Protokoll der Landratssitzung vom 12. Januar 2017
Nr. 1164 |
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2016-331 vom 3. November 2016
Postulat von Georges Thüring, SVP-Fraktion: Fragwürdiges Vorgehen bei der Gebührenerhöhung für Einbürgerungen - Der Regierungsrat beantragt: Entgegennahme und Abschreibung (siehe Beilage) - Beschluss des Landrates vom 12. Januar 2017: < überwiesen > |
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) informiert, dass der Regierungsrat das Postulat entgegen nimmt und Abschreibung beantragt.
> Begründung des Regierungsrats
Georges Thüring (SVP) hat die Stellungnahme des Regierungsrates aufmerksam studiert und bedauert, dass er offensichtlich nicht bereit ist, die zwei zentralen Anliegen zu erfüllen – nämlich die neuen Gebühren formell erst ab 1.1.2017 einzuführen und die Gebührensituation bei Schweizer- und Kantonsbürgern noch einmal ernsthaft zu überprüfen. In diesem Sinne ist der Postulant natürlich mit Überweisen und gleichzeitiger Abschreibung nicht einverstanden.
Die Notwendigkeit einer Gebührenanpassung wird weder vom Votanten noch von den Bürgergemeinden grundsätzlich in Frage gestellt. Vielmehr geht es um die Art und Weise, wie dies kommuniziert und vollzogen wurde. Dabei geht es vor allem um die rückwirkende Inkraftsetzung. Ein solches Vorgehen erachten die Bürgergemeinden nicht nur als stossend und fragwürdig, sondern es ist schlicht nicht akzeptabel. Es kann nicht angehen, dass der Kanton Ende Mai den Bürgergemeinden lapidar mitteilt, dass die bisher geltenden Spielregeln nun plötzlich nicht mehr gelten und rückwirkend verändert werden. Nirgends kann man während eines Spiels die Regeln einfach ändern. Dieses Vorgehen ist alles andere als sauber. Es verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es ist vor allem höchst unfair gegenüber all denen, die im Zeitraum Januar bis Mai 2016 ihren Wunsch zur Einbürgerung formell bekundet und das Verfahren somit in Gang gesetzt haben. Sie haben dies in Kenntnis der bisherigen Gebühren gemacht.
Es würde dem Kanton tatsächlich gut anstehen, wenn er die neuen Gebühren formell erst ab 1. Januar 2017 in Kraft setzen würde. Es ist schlicht ein Gebot der Fairness und des Anstandes. Darum wurde dieses Postulat eingereicht. Zusätzlich ist der Kantonalverband der Baselbieter Bürgergemeinden beim Regierungsrat auch formell vorstellig geworden.
Dass der Kanton die Kostendeckung seiner Dienstleistungen überprüft und seine Gebühren gegebenenfalls anpasst, ist eigentlich ein normaler Vorgang und ein dauernder Prozess. Dazu braucht es im Übrigen keine Finanzstrategie, sondern schlicht und ergreifend ein konstantes Controlling. Dass bei der Einbürgerung von ausländischen Staatsangehörigen aufgrund des aufwändigen Verfahrens die Gebühren noch oben korrigiert werden müssen, steht ausser Zweifel. Hier hätte der Kanton übrigens schon früher handeln können. Dass dann aus einer Unterdeckung der Kosten in der Höhe von 32 Prozent schliesslich eine Verdoppelung der bisherigen Gebühren resultiert, ist zumindest mathematisch gesehen ein sehr kreativer Ansatz. Streng genommen müsste man auch dies kritisch hinterfragen. Nach wie vor herrscht klar die Meinung, dass im Falle von Schweizer- und Kantonsbürgern mit der Verdoppelung der bisherigen Gebühr schlicht zuviel verlangt wird. Diese Anpassung ist unverhältnismässig und lässt sich mit dem geringen kantonalen Aufwand, der in solchen Fällen notwendig ist, einfach nicht vereinbaren.
Deshalb hält der Postulant an der Forderung fest, dass diese Gebühren noch einmal ernsthaft überprüft werden müssen. Gerne lässt er sich von der Notwendigkeit überzeugen, dann aber wird eine klare Kostenaufstellung erwartet, woraus der Aufwand für Schweizer- und Kantonsbürger ersichtlich wird. Hier gibt die schriftliche Stellungnahme der Verwaltung leider keine konkreten Hinweise.
Der Postulant bittet, seinen Vorstoss ohne gleichzeitige Abschreibung zu überweisen.
Hanni Huggel (SP) erinnert sich, dass Georges Thüring damals, als die Erhöhung der Gebühren in der Petitionskommission bekannt gegeben wurde, gar nichts dazu gesagt hatte. Die Votantin hatte sich damals aber schon gestört an dieser unverhältnismässigen Erhöhung. Es wird ja auch begründet, dass 68% des Aufwands im Bereich Bürgerrechtswesen anfällt. Sind dann die restlichen 32% jener Anteil, der im Bereich Landeskanzlei anfällt? Und rechtfertigt dies eine Erhöhung um 100%? Dies ist nicht zu goutieren. Georges Thüring ist zuzustimmen, dass man darüber detailliertere Informationen haben sollte. Die Formulierung des Postulats, wonach die Erhöhung fragwürdig sei, stimmt so nicht. Die Regierung kann tatsächlich die Gebühren bis zu 2000 Franken erhöhen. Dennoch wäre es zu wünschen, wenn man dies noch etwas genauer erklärt bekäme.
Als störend am Postulatstext von Georges Thüring fand die Votantin sein Hinweis, dass die Gebührenverdoppelung bei den Schweizern zu hoch, bei den Ausländern aber vertretbar sei. Dies ist nicht zu unterstützen, da auch der administrative Aufwand bei vielen Ausländern überhaupt nicht gross ist.
Die SP-Fraktion ist einverstanden damit, das Postulat zu überweisen und stehen zu lassen.
Marianne Hollinger (FDP) unterstützt Georges Thüring und Hanni Huggel in ihren Äusserungen. Die Antwort der Regierung empfand die Sprecherin als sehr störend. Es wurde gesagt, die Einnahmen würden den Ausgaben angepasst. Die Votantin erwartet, dass man erst die Ausgabenseite anschaut und schaut, wie die Administration verringert werden kann – und nicht einseitig die Einnahmenseite erhöht. Dies ist exakt der falsche Weg, wie man im Kanton vorgehen sollte, um eine Kostendeckung zu erreichen.
Markus Dudler (CVP) sagt, dass die CVP/BDP-Fraktion die Erhöhung der Gebühr nicht in Frage stellt. Als Mitglied der Petitionskommission weiss der Votant, welche Arbeit dahinter steckt. Gesamthaft wird der Aufwand vermutlich eh nie kostendeckend sein. Störend ist aber, dass in laufende Verfahren eingegriffen wird und die Erhöhung rückwirkend erfolgt; der Gesuchssteller war nämlich noch von anderen Zahlen ausgegangen. Die Fraktion ist für die Überweisung des Postulats. Bei der Abschreibung ist man geteilter Meinung.
Georges Thüring (SVP) erwidert auf die Kritik von Hanni Huggel: als Präsident des Verbands der Bürgergemeinden BL weiss er, dass Einbürgerungen für Ausländer viel zusätzliche Arbeit verursachen, schriftlich wie mündlich.
Andrea Heger (EVP) sagt, dass die Fraktion Grüne/EVP für Überweisen und der grösste Teil für ein Stehenlassen des Postulats ist. Sie persönlich empfand die Stellungnahme der Regierung bezüglich Rückweisung als lausig.
Das Prozedere lässt sich vergleichen mit einem Einkauf in einem Warenhaus, wo sich der Preis einer Ware auf dem Weg zur Kasse verdoppelt. Das geht schlicht und einfach nicht. Eine rückwirkende Erhöhung ist unmöglich.
Vorweg ein kleines «mea culpa»: Regierungsrat Isaac Reber (Grüne) muss zugeben, dass er heute die neuen Gebühren auch erst auf den 1. Januar 2017 einführen würde. Er hat eingesehen, dass das ursprüngliche Vorhaben nicht besonders gescheit war. Man muss aber auch sagen, dass niemand gezwungen wird, etwas zu kaufen, das doppelt so teuer ist. Es wird niemand getäuscht.
Im Rahmen einer generellen Gebührenüberprüfung wurde damals festgestellt, dass die bisherige Gebühr nicht dem Aufwand entspricht. Dabei geht es nicht darum, ob Schweizer oder Ausländer, sondern um den Aufwand. In diesem Bereich wurde der Aufwand übrigens bereits reduziert, was er Marianne Hollinger gern auch einmal konkret zeigen würde. Weiter wird man nicht reduzieren können. Es wird also nicht mehr gemacht als nötig, sondern es wird mit der neuen Gebühr lediglich der Gesamtaufwand in Rechnung gestellt. Deshalb geht sie durchaus auf.
Es ist bekannt, dass der Kanton und die Gemeinden unterschiedliche Rahmen für Einbürgerungsgebühren haben. In beiden Fällen geht es bis maximal CHF 2'000. Der Rahmen wird somit nicht ausgeschöpft. Es wäre sicher klug gewesen, man hätte auch hier aktiver kommuniziert. Georges Thüring wird ihm sicher auch Recht geben, dass die Bürgergemeinden ihre Gebühren selbständig festlegen.
Nachdem die Überprüfung der Gebühren erfolgt ist, kann sich der Votant nicht vorstellen, dass das Ergebnis wesentlich anders ausfallen wird. Es wäre daher auch nicht gut und würde nur Verwirrung stiften, wenn man die Änderung bereits wieder rückgängig machen würde. Der Regierungsrat bleibt dabei und beantragt Abschreibung.
://: Der Landrat überweist das Postulat 2016/331 mit 71:0 Stimmen.
://: Der Landrat lässt das Postulat 2016/331 mit 57:13 Stimmen bei einer Enthaltung stehen.
Landratspräsident Philipp Schoch (Grüne) dankt allen fürs lange Ausharren, wünscht einen schönen Abend und schliesst die Sitzung um 16:50 Uhr.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei