Protokoll der Landratssitzung vom 18. Mai 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 18. Mai 2006 |
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2006-012
vom 12. Januar 2006
Motion
für eine Standesinitiative von Kaspar Birkhäuser: Keine Armeewaffen zu Hause
- Beschluss des Landrats < abgelehnt >
Nr. 1857
Landratspräsident Eric Nussbaumer gibt bekannt, der Regierungsrat lehne die Motion ab.
Regierungsrätin Sabine Pegoraro erklärt, der tragische Fall der Ex-Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet habe uns alle betroffen gemacht; das Thema "Waffen" und damit auch die Motion Kaspar Birkhäusers habe dadurch neue Aktualität erhalten.
Im Kanton Baselland werde das Thema "Häusliche Gewalt" sehr ernst genommen, betont die Regierungsrätin. Seit einigen Jahren hat Baselland, als einer der wenigen Kantone, eine Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. Vor kurzem hat Baselland als einer der ersten Kantone die polizeiliche Wegweisung bei häuslicher Gewalt eingeführt.
Der Regierungsrat lehnt die Motion für eine Standesinitiative ab, weil gegenwärtig auf Bundesebene eine Revision des Waffengesetzes im Gange ist. Im Rahmen der Vernehmlassung hat sich der Regierungsrat bereits für eine Verschärfung der Anforderungen beim Erwerb einer Armeewaffe eingesetzt; dafür braucht es vor allem einen Waffenerwerbsschein. Weitergehende Anliegen müssten bei unseren Vertretern in den eidgenössischen Räten eingebracht werden. Der Regierungsrat erachtet eine Standesinitiative als nicht mehr notwendig und sinnvoll. Er lehnt die Motion aber auch ab, weil diese mit ihrer einseitigen Konzentration auf Armeewaffen das Problem nicht löst. Bei Suiziden und häuslicher Gewalt kommen auch private Schusswaffen zur Anwendung - bei häuslicher Gewalt auch Messer. Schusswaffen können in der Schweiz relativ einfach erworben werden; um dies zu ändern, muss Einfluss bei der laufenden Revision des eidgenössischen Waffengesetzes genommen werden.
Da sich die Motion hauptsächlich auf Suizide mittels Schusswaffen bezieht, gibt die Regierungsrätin folgende Zahlen bekannt: Seit dem Jahre 2000 haben in Baselland 115 Suizide mit Schusswaffen stattgefunden; davon waren 87% private Schusswaffen und 13% Armeewaffen.
Kaspar Birkhäuser nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Regierung es ablehnt, seine Motion entgegenzunehmen - es gebe inhaltlich wirklich keine echten und ernst zu nehmenden Argumente, um den überlebten alten Brauch, den Wehrpflichtigen ihre Waffen nach Hause zu geben, beizubehalten. Nicht einmal ökonomische Gründe sprechen dafür: Die Gewehre und Pistolen können in Zeughäusern kostengünstiger aufbewahrt werden als in den Haushalten, wo sie aufwendig kontrolliert werden müssen.
Zum Verfassen der Motion sei er durch eine wissenschaftliche Studie des Gerichtsmediziners Andreas Frei (Leiter des Forensischen Dienstes am Kantonsspital Luzern) veranlasst worden, erklärt Kaspar Birkhäuser. Dieser hat aufgezweigt, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Verfügbarkeit von Waffen samt Munition und der hohen Rate an Männern, die damit Selbstmord begehen.
Was das Argument von Regierungsrätin Sabine Pegoraro angeht, wonach sich die Motion einseitig auf Armeewaffen konzentriert, hat sich Psychiater Frei in einem bz-Interview wie folgt geäussert: "Es gibt Unterschiede zwischen jenen, die sich mit Armeewaffen umbringen, und jenen, die sich mit anderen Schusswaffen umbringen. Bei den 'normalen' Schusswaffen finden sich Leute aus verschiedenen Altersgruppen und meist auch einer sogenannt 'psychischen' Vorgeschichte. Zur Armeewaffe greifen vor allem jüngere Männer mit guten beruflichen Qualifikationen, die vorher psychisch nie aufgefallen sind. Das ist das Beunruhigende dabei".
Abgesehen vom menschlichen Aspekt gelte es auch, den volkswirtschaftlichen Schaden solcher Verluste zu beachten, meint Kaspar Birkhäuser. Zufälligerweise hat sich nun kurz vor der Behandlung dieser Motion im Rat das Drama um die Ex-Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet und ihren Bruder Alain abgespielt. Auch hier ist ein gut ausgebildeter, relativ junger Mann durchgedreht - er hat mit einer Schusswaffe das Leben zweier Menschen und sein eigenes ausgelöscht. Erneut sagen die Wissenschafter - Kriminologen und Medizinnerinnen - (Zitat aus der "Sonntagszeitung"): "Die meisten Familienmorde werden mit Pistolen und Gewehren verübt. In der Schweiz sind solche Waffen mehr als anderswo zu Hause verfügbar".
Die stärkere Verfügbarkeit ist auf den erwähnten alten Zopf, Armeewaffen zu Hause aufzubewahren, zurückzuführen; wir haben nun die Chance, diesen mittels Standesinitiative abzuschneiden.
Kaspar Birkhäuser bittet den Landrat sehr, seine Motion zu unterstützen - diese beisse sich überhaupt nicht mit der laufenden Revision des Waffengesetzes, sondern unterstütze und präzisiere diese vielmehr.
Die SP-Fraktion unterstütze den Vorstoss einstimmig, gibt Peter Küng bekannt. Die Fraktion wünscht, dass die Standesinitiative zur Unterstützung der laufenden Revision des eidgenössischen Waffengesetzes zustande kommt; sie ist der Meinung, damit könne eine Zeichen gesetzt werden.
Grundsätzlich hat Peter Küng es immer als heikel empfunden, die Waffen zu Hause aufzubewahren. Man verlernt im Militär, dass eine Ausbildung im Gebrauch einer Mordwaffe erfolgt. Dass sie danach zu Hause aufbewahrt wird, ist für Peter Küng fragwürdig; gefährlich findet er es, wenn das Gewehr zusammen mit der Munition zu Hause aufbewahrt wird. Kommt das Gewehr am "Obligatorischen" oder bei Schützenfesten zum Einsatz, so kann dort Munition gekauft werden. Es ist also nicht nötig, dass ein Schweizer Wehrmann die Munition zu Hause aufbewahrt.
Fredy Gerber ist der Meinung, dass der Motionär in seinem Vorstoss zwei Tatsachen vermische: Dieser wendet sich gegen das Aufbewahren von Armeewaffen daheim; in der Begründung ist aber plötzlich von Schusswaffen im Allgemeinen die Rede. Hier besteht ein grosser Unterschied, wie Regierungsrätin Sabine Pegoraro bereits ausgeführt hat. Es ist eine Tatsache, dass viel mehr private Waffen als Armeewaffen im Umlauf sind. Dass der Schweizer Soldat seine Waffe nach Hause nehmen darf, wertet Fredy Gerber als Vertrauensbeweis in das Schweizervolk: Mit dieser einzigartigen Tradition demonstriert die Schweiz der ganzen Welt, wie verantwortungsbewusst und seriös die Schweizer sind - aus diesem Grund werden wir auch weltweit bewundert. Seriosität, Vertrauen und Sicherheit sind auch Voraussetzungen für unseren guten Ruf in der ganzen Welt. Es wäre ein schlechtes Signal, aufgrund einiger unglücklicher Einzelfälle dem Schweizer Soldaten das Vertrauen zu entziehen.
Die SVP-Fraktion schliesst sich der Regierung an und wird der Überweisung der Motion nicht zustimmen.
Handle es sich bei der Motion nicht um den falschen Ansatz - werde nicht ein echtes Problem mit einem untauglichen Mittel zu lösen versucht, fragt Toni Fritschi einleitend. Um dem Suizid-Problem beizukommen, braucht es echte Lösungen und keine Alibi-Übungen, wie sie auch schon beim "Feinstaub" gemacht worden sind. Es sind auf Bundesebene Bestrebungen im Gange, das Problem zu lösen und überhaupt die gesamte Waffengesetzgebung neu zu formulieren. Armeewaffen sind nur ein Bruchteil der Waffen, die im Umlauf bzw. in privatem Besitz sind. Der Waffeneinsatz bei kriminellen Handlungen ist das grössere Problem - wenn schon, muss dort angesetzt werden. Es sind meistens Privatwaffen, die zum Einsatz kommen, so auch im tragischen Fall "Rey-Bellet".
Der Gedanke, dass mit dem Vorstoss etwas anderes erreicht werden solle als vorgegeben, sei nicht ganz abwegig, erklärt Toni Fritschi. Schlage man etwa den Sack und meine den Esel, fragt er.
Wie kann überdies der Schweizer Soldat ohne persönliche Armeewaffe das "Obligatorische" oder ein Feldschiessen absolvieren? Solche Schiessanlässe haben eine grosse Tradition, und es wäre unklug, diese abzuwürgen. Hinzu kommt, dass der administrative Aufwand für den Vollzug des Vorstosses in keinem Verhältnis zu dessen Ertrag stehen würde. Ob ein solcher Vorstoss gesellschaftlich und politisch durchgesetzt werden könnte und mehrheitsfähig wäre, ist aus Sicht der FDP-Fraktion fraglich - sie lehnt den Vorstoss ab.
Es handle sich um ein sehr emotionales Thema - und zu Recht, stellt Christine Gorrengourt fest. Von den 13% Suiziden mit Armeewaffen ist jeder einzelne zu viel und ein tragischer Fall. Auf Bundesebene läuft aber einiges, was auch daran zu erkennen ist, dass das Verteidigungsdepartement im letzten Jahr 80'000 Armeereservisten ohne Munition nach Hause entlassen hat. Es wäre sinnvoller und einfacher, darauf zu verzichten, die Munition mit nach Hause zu geben. Gerade Selbstmorde mit Armee- oder Dienstwaffen sind häufig Kurzschlussreaktionen.
Die CVP/EVP-Fraktion ist grossmehrheitlich gegen die Überweisung der Motion.
Urs Hammel erklärt, der Gesetzgeber und die Regierung müssten sich bewusst sein, dass der Hebel nicht nur beim Waffenrecht angesetzt werden muss und kann. Das sieht zwar gut aus und macht Eindruck, nützt aber wenig bis gar nichts. Es bringt auch nichts, ernsthaft über die Aufbewahrung der Armeewaffe samt Munition zu Hause zu diskutieren, umso mehr, als es keine Zahlen darüber gibt, wie oft in den letzten zehn Jahren - bei einigen Hunderttausend Wehrmännern - Missbrauch mit den Armeewaffen getrieben wurde. In der Schweiz werden jährlich, ohne Militär, ca. 75 Millionen Patronen verbraucht - beim Sportschiessen, bei der Jagd, etc. Im Jahre 2004 sind 53 Patronen für ein vorsätzliches Tötungsdelikt missbraucht worden. Das Verhältnis zwischen verantwortungsbewusst und missbräuchlich verwendeten Patronen zeigt auf, dass das Problem nicht die Verfügbarkeit der Waffen und der Munition ist, sondern der Mensch, der sie verwendet bzw. missbraucht.
Als Bürger muss man sich fragen, wo unser Volk mit seinen gesellschaftlichen Problemen eines Tages noch landen wird. Ist das reichste Land Europas überhaupt noch in der Lage, seine menschlichen Probleme zu lösen, fragt Urs Hammel; er führt die hohen Scheidungs- und Selbstmordraten als Beispiele an. Das Streben nach materiellem Wohlstand, die Angst um den Arbeitsplatz, etc. verdrängen die positiven Elemente wie Ethik, Solidarität und Nächstenliebe immer stärker. Es ist deshalb kein Wunder, wenn solche Familientragödien zunehmen. Die Parteien sollten sich deshalb der grundlegenden Probleme annehmen, statt hektisch zu regulieren und den Bürgern die Selbstverantwortung mit der Zeit noch gänzlich abzugewöhnen.
Die Schweizer Demokraten sprechen sich deshalb gegen den Vorstoss aus.
Marc Joset erklärt, es werde mit verschiedenen Zahlen operiert; auch er verfüge über Zahlen, nämlich aus einer UNO-Studie, die 50 Länder untersucht hat. In der Studie geht es um das Verhältnis zwischen der Verfügbarkeit von Schusswaffen und der Anzahl Tötungen. Das Bild ist erschreckend: In der Schweiz finden sich in 37% aller Haushalte eine Waffe, bei 32% handelt es sich um eine Armeewaffe. Andere Länder kommen, je nach Gesetzgebung, auf 0,5 % und 4 % aller Haushalte, die über eine Waffe verfügen. Es gibt also eine Korrelation zwischen Gesetzgebung und Waffen pro Haushalt sowie zwischen Waffen pro Haushalt und Tötungen mit Schusswaffen (Selbst- und Fremdtötungen).
Soll es also weniger Opfer geben, muss das Gesetz verschärft werden. England beispielsweise hat 1997 die entsprechende Gesetzgebung verschärft und die Verfügbarkeit der Schusswaffen eingeschränkt, worauf die Tötungsrate mit Schusswaffen auf 0,3% gesunken ist. In der Schweiz erfolgen 6,4% aller Tötungen mit Schusswaffen; in Japan, wo es auch gesellschaftliche Probleme gibt, lediglich 0,1 %.
Wollen wir etwas dagegen unternehmen, muss also die Waffengesetzgebung verschärft werden. Wollen wir dies auf Bundesebene erreichen, so müssen wir vom Kanton aus beim Bund vorstellig werden.
Kaspar Birkhäuser erklärt, Marc Joset habe auf den entscheidenden Punkt hingewiesen: Wenn weniger Waffen zur Verfügung stehen, passieren weniger Unfälle und Delikte mit Schusswaffen.
An die Adresse Fredy Gerbers bemerkt er, er habe private Schusswaffen und Armeewaffen eben gerade nicht vermischt, sondern vielmehr Gerichtsmediziner Andreas Frei zitiert, der aussagt, dass Armeewaffen vor allem junge, gut ausgebildete, psychisch bislang unauffällige Männer verführen. Er mache also sehr wohl die Unterscheidung.
Toni Fritischis Bemerkung, er meine den Esel und schlage den Sack, sei eine Unterstellung, die Kaspar Birkhäuser zurückweist. Das Ganze als Alibi-Übung zu beurteilen, erachtet er im Übrigen als zynisch den Opfern dieser Unfälle und Verbrechen gegenüber. Er möge sich in die Materie vertiefen und nicht solche Hüftschüsse machen, rät er Toni Fritschi.
Sportliche Anlässe können auch mit privaten Waffen durchgeführt werden - das ist kein stichhaltiges Argument. Der administrative Aufwand wird nicht grösser, sondern im Gegenteil kleiner, wenn die Waffen am Ende des Wiederholungskurses eingezogen und im Zeughaus deponiert werden.
Dass die Munition - dies an die Adresse Christine Gorrengourts - nicht mehr nach Hause mitgegeben wird, ist ein erster vernünftiger Schritt; mit der Standesinitiative könnte der wesentliche zweite Schritt gemacht werden.
Kaspar Birkhäuser bittet den Landrat nochmals eindringlich, die Motion zu unterstützen.
Daniele Ceccarelli erklärt, nur für sich zu sprechen; er werde die Motion voll und ganz unterstützen. Jeder, der "Bowling for Columbine" von Michael Moore gesehen hat, weiss, dass Waffen nicht in private Haushalte gehören.
Bruno Steiger erklärt, es sei in seinen Augen sehr zynisch, einen tragischen Mordfall für einen solchen Vorstoss zu missbrauchen. (Grosser Protest, vor allem von linker und grüner Seite.)
An die Adresse Kaspar Birkhäusers bemerkt er, dessen Anliegen, den Armeeangehörigen die Waffen nicht mehr nach Hause geben zu wollen, sei bedenklich angesichts der verbreiteten Ausländerkriminalität, der die rote und grüne Seite durch ihr stetiges Einschleusen von Ausländern Vorschub leiste. Diese brauchen allerdings keine Ordonnanzwaffe, sondern bringen ihre Waffen gleich selber mit, um zu delinquieren. 90% der Straftäter in den Gefängnissen sind Ausländer; diese sitzen zum Teil wegen schwerwiegender Delikte lebenslänglich ein. "Die Schweizer wollt