Protokoll der Landratssitzung vom 14. September 2017
Nr. 1665 |
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2017-119 vom 23. März 2017 Motion von Jan Kirchmayr, SP-Fraktion: Einführung eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs! - Der Regierungsrat beantragt: Ablehnung (siehe Beilage) - Beschluss des Landrates vom 14. September 2017: < abgelehnt > |
Landratspräsidentin Elisabeth Augstburger (EVP) informiert, dass der Regierungsrat die Motion ablehne.
Begründung des Regierungsrats vgl. Beilage.
Jan Kirchmayr (SP) weist darauf hin, dass die Phase rund um die Geburt für die Beziehung zwischen Kind und Eltern eine entscheidende Phase sei. Eine Studie zeigt auf, dass Männer, die sich nach der Geburt lange und ausführlich um ihre Kinder kümmern, mit einer signifikanten Wahrscheinlichkeit engagiertere Väter sind. Die jetzige Regelung von fünf Tagen Vaterschaftsurlaub führt dazu, dass man das Ferienguthaben aufbraucht und dann unbezahlten Urlaub nimmt. Das ist ungenügend und genügt auch den Ansprüchen an einen modernen Arbeitgeber – wie der Kanton Baselland das sein sollte – nicht. Der Bezug unbezahlten Urlaubs ist oftmals gar nicht möglich, weil das Geld in dieser Lebensphase auch eine wichtige Rolle spielt. Baselland gewährt 5 Tage, die UBS 10, die IKEA sogar 40 – daran muss man sich ein Beispiel nehmen.
Wofür sollen wir den Vätern freigeben, wenn nicht für die Geburt eines eigenen Kindes? Aus Gründen der Effizienz kann die Motion in ein Postulat umgewandelt werden.
Balz Stückelberger (FDP) äussert im Namen der FDP-Fraktion sein Verständnis für die Motion. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig, ebenso die Beziehung zwischen Vater und Kind. Die FDP-Fraktion kommt danach aber zu andern Schlüssen und kann deswegen die Motion so nicht unterstützen, auch nicht als Postulat. Der Vorschlag ist keine nachhaltige Lösung. Wenn man die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf und den Beziehungsaufbau zwischen Kindern und Vätern fördern möchte, dann erreicht man das wahrscheinlich nicht, wenn man den Anspruch von fünf auf zwanzig Tage erhöht. Sinnvoller ist die Förderung von Teilzeit und flexiblen Arbeitsverhältnissen. Hier kann der Kanton etwas machen und tut das auch in vorbildlicher Weise.
Béatrix von Sury d'Aspremont (CVP) zeigt sich namens der CVP/BDP-Fraktion grundsätzlich einverstanden mit der Idee eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs. Es ist wichtig, dass Väter eine Auszeit vom Erwerbsleben brauchen und die jungen Väter wollenihre Verantwortung wahrnehmen. Ein bezahlter Vaterschaftsurlaub ist absolut notwendig. Die Idee ist bestechend und im Gegensatz zur FDP ist sie für die CVP/BDP-Fraktion auch zu befürworten, zumal Mütter heute das Spital früher verlassen müssen und auf die Unterstützung der Väter angewiesen sind. Aber: Leider ist dieser Vaterschaftsurlaub finanziell nicht tragbar. Deswegen kann die Motion im Moment nicht unterstützt werden, wohl aber ein diesbezügliches Postulat. Denkbar ist etwa die Prüfung eines unbezahlten Vaterschaftsurlaubs zum Beispiel von drei Wochen, sowie die Prüfung des Benchmarks zu andern Kantonen und zur Privatwirtschaft.
Trotz der Ausführungen von Jan Kirchmayr bleibe die SVP-Fraktion bei ihrer ablehnenden Haltung, wie Reto Tschudin (SVP) ausführt. Der Vorstoss wird nicht abgelehnt, weil den Vätern die vier Wochen nicht gegönnt werden, sondern sie richtet sich gegen die Art und Weise der Absenz. Es kann nicht sein, dass sich der Kanton solche Mehrausgaben auflastet und ein Ungleichgewicht schafft zwischen sich und der Privatwirtschaft.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter – nennen wir ihn Marc – ist 27 Jahre alt, hat eine vierjährige Tochter und die Frau erwartet im Herbst das zweite Kind. Marc arbeitet 100% beim Kanton BL und hat von 52 Arbeitswochen 5 Wochen Ferien. 2017 hat er fünf freie Feiertage. Marco geht im Februar eine Woche in die Skiferien, im Mai hat er einen WK als Korporal, das heisst viereinhalb Wochen Absenz. Im Sommer macht er mit seiner Familie 2 Wochen Sommerferien. Im August ist er einen Morgen am ersten Schultag der Tochter dabei, am Nachmittag kompensiert er. Im Herbst nimmt er noch eine Woche Ferien, kurz darauf wird die Tochter krank, Marc muss drei Tage zuhause bleiben und zum Kind schauen. Dann kommt die Geburt, Marc nimmt die ihm jetzt zustehenden fünf Tage frei und verlängert noch mit einer weiteren Woche Ferien. Kurz darauf kommt der Umzug – wieder ein Arbeitstag frei. Leider muss er noch an zwei Beerdigungen, auch für diese Absenzen kann er einen Arbeitstag einziehen. Zwischen Weihnacht und Neujahr hat der Regierungsrat Kompensation angeordnet, Marc fehlt die vier Tage. Es war ein ereignisreiches Jahr für Marc und seine Familie: Von den 52 Wochen hat er 13 Wochen gefehlt. Soll Marc wirklich noch drei weitere Wochen fehlen?
