Protokoll der Landratssitzung vom 23. März 2006

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2005-144 vom 26. Mai 2005
Postulat von Dieter Völlmin: Wiedereinführung des Semesterzeugnis an den Primarschulen
- Beschluss des Landrats: < überwiesen >


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2005-146 vom 26. Mai 2005
Postulat von Florence Brenzikofer: Neues Beurteilungssystem an den Baselbieter Primarschulen
- Beschluss des Landrats: < überwiesen >



Nr. 1726

[Der Entscheid über die gleichzeitige Behandlung der beiden Postulate fällt erst im Verlauf der Diskussion in Anbetracht der vorgerückten Zeit. Die ersten beiden Äusserungen des Landratspräsidenten sowie das Erstvotum von Eva Chappuis beziehen sich daher auf das Postulat von Dieter Völlmin]


Eric Nussbaumer erklärt, die Regierung sei zur Entgegennahme des Postulats bereit und fragt nun prophylaktisch, ob ein gegenteiliger Antrag vorliegt.


Eva Chappuis und Agathe Schuler melden sich praktisch zeitgleich zu Wort. Letztere meint, wahrscheinlich müsse sie es machen wie Jürg Wiedemann am Morgen...


Der Landratspräsident erinnert nochmals an die gesetzlich fest gehaltenen Spielregeln. Wenn die Regierung bereit ist, eine Motion oder ein Postulat entgegen zu nehmen, so gibt es im Landrat nur eine Diskussion, wenn ein gegenteiliger Antrag vorliegt. Er nimmt zur Kenntnis, dass Eva Chappuis einen gegenteiligen Antrag stellen möchte.


Eva Chappuis bestätigt diese Annahme und stellt namens der SP den Antrag, das Postulat (2005/144) nicht zu überweisen. Die Forderung des Postulats sei klar "Rückkehr zu zwei Semesterzeugnissen an der Primarschule". Der Vorstoss sei aufgrund von relativ missverständlichen und zum Teil auch "kreuzfalschen" Äusserungen in den Medien zustande gekommen. Das für die Mitte Schuljahr stattfindenden Gespräche eingeleitete Verfahren habe sich inzwischen in der Praxis bewährt. Lehrerinnen und Lehrer seien damit zufrieden und finden, es verbessere die Zusammenarbeitskultur mit den Erziehungsberechtigten. Man möchte nun nicht nach dieser kurzen Dauer bereits wieder eine Änderung von etwas, das sich in der Praxis bewähre, wogegen es aber zugegebenermassen im Moment des Publikwerdens massiven Widerstand gegeben habe. Die SP spricht sich mit grosser Mehrheit gegen eine Überweisung des Postulats und für die Beibehaltung der jetzigen Praxis aus.


Agathe Schuler und die CVP-/EVP-Fraktion sind sehr interessiert daran, zu erfahren, warum die Regierung bereit ist, die zwei Postulate entgegenzunehmen, welche eine Änderung des Beurteilungssystems an der Primarschule nach noch nicht einmal zwei Jahren verlangen. Für ihre Fraktion hat eine gewisse Stetigkeit, Konstanz und Ruhe an den Schulen, auch betreffend Beurteilungssystem, höchste Priorität. Es könne und dürfe nicht sein, dass Eltern, Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrkräfte mit dauernden Veränderungen konfrontiert werden. So ist kein kontinuierliches Arbeiten möglich. Die Primarschule dauert fünf Jahre; also müsste das Erprobungsverfahren für ein solches Beurteilungssystem mindestens 5 Jahre dauern. Wenn nicht, so würde das bedeuten, dass ein Kind und dessen Eltern innerhalb der fünfjährigen Primarschulzeit mit drei verschiedenen Systemen konfrontiert sind, warnt sie. Man behält sich eine Zustimmung zum Postulat (2005/144) vor, sollte dessen Entgegennahme in die vorgesehenen Evaluationen münden. Eine sofortige Änderung beabsichtige man nicht.


Regierungsrat Urs Wüthrich begründet in seiner Antwort gleichzeitig die Entgegennahme des nächst folgenden Postulats von Florence Brezikofer (2005/146): Eine Revisionsvorlage respektive eine Abänderung der Verordnung ist nicht bereits für nächste Woche geplant. Das Thema Beurteilung, Beförderung bildet aber im Bildungsbericht 2007 einen zentralen Punkt. Daher werden die sich zum Teil widersprechenden Anträge der beiden Vorstösse, deren Überlegungen und Forderungen im Bildungsbericht thematisiert und den BKSD-Vorschlägen gegenübergestellt, um daraus allfällige Schlussfolgerungen zu ziehen. Bezüglich Umsetzungszeitpunkt wird man der Tatsache Rechnung tragen, dass im Bildungsbereich Konsolidierungsphasen genauso wichtig sind wie Reformphasen. In diesem Sinne ist die Regierung bereit, die beiden Vorstösse zu übernehmen.


Karl Willimann meint namens der SVP, auch wenn die Lehrerschaft mit einem Zustand zufrieden sei, so gelte dies nicht unbedingt für die Erziehungsberechtigten; diese könnten durchaus unzufrieden sein. Hier sei dies jedenfalls so. Die Änderung habe Knall auf Fall stattgefunden. Die Neuregelung empfindet man als einen Mangel im Beurteilungssystem. Das Semesterzeugnis mit seinen überblickbaren Zeitabständen sei für die Kinder eine zuverlässige Orientierungshilfe. Das Beurteilungsgespräch mit den Eltern könne trotzdem stattfinden, auch wenn ein Semesterzeugnis abgegeben wird. Man ist der Meinung, das Zeugnis sei im Interesse der Kinder wie auch der Erziehungsberechtigten.


Er selbst ist beinahe überzeugt, dass es auch Lehrpersonen gibt, die dieser Meinung sind.


Rudolf Keller findet, die beiden zur Debatte stehenden Vorstösse widersprechen sich überhaupt nicht, sondern ergänzten sich, im Gegenteil, sinnvoll. Aus diesem Grund könne er auch beiden Vorstössen problemlos zustimmen. Das jetzt zur Diskussion stehende Postulat (2005/144) sei einerseits gut, andererseits aber auch dringend notwendig. Denn was jetzt ablaufe, fänden sehr viele Leute 'gar nicht so gut', auch wenn vorher so getan worden sei, es laufe alles rund und alle seien zufrieden. Die ihm zugetragenen Reaktionen aus Eltern- aber auch Lehrerkreisen zeigen seines Erachtens, dass auch bei der Lehrerschaft in dieser Frage sehr viel Fragezeichen gesetzt werden.


Er verweist darauf, dass in mehreren Westschweizer Kantonen ein ganz ähnliches Bildungssystem wie im Baselbiet eingeführt worden sei. Dort kommt man von den Bewertungspunkten "gut", "zufriedenstellend" etc. wieder ab und kehrt zur normalen Notengebung zurück; ein Trend, der im Übrigen auch in den Nachbarländern wieder vermehrt beobachtet werden könne. Selbstverständlich gehöre dazu auch das Zwischen- oder Semesterzeugnis.


Viele Eltern und Kinder können mit den drei undifferenzierten Ausdrücken, die für die jetzige Bewertung benutzt werden - erreicht, gut, nicht erreicht - nicht sehr viel anfangen. Es sei ziemlich schwierig, diese Bewertungsskala einigermassen sinnvoll zu erfassen. Seine Aussage, dass vor allem viele Ausländer Probleme mit den Elterngesprächen haben, teilten im Übrigen manche Lehrerinnen und Lehrer. Die Durchführung dieser Elterngespräche gestalte sich bei vielen Leuten ausserordentlich schwierig.


Ein "gut" könne beispielsweise genauso die Note 5 wie auch 6 bedeuten, was aber einen 'kleinen' Unterschied mache. Ein "erreicht" kann 3-4, 4 oder 4-5 heissen, ebenfalls ein wesentlicher Unterscheid. Ein "nicht erreicht" kann von Note 2 bis Note 3-4 variieren. Da gebe es zum Teil sehr grosse Differenzen und der Interpretationsspielraum sei hoch. Er verweist auf die Wichtigkeit von klaren Beurteilungskriterien gerade in Grenzfällen, in denen es darum geht, ob ein Kind in die nächste Klasse versetzt werden kann oder nicht. Daher setzt er auch hinter die heute angewendeten Kurzbezeichnungen ganz grundlegende Fragezeichen.


Zudem sei ihm bei seinen eigenen Kindern dieses Jahr bezüglich Schulbewertung aufgefallen, dass es im letzten Jahr zum Teil andere Bewertungsfragen gab, so dass ein Vergleich nicht mehr möglich war. Wie soll solchermassen eine Gesamtschau, eine kontinuierliche Bewertung der Schulkinder überhaupt möglich sein? kritisiert er. Erlebe man solche Dinge, so komme man schon beinahe zu dem Schluss, dass die eigenen Kinder "Experimentsopfer" werden [einzeln Gelächter von links]. Nein, auf diese Art und Weise dürfe es nicht weiter gehen! regt er sich auf. Man müsse sich nun ernsthaft überlegen, ob man nicht wieder ganz generell die für die gesamte Bevölkerung verständliche Notengebung einführen sollte. Aufgrund der Formulierung des Regierungsrates nimmt er an, dass die beiden entgegen genommenen Vorstösse wohl auf der langen Bank landen werden und kündigt daher an, allenfalls mittels 1'500 Unterschriften Nägel mit Köpfen zu machen. Dann wolle er erst einmal sehen, was die Kantonsbevölkerung zu dem als "superfortschrittlich" angepriesenen Bewertungssystem zu sagen habe, ereifert er sich in lauter werdendem Tonfall weiter. Dazu komme, dass ab der sechsten Klasse, wie gehabt, die ganz normale Notengebung gelte, ebenso wie auch im späteren Berufsleben die Noten herangezogen werden, wenn es darum gehe, jemandem einen Job zu geben oder nicht. Er bittet das Ratsplenum, die beiden Vorstösse zu überweisen. Vielleicht müssen noch andere Wege beschritten werden. Möglicherweise würde aus der von ihm noch für dieses Jahr geplanten 'Bärchtolds-Initiative' eine Doppelinitiative.


Jürg Wiedemann erklärt, das neue Beurteilungssystem habe bei den Grünen Kopfschütteln ausgelöst und müsse ihres Erachtens korrigiert werden. Bereits den jüngsten Kindern zwischen 6 bis 10 Jahren werde damit eingetrichtert, dass es wichtige und unwichtige Fächer gibt. In den wichtigen respektive entscheidenden Fächern - Deutsch, Mathematik, Mensch und Umwelt - komme es darauf an, gut zu sein. In den unwichtigen Fächern spiele es keine Rolle, da es dort keine Noten gebe.


Damit 'trichtere' man den Primarschülerinnen und -schülern, ein unausgereiftes Beurteilungssystem ein, welches letztlich die Entwicklung der Kinder in den Bereichen Kreativität, Fähigkeit durch selbständiges Entdecken, Team und Sozialverhalten, ganz massiv behindere. Das Beurteilungssystem führe dazu, dass letztgenannte Werte als weniger wichtig eingestuft werden.


Ein hohes Mass an Kreativität, Selbstständigkeit und entdeckendem Lernen werde in den Fächern Musik, Zeichnen, Turnen verlangt. Implizit hätten also nur die kopflastigen Fächer Gewicht. Die Grüne Fraktion steht daher ganz klar für eine gleichwertige Benotung aller Fächer ein. In allen Fächern, inklusive Zeichnen, sollen auch Leistungen verlangt werden, so dass auch im Bewusstsein der Kinder eine Gleichgewichtung stattfindet. In der Sekundarschule habe man dieses Ziel, mit ganz wenigen Ausnahmen im P-Niveau, weitgehend erreicht. Selbst im Gymnasium sei dies der Fall. Dort wurden sogar Schwerpunktfächer wie Darstellendes Zeichnen, Musik und Sport definiert; alle Fächer zählen gleichwertig. Nur in der Primarschule werde die Fächer-Ungleichheit zementiert. Die SP bittet er zur Kenntnis zu nehmen, dass Kreativität und Teamfähigkeit auf Primarschulebene ebenso wichtig sind wie ein fundiertes Fachwissen.


Als sinnvoll erachten die Grünen ein Zeugnis mit Noten in allen Fächern am Ende der dritten, vierten und fünften Primarklasse; alle Noten sollen für die Promotion zählen. Im Verlauf des Schuljahres, etwa zum Semesterwechsel im Januar, sei ein Schulbericht aufgrund eines Beurteilungsgesprächs, in welchem auch Werte wie Sozialverhalten etc. mit den Eltern diskutiert werden, angebracht und sinnvoll. Zurückversetzungen sollen aber - und hier ortet der Votant eine ganz kleine Differenz zur SVP - ganz selten vorkommen und grundsätzlich nur am Ende des Schuljahres möglich sein. Dass heute - als Folge des Beurteilungssystems, meint er - ganz viele Primarschülerinnen und -schüler Nachhilfestunden nehmen müssen, hält er für hochgradig bedenklich.


Christine Mangold erklärt, bereits bei Erlass der Verordnung durch die Regierung habe sich die FDP klar ablehnend geäussert. Man habe auch einen anderen Weg vorgeschlagen. Der Zusammenhang der beiden Postulate sei durchaus gegeben, nicht zuletzt durch die gleichzeitige Umsetzung, hält sie fest. Sie möchte mit Hinweis auf die vorgerückte Zeit nur unterstützen, was ihre Vorredner gesagt haben. Die FDP spricht sich klar für eine Überweisung der Postulate aus. Man ist auf die Antwort der Regierung gespannt.


Zum Vorgehen möchte sie sich trotzdem noch 'in einem Satz' äussern: Sie selbst war überrascht zu erfahren, dass die Vorstösse von der Regierung entgegengenommen werden. Die heutige Diskussion zeige klar auf, dass es noch in keiner Weise so sei, wie Eva Chappuis gesagt habe, dass nämlich alle mit dem jetzigen Zustand zufrieden seien. Im Landratssaal ist nur ein kleiner Teil zufrieden damit, auch von den Lehrern und Eltern seien es nicht alle, im Gegenteil die, welche nichts mehr sagen, nähmen wohl die Situation als gegeben hin und versuchten, das Beste daraus zu machen. Glücklich sei wohl niemand damit.


Bereits beim Erlass der Verordnung habe sie zudem auf Folgendes hingewiesen: Hätte man dem § 89 [Bildungsgesetz] Nachachtung verschafft und realisiert, dass es sich bei diesem Thema um einen wesentlichen Punkt des Bildungssystems handelt, der den Einbezug des Landrats in die Diskussion erfordert, so hätte es nicht zu diesem unerfreulichen Ablauf der Dinge geführt: Einführung /Änderung in der Schule, gefolgt von einem grossen 'Aufheulen' bei Eltern, Medien und Landrat bei gleichzeitiger Umsetzung der Vorlage. - Und nun müssen im Nachhinein von der Regierung Postulate entgegengenommen werden, um eine erneute, allfällige Änderung zu überprüfen. Hätte man vorgängig gemäss § 89 im Landrat über das Thema diskutiert, so hätte es auch einen entsprechenden Landratsbeschluss gegeben und man müsste nicht allseits wieder auf den Entscheid zurückkommen.


Regula Meschberger findet es ganz gefährlich zu sagen, viele Eltern wie auch Lehrerinnen und Lehrer seien mit dem System nicht einverstanden. Sie selbst kennt genauso viele Eltern, die es gut finden wie auch Lehrkräfte, die sehr gern mit dem neuen Instrument arbeiten. Dass die Einführung nicht absolut ideal gewesen sei, sei allen bekannt. Es gab einige Mängel, man musste sich daran gewöhnen, hat in den letzten beiden Jahren Erfahrungen damit gesammelt, und zwar nicht nur negative, sondern auch sehr positive.


Speziell mit ausländischen Eltern mache man im Übrigen die Erfahrung - sie kommt aus einer Schule mit hohem Ausländeranteil -, dass diese Gespräche sehr wertvoll sind und viel mehr dazu beitragen, von einem Kind ein gesamthaftes Bild zu erhalten als jede Note. Mit dem neuen System werden Leistungen bewertet, das Kind wird aber auch in seiner Sozialkompetenz überprüft; es kann viel differenzierter beurteilt werden als mit jeder Note. Viele Eltern schätzen die Gespräche, weiss sie aus eigener Erfahrung, vor allem wenn diese Gespräche - wie an ihrer Schule üblich - zusammen mit dem Kind stattfinden. Das Kind kann nachvollziehen, was in dem Semester abgelaufen ist und wo es selbst steht.


Es verwundert sie, dass nun hier im Saal so oft die Aussagekraft respektive Vergleichbarkeit von Noten betont wird, wo es noch vor kurzem allenthalben geheissen habe, Noten seien wenig aussagekräftig, da sie je nach Schulhaus, Lehrperson oder Quartier anders gesetzt würden und daher nicht vergleichbar seien. Nun werde diesbezüglich ein Hohes Lied angestimmt, welches so nicht richtig sei.


Ziel ist es, in der Primarschule - und hoffentlich auch in der Sekundarschule - motivierte Kinder zu haben, die Freude am Unterricht haben. Ein motiviertes Kind bringe die verlangte Leistung. Es sei im Übrigen nicht so, entgegnet sie Jürg Wiedemann, dass man in der Primarschule keine Leistung verlange; der Lehrplan verlange das sehr wohl, und die Kinder erbringen die Leistungen auch, fügt sie an. Vergleiche seien nicht nur anhand von Zeugnissen möglich, sondern ganz gute Vergleichmöglichkeiten böten heute auch die kantonalen Orientierungsprüfungen, welche ein besseres Bild gäben als jede Note.


Den Zusammenhang, dass Primarschulkinder als Folge des neuen Beurteilungssystems vermehrt Nachhilfeunterricht in Anspruch nehmen, müsse man ihr zuerst beweisen. Sie hält solche Aussagen ebenfalls für gefährlich. Denn man stelle seit Jahren fest, dass Kinder in der Primarschule - respektive deren Eltern - vermehrt Nachhilfe verlangen. Dies habe aber mit etwas ganz anderem zu tun, nämlich mit dem Stellenwert, den die alte Realschule hatte und natürlich mit der wirtschaftlichen Situation. Alle Eltern wollen, dass ihre Kinder einen möglichst guten Schulabschluss machen und nicht ins Niveau A eintreten müssen.


Das System sei durchaus rekursfähig. Ende Schuljahr gibt es Noten. Von der Idee, das eine oder andere Fach sei wichtiger oder weniger wichtig als das andere, rein aufgrund der Tatsache, dass es benotet wird oder nicht, müsse man sich lösen. Jedes Fach sei gleich wichtig, und gerade in der Primarschule würden die Kinder dies lernen, um damit anschliessend in die Sekundarschule überzutreten. In der Sekundarschule hingegen habe eine Fächergewichtung stattgefunden, indem nämlich die Stundenzahl der handwerklichen Fächer Textiles Werken und Hauswirtschaft zurückgefahren wurden; dies wiederum sei ein klares Anzeichen dafüri, dass man diese Fächer als weniger wichtig einstuft.


Die Landrätin plädiert sehr dafür, das jetzt eingeführte System mindestens noch ein paar Jahre laufen zu lassen, um damit Erfahrungen sammeln zu können. Sie ist überzeugt, diese werde mehrheitlich positiv sein.


Eva Chappuis hat sich in ihrem ersten Votum, das sich nur auf das erste Postulat bezog, kurz gefasst und erklärt nun, die SP lehne auch das zweite Postulat ab. Sie wundert sich leicht über die Grünen, welche offenbar nicht zur Kenntnis genommen haben, dass es ungefähr seit dem Jahre 1979 in der 1. und 2. Primarschulklasse keine Noten mehr gibt. Nun fordern sie Noten! Die Argumentation der Grünen, es sei alles gleich wichtig und die Leistung müsse überall gleich honoriert werden, müsste eigentlich zur gegenteiligen Forderung führen, also selektionsfreie Primarschule, Punkt. Was sie aber nun wollten, seien zusätzlich Selektionsmassnahmen; ihr ist das unerklärlich.


Jacqueline Simonet möchte wissen, worüber nun abgestimmt wird. Wiederum sei, wie bereits am Morgen, eine unklare Situation entstanden. Einerseits sei die Regierung bereit zur Entgegennahme der Postulate, wenn auch für manche unbegreiflich bleibe, warum. Sie habe begriffen, warum. Die Angelegenheit werde scheinbar auf die lange Bank geschoben, bis im Jahr 2007 eine Stellungnahme stattfinde. Andererseits würde von den Postulanten verlangt, dass sofort etwas passiert. In der Mitte stünden Leute wie sie, die mit dem jetzigen System vielleicht nicht ganz zufrieden sind, gleichzeitig aber finden, man könne nicht ständig von Neuem wechseln. Zumindest die Chance zu einer Festigung müsse eingeräumt werden. Worüber wird jetzt abgestimmt: Akzeptieren und Schubladisieren oder sofortige Behandlung? bringt sie ihre Frage auf den Punkt.


Röbi Ziegler erwidert Rudolf Keller - spät aber kurz -, es sei zweifellos möglich, im Kanton 1'500 Unterschriften zu sammeln für eine Schule mit Noten von A bis Z. Zweifellos könne im Baselbiet auch dieselbe Anzahl Unterschriften für eine Schule beigebracht werden, in welcher der Lehrer mit einem Rohrstock durch die Reihen gehe [Heiterkeit, vermischt mit Buhrufen], denn mindestens so viele Baselbieter gebe es, die sich die Schule so vorstellten, wie sie früher war.


Bezüglich Ansinnen der Grünen frage er sich ernsthaft, was für ein Menschenbild dahinter stehe. Kommt man zur Welt, um möglichst früh qualifiziert und slektioniert zu werden, oder um im Verlauf seiner Entwicklung seine Individualität entfalten zu können? - Man stelle sich einen Primarschüler vor, bei dem es überall darauf ankommt, wie gut er ist. Man versetze sich in die Lage eines solchen Knirpses, der vor der Stange steht, hinauf klettern muss und weiss, dass er es nicht schafft. Man fühle sich in ein Kind ein, das vorsingen muss! Bei ihm habe es in der vierten Klasse noch geheissen, "Stimme nicht entwickelt", nun sei sie entwickelt [Gelächter].


[Der Landratspräsident bittet mittels Glocke um Ruhe]


Muss ein Kind das Gefühl haben, Zeichnen sei wichtig? Reicht es nicht, redet sich Röbi Ziegler ins Feuer, wenn ein Acht- oder Neunjähriger mit Eifer eine Zeichnung macht? Wenn er nun einen Kopffüssler zeichnet, ist das ungenügend? - Hiesse er Juan Miro, würde das Bild Tausende von Franken kosten...[Heiterkeit]


Madeleine Göschke versteht ein Stückweit Regula Meschbergers Aufregung. Die Notengebung sei aber nur ein Teil. Es heisse in keinem der Postulate, dass die wichtigen Elterngespräche in Anwesenheit des Kindes nicht mehr geführt werden sollen. Ihrem Vorredner gibt sie zu bedenken, dass man vor zwei Jahren beabsichtigte, im Kindergarten Life Sciences zu fördern. Worauf sollen nun unsere Kinder vorbereitet werden? fragt sie. Die Zukunft sehe nun einmal anders aus, als man es vielleicht selbst gern hätte. Es müsse eine Lösung gefunden werden, die allen Kindern gerecht wird. Noten zu haben sei auch für viele Kinder eine Freude; oft können sie mit einer Note mehr anfangen als mit einem Wort. Bei den Eltern mag es umgekehrt sein. Aber auch die Kinder stehen bereits auf spielerische Art in einem Wettbewerb. Die Noten dürfen ihrer Ansicht nach nicht so negativ beurteilt werden.


Jürg Wiedemann entgegnet Eva Chappuis und Röbi Ziegler: Die Grünen wollen nicht, dass eine Selektion aufgrund der drei Fächer Mathematik, Deutsch, Mensch und Umwelt erfolgt. Denn genau das sei Selektionieren, und das wolle man nicht.


Regierungsrat Urs Wüthrich sieht sich durch die erfolgte Diskussion in der Meinung bestärkt, dass der Entscheid der Regierung absolut richtig ist. Das Postulat soll überwiesen und damit die Chance zu einer grundlegenden, systematischen Diskussion geschaffen werden. Dafür gebe es ein ideales Werkzug, das keineswegs die despektierliche Bezeichnung 'lange Bank' verdiene, nämlich den vom Parlament beschlossenen Bildungsbericht. Dieser soll eine systematische Auslegeordnung als Grundlage für eine Standortbestimmung und die Chance für gemeinsame Schlussfolgerungen auf Parlamentsstufe beinhalten sowie Aussagen und Positionsbezüge, die als Orientierungsrahmen für spätere Regierungsbeschlüsse dienen können.


Zudem stimme das Timing, da damit die laut Landratsgesetz vorgesehene Behandlungsfrist für Postulate eingehalten wird.


Eric Nussbaumer stellt nachträglich fest, dass sich das Ratskollegium im Verlauf der Diskussion dafür entschieden hat, gleichzeitig zu Traktandum 29 Stellung zu beziehen. Daher werden im Anschluss beide Vorstösse zur Abstimmung gelangen.


Postulat Dieter Völlmin


://: Der Landrat überweist das Postulat 2005/144 mit 54 : 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen.


Postulat Florence Brenzikofer


://: Das Postulat 2005/146 wird vom Landrat mit 51 :19 Stimmen bei 4 Enthaltungen überwiesen.



Eric Nussbaumer bricht an dieser Stelle die Beratung ab, weist auf die anschliessend stattfindende Ratskonferenz hin und wünscht allen eine gute Heimkehr.

Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



Sitzungsschluss: 17. 10 Uhr

Die nächste Landratssitzung findet statt am 27. März 2006



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