Protokoll der Landratssitzung vom 18. Mai 2006

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2005-256 vom 22. September 2005
Postulat von Martin Rüegg: Neues Gymnasium im oberen Baselbiet?
- Beschluss des Landrats < abgelehnt >



Nr. 1844

Landratspräsident Eric Nussbaumer erklärt, der Regierungsrat lehne das Postulat ab und erteilt das Wort RR Urs Wüthrich.


RR Urs Wüthrich kennt die Raumnot des Gymnasiums Liestal und hat die bis 2013 weiter steigende Klassenzahl sehr wohl zur Kenntnis genommen. Die BKSD ist dabei zu prüfen, wie der Raumnot begegnet werden könnte. Ein konkretes Beispiel einer Sofortmassnahme war die rasche Realisierung eines Pavillons. In Zusammenarbeit mit der BKSD erarbeitet eine Planungsgruppe des Hochbauamtes weitere konkrete Lösungen, etwa die Aufstockung des vor neun Jahren erstellten Erweiterungsbaus, eine von der BKSD klar favorisierte Variante.


Die Schulleitung und der Schulrat intervenierten im Verlaufe der vergangenen Tage sehr energisch bei der BUD und verlangen dringend die Aufstockung als Sofortmassnahme. Nicht ausser Acht gelassen werden darf bei der zukünftigen Raumplanung, dass ab 2013 eine rückläufige Entwicklung der Klassenzahlen prognostiziert wird. Auf die Prüfung der im Postulat verlangten, weiteren Varianten möchte der Regierungsrat verzichten, mehr als Verzögerungen würde man sich damit nicht einhandeln.


Der Regierungsrat beantragt konsequenterweise, das Postulat nicht zu überweisen.


Martin Rüegg stellt vorab fest, dass im Kanton Basel-Landschaft an mehreren Orten - wie in Oberdorf - neue Schulhäuser gebaut oder - wie in Zwingen, Lausen und Gelterkinden - geplant werden.


Warum die Regierung den Auftrag der immerhin mit 200'000 Franken dotierten Planungsgruppe nicht erweitern will, um das Raumproblem des Gymnasiums Liestals endlich langfristig zu lösen, ist schleierhaft und muss als Vogel Strauss Politik bezeichnet werden. Als das Postulat verfasst wurde, September 2005, gingen die Planenden von 56 Klassen ab August 2006 aus. In der Zwischenzeit ist klar, dass 57 Klassen gebildet werden müssen. Diese Entwicklung soll gemäss Planungszahlen von BKSD und BUD bis 2011 munter weiter gehen. Die Planungsgenauigkeit beträgt plus minus drei Klassen, statt 57 könnten somit auch 60 Klassen gebildet werden müssen. Auch für das Jahr 2016 wird noch mit 55 Klassen gerechnet.


Mit der Eröffnung der Umfahrung Sissach und dem Bau der H2 wird die Attraktivität, im Oberbaselbiet zu wohnen und zu leben, mit Sicherheit weiter zunehmen. Junge Familien werden in den Bezirken Liestal und Sissach eine Wohnung oder ein Haus suchen und ihre Kinder nach Liestal ins Gymnasium schicken.


Doch stehen neben der wachsenden Schülerzahl weitere Aspekte im Raum, die für ein Gymnasium im obereren Baselbiet sprechen: Das Liestaler Sichterenquartier, wo das Gymnasium und das Rotackerschulhaus stehen, wächst, die Bautätigkeit und der zunehmende Verkehr sind unübersehbar. Das Sichterenquartier muss längerfristig entlastet werden.


Weiter zeigt der Vergleich mit anderen Bezirken folgendes Bild: Der etwa 150'000 Einwohner starke Bezirk Arlesheim hat mit Muttenz, Münchenstein und Oberwil drei Gymnasien, jedes Gymnasium hat rein rechnerisch ein Einzugsgebiet von 50'000 Einwohnern. Der 18'000 Einwohner kleine Bezirk Laufen führt ein Gymnasium mit rund 200 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Die Bezirke Liestal, Waldenburg und Sissach mit 87'000 Einwohnern in 55 Gemeinden teilen sich zurzeit ein einziges Gymnasium mit 1100 SchülerInnen. Die Balance unter den verschiedenen Kantonsteilen stimmt folglich ganz und gar nicht. Die generelle Mittelschulversorgung muss neu überprüft werden.


Zum Dritten wirkt sich ein in der Nähe liegendes Gymnasium auch regionalpolitisch günstig aus. Dieser Effekt kann exemplarisch mit dem Gymnasium Laufen nachgewiesen werden, wo sich die PolitikerInnen sämtlicher Couleur vehement für die Erhaltung dieser kleinen Schule einsetzen.


Leider folgt die SP den Überlegungen Martin Rüeggs nicht voll und ganz, die Fraktion ist geteilter Meinung. Trotzdem ist der Landrat im Sinne einer allumfassenden Schulraumplanung im Kanton Basel-Landschaft gebeten, das Anliegen zu prüfen und das Postulat zu überweisen.


Die Vorstellung, in Sissach oder gar in Gelterkinden ein Gymnasium zu erhalten, schmeichelte Christine Mangold im ersten Moment. Allerdings fragte sich die Landrätin dann, ob es auch für die Kinder so zwingend wichtig ist, vor der Türe ein Gymnasium zu haben. Die sich (fast) erwachsen fühlenden Gymnasiastinnen und Gymnasiasten schätzen es wohl durchaus, das Dorf für den Unterricht verlassen zu können.


Die Frage lautet, ob neben dem Schulstandort Liestal im Oberbaselbiet ein zweiter geschaffen werden soll. Schon im Rahmen der Sekundarschul-Standorteklärung muss festgestellt werden, dass auch drei Jahre nach Inkraftsetzung des neuen Bildungsgesetzes ständig neue Probleme, die eine saubere Regelung erschweren, dazu kommen. Sowohl auf Gemeindebene wie auf kantonaler Ebene arbeiten verschiedene Gremien an Lösungen. Doch man sollte sich schon fragen, ob diese Gremien mit dem Hintergrund, neuen Schulraum zu bauen, überhaupt planen sollten, wenn nicht einmal klar ist, was wo benötigt wird.


Wachsende Schülerzahlen mögen zur Zeit auf Sekundar-. und Gymnasialstufe noch beobachtet werden, doch bald schon wird der Wind drehen. Bereits heute müssen überall Kindergärten geschlossen werden. Die Kinderzahlen werden sinken, was Auswirkungen auf die Primar-, die Sekundar- und die Mittelschulstufe haben wird.


Erkannt ist, dass das Gymnasium Liestal aus allen Nähten platzt, unbestrittenerweise muss gehandelt werden. Allerdings sollen - wie schon in den Sekundarschulen - die benachbarten Standorte so ausgebaut sein, dass gependelt werden kann und - aus Kostengründen - nicht jeder Standort ein Vollangebot ausrichten muss. Konsequenz: Liestal muss - vergleichbar mit den Altersheimen - die kommenden Spitzen für das gesamte Oberbaselbiet abdecken. Deshalb die Bitte an die Regierung, sauber zu koordinieren, auch für die Anliegen des Gymnasiums.


Die FDP-Fraktion lehnt das Postulat von Martin Rüegg ab.


Auch Jacqueline Simonet teilt angesichts der wachsenden Klassenzahlen die Meinung, dass in Liestal Sofortmassnahmen zu ergreifen sind. Zieht man die Zeit, die für die Planung und die Errichtung eines solchen Bauwerkes zu veranschlagen ist, in die Überlegungen mit ein, so wird deutlich, dass der Neubau dann errichtet wäre, wenn die Spitze der Schülerzahlen schon überschritten ist.


Zudem: So lange die Gymnasialzeit dreieinhalb Jahre dauert, stehen zwischen Dezember und Juni ein paar Klassenzimmer leer. Gefragt ist also eine grosse Flexibilität der Organisation und der Schulraumbewirtschaftung.


Ein neues Gymnasium bedeutet nicht nur den Bau von Klassenzimmern, sondern auch den Aufbau einer komplexen Infrastruktur. Mit einer Zentrallösung in Liestal liessen sich Synergien nutzen, Klassenzimmer könnten umgenutzt werden.


Die BKSD soll sämtliche Optionen prüfen, alle Aspekte berücksichtigen.


Die CVP/EVP-Fraktion hält einen Neubau angesichts der Ausgangslage nicht für notwendig und wird das Postulat nicht unterstützen.


Isaac Reber führt eine wichtige grüne Position ins Feld: Kampf der Zersiedelung! Hört man die Ankündigungen zum neuen Richtplan, so plant die Regierung offenbar das Gegenteil. Die Grünen lehnen eine weitere Dezentralisierung von öffentlichen Aufgaben ab, eine Tendenz, die leider unterstützt würde, wenn im Oberbaselbiet ein zweites Gymnasium installiert würde.


Gleich wie die FDP bevorzugt die Grüne Fraktion grössere Einheiten mit vollständigen Angeboten. Mit verschiedenen Standorten wären Bilingueausbildungen - wie sie in Liestal angeboten werden - nicht mehr möglich oder aber der Preis würde sehr hoch. Beide Tendenzen begrüsste die Grüne Fraktion nicht.


Als Oberbaselbieter hält Isaac Reber die Idee zwar für schön, aber nicht für zielführend, weshalb er und seine Fraktion das Postulat ablehnen.


Ernst Wüthrich und die SVP-Fraktion stehen der Idee eines zweiten Gymnasiums im Oberbaselbiet skeptisch gegenüber. Eine bestimmte Grösse ist für ein gymnasiales Vollangebot unumgänglich. Zudem ist der Schulweg nach Liestal für die Oberbaselbieter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nicht ein Problem.


Die SVP-Fraktion lehnt das Postulat ab.


://: Der Landrat lehnt das Postulat von Martin Rüegg Neues Gymnasium im oberen Baselbiet? mit 49 zu 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Fortsetzung

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