Protokoll der Landratssitzung vom 12. Januar 2017
Nr. 1151 |
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2016-351 vom 15. November 2016
Vorlage: Bericht zum Postulat 2015-441 der Petitionskommission: «Entschädigung von rückstandsbelastetem Honig durch Feldversuche mit Pestiziden» - Bericht der Volkswirtschaft- und Gesundheitskommission vom 20. Dezember 2016 - Beschluss des Landrates vom 12. Januar 2017: < beschlossen > |
Kommissionspräsidentin Rahel Bänziger (Grüne): Die Firma IES (Innovative Environmental Services, Solothurn) führt als private Auftragsforschungsfirma auf Testfeldern Versuche mit Pflanzenschutzmitteln durch. Dadurch kann es zu Pestizidrückständen in den Bienenprodukten von Imkern der Umgebung kommen. Mit ihrer Petition verlangten die Grün-Unabhängigen (unterstützt durch zahlreiche mitunterzeichnende Imkerinnen und Imker), die Berücksichtigung folgender Begehren für die Durchführung der Feldversuche:
1. Die obligatorische Entnahme und die Untersuchung von Honigproben auf das entsprechende Pestizid im Umkreis von einem Kilometer, sofern die Applikation vor der Honigernte erfolgt.
2. Die Erweiterung des Probenkreises für den Fall, dass eine unzulässige Konzentration des Pestizids gefunden wird.
3. Der Einzug und die Entschädigung des rückstandsbelasteten Honigs.
Die Petition wurde am 14. Januar 2016 vom Landrat als Postulat überwiesen. Moniert wurde vor allem, dass die umliegenden Imker nicht über die Feldversuche informiert worden waren. Wie der Regierungsrat in seiner Vorlage schreibt, konnte das ALV (Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) in Gesprächen mit den Petenten und der IES eine Vereinbarung ausarbeiten, mit welcher die Anliegen weitgehend erfüllt werden konnten:
– Feldversuche, mit denen der Einfluss von Pestiziden auf Bienen getestet wird und die das Gebiet des Kantons Basel-Landschaft (bis 5 km zur Grenze) betreffen, werden mitgeteilt.
– Die IES meldet Unregelmässigkeiten dem ALV.
– Eine repräsentative Honigprobe der firmeneigenen Testbienen wird durch die IES auf den entsprechenden Wirkstoff untersucht; Rückstellproben (Honig, Pollen, Wachs) werden gesichert.
– Der Honig der Versuchsbienen muss die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
– Das ALV hat das Recht, bei den Versuchen anwesend zu sein, die Daten einzusehen oder anzufordern, die Analytik der IES zu auditieren und allenfalls weitere Massnahmen zu verlangen – obschon die Firma ausserhalb des Kantons liegt.
Damit beantragt der Regierungsrat, das Postulat 2015/441 sowie das dem Thema vorangehende Postulat 2015/226 als erfüllt abzuschreiben. Die VGK liess sich durch Kantonschemiker Peter Wenk ausführlich das Anliegen, die Feldversuche und die getroffene Vereinbarung erläutern.
Zum Prinzip der Tests: die Stöcke der IES-Testbienen werden mitten in das betreffende, behandelte Feld gebracht. Dank der Bepflanzung mit Phacelia (Bienenfreund) sei dieses Feld für die ausschwärmenden Bienen ausserordentlich attraktiv. Test-Bienen sind dem auf dem Feld applizierten Pflanzenschutzmittel am stärksten ausgesetzt; somit müsste in deren Honig auch die höchste Konzentration nachzuweisen sein. Sind die Honig-Werte in Ordnung, ist davon auszugehen, dass dies auch bei den Produkten anderer, weiter entfernter Bienenvölker der Fall ist. Das Pestizid wird jeweils in der Nacht auf das Feld verteilt. Die Verabredung ist, dass die umliegenden Imker über die Aktion vorab informiert werden, damit sie am Abend davor Massnahmen ergreifen können (Flugloch zukleben oder die Stöcke verschieben), um ihre Bienen davon abzuhalten, sich am Tag mit der höchsten Kontamination mit dem kontaminierten «Bienenfreund» einzulassen. Gemäss Peter Wenk wird diese Lösung auch von jenen Imkern als gut beurteilt, die Bio-Produkte herstellen.
Die getroffene Vereinbarung ist gemäss VGK pragmatisch und löst das Problem auf die Weise, dass eine mögliche Kontamination der umliegenden Bienenvölker mittels frühzeitiger Information und Verhinderung des Ausflugs der Nachbarsbienen, verhindert werden kann. In der Diskussion zeigte sich die Kommission mit dem Erreichten mehrheitlich zufrieden. Insbesondere rechnen es die Mitglieder dem Solothurner Unternehmen hoch an, dass sie dem ALV über die Kantonsgrenzen hinweg Kontrolle, Audit und das Verfügen weiterer Massnahmen gewährt.
Ein Mitglied zeigte sich mit der Beantwortung nicht ganz befriedigt. Als problematisch erachtete es insbesondere das Fehlen unabhängiger Kontrollen und die Untersuchung nur eines einzigen Bienenvolkes. Insgesamt stellt die Kommission fest, dass alle Beteiligten mit der Vereinbarung zufrieden sind, da sie diese ja unterschrieben haben. Die VGK empfiehlt mit 10:1 Stimmen, das Postulat der Petitionskommission als auch das Postulat 2015/226 von Jürg Wiedemann abzuschreiben.
– Eintretensdebatte
Georges Thüring (SVP) dankt im Namen der SVP-Fraktion der Regierung, dass sie sich der vom Postulat thematisierten Problematik zielführend angenommen und eine sehr pragmatische Lösung gefunden hat. Es ist zu begrüssen und sehr bemerkenswert, dass mit der Vereinbarung zwischen dem zuständigen Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und der im solothurnischen Witterswil domizilierten Firma IES eine kantonsübergreifende Lösung gefunden werden konnte. Für dieses Vorgehen ist die SVP-Fraktion der Verwaltung sehr dankbar. Die Lösung ist unkompliziert und dient allen Beteiligten. Vor allem den betroffenen Baselbieter Imkerinnen und Imkern. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine ausserkantonale Stelle dem ALV Kontrolle, Audit und allfällige weitere Massnahmen zugesteht. Sowohl die Regierungsvorlage als auch der Kommissionsbericht fassen den Sachverhalt hinreichend zusammen. Auch die Fraktion des Sprechers erachtet die Sache als erfüllt und schliesst sich dem Vorschlag der VGK auf Abschreibung an.
Hanni Huggel (SP) sagt, dass bereits in der Petitionskommission detaillierte Anhörungen stattfanden, auch der Imkerinnen und Imker. Man hatte damals gespürt, dass es sich um ein echtes Problem handelt. Deshalb ist gut, dass dies via Petition überhaupt aufgegriffen wurde. Das Schöne daran ist, dass der Kanton Solothurn einverstanden ist und Baselland die Aufsicht gewährt. Von Herrn Wenk hatte man gehört, dass ernsthafte Bemühungen bestehen und vor allem die Bienenzüchter der Umgebung informiert werden. Der Votantin standen alle Haare zu Berge, als sie damals vernahm, dass diese überhaupt nicht über die Tests informiert waren. Deshalb darf man sagen, dass das Anliegen auf sehr gutem Weg ist. Fazit der Geschichte: Das Problem wurde erkannt, Massnahmen wurden über die Kantonsgrenze hinweg ergriffen, die Kontrolle ist gewährleistet, die Bienenzüchter sind mit den Regelungen einverstanden – somit lässt sich das Postulat abschreiben, was die SP auch fast einstimmig tun wird.
Sven Inäbnit (FDP) führt aus, dass sich die VGK sehr ernsthaft mit dem Postulat und den Tatsachen auseinander gesetzt hat. Denn alle schätzen den Baselbieter Honig und haben Interesse an einem einwandfreien Produkt. Entsprechend wurde genau hingeschaut, welche Vereinbarungen getroffen wurden. Alle beteiligten Partner konnten sich finden und es wurde eine sehr pragmatische und solide Lösung gefunden. Für die FDP-Fraktion gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln. Es ist zu schätzen, dass dieser pragmatische Weg eingeschlagen werden konnte und sich alle Partner einigen konnten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dieser Vorstoss nicht abgeschrieben werden soll – was übrigens auch vom «FDP-Fraktionsimker» Michael Hermann bekräftigt wird. Damit darf man sich auf den nächsten Jahrgang des Baselbieter Honigs freuen.
Marie-Theres Beeler (Grüne) sagt, dass auch die Fraktion Grüne/EVP der Abschreibung zustimmen kann. Sie war vehement für eine Überweisung des Postulats und fand die Forderung richtig und wichtig. Wie erläutert sind nun die Missstände behoben und es gibt über deren Behebung eine Vereinbarung, die mit dem Bienenzüchterverband abgeschlossen wurde. Dieser sieht darin eine Garantie, einwandfreien Honig zu produzieren.
Man kann natürlich grundsätzlich der Meinung sein, dass keine (oder nur wenige) Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden sollen und man klar definieren müsse, wo und wie. Hier geht es aber nicht um diese Frage, sondern um eine Entschädigungspflicht im Fall einer möglichen Kontamination von Honig durch Pflanzenschutzmittel.
Marie-Therese Müller (BDP) sagt, dass auch die CVP/BDP-Fraktion der Abschreibung des Postulats zustimmen kann. Die gefundene Lösung wird als gut beurteilt. Es ist tatsächlich so, dass die Firma Forschung betreibt an Pestiziden, die sie irgendwann draussen testen muss. Nun wurde eine Lösung gefunden, denn die Bienen wissen nicht, auf welches Feld sie sollen und auf welches nicht. Dank der Information der Imker und den von ihnen getroffenen Massnahmen lässt sich die Lösung als gut bezeichnen. Es ist zudem toll, dass es eine kantonsübergreifende Lösung gibt.
Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige) dankt der Kommissionspräsidentin für die ausgezeichnete Zusammenfassung. Positiv findet der Votant auch, dass sie die Grün Unabhängigen so gelobt hat und herausstrich, dass deren Petition oder das Postulat ein solch grosser Erfolg war. Allerdings sieht für den Votanten Erfolg etwas anders aus. Es ist zweifellos richtig, dass in gewissen Punkten die richtige Richtung eingeschlagen wurde. Der wesentliche Punkt ist, dass die Imkerinnen und Imker vor der Applikation informiert werden und damit ihre Völker schützen können.
Ebenfalls ein Erfolg ist, dass die Firma IES eng mit dem ALV zusammenarbeiten muss, und es dem Amt möglich ist, die Firma zu kontrollieren. Es gibt für den Votanten aber zwei Knackpunkte, die man nicht vernachlässigen sollte. Der eine ist, dass die Vereinbarung überhaupt nichts darüber aussagt, wie die Untersuchungen des Honigs aussehen. Es ist bekannt, dass die IES am liebsten gar keinen Honig untersuchen würde. Sie willigten nur widerwillig diesem Passus ein. Man kann nachvollziehen, dass die Firma bei einem offenen Feldversuch nur gerade eine Probe nehmen und nur diesen untersuchen möchte. Das Problem dabei ist, dass in einem offenen Feldversuch eine untersuchte Probe niemals repräsentativ sein kann und sie damit nicht aussagekräftig ist. Folgt aufgrund dessen die Aussage, dass der Honig nicht rückstandsbelastet sei, ist dies sehr gewagt.
Vor vier oder fünf Jahren wurde im Zusammenhang mit der Hardwasser AG eine ähnliche Diskussion geführt. Sie untersuchten das Wasser ebenfalls nur sehr rudimentär, bis der notwendige öffentliche Druck vor allem von Seiten Greenpeace dafür sorgte, dass die Untersuchungen fundiert stattfinden mussten. Dabei wurde – oje! – festgestellt, dass die Butadien die Grenzwerte überschritten.
Auch im aktuellen Fall wurde mit der Vereinbarung ein Instrument geschaffen, um zwar auf der einen Seite eine Untersuchung vorzunehmen, die aber letztlich keine abschliessende Sicherheit gewährt. Dies lässt sich an einem Beispiel aufzeigen: Es ist ein Unterschied, ob man den Honig, den Pollen oder die Waben untersucht. Im Baselbiet gibt es im Übrigen die grösste Dichte an Imkerinnen und Imkern. Hier wird auch Wabenhonig produziert. Die Waben jedoch werden nicht untersucht. In einer der Sitzungen sagte die IES, dass sie Rückstellungen von Waben und Pollen machen würden. Untersucht wird jedoch einzig der Honig ihres Testbienenvolks.
Man kann sich nun die Frage stellen, weshalb denn der Verband der Imker die Vereinbarung unterschrieben hat. Hierbei ist zu bemerken, dass es einen kleinen Unterschied gibt zwischen dem Verband und den Petenten – ihre Interessen decken sich nämlich nicht ganz. Die Petition wurde auf der einen Seite von Personen unterschrieben, denen die Umwelt wichtig ist, auf der anderen Seite waren es die Imkerinnen und Imker. Für diese ist natürlich etwas unangenehm, wenn ihr Honig zu sehr untersucht wird. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn im Honig Spurenelemente von Pestiziden gefunden wird: In diesem Fall könnten sie einpacken; selbst wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Auf der anderen Seite gibt es jene, für die der Umweltschutz entscheidend ist. Sie möchten unter keinen Umständen offene Feldversuche, die die Umwelt belasten. Deshalb wäre es wünschenswert gewesen, im Rahmen des Postulats noch einen Schritt weiter zu gehen und zum Beispiel die Feldversuche nicht mehr offen, sondern geschlossen stattfinden zu lassen. Das wäre möglich, obschon sehr viel teurer, weshalb die Firma IES dies ablehnt.
Fazit: Die Petition (wie auch das Postulat) hatte durchaus einen gewissen Erfolg. Eine totale Sicherheit gibt es jedoch dadurch nicht. Es wäre mehr machbar gewesen.
://: Eintreten ist unbestritten.
– Beschlussfassung
://: Der Landrat schreibt das Postulat 2015/441 mit 60:3 Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.
://: Der Landrat schreibt das Postulat 2015/226 stillschweigend ab.
Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei