Protokoll der Landratssitzung vom 14. September 2017
Nr. 1638 |
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2017-079 vom 21. Februar 2017 Vorlage: Formulierte Verfassungsinitiative «Stimmrecht mit 16» - Bericht der Justiz- und Sicherheitskommission vom 5. Juli 2017 - Beschluss des Landrates vom 14. September 2017: < beschlossen z. Hd. Volksabstimmung > |
Kommissionspräsident Andreas Dürr (FDP) hält fest, dass es sich um eine Zwillingsinitiative handle: die Initianten und der Abstimmungstermin sind gleich wie beim vorangehenden Geschäft. Es geht darum, das aktive Wahl- und Stimmrecht in kommunalen Angelegenheiten des Kantons Baselland für Sechzehn- und Siebzehnjährige einzuführen. Dagegen spricht, dass die Balance von Rechten und Pflichten diesbezüglich noch weniger gegeben ist. Als Gegenargument wird ins Feld geführt, dass diese Personen bereits reif genug sind. Schliesslich hat sich in der Kommission die Meinung durchgesetzt, dass das der falsche Weg ist. Die Kommission lehnt die formulierte Verfassungsinitiative deshalb mit 8:2 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab.
– Eintretensdebatte
Die SVP-Fraktion lehnt die Initiative «Stimmrecht mit 16» ab. Jacqueline Wunderer (SVP) hält fest, dass es durchaus Jugendliche gibt (vor alllem aus Familien, in denen Kommunikation noch stattfindet), die bereits Interesse an und eine Meinung zu politischen Themen haben. Sie sind in ihrer Meinung noch nicht immer gefestigt, doch auch viele Erwachsene und Politiker ändern ihre Meinung ständig. Der Hauptgrund für die Ablehnung der Initiative liegt in den Rechten und Pflichten, die die Jugendlichen vor ihrem achtzehnten Altersjahr noch nicht haben. Das Gesetz schützt sie vor ihrem eigenen Handeln, was gut ist. Sie hofft, dass die Sechzehnjährigen ihre politischen Kompetenzen noch ausbauen und mit achtzehn bei der SVP voll durchstarten.
Regula Meschberger (SP) entgegnet, dass die Jugendlichen voll durchstarten, jedoch bei der SP. Sie sind bei der Juso und den jungen Grünen. Die SP-Fraktion steht klar hinter der Initiative für das aktive Stimm- und Wahlrecht für die Sechzehnjährigen. Selbstverständlich sind sie erst mit achtzehn volljährig, aber weshalb sollen sie sich nicht schon vorher mit den Themen befassen? Alle, die sich politisch äussern, sei es in den Schulen, in der Berufsbildung oder im Jugendrat, sollen das Recht haben, ihre Meinung mit dem Stimmzettel kundzutun. Die fehlende Reife kann nicht das Argument dagegen sein. Es gibt auch erwachsene Personen, denen die Reife abgesprochen werden könnte. Aber es ist ein wichtiger Aspekt der politischen Bildung, die in der Schweiz sehr wichtig ist. Je früher junge Leute einbezzogen werden, umso besser. Das dient auch der Entwicklung der Demokratie. Mit sechzahn können sie bereits Verträge unterschreiben, auch wenn noch nicht im vollen Ausmass wie die Achtzehnjährigen. Aber sie haben nicht gar keine Rechte und Pflichten. Eine Pflicht ist die obligatorische Schulzeit. Den Sechzehnjährigen, die Interesse daran haben und sich beteiligen wollen, soll das nicht verweigert werden.
Die Votantin beantragt seitens SP-Fraktion die Rückweisung an die Regierung, weil dies auf kommunaler Ebene geregelt werden soll. Die Jugendlichen können so einsteigen, weil sich das politische Geschehen in ihrem Umfeld abspielt. Die Regierung soll den Auftrag erhalten, das Gemeindegesetz so zu ändern, dass die Gemeinden das Stimm- und Wahlrecht ab sechzehn Jahren einführen können.
Die FDP-Fraktion lehnt die Verfassungsinitiative einstimmig ab und stimmt dem Antrag der Regierung zu. Paul R. Hofer (FDP) hält fest, dass die FDP auch viele Jugendliche in ihre Partei bringen will, aber das Alter von Achtzehn ist soweit anerkannt, und die Jugendlichen müssen alle Rechte und Pflichten übernehmen können.
Béatrix von Sury d'Aspremont (CVP) erläutert, dass die Diskussion in der CVP-Fraktion relativ einfach war. Es erscheint wichtig, dass sich die Jugendlichen informieren und ausdrücken können. Sie haben die Möglichkeit dazu. Bei Abstimmungen werden jedoch wichtige und zu weit reichende Entscheide getroffen. Für die CVP-Fraktion ist klar, dass sie dazu volljährig und im Besitz sämtlicher Rechte und Pflichten sein müssen. Sehen das gewisse Parteien anders, muss das Volljährigkeitsalter heruntergesetzt werden. Die Fraktion unterstützt die Initiative nicht.
Regula Steinemann (glp) hält fest, dass ihre Fraktion keine einheitliche Meinung hat. Einerseits wird das Bedürfnis der Jugend anerkannt, sich aktiv zu beteiligen. Das ist zu unterstützen, denn es gibt viele Sechzehn- und Siebzehnjährige, die sich aktiv engagieren wollen. Es wäre schade, ihnen die Möglichkeit nicht zu geben. Andere Stimmen aus der Fraktion sind jedoch auch der Auffassung, dass es nur wenige sein werden und sich der grösste Teil der Jugendlichen in diesem Alter nicht für Politik interessiert und vielleicht sogar mit den Entscheidungen überfordert sind. Aber ehrlich gesagt muss man dazu nicht sechzehn oder siebzehn sein, das ist auch mit 20 der 25 Jahren möglich. Das hängt nicht zwingend vom Alter ab, sondern auch von anderen Fähigkeiten. Allenfalls kann es auch Sinn machen, innerhalb der Familie einen gemeinsamen Entscheid zu erarbeiten. Die Jugendlichen werden zum Teil unterschätzt. Sie sind mit vielen schwierigen Situationen konfrontiert. Die Votantin traut ihnen das zu und wird der Verfassungsinitiative zustimmen.
Die Präsidentin unterbricht an dieser Stelle die Debatte; sie wird am Nachmittag fortgesetzt.
Für das Protokoll:
Pamela Schaer, Landeskanzlei
– Eintretensdebatte (Fortsetzung)
Jan Kirchmayr (SP) sagt, dass bereits mit 16 Jahren Rechte und Pflichten bestehen. In diesem Alter entscheidet man über die eigene Konfession, man hat das Schutzalter überschritten, das Recht, Bier und Wein zu konsumieren, man kann (sogar schon früher) über die eigene Berufswahl entscheiden. Warum soll man dann also nicht auch wählen und abstimmen können? In Österreich wurde 2007 das Stimmrechtsalter ab 16 Jahren eingeführt. Die Beteiligung der 16- und 17-Jährigen ist dort signifikant höher als jene der 23- bis 25-Jährigen. Auch in der Schweiz gibt es das Stimmrechtsalter 16 bereits. Der konservative Kanton Glarus führte im Jahr 2007 an der Landsgemeinde das Stimmrechtsalter auf kommunaler und kantonaler Ebene ein. Ebenso gibt es das Stimmrechtsalter 16 in deutschen Bundesländern. Deshalb sei die ganz einfache Frage gestellt, weshalb es das nicht auch im Kanton Baselland zumindest auf Gemeindeebene geben soll?
Sara Fritz (EVP) sagt, dass in ihrer Fraktion das Stimmungsbild dasselbe sei wie beim Thema des Wahlrechts für Niedergelassene: Sie ist gespalten. Jegliche Argumente dafür und dagegen wurden bereits am heutigen Morgen gehört. Eines sei noch betont: Die Votantin glaubt nicht, dass die Jugendlichen mit 16 Jahren nicht fähig sind, einen Stimm- oder Wahlzettel auszufüllen. Es gibt genügende, die das können. Ebenso gibt es 18- und 20-Jährige sowie 40- und 60-Jährige, die noch nie in ihrem Leben gewählt oder abgestimmt haben. Sie persönlich wird trotzdem Nein stimmen, weil sie der Meinung ist, dass Rechte und Pflichte zusammengehören. Da die Volljährigkeit erst mit 18 beginnt, ist der Zeitpunkt für ein Stimm- und Wahlrecht mit 16 Jahren zu früh.
Die religiöse Mündigkeit beginnt mit 16 Jahren, sagt Linard Candreia (SP). Dies ist sehr weitreichend – eigentlich fast weitreichender als die politische Mündigkeit mit 18 Jahren. In den 1970er und 1980er Jahren wurde in diesem Parlament über die Herabsetzung der Rechte von 20 auf 18 Jahre diskutiert. Interessanterweise wurden damals zur Motion Feigenwinter ähnliche Argumente geäussert und es hiess zum Beispiel, dass die Jugend ein politisches Potential habe, das es wachzurütteln gelte. Was sind nun diese zwei Jährchen, um die es hier geht – gemessen am Lebensalter, das man vielleicht einmal erreicht?
://: Eintreten ist unbestritten.
– Rückweisungsantrag
://: Der Landrat lehnt den Antrag der SP auf Rückweisung an die Regierung mit 44:28 Stimmen ab. [Namenliste]
– Detailberatung Landratsbeschluss
Keine Wortbegehren.
– Rückkommen
Es wird kein Rückkommen verlangt.
– Schlussabstimmung
://: Der Landrat stimmt dem Landratsbeschluss betreffend der formulierten Verfassungsinitiative «Stimmrechts mit 16» mit 47:26 Stimmen bei einer Enthaltung zu. [Namenliste]
Landratsbeschluss
über die Volksinitiative «Stimmrecht mit 16»
vom 14. September 2017
Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:
1. Die formulierte Verfassungsinitiative «Stimmrecht mit 16» wird abgelehnt.
2. Im Rahmen der Volksabstimmung wird den Stimmberechtigten empfohlen, die formulierte Verfassungsinitiative «Stimmrecht mit 16» abzulehnen.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei