muss möglich sein, dass weitere Gebäude an die bestehenden Netze angeschlossen werden können.


Das neue Recht zur Einführung einer Anschlusspflicht gemäss §5 UEK-Fassung ist mit sehr vielen Einschränkungen verbunden. In der ersten Lesung wurde bereits unterstrichen, dass niemand eine funktionstüchtige Heizung abmontieren und sich dem Wärmenetz anschliessen muss. Die Pflicht tritt erst ein, wenn die Gemeindeversammlung sie beschlossen hat und wenn eine Heizung aus Altersgründen ersetzt werden muss. Urs Kaufmann fordert das Landratskollegium auf, den Gemeinden gemäss Charta von Muttenz das entsprechende neue Recht zuzugestehen. Es dient dazu, die Wirtschaftlichkeit heutiger Wärmenetze auch mittelfristig sicherstellen zu können und im Interesse der bereits angeschlossenen sowie der sich zukünftig anschliessenden Benutzer eine wirtschaftliche und effiziente Lösung zu haben.


Landratspräsident Franz Meyer (CVP) begrüsst auf der Zuschauertribüne die 5. Primarklasse aus Bottmingen mit ihrem Lehrer Hans Simon im Saal und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Schülerinnen und Schüler eine spannende Debatte mit verfolgen können.


Laut Markus Dudler (CVP) schliesst sich die CVP/BDP-Fraktion den Erläuterungen von Landratskollege Kaufmann an und unterstützt den Antrag, den ursprünglichen § 5 wieder ins Energiegesetz aufzunehmen.


Hanspeter Weibel (SVP) nimmt den Ball mit den veralteten Technologien gerne auf und dankt Urs Kaufmann für den Hinweis, dass es viele dieser Netze gibt, was aufzeige, dass es sich um eine relativ alte «Institution» handle. Es kann nicht sein, dass alle Hauseigentümer gezwungen werden, sich an ein bestimmtes System anzuschliessen, respektive dies in einem Gesetz festzuschreiben. Denn es gibt neue Technologien, die möglicherweise in Zukunft besser sind, und Innovation geht immer schneller vorwärts als der Gesetzgeber damit Schritt halten könnte. Und solange hier in einem Gesetz Technologien und ein Anschlusszwang verankert werden, wird genau dies verhindert. Wenn die Heizung alt ist und ersetzt werden muss, greift genau diese Bestimmung, berichtet Hanspeter Weibel von einem ihm bekannten Fall. Die zu tätigende Investition ist in diesem Fall viel höher, weil nur alternative Möglichkeiten gegeben sind. Es kann nicht sein, dass Wärmeverbünde - respektive «Alttechnologien» - sich darauf verlassen können, dass ihre Wirtschaftlichkeit gegeben ist, weil sie auf den Anschlusszwang pochen können. Die SVP-Fraktion findet, es brauche diesen Paragrafen im Gesetz nicht.


Für Marc Schinzel (FDP) ist der Paragraf ein Fremdkörper im Gesetz, denn das Gesetz setze auf die Eigenverantwortung der Hauseigentümer und wolle Anreize setzen. Die besagte Bestimmung widerspricht aber diesem Grundsatz. Es kann nicht sein, dass der Hauseigentümer unternehmerische Risiken der Wärmeverbünde mittragen muss.


Christine Gorrengourt (CVP) führt ergänzend zu diesem Thema aus, wie die Diskussion in der Kommission verlaufen ist: § 5 der regierungsrätlichen Gesetzesvorlage entspricht nicht dem jetzt vorliegenden, von der UEK veränderten § 5. Genau aus den oben angebrachten Gründen wurde die Bestimmung mit folgendem Zusatz ergänzt:


sofern diese mittelfristig mit mindestens 70 % erneuerbarer Energie oder Abwärme betrieben werden.


Zudem wurde ergänzt, dass keine Anschlusspflicht besteht, wenn eine Liegenschaft


nachweislich einen sehr tiefen Verbrauch aufweist oder/und dieser aus erneuerbarer Produktion stammt .


Nach eingehender Beratung hat sich die Kommission auf diese hier diskutierte Fassung von § 5 geeinigt. Und sie trägt allen hier im Saal geäusserten Befürchtungen Rechnung und nimmt dem ursprünglichen Gesetzestext eine gewisse Härte.


Urs Kaufmann (SP) antwortet auf Hanspeter Weibels Behauptung, mit der Bestimmung würden neue Technologien, die sich noch am Entwickeln sind, verhindert. Dem sei nicht so, innovative Technologien könnten weiterhin umgesetzt werden. Beispielsweise ist dies mit dem Zusatz gewährleistet, dass jemand, der mehr erneuerbare Energie erzeugt, als er oder sie durch einen Anschluss erhalten würde, nicht dem Anschlusszwang unterliegt.


Auch handelt es sich nicht - wie Marc Schinzel nahezulegen versucht - um einen Fremdkörper im Gesetz. Denn bei den Elektronetzen gibt es eine analoge Regelung, indem eine Netzzuteilung vorgenommen wird und damit ein Anschlusszwang an einen bestimmten Netzbetreiber erfolgt. Die Gemeinde hätte also in Bezug auf Wärme- und Kälteverbünde dieselbe Möglichkeit wie im Bereich der Elektroversorgung.


Stefan Zemp (SP) ist ein wenig überrascht über Hanspeter Weibels Aussage, hier werde von veralteten Technologien gesprochen. Als Mitglied der Energiekommission Sissach hat der Votant in den letzten vier Jahren selbst an einer solchen Lösung mitgearbeitet. So konnte durch eine Zusammenarbeit mit der AWV Sissach, welche die Abwärme der Kläranlage nutzt, in Kombination mit der EBL ein Wärmeverbund eingerichtet werden. Und es waren Bürgerliche aus Sissach, die sich freiwillig um einen Anschluss bemüht haben.


Wenn nun eine Anschlusspflicht in das Gesetz aufgenommen wird, so heisst dies lediglich, dass die Gemeinden die Möglichkeit haben, eine solche einzuführen. Wenn die Gemeinde die Anschlusspflicht nicht will, so kann sie dies immer noch in der Gemeindeversammlung so festhalten. Fehlt aber die Bestimmung, so wird den Gemeinden, welche die Möglichkeit haben, die Umsetzung versperrt.


Hannes Schweizer (SP) meint, hier werde etwas diskutiert, das gar nicht Inhalt der Vorlage sei: veraltete Technologien. Es gilt vielmehr zu entscheiden, ob den Gemeinden ermöglicht werden soll, in ihrer Energieplanung Wärmeverbünden die Anschlusspflicht zu ermöglichen. Und dazu müssen die Gemeinden ein Reglement erstellen, das dann noch der Regierungsrat genehmigen muss. Warum wird hier nun der Teufel an die Wand gemalt, wenn den Gemeinden in einem Teilbereich Autonomie zugesprochen wird, der je nach Gemeinde unterschiedlich ist? Für die einen ist ein Wärmeverbund wertvoll und nützlich und kann so betrieben werden, dass es auch für den Betreiber ökonomisch Sinn macht. Wenn man sich jetzt ideologische Schranken auferlege und von veralteten Technologien spreche, so sei man hier am falschen Ort, meint der Sprecher zu Hanspeter Weibel. Die Gemeindeautonomie ist dort zu stärken, wo es nötig ist. Und in diesem Fall ist es so.


Oskar Kämpfer (SVP) setzt seinem Vorredner entgegen, doch, genau hier sei der Platz, um über die ideologischen Schranken zu diskutieren. Der Sprecher ist dezidiert gegen die Verstaatlichung von Energiesystemen, welche für ihn eine Anschlusspflicht bedeuten. Eine Gemeinde hat auch sonst die Möglichkeit, bei den Gemeindemitgliedern für ein effizientes oder kostengünstiges Energieverteilsystem Interesse zu wecken und sie damit von einem Anschluss zu überzeugen. Ganz offensichtlich ist es aber so, dass zuerst eine Verpflichtung abgeschlossen werden soll, ohne darauf Einfluss nehmen zu können, welche Energieform dann zur Verwendung kommt. Die Möglichkeiten wurden ja aufgezählt. Nebst der Abwärme zählt auch die Holzschnitzelfeuerung zu den erneuerbaren Energien. Eine solche will der Votant aber nicht angesichts der erhöhten Feinstaubproblematik im Umkreis von Holzschnitzelfeuerungen. Dies ist jedoch nicht das Thema des Gesetzes. Es soll nicht gewissen Technologien Vorschub geleistet werden, sondern grundsätzlich haben Technologien wirtschaftlich und kostengünstig zu sein. Dann braucht es auch keinen Zwang zum Anschluss an Grosssysteme. Es sei denn, man will sie sozialistisch organisieren und zwingen. [Heiterkeit auf der linken Rats-seite]


Christoph Buser (FDP) nimmt das Stichwort Freiwilligkeit von Stefan Zemp auf. Es sei nun nicht so, dass die Wärmeverbundsvertreter die Landräte bestürmt hätten, sich für eine Anschlusspflicht einzusetzen. Die Wärmeverbundtechnologie bewährt sich und sie findet Abnehmer ohne die Anschlusspflicht; zumindest bei der EBL ist es so. Wenn nun von veralteter Technologie gesprochen wird, so ist zu bemerken, dass in diesem Bereich grosse Fortschritte erreicht wurden. Aber die Wärmeverbünde bestehen nicht darauf, dass man ihnen praktisch per Gesetz Kunden zuspielt. Viel wichtiger ist ein überzeugendes Geschäftsmodell; dann kommen die Kunden von selbst. Auf Marc Schinzels Votum zurückkommend merkt der Sprecher an, dass nach der Landratsdebatte vor zwei Wochen in der Presse vor allem der Anschlusszwang ein Thema war. Aber nur eine marginale Menge von Personen wird tatsächlich davon betroffen sein. Die meisten machen es freiwillig. Ein Zwang bringt überhaupt nichts ausser einer grossen Diskussion und der Feststellung, das Gesetz arbeite mit Zwängen, was zu einer Ablehnung führe. Er plädiert dafür, im Strombereich - wie von Urs Kaufmann beschrieben - bei der jetzigen Lösung zu verbleiben. Allerdings wird auch dieses Auslaufmodell nur bis 2017/18/19 Bestand haben, verdeutlicht Christoph Buser. Bis dann etwa soll die Liberalisierung vollzogen werden. Es ist einfach nicht zeitgemäss. Und was Hanspeter Weibel sagt, stimme natürlich, heute könne in diesem Saal niemand behaupten, dass es in ein paar Jahren nicht bessere Technologien gibt und Wärmeverbünde weniger gut sind. In diesem äusserst dynamischen Umfeld ist es nicht angezeigt, einen Zwang einzuführen.


Rolf Blatter (FDP) weist aus Technikersicht darauf hin, dass sich heute die Fernwärmeanschlüsse im Kanton im tiefen einstelligen Bereich bewegen, und zwar weil sich dies ökonomisch nicht anders bewerkstelligen lasse. Ein Fernwärmenetz auf hohem Wassertemperaturniveau von 150 oder 160 Grad macht in der Stadt durchaus Sinn, da es dort kurze Wege gibt. Will man dies dem ländlichen Kanton BL aufoktroyieren, so wird sich dies nicht rechnen. Nicht zuletzt aus diesem Grund gibt es auch nicht mehr Anlagen. Wenn die EBM/EBL ein gutes Geschäft darin sähen, in Anwil oben Wärme-Kilowattstunden zu verkaufen, so würden sie es tun. Aber es rentiert eben nicht. Daher macht es keinen Sinn, es wieder so ins Gesetz zu schreiben.


Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige) meint, die Angst der Bürgerlichen bei diesem Thema sei unbegründet. Keine Gemeinde wird es sich leisten können, eine Anschlusspflicht im Zonen- /Quartierplan zu verankern, ohne dass die überwiegende Mehrheit der Einwohner es auch will. So wie die Gemeinden aufgebaut sind, werden die Parteien und die Gemeindeversammlung dagegen sein. Ein Gemeinderat wird es sich sehr gut überlegen, weil der Widerstand sonst viel zu gross ist. Der Gemeinderat muss sich überlegen, ob es sich finanziell und ökologisch für die Bürgerinnen und Bürger rechnet.


Rolf Blatter gibt der Votant insofern recht, als die Investoren sehr zurückhaltend bezüglich notwendiger Anfangsinvestitionen in Abwärme sind (Beispiel ARA Birsfelden), und zwar, weil sie nicht wissen, wie viele Personen sich anschliessen werden; sie rechnen mit sehr tiefen Zahlen. Mit einer Anschlusspflicht können die Investoren mit einer wesentlich grösseren Zahl rechnen, womit es auch ökonomisch sinnvoll ist. Z.B. ist auch unbestritten, dass die Abwärme einer ARA in Birsfelden sinnvoll genutzt werden kann. Und dazu braucht es die Anschlusspflicht. Auch als noch-Gemeinderat von Birsfelden versichert er, dass man sehr zurückhaltend sein wird mit einer Anschlussverpflichtung der Einwohnerinnen und Einwohner, würde sich dies ökonomisch und finanziell nicht rechnen.


Hanspeter Weibel (SVP) antwortet Hannes Schweizer, dieser habe nicht zu entscheiden, ob er selbst, Hanspeter Weibel, am richtigen Platz sei. Nun ist bekanntlich eine Schulklasse aus Bottmingen zugegen, und vielleicht sei er ja sogar von den einen oder anderen Eltern von Schülern gewählt worden, vermutet der Votant. Zurzeit ist in Bottmingen ein neu zu erstellendes Holzschnitzelheizwerk geplant, das nur dann rentiert, wenn eine solche Anschlusspflicht möglich ist. Und das ist genau der Punkt. Er habe nichts dagegen, wenn Energie, die ohnehin vorhanden ist, genutzt werde. Soll aber mitten in einem Wohnquartier ein Holzschnitzelheizwerk gebaut werden, zu welchem lastwagenweise soundsoviele Tonnen Holzschnitzel zugeführt werden müssen - diesbezüglich sind Gerichtsverfahren hängig -, und wenn dies noch mit einer Anschlusspflicht für das Quartier verbunden werden soll, so ist das Quartier mehrfach bestraft. Dem darf der Landrat nicht Vorschub leisten, indem er es im Gesetz festschreibt.


Möglicherweise haben ein paar Landratskolleginnen und -kollegen eine etwas naive Vorstellung davon, wie Gemeindepolitik funktioniert. Wird in fünf Quartieren abgestimmt, dass über ein sechstes Quartier diese Belastung kommen soll, die zur Folge hat, dass die anderen fünf etwas weniger bezahlen müssen, weil die Fernwärmeversorgung ein wenig ökologischer funktioniert, dann sind die Mehrheiten relativ schnell gemacht. Das darf nicht sein.


Landratspräsident Franz Meyer (CVP) lässt über die Wiederaufnahme von § 5 gemäss Fassung UEK abstimmen.


://: Der Landrat lehnt den Antrag der SP-Fraktion auf Wiederaufnahme von § 5 gemäss UEK-Fassung mit 44:43 Stimmen ab. [ Namenliste ]


[allgemeine Unruhe im Saal]


Mittels Glocke bittet Landratspräsident Franz Meyer (CVP) um etwas mehr Ruhe im Saal und führt die Beratung gemäss grüner Tischvorlage fort.


§§ 6-21 keine Wortbegehren


§ 22


Urs Kaufmann (SP) stellt - analog zu seinem Antrag zu § 23 in der ersten Lesung - Antrag auf Ergänzung von Absatz 5 mit einem Verbot von Fracking-Technologien zum Abbau von Schierfergas und Schieferöl. Andere Kantone (z.B. Waadt und Freiburg) haben diesen Schritt schon getan. Der Antrag lautet wie folgt:


5 Die Nutzung des tiefen Untergrundes umfasst Geothermie, Gasspeicherung, Erdgas, Schiefergas, Schieferöl. Der Einsatz von Fracking-Technologien für die Nutzung von Schiefergas und Schieferöl ist nicht zulässig.


Begründung: Beim Fracking werden grosse Mengen an Quarzsand, Wasser und vor allem verschiedenste Chemikalien in den Untergrund gepresst. Die verwendeten Chemikalien sind teilweise giftig, karzinogen oder anderweitig gesundheits- oder umweltschädigend. Es wäre daher äusserst verantwortungslos, mit einem Fracking-Einsatz im kleinräumigen und dicht besiedelten Kanton Baselland auch nur die kleinsten Risiken einzugehen; beispielsweise in Bezug auf die immer stärker bedrängte Wasserversorgung. Sicher möchte eine sehr grosse Mehrheit im Kanton keine solchen Risiken eingehen, um noch den letzten Tropfen Öl aus dem Untergrund zu pressen. Mit dem Fracking-Verbot soll ein klares Signal gesetzt werden, wie es andere Kantone vorgemacht haben; diese Technologie ist nicht erwünscht. Er bittet das Ratskollegium, den Ergänzungsantrag zu § 22 Absatz 5 zu unterstützen.


Hannes Schweizer (SP) appelliert - seinen Vorredner unterstützend - an alle, die Georges Thürings Postulat zum Schutz der Trinkwasserquellen unterzeichnet haben, auch dieser Ergänzung zuzustimmen.


Christoph Buser (FDP) meint, es handle sich hier um einen anderen Antrag als bei der ersten Lesung, da er sich aufs Fracking beschränke.


Urs Kaufmann (SP) widerspricht, es sei derselbe Antrag.


Christoph Buser (FDP) und die FDP bezeugen Mühe mit einem Technologieverbot. Fracking könne auf verschiedene Art und Weise angewendet werden, auch seien für das Fracking entsprechende Voraussetzungen nötig; es braucht eine Konzession. Dass nach herkömmlichen Methoden in einem Kanton gefrackt wird, in dem es mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nichts zu fracken gibt, wird so nie eintreffen. Warum wird jetzt etwas auf heutigem Standard verboten, wenn die Entwicklungen nicht absehbar sind? Dieses Technologieverbot macht das Gesetz unnötig angreifbar. Es wird vor etwas Angst gemacht, das so gar nicht existiert. Auch letztes Mal habe sich Christoph Buser sehr aufgeregt. Klaus Kirchmayr habe in den sozialen und in anderen Medien Stimmung gemacht, indem er verbreitete, der Landrat wolle Fracking. Der Landrat will nicht Fracking, sondern keine Technologieverbote.


Linard Candreia (SP) hat sich schlau gemacht, was Fracking anbelangt. Vor zwei Wochen habe er noch nichts darüber gewusst. 40 % des geförderten Erdgases in den USA wird über die Fracking-Methode gewonnen. Und in den USA sind die ersten Umweltschäden zu beobachten. Es gibt Verunreinigungen von Trinkwasser. In diesem Zusammenhang fallen ihm die ganzen Deponiedebatten ein. Und in Frankreich beispielsweise hat die Nationalversammlung am 12. Mai die Methode verboten; mit 287 gegen 146 Stimmen. Lassen wir die Finger davon, und bremsen wir dynamisch negative Bewegungen!


Stefan Zemp (SP) hat sich - in Bezug auf diese Thematik - über die Geschichte der Erdölförderung, der Gasförderung und eines in der Zukunft vielleicht möglichen Fracking in der Schweiz informiert: 1957 manifestierte die Swiss Petrol den Willen zur Unabhängigkeit vom Ausland im Bestreben nach Eigenproduktion. Bereits 1952 fing man an zu bauen. Es wurden 9 erfolglose Bohrungen auf 3'000 m Tiefe durchgeführt. Der internationale Erdölkonzern Shell beobachtete dies mit Argusaugen, wollte aber nichts von Beteiligungen wissen. 1960 wurden im Kanton Zürich nochmals CHF 1,2 Mio. investiert, um Löcher zu bohren. Kein Erfolg. Die Swiss Petrol liess sich nicht entmutigten und bohrte zwischen 1960 und 1972 weitere 19 Löcher. Immerhin fand man 1963 im Kanton Waadt kleine Mengen Gas, die aber abgefackelt wurden, da deren Erschliessung nicht wirtschaftlich war. Zwischen 1963 und 1965 wurden in Luzern und im Jura weitere 5 Bohrungen gemacht. Wohl wurde Gas gefunden, es wurde aber abgefackelt, weil es wirtschaftlich nicht erschliessbar war. Endlich fand man 1980 im Entlebuch Erdgas. Dies war der grösste Erfolg. Es wurde gefördert. 74 Mio. Kubikmeter Gas wurden herauf geholt. Bei Investitionen in Höhe von CHF 30 Mio. plus CHF 6 Mio. für die Bohrung wurde im Endeffekt ein Gewinn von nur CHF 9 Mio. generiert. Der Geschäftsführer der Swiss Petrol habe damals gesagt: «Es war ein Pfupf» (Originalzitat). Aber immerhin konnte bewiesen werden, dass es in der Schweiz Gasvorkommen gibt.


Wird das Fracking-Verbot im Gesetz fest geschrieben, so wird nicht ein Technologieverbot verankert, sondern es werden künftige Generationen von der Dummheit vergangener Generationen befreit.


Klaus Kirchmayr (Grüne) klarifiziert zuhanden Christoph Buser, Urs Kaufmanns Antrag sei zwar gleichlautend mit dem in der ersten Lesung, es handle sich aber um einen anderen als denjenigen, der von der Kommission beraten wurde und der von der Regierung vorgeschlagen worden war. Die Regierung wollte nämlich noch ein umfassenderes Verbot im Gesetz. In diesem Sinne ist der Antrag schon eine gewisse Einschränkung. Der Sprecher kann nicht verstehen, dass man aus gemachten Fehlern nicht lernen will. Die Fracking-Technologie ist sowohl aus technologischer Sicht wie auch in Bezug auf das, was gefördert werden soll, erwiesenermassen komplett ungeeignet für die Region und bietet hohe Risiken. Im Vergleich dazu werden in anderen Angelegenheiten viel kleinere Risiken schon viel höher gewichtet; es sei nur auf die bereits erwähnte Trinkwasserdiskussion im Laufental verwiesen. Hier sollte vorausschauend ein möglicher Appetit gleich eingeschränkt und ein Signal gesetzt werden. Klaus Kirchmayr ist guten Mutes, dass wenn der Landrat es nicht so sehen sollte, eine Gesetzesinitiative dies sehr einfach klarmachen würde. Und dann dürfen die Befürworter gerne der Bevölkerung erklären, warum sie im Baselbiet Fracking wollen.


Markus Dudler (CVP) erklärt, dass der Schutz der natürlichen Ressourcen wie Wasser und Luft der CVP/BDP-Fraktion eminent wichtig sei. Gegen jede Methode, die diese Ressourcen gefährdet - und Fracking ist eine solche - kann problemlos ein Verbot ausgesprochen werden.


Christoph Häring (SVP) wundert sich über die «unglaubliche Kompetenz» in diesem Haus. Der Innovationskanton BL lasse grüssen. Mit seiner Familie hat er in den letzten 10 Jahren einiges Geld investiert. Man sei aber nicht frustriert, wenn etwas nicht gleich von Beginn weg funktioniere. Auf 5.5 km wurde in den Boden gebohrt, auf der Suche nach Bandenergie. Die Bandenergie ist immer noch dort, mit 220 Grad. Basel wurde dabei zwar ein wenig geschüttelt, aber das habe nichts gemacht. Die Erschütterungen finden an jedem Ort statt. Das seien keine Erdbeben, sondern Bergschläge, erklärt der Votant, und es habe nichts mit Schieferöl und Schiefergas zu tun. Damit wird aber im Untergrund nach Energie gesucht. Und diese Energie gibt es. Solche erneuerbare Energie brauche es, und nicht Flatterenergie. Letztere wären die «Windmühlen», die man zwischen Liestal und Füllinsdorf nun gerade will oder nicht. Und die Sonne scheint auch heute nicht. Also braucht es Bandenergie, und danach muss gesucht werden.


Dass keine Mineralien in den Boden eingelassen werden, könnte die SVP noch unterstützen. Aber eine Energiesuche im tiefen Untergrund muss möglich sein. In Amerika werden zurzeit grösste Anstrengungen unternommen, indem im tiefsten Untergrund nach Energie gesucht wird, um nicht mit Schieferöl-Energie weiterzufahren. Und im Baselbiet will man dies auf keinen Fall. Es sollten nicht Dinge verboten werden, bevor gewiss ist, was damit machbar ist. Will man dies im kleinen Kanton BL nicht, so braucht es auch keine Wirtschaftsförderung.


Urs Kaufmann (SP) bekräftigt, dass die SP dabei ist, wenn es weiterhin eine Suche nach Geothermie im Untergrund und deren Nutzung geht. Beim Antrag geht es aber um ein Verbot von Fracking, einer Technologie, die mit Einsatz von grossen Wassermengen, und vor allem Chemikalien, Gas oder Öl aus dem Untergrund presst. So etwas wurde in der Schweiz noch nie gemacht. Auch im Entlebuch wurde das Erdgas ganz konventionell abgebaut und gefördert. Das Fracking wäre eine neue und sehr gefährliche Sache, und daher soll es explizit verboten werden.


://: Mit 51:30 Stimmen bei 2 Enthaltungen wird der Ergänzungsantrag der SP-Fraktion angenommen. [ Namenliste ]


§§ 23-34 keine Wortbegehren


§ 35


Stefan Zemp (SP) stellt folgenden Ergänzungsantrag zu Absatz 5:


5 Er kann den Vollzug der Förderung an Dritte übertragen. Die Vergabe dieses Vollzugs ist öffentlich auszuschreiben.


Im Vorfeld der Energiegesetzrevision wurde im Rahmen der Behandlung des Zwischenberichts zu den Energiemassnahmen des Baselbieter Energiepakets sehr energisch über dieses Thema diskutiert. Es gab einen grossen Aufschrei in der Bevölkerung. Mit der Ergänzung hat der Regierungsrat nach wie vor alle Entscheidungskompetenzen. Aber es muss zwingend eine öffentliche Ausschreibung geben.


://: Mit 58:27 Stimmen bei 2 Enthaltungen spricht sich der Landrat für die Ergänzung gemäss SP-Antrag aus. [ Namenliste ]


§§ 36-41 keine Wortbegehren


II.-IV. keine Wortbegehren


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- Rückkommen


Es wird kein Rückkommen verlangt.


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- Schlussabstimmung


://: Mit 80:4 Stimmen bei 3 Enthaltungen stimmt der Landrat dem geänderten Energiegesetz zu. Das 4/5-Mehr ist erreicht. [ Namenliste ]


://: Der von der UEK beantragten Abschreibung von 12 Vorstössen stimmt der Landrat stillschweigend zu.




Landratsbeschluss


über die Totalrevision des Energiegesetzes Basel-Landschaft


vom 16. Juni 2016


Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:


1. die Änderung des kantonalen Energiegesetzes;


2. Die folgenden parlamentarischen Vorstösse werden abgeschrieben:


- Postulat 2013/050: Energieplanung in den Gemeinden;


- Motion 2010/008: Schaffung der gesetzlichen Grundlage für Anschlusspflicht an Wärmeverbundanlagen;


- Motion 2011/155: Totalrevision des kantonalen Energiegesetzes;


- Postulat 2008/280: Wärmekraftkopplungsanlagen bei neuen Grossheizungen;


- Motion 2011/086: Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Energie-Sparen;


- Postulat 2011/154: Sonnenkollektoren zur Warmwassererzeugung auf alle geeigneten Dächer;


- Postulat 2008/278: Ersatz von Elektro-Widerstandsheizungen;


- Postulat 2012/237: KEV-Lösung BL zugunsten erneuerbarer Stromproduktion;


- Postulat 2012/192: Einspeisevergütung und Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Kanton Basel-Landschaft;


- Postulat 2011/156: Photovoltaik auf alle Gut- und Best-Dächer bei gegebener Wirtschaftlichkeit;


- Motion 2013/103: Regelmässiger Bericht an den Landrat über die Massnahmen im Rahmen der Energiestrategie 2012;


- Motion 2012/385: Gesetzliche Grundlagen zur Nutzung des Untergrundes in Baselland.


> Gesetzestext




Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei


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