Protokoll der Landratssitzung vom 10. April 2014

Nr. 1903

Landratspräsidentin Marianne Hollinger (FDP) informiert, dass der Regierungsrat die Motion als Postulat entgegennehme. Es liegt eine schriftliche Begründung vor.


> Begründung des Regierungsrats


Christine Koch (SP) bezeichnet die Zeiterfassung für Lehrkräfte als sinnlosen Papierkrieg. Als Primarlehrerin erhält sie jeweils nach den Sommerferien ein Formular, welches sie ausfüllen und unterschreiben muss. Darin steht, wieviel Zeit wofür zu verwenden ist. Das Papier geht an die Schulleitung, dies es überprüft, es unterschreibt und ihr wieder zurückschickt. Sie muss es aufbewahren, Ende Schuljahr wird abgerechnet und dann erneut kontrolliert. Trotz dieses Prozederes hat sie noch nie einen Mehrwert erfahren. Anfänglich musste man die Aktivitäten noch mit der Stoppuhr messen, was zur Feststellung führte, dass sie alle eigentlich viel zu viel arbeiten. Was mit den erhoben Daten jeweils passierte, ist ein anderes dunkles Kapitel. Doch eigentlich ist gar niemand am Resultat der Zeiterfassung interessiert, hätte es sonst nämlich riesige Konsequenzen: Nachzahlungen von 20 bis 25 Millionen Franken für zuviel geleistete Arbeitsstunden.


Nun wird ein Pauschalformular ausgefüllt, das eher einer Alibiübung gleicht. Die Votantin plädiert dafür, dass man die Lehrpersonen doch einfach ihren Job lassen machen solle: Unterrichten, Vor- und Nachbereiten, Eltern- und Kindergespräche führen, mit Fachstellen zusammenarbeiten und Weiterbildungen machen. Unnötige Formulare auszufüllen gehören auf jeden Fall nicht dazu. Letzte Frage: Wann wurde denn das Zeiterfassungssystem je wirkungsvoll eingesetzt, um die stetig wachsende Anzahl von Aufgaben an die Lehrkräfte abzuwehren?


Sie schickt der Diskussion voraus, dass sie auf keinen Fall die Motion in ein Postulat umwandeln werde. Sie möchte den Papierkrieg verhindern und nicht fördern.


Thomas Bühler (SP) ist anderer Meinung als seine Ratskollegin. Er ist verwundert darüber, dass die Forderung in allen Fraktionen relativ viel Widerhall findet. Er geht nämlich davon aus, dass es im Rat viele Personen mit Führungsaufgaben gibt. Die Schulleitungen haben in gewisser Weise ebenfalls eine Arbeitgeberfunktion. Und so ist es doch gebräuchlich, als Chefin oder Chef, zum Beispiel zu Beginn eines Schuljahres, Ziele und Erwartungen bekannt zu geben. Die Zeiterfassung per Formular wird in den Schulen des Kantons offenbar sehr unterschiedlich gehandhabt. Der Vorstoss verdankt seine Existenz, so vermutet der Votant, einer solch unterschiedlichen Handhabung, denn für viele Schulleitungen bringt die Massnahme Klarheit und Fairness.


Bühler möchte mit seinen Lehrpersonen fair umgehen, ihnen sagen, was sie innerhalb der Jahresarbeitszeit zu tun haben. Es gibt viele pauschale Lösungen; die Lehrpersonen sind daran gehalten, nur dort Zeiterfassung zu tätigen, wo das Gefühl der zeitlichen Überbeanspruchung besteht. Unterrichten, Elterngespräche, Weiterbildung etc. decken nämlich nicht die ganze Lehrerfunktion ab. Es gilt noch anderes zu erledigen: Stundenplan, Organisieren des Sporttags, Schulmaterial verteilen etc. Diese «Ämtli» müssen untereinander ausgehandelt werden und die Belastung muss jeweils ungefähr gleich verteilt sein. Dies zu verhandeln gehört an eine Schulleiterkonferenz, nicht in den Landrat. Dort lassen sich viele gute Ansätze zur Verminderung von bürokratischem Aufwand diskutieren. Das Formular dient auch dem Schutz der Arbeitnehmenden, denn ein Chef sollte die Erwartungen an sein Personal deklarieren können. Aus diesem Grund ist der Votant weder für Motion noch Postulat.


Laut Caroline Mall (SVP) hat die SVP-Fraktion Verständnis für die Motion von Christine Koch. Lehrkräfte, Schulleitung und -sekretariate sollen von unnötigem Papiergeraschel entlastet werden. Die Frage ist nur, welche gesetzlichen Grundlagen hierfür angepasst werden müssen. Es darf keine Grauzonen im Berufsalltag von Lehrpersonen und Schulleitungen geben. Die einfache Agendaführung hat sich wohl nicht schlecht etabliert und sollte auch weiterhin Bestand haben. Die SVP könnte sich aber vorstellen, die Motion als Postulat zu unterstützen. Damit würde der Regierungsrat dazu aufgefordert, das etablierte Werk (die einfache Agendaführung) im Hinblick auf Anpassungen zugunsten eines geringeren administrativen Aufwands zu durchleuchten. Dies beträfe § 11 Abs. 1 der Verordnung (Berufsauftrag und Arbeitszeit Lehrpersonen; Arbeitszeiterfassung). Mall glaubt, dass der Motionärin damit eher geholfen wäre.


Balz Stückelberger (FDP) begründet, warum seine Fraktion zwar Verständnis für das Anliegen hat, es jedoch nur in Form eines Postulats überweisen will. Es geht um ein grundsätzliches Problem der Arbeitszeiterfassung bei Personen, die eigenverantwortlich und nach Ziel arbeiten. Dies betrifft nicht nur Lehrpersonen; viele Kaderangestellte sind ebenfalls dazu gezwungen zu «minütelen». Die FDP möchte dieses Thema in einen grösseren Kontext stellen und daran erinnern, dass vor kurzem ein vom Votanten formuliertes Postulat zu eben diesem Thema abgeschrieben wurde. Damals erging der Hinweis, dass man die Entwicklung auf Bundesebene abwarten wolle, wo im Laufe dieses Jahres ein Lösungsvorschlag zu erwarten ist. Es wäre ein Schnellschuss, würde man bei diesem Thema lediglich die Lehrerschaft berücksichtigen. Ein globaleres Vorgehen wäre wünschenswert.


Auch die CVP/EVP-Fraktion beurteile die im Moment angewendete individuelle Zeiterfassung von Lehrpersonen als unbefriedigend, verdeutlicht Sabrina Corvini-Mohn (CVP). Die Fraktion würde ein Postulat unterstützen, bezüglich einer Motion ist sie allerdings gespalten; Unterstützung findet die Motion bei jenen, die mit den von Christine Koch vorgebrachten Erfahrungsberichten und ihrer Einschätzung als Alibiübung einig gehen. Andererseits sieht ein Teil der Fraktion die Wichtigkeit einer solchen Agendaführung, gerade in Zeiten von Unsicherheiten aufgrund von Reformen - quasi als Schutz für die Arbeitnehmenden.


Michael Vollgraff (Grüne) weist darauf hin, dass er in dieser Frage ebenso wie seine Fraktion «gespalten» sei. Es beruhigt ihn immerhin zu sehen, dass diese Diagnose auf die meisten im Saal ebenfalls zutrifft. Notabene auch auf jene Fraktionen, die zuvor, mit der Abschaffung «unnötiger Dinge», einheitlich einen Millionenbetrag einsparen wollten. Diese Haltung setzt sich aber bei der vorliegenden Motion nicht fort.


Es ist eher schwierig, eine Empfehlung abzugeben. Was es aber sicher braucht, ist die Unterstützung der Lehrerkräfte in ihrem Engagement für die Institution Schule sowie für die Schülerinnen und Schüler. Dafür ist ihre Zeit besser eingesetzt. Ob die Stundenbuchhaltung wirklich so viel Zeit wegfrisst, wird sich vielleicht im Rahmen des Prüfens des Postulats zeigen.


Marc Bürgi (BDP) sagt, dass die BDP/glp-Fraktion mit der jetzigen Lösung nicht ganz glücklich sei. Die Situation sollte deshalb genauer angeschaut und geprüft werden. Was ist zu beachten? Balz Stückelberger, der die Abschaffung der Zeiterfassung anregt, muss entgegnet werden, dass nicht jede Lehrperson eine Führungskraft ist. Als Schulleiter ist Überzeit wohl im Lohn inbegriffen; bei einer Kindergärtnerin oder einem Primarschullehrer ist dies jedoch nicht der Fall. Im vorherigen Traktandum wurde eine Motion zur Verringerung des zeitlichen Bedarfs für Bürokratie überwiesen. Wie aber will man quantitativ erfassen, dass eine Lehrkraft zu viel Zeit dafür aufwendet? Ohne klare Zeiterfassung kann der Betrieb nicht optimiert werden. Über deren Umsetzung kann und darf diskutiert werden. Die Umwandlung in ein Postulat wäre dieser Sache somit dienlich.


Christine Koch (SP) geht durchaus mit Thomas Bühler einig, insofern die genannten «Ämtli» ihre Bedeutung haben und entsprechend des Aufwands gewichtet werden sollen. So ist das Verwalten einer Schulhausapotheke längst nicht so zeitintensiv wie eine Materialbestellung und -verteilung. Trotzdem ist sie gegen das Führen eines Formularkriegs, vor allem dann, wenn die Formulare am Ende des Jahres nicht einmal Beachtung finden. Es geht ihr jedoch nicht um die Abschaffung sämtlicher Kontrollen, die eine einigermassen gleichberechtigte Aufteilung des Aufwands unter den Lehrpersonen ermöglichen. Regierungsrat Wüthrich hatte vorhin gesagt, dass ein Postulat nicht nur im Prüfen und Berichten besteht, sondern die Aufforderung beinhaltet, in einer bestimmten Sache tätig zu werden.


Unter diesen Umständen ist sie zur Umwandlung in ein Postulat bereit. Darauf müssen jedoch Konsequenzen folgen.


Landratspräsidentin Marianne Hollinger (FDP) gibt bekannt, dass die Motion somit in ein Postulat umgewandelt ist.


Marc Joset (SP) möchte das geschilderte Problem nicht von hinten, sondern von vorne lösen. Die Zeiterfassung wurde einst vom Schweizer Lehrerverein angeordnet, nachdem aus verschiedenen Richtungen die Kritik geäussert wurde, die Arbeitsbelastung sei ungerecht verteilt. Es wurde dann die Jahresarbeitszeit erfasst, was zum aktuellen Berufsauftrag führte. Die Zeiterfassung ist nun lediglich ein Instrument, mit dem festgestellt werden soll, ob dieser richtig erfüllt wird. Die einzige Konsequenz ist der letzte Satz aus der Antwort der Regierung: Es braucht eine Überarbeitung des Berufsauftrags (Verhältnis von 85% zu 15% etc.). Damit liessen sich noch andere Probleme gleichzeitig angehen.


Für Klaus Kirchmayr (Grüne) ist der Verlauf der Diskussion frustrierend. Es wird eine Motion mit dem Ziel überwiesen, administrativen Aufwand in der Bildungsbürokratie abzubauen, um Geld zu sparen - ohne dass die Probleme genau lokalisiert werden. Hier hätte man einen konkreten Hinweis, wie Lehrpersonen zur mühevollen Zeiterfassung verpflichtet werden. Beide angewandten Methoden sind widersinnig: Das eine braucht extrem viel Zeit, das andere produziert Papier ohne Resultat. Es wurde bereits anlässlich der letzten Ratsdebatte zu diesem Thema deutlich, dass dies nicht länger so weitergehen kann. Leider gibt es noch keinen konkreten Vorschlag zur Abhilfe. Stattdessen geht es in eine weitere Prüfschlaufe. Der Votant hofft inständig, dass für das sinnlose Bürokratie-Thema eine sinnvollere Lösung gefunden wird. Balz Stückelbergers Vorschlag einer Revitalisierung der Vertrauensarbeitszeit scheint gerade beim Lehrerberuf sinnvoll. Er hofft, dass hier genügend Druck in der Personalkommission und den entsprechenden Direktionen entsteht.


Da die Überweisung als Postulat in mindestens einem Fall umstritten ist (Thomas Bühler), lässt Landratspräsidentin Marianne Hollinger (FDP) abstimmen.


://: Der Landrat überweist den Vorstoss 2013/026 als Postulat mit 60:16 bei 1 Enthaltung. [ Namenliste


Für das Protokoll:
Markus Kocher, Landeskanzlei



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