Protokoll der Landratssitzung vom 23. März 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 23. März 2006 |
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2006-008
vom 12. Januar 2006
Interpellation
von
Esther Maag
: Fussbälle auf den Augen
- Beschluss des Landrats: < beantwortet >
Nr. 1719
Regierungsrat Urs Wüthrich nimmt mit dem Hinweis, auf eine ausführliche Schilderung der Ausgangslage zu verzichten - diese Aufgabe hätten das eidgenössische Parlament und die Medien in den letzten Wochen bereits bestens erfüllt - zur Interpellation wie folgt Stellung:
1. Warum muss jede/r auswärtige KünstlerIn Quellensteuer abführen, nicht aber die Fussballer?
2. Warum erfahren Fussballer diesbezüglich eine Sonderbehandlung?
3. Warum muss die Uefa als Gewinn erzielender Verein keine Steuern zahlen?
Es trifft zu, dass die Uefa dem Bund einen Antrag auf Befreiung von der Quellensteuer gestellt hat. Eine solche Befreiung bedingt eine Anpassung der Gesetzgebung auf eidgenössischer Ebene; das Bundesparlament beabsichtigt aber offenbar nicht, eine solche Gesetzesänderung vorzunehmen. Demzufolge haben Fussballer wie auch Künstlerinnen und Künstler eine Quellensteuer auf dem Einkommen, das sie in der Schweiz generieren, zu entrichten. Nach Auffassung der eidgenössischen Steuerverwaltung ist die Uefa dafür verantwortlich, dass diese Abgabe tatsächlich entrichtet wird. Die Uefa selber ist nicht quellensteuerpflichtig, da sie ihren Sitz in Nyon hat.
Denkbar ist es, die Uefa gänzlich von der Steuerpflicht zu befreien, sofern diese unter die Kategorie jener Rechtspersonen fällt, die gemeinnützige Aufgaben erfüllen; dies zu beurteilen, ist Sache des Kantons Waadt und der eidgenössischen Steuerverwaltung.
4. Wie kann man die Uefa zwingen, sich an den Kosten zu beteiligen, und wohin wird ihr erwarteter Gewinn von 1,5 Milliarden Franken fliessen?
Die Höhe des Gewinns wird erst nach der Meisterschaft feststehen und kann sicherlich nicht im Voraus beziffert werden.
Im Sinne zweier Vorbemerkungen ist festzuhalten, dass die Uefa die Kosten für die Sicherheit in den Stadien übernimmt und dass die Spielregeln zwischen der Uefa und den jeweiligen Austragungsländern im Hinblick auf die EURO 08 nicht neu erfunden worden sind; vielmehr waren diese bereits bekannt, als sich die Schweiz und Österreich als Austragungsländer beworben haben.
Einigermassen gesichert ist derzeit die Information, dass die Uefa den Mitgliedverbänden insgesamt 400 Millionen Franken ausbezahlen wird, wovon 200 Millionen Franken für Prämien an die Verbände der teilnehmenden Länder vorgesehen sind. Der Schweizerische Fussballverband partizipiert daran mit 12 Millionen Franken und einem Bonus von maximal 3 Millionen Franken.
Die Uefa ist aufgrund der getroffenen Abmachungen nicht zuständig für die Kosten, welche für die Sicherheit ausserhalb der Stadien anfallen; die entsprechende Garantie hat der Schweizerische Fussballverband im Rahmen der Kandidatur abgegeben, weil die Schweiz sonst den Zuschlag nicht erhalten hätte.
In den übrigen Bereichen, etwa bei der Standortpromotion, wird sich die EURO 08 S.A. jedoch beteiligen. Sie hat auch die Bereitschaft signalisiert, den Austragungsorten durch die zusätzliche Abtretung bestimmter Rechte neu weitere Einnahmequellen zu erschliessen; die entsprechenden Verhandlungen sind noch im Gange.
5. Wie kann der Kanton die anstehenden Kosten minimieren?
Dank dem zusätzlichen Betrag in der Höhe von 10.8 Millionen Franken, den der Nationalrat für Sicherheitskosten gesprochen hat, werden die Austragungsorte entsprechend entlastet.
Die Regierung hat im Zusammenhang mit dem Antrag für den Projektierungskredit bereits kommuniziert, dass es sich bei den eingesetzten Kosten um Bruttozahlen handle, die durch eine geschickte Planung und die Abgeltung gewisser Leistungen durch die Verursacher um mehr als die Hälfte reduziert werden sollen. Es besteht ferner die Absicht, in einer "Host City Charta" zwischen den Austragungsorten und der EURO 08 S.A. die Schnittstellen, auch die rechtlichen, zu regeln. Die Regierung geht davon aus, dass Basel-Landschaft und Basel-Stadt an zusätzlichen Einnahmen aus der Einkommenssteuer und der Quellensteuer werden partizipieren können. Ihr ist es wichtig, dass im Rahmen der geplanten Aktivitäten das Standortmarketing weiterhin eine zentrale Rolle einnimmt, um so nicht eine Chance zu verpassen und um längerfristig Erträge generieren zu können.
6. Besteht für den Kanton Basel-Landschaft eine Möglichkeit, sich gar nicht an den Kosten der EURO 08 zu beteiligen?
Wenn Basel-Stadt Austragungsort der EURO 08 ist, so findet sie zwangsläufig auch im Kanton Baselland statt; das Stadion befindet sich zwar in der Stadt, die Erschliessung erfolgt aber über unser Kantonsgebiet. Unser Kanton ist also einbezogen, wenn es darum geht, die Sicherheit und die Verkehrserschliessung zu gewährleisten. Die Regierung hat sich deshalb entschieden, die EURO 08 mitzugestalten und zusammen mit Basel-Stadt als partnerschaftliches Projekt anzugehen. Zur aktiven Mitgestaltung gehört auch, dafür zu sorgen, dass die EURO 08 der Bevölkerung als positives Ereignis in Erinnerung bleiben wird.
7. Wie könnten sich die Hotels und Restaurants, die auch zu den Gewinnern gehören werden, an den Kosten beteiligen?
Hotels und Restaurants werden sich insofern an den Kosten beteiligen, als sie aufgrund zusätzlicher Umsätze mehr Steuern bezahlen werden. Die Regierung geht davon aus, dass die Hotels und Restaurants, aber auch die Bevölkerung sich als erstklassige Gastgeber präsentieren werden und so zum positiven Image der ganzen Region beitragen werden. Klar ist auch, dass Private bei Events im Rahmen der public-private partnership ihre Beiträge leisten werden. Im Übrigen ist es bei anderen Grossveranstaltungen, etwa bei Messen oder bei der Fasnacht, auch nicht üblich, die Kosten auf die Veranstalter abzuwälzen.
8. Wie kann der Regierungsrat den Kopf zum jetzigen Zeitpunkt noch aus der Schlinge ziehen, indem er sich weigert, mitunterstützender Austragungsort zu sein?
Es handelt sich nicht um eine Schlinge, sondern um eine Chance. Wie bereits erwähnt, versteht sich der Kanton Basel-Landschaft als Teil der Host City Basel und ist bisher auch so aufgetreten. Eine Weigerung, sich finanziell zu beteiligen, speziell beim Standortmarketing und bei Events, würde sich wohl als Bumerang erweisen, vergäbe sich unser Kanton so die Chance, von diesem Ereignis zu profitieren. Alle bisherigen Vorbereitungen in Sachen Standortmarketing sind auf die Region als ganze ausgerichtet und nicht allein auf die Stadt Basel. Ein Ausstieg würde auch einen Rückschlag für die partnerschaftlichen Verhandlungen bedeuten, die vorab zum Ziel haben, die Region zu stärken, und nicht, die Stadt zu entlasten.
9. Besteht eine grundsätzliche Referendumsmöglichkeit?
Es besteht nicht nur eine Referendumsfrist, sondern auch das Recht auf ein Referendum. Die Finanzvorlage, welche die Regierung dem Landrat unterbreiten wird, untersteht selbstverständlich der entsprechenden Referendumsregelung.
10. Was gedenkt der Kanton gleichzeitig für den Breitensport zu tun?
11. Steht gleich viel Geld für den Breitensport und damit für eine nachhaltige Gesundheitsförderung zur Verfügung?
Wenn es im Rahmen der EURO 08 gelingt, die Bevölkerung zu begeistern, wird dieses Ereignis eine Sogwirkung auf den Breitensport haben. Rund um die EURO 08 sollen vielfältige Projekte verwirklicht werden, bei denen es um Bewegung und Begegnung geht; über Mittel und Massnahmen wird der Landrat zu entscheiden haben. Mittel und mögliche Ansatzpunkte bestehen bereits auch mit dem verabschiedeten Konzept für Bewegung und Sport.
Eine erfreuliche Vorwirkung der EURO 08 ist bereits spürbar in Form eines Fussball-Booms, der sich auch im Mädchenfussball sehr eindrücklich manifestiert; gegenwärtig werden jährlich Hunderte Fussballspielerinnen neu lizenziert. Um diesem Boom über die Fussballvereine hinaus Rechnung zu tragen, hat der Kanton diese Woche 38 neue Streetsoccer-Anlagen vorstellen können, die den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden sollen. Wichtig ist auch, dass die Gelder, welche der Schweizerische Fussballverband kassieren wird, zwingend in die Nachwuchsförderung und nicht in den Spitzenfussball investiert werden.
Wird der Behindertensport auch zum Breitensport gezählt, so sei daran erinnert, dass gestern Schulsport-Awards verliehen worden sind. Ausgezeichnet wurde beispielsweise jene Schule, die Menschen mit Behinderungen in ihren Schulsporttag einbezogen hatte. Integration und ein Miteinander verschiedener Bevölkerungsgruppen sind somit ebenfalls wichtige Themen.
12. Wieviel Kosten entstehen der öffentlichen Hand durch Männer (Fussballer, Fussballer-Betreuer, Polizisten, Hooligans etc.)?
13. Steht der gleiche Betrag auch für Frauenprojekte zur Verfügung?
Das Polizeikorps des Kantons Basel-Landschaft hat schweizweit noch immer den höchsten Frauenanteil. Ferner wird an der EURO 08 ausschliesslich Männerfussball ausgetragen; es gibt nur Mann- und keine Frauschaften. Gleichzeitig ist es Realität, dass der Anteil des weiblichen Publikums bei Fussballspielen massiv zugenommen hat; die Besucherinnen haben dabei den gleichen Anspruch auf Sicherheitsleistungen wie die Besucher. Kosten entstehen also zugunsten von Frauen genauso wie zugunsten von Männern.
Im Rahmen der geplanten Events rund die EURO 08 wird im Übrigen ein besonderes Augenmerk auf Projekte gerichtet, die für Männer und Frauen gleichermassen attraktiv sind.
Zu erwähnen ist auch, dass die Zunahme bei den Fussballerinnen in den letzten Jahren mit 40% massiv höher ist als bei den Fussballern.
Jürg Wiedemann beantragt die Diskussion.
://: Die Diskussion wird stillschweigend bewilligt.
Ganz zu Beginn, als noch von Kosten in der Höhe von 3,5 Millionen Franken die Rede gewesen sei, habe der Bund erklärt, die Kantone hätten zwar für die Sicherheit zu sorgen, müssten aber nicht für die entsprechenden Kosten aufkommen, stellt Jürg Wiedemann fest.
In der Zwischenzeit sind die Kosten explodiert. Der Bund versucht, die Kosten, die zu bezahlen er mit der Uefa vertraglich vereinbart hat, auf die Kantone abzuwälzen; er hält sich also nicht an seine ursprünglichen Zusagen.
Von der Regierung möchte Jürg Wiedemann nun wissen, weshalb sie nicht stärker beim Bund interveniere und von ihm verlange, sich an seine ursprünglichen Zusagen zu halten.
Regierungsrat Urs Wüthrich hält einleitend fest, es sei schwierig nachzuvollziehen, wer genau was und wann zugesichert habe; eine verbindliche Zusicherung habe einzig der Schweizerische Fussballverband im Rahmen der Bewerbung gemacht.
Die Polizeidirektorenkonferenz hat erklärt, organisatorisch und logistisch in der Lage zu sein, die Sicherheit zu gewährleisten, aber nicht, dass die Kantone für die Kosten aufkommen würden. Die aktuelle Situation ist so, dass alle Kantone, also nicht nur die Austragungskantone, sich beteiligen werden, indem sie Polizeimittel unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Zur Frage, warum die Regierung nicht stärker beim Bund interveniert habe, verweist Urs Wüthrich auf die vom Nationalrat zusätzlich bewilligten 10,8 Millionen Franken; wie stark dieser Erfolg auf das Lobbying und die Interventionen der Kantone zurückzuführen sei, vermöge er persönlich allerdings nicht zu beurteilen.
Es gibt keine weiteren Wortbegehren.
://: Damit ist die Dringliche Interpellation 2006/008 beantwortet.
Für das Protokoll:
Barbara Imwinkelried, Landeskanzlei
Fortsetzung