Das angeführte Beispiel ist real. Es ist nicht sinnvoll, den Vaterschaftsurlaub um drei Wochen zu erhöhen, zumal eine Geburt etwas Planbares ist, der Kanton ist flexibel: Es gibt unbezahlten Urlaub, oder man kann Ferien in diesem Zeitraum nehmen. Es ist wichtig, dass der Vater die Frau nach der Geburt unterstützt, aber es ist nicht zwingend die Aufgabe des Kantons dafür nochmals drei Wochen zu finanzieren. Die SVP-Fraktion lehnt sowohl die Motion als auch das Postulat ab.
Lucia Mikeler (SP) widerspricht dem Vorredner: So viele Zufälligkeiten kämen im wirklichen Leben nicht zusammen. Es ist wichtig, dass der Vater nach der Geburt da ist. Dabei geht es nicht nur um den Beziehungsaufbau, sondern auch um die Betreuung der Frau. In der heutigen Zeit sind die Ressourcen knapp. Es hat keine Grossmütter mehr, die einziehen und den Haushalt schmeissen. Die Frauen sind angewiesen auf die Hilfe der Männer. Es werden Kosten gespart, indem die Frauen gut betreut sind und nicht mit einer Wochenbettdepression zurück ins Spital müssen – das kostet unheimlich viel Geld. Investieren wir doch lieber in den Vaterschaftsurlaub. Die Motion soll unbedingt überwiesen werden, Firmen wie Swisscom, UBS etc. bezahlen allen Vätern zwei Wochen Vaterschaftsurlaub.
Andrea Heger (EVP) appelliert, ihr Votum ohne zu Stöhnen anzuhören, nachdem vorher eine so lange und abstruse Liste über mögliche Absenzgründe habe angehört werden müssen. Auf nationaler Ebene sind die Grünen und die EVP beide Passivmitglieder bei der Volksinitiative für einen verantwortungsvollen Vaterschaftsurlaub. Diese fordert vier Wochen. Im Parteiprogramm der EVP Schweiz werden zwei Wochen Vaterschaftsurlaub angestrebt. Aus diesem Grund ist es gut, dass die Motion in ein Postulat umgewandelt werden soll, denn ein Postulat wird von der Grüne/EVP-Fraktion keine Gegenstimmen erhalten. Bei einer Motion hätte es ganz wenige gehabt. Noch eine Bemerkung zu Balz Stückelberger: Es stimmt, dass der Kanton Teilzeitarbeit unterstützt, es gibt aber Leute, die möchten vielleicht nicht permanent Teilzeit arbeiten, sondern während der Geburt zuhause sein und danach wieder 100% arbeiten.
Linard Candreia (SP) schaut zu Marc Schinzel, der am Morgen vom liberalen Kanton Appenzell-Ausserrhoden gesprochen habe. Das liberale Appenzell-Ausserrhoden hat den Vaterschaftsurlaub 2016 von zwei auf zwölf Tage erhöht.
Balz Stückelberger (FDP) möchte etwas zum Stichwort «liberal» sagen, weil es ihm in der bisherigen Diskussion gefehlt habe. Es ist nicht verboten, bei der Geburt des eigenen Kindes noch ein bisschen Eigenverantwortung zu übernehmen und sich zum Beispiel zu überlegen, ob einem dies nicht ein paar Ferientage wert sei.
Jürg Vogt (FDP) weist auf die Sicht der Selbständigerwerbenden hin, die sich auch organisieren müssen. Wieso kann man das als Angestellter einer grösseren Verwaltung nicht auch?
Andreas Bammatter (SP) verweist auf die Firma Johnson & Johnson, welche kürzlich für ihre 7'000 Angestellten einen Vaterschaftsurlaub von acht Wochen eingeführt hat – das Thema ist aktuell. Vaterschaftsurlaub sollte etwas ganz Natürliches sein.
Béatrix von Sury d'Aspremont (CVP) wähnt sich im falschen Film wenn sie gewisse Voten höre. Eigenverantwortung ist schön und gut, Bei der Familienorganisation ist man aber mehr als früher voneinander abhängig und auch der Staat muss mithelfen.
://: Der Landrat lehnt das Postulat 2017/119 mit 39:38 Stimmen ab. [Namenliste]
Für das Protokoll:
Valentin Chiquet, Staatsarchiv