Protokoll der Landratssitzung vom 16. / 17. Dezember 2015
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2015-446 Interpellation von Pascal Ryf vom 17. Dezember 2015: Beschulung von Flüchtlingskindern - Beschluss des Landrates vom 17. Dezember 2015: < beantwortet > |
Gemäss einem vom Bund definierten Verteilerschlüssel sind die Kantone verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Asylsuchenden unterzubringen, zu betreuen und Flüchtlingskinder zu beschulen. Ebenso sieht § 5 des Bildungsgesetzes des Kantons Basellandschaft (SGS 640) vor, die Integration von ausländischen sowie fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler in die öffentlichen Schulen durch gezielte Massnahmen zu fördern. In der Antwort auf das Postulat 2011/094 von Jürg Wiedemann schreibt der Regierungsrat, dass der Kanton «Kinder und Jugendliche beim Aufbau der notwendigen Kenntnisse der Unterrichtssprache unterstützt, so dass sie dem Regelunterricht zu
folgen vermögen und erfolgreich lernen können. Das Angebot für die Integration von fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern ist ausreichend, gut dotiert und schnell verfügbar. Ein Ausbau ist nicht angezeigt».
Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation ist davon auszugehen, dass die Anzahl der zu unterrichtenden Flüchtlinge in den Primar- und Sekundarschulen zunehmen wird. Diese Kinder beherrschen verständlicherweise weder unsere Sprache, noch kennen sie unser Alphabet. Es ist auch davon auszugehen, dass Kinder durch ihre Erlebnisse traumatisiert sind und eine besondere Betreuung brauchen. Die Integration in die bereits heterogenen Regelklassen ist unter dem Gesichtspunkt der gezielten Förderung der Kinder kaum möglich. Für fremdsprachige Kinder besteht das Angebot des DaZ-Unterrichtes (2 Lektionen pro Woche Deutsch als Zweitsprache über drei Jahre) bzw. des DaZ-Intensivkurses (6-8 Lektionen/Woche über ein Jahr und weitere drei Jahre DaZ-Untericht). Die Zuweisung zu diesen integrativen Angeboten steht in der Kompetenz der Schulleitung. Sowohl der Kanton als auch die Gemeinden stehen unter einem grossen Spardruck, der auch im Bildungswesen zu spüren ist.
Auf die Frage, welches Konzept der Bund zur Unterstützung der Gemeinden und ihren Schulen erstellt hat, wies Frau Bundespräsidentin in der Fragestunde des Nationalrates vom 14. Dezember 2015 darauf hin, dass «aufgrund der verfassungsmässigen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen die Sicherstellung und Gewährung des obligatorischen Schulunterrichts ausschliesslich in die Kompetenz der Kantone fällt. Diese sind somit auch für die Finanzierung des Schulwesens zuständig. Gemäss Bundesverfassung unterstehen alle Kinder im schulpflichtigen Alter der obligatorischen Schulpflicht und haben Anspruch auf einen unentgeltlichen Grundschulunterricht. Demnach unterstehen auch ausländische Kinder, die sich im Rahmen eines laufenden Asylverfahrens oder als Flüchtlinge in der Schweiz aufhalten, der obligatorischen Schulpflicht. Die Einschulung erfolgt in der Regel zeitnah nach der Zuweisung an die Kantone.»
Die Unsicherheit ist an den Baselbieter Primarschulen spürbar. Um Klarheit zu erhalten und somit zur Versachlichung der Diskussion, bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
Regierungsrätin Monica Gschwind (FDP) will zuerst die Frage 2 beantworten; damit lässt sich auch die erste Frage weitgehend beantworten.
Frage 2
Mit welcher Anzahl zusätzlicher schulpflichtiger Flüchtlingskinder rechnet der Regierungsrat in der aktuellen Flüchtlingssituation? Sind allenfalls zusätzliche Massnahmen geplant?
Antwort
Im laufenden Jahr hat der Bund dem Kanton Basel-Landschaft bereits gut 200 minderjährige Asylsuchende zugewiesen, davon rund ein Viertel im Vorschulalter (per 9.12.2015 sind es 52 Kinder), ein Viertel der Asyl suchenden Kinder ist zwischen vier und zwölf Jahren (49) und die Hälfte zwischen 13 und 18 Jahren alt und muss auf der Sekundarstufe I und II beschult werden. - Eine Aussage, wie sich diese Zahlen entwickeln werden, würde bedeuten, im Kaffeesatz zu lesen. Es steht fest, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) für das laufende Jahr von insgesamt 40'000 Asylgesuchen ausgeht; derzeit sind für das kommende Jahr ebenfalls 40'000 Gesuche prognostiziert. Wenn die Entwicklung wie im laufenden Jahr anhält, muss wohl mit einem leicht erhöhten Zustrom gerechnet werden; in welchem Umfang und mit welcher Zusammensetzung die Asylsuchenden zu uns kommen, ist allerdings nicht vorhersehbar. Es ist jedoch zu erwarten, dass auch die Anzahl minderjähriger Asylsuchender mit Anspruch auf Beschulung sich leicht erhöhen wird.
Derzeit werden auf der Sekundarstufe II Sofortmassnahmen im Bereich der Integrations- und Berufswahlklassen (IBK) getroffen und voraussichtlich auf das kommende Schulsemester zwei neue Klassen geschaffen. An der Volksschule werden Asyl suchende Kinder derzeit mit DaZ (Deutsch als Zweitsprache) und DaZ intensiv und teils in Fremdsprachenintegrationsklassen beschult; auf der Sekundarstufe I wurden seit Beginn des Schuljahres zwei zusätzliche Integrationsklassen eröffnet.
Auf Antrag der Bildungsdirektorin hat der Regierungsrat noch im November die BKSD beauftragt, ihm die Einsetzung einer temporären Arbeitsgruppe zum Thema «Bildungsangebote für Asylsuchende» zu beantragen. Die BKSD hat zwischenzeitlich an einer Sitzung mit allen beteiligten Dienststellen (Amt für Volksschule, AfBB, Gymnasien, AKJB, SPD) sowie dem kantonalen Sozialamt eine Situationsanalyse der momentanen Tätigkeiten und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Beschulung von Asylsuchenden vorgenommen. Konzepte und Kapazitäten sind mittelfristig insbesondere auf den Sekundarstufen I und II nötig, da einerseits rund die Hälfte der zugewiesenen asylsuchenden Minderjährigen zwischen 12 und 18 Jahren alt sind (Tendenz steigend) - und Basel-Stadt andererseits den Zugang zur IBK für ausserkantonale Schüler/innen gestoppt hat. Auf der Primarstufe können die Gemeinden bei Bedarf in der Bündelung ihrer Angebote unterstützt werden.
Wie die Interpellation festhält, benötigen Asyl suchende Kinder gerade in der ersten Phase ihres Aufenthalts im Kanton insbesondere Zeit für die Sozialisierung und den Spracherwerb. Um die notwendige Flexibilität für die Bereitstellung von auf diese Bedürfnisse ausgerichteten Angeboten und die weitere Beschulung der Asyl suchenden Kinder und Jugendlichen sicher zu stellen, ist bereits ein direktionsübergreifendes Kernteam daran, Konzepte zu erarbeiten. Weitere Betroffene, insbesondere der VBLG sowie Vertretungen der Primar- und der Sekundarstufe I, werden situativ beigezogen. Selbstverständlich wird laufend kommuniziert, was insbesondere für die Schulleitungen gelten soll.
Frage 1
Ist die Antwort des Regierungsrates auf das Postulat 2011/094, dass kein Ausbau an Angeboten für die Integration angezeigt ist, in Folge der heutigen Gegebenheiten aus der Sicht des Regierungsrates noch aktuell?
Antwort
Wie zu Frage 2 ausgeführt, werden derzeit Konzepte entwickelt. Zudem wird geprüft, wo und in welchem Umfang das Angebot für die Beschulung minderjähriger Asylsuchender aufgebaut werden muss bzw. wo bei Bedarf Möglichkeiten für kurzfristig realisierbare Angebote bestehen. Allerdings ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Situation zwar angespannt ist, aber keine Notsituation vorliegt.
Frage 3
Laufen diesbezüglich Gespräche zwischen dem Kanton und dem Bund? Darf erwartet werden, dass den Gemeinden zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden?
Antwort
Zwischen Bund und Kanton laufen insbesondere Gespräche betreffend Unterstützung des Bundes bei der Vorbereitung für die Aufnahme von Asylsuchenden, dies mit einem temporären Registrierungszentrum auf dem leerstehenden Logistikareal Feldreben in Muttenz - eine entsprechende Medienmitteilung der FKD ist am 8. Dezember 2015 erfolgt. Die neu in Betrieb gehenden Plätze würden wie üblich im Verhältnis 1:1 dem Kontingent des Kantons Basel-Landschaft bei der Verteilung von Asylsuchenden angerechnet und den Kanton damit bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden entlasten.
Bezüglich Gemeinden wird daran festgehalten, dass diese als Trägerinnen der Primarstufe für die Beschulung der schulpflichtigen Asylsuchenden in diesem Altersspektrum aufkommen müssen. Allerdings sei nochmals erwähnt, dass es sich dabei lediglich um rund einen Viertel der minderjährigen Asylsuchenden, also insgesamt rund 50 Kinder handelt. Das Trägerschaftsprinzip gilt nach wie vor. Wie bereits erwähnt, ist die Kerngruppe daran, vorauszudenken und nach - wenn es grossen Bedarf geben sollte - Hilfestellungen zu bieten.
Pascal Ryf (CVP) dankt für die ausführliche und sorgfältige erarbeitete Antwort - man kann weitgehend einverstanden sein mit den Ausführungen. Etwas soll in den Raum gestellt werden: Es wurde richtigerweise gesagt, dass die Gemeinden Träger der Primarschulen sind und für die Kosten aufkommen müssen. Es ist zu appellieren, dass man schaut, wie die Asylsuchenden verteilt werden. Das wissen speziell die kleineren Gemeinden: Wenn eine Familie mit fünf Kindern in eine Gemeinden kommt, kann es sein, dass man eine neue Klassen öffnen muss, was erhebliche Mehrkosten mit sich bringt. Es ist wichtig, dass man in Zusammenarbeit mit der KESB und der Primarschulleitung vor Ort eine Verteilung koordiniert; dass man schaut, dass Flüchtlinge aus einzelnen Ländern oder einzelne Ethnien gemeinsam untergebracht werden, dass man Integrationsklassen bilden kann, dass man die Schülerinnen und Schüler in den Sekundarschulkreisen verteilen kann. Dies würde bedeuten, dass nicht mehr Kosten anfallen, wie das vom Regierungsrat im Vorfeld mit Bedenken geäussert wurde; sondern dass die Kinder optimal betreut werden und auch gemäss Bildungsgesetz integriert werden können.
://: Somit ist die Interpellation 2015/446 beantwortet.
Für das Protokoll:
Georg Schmidt, Landeskanzlei
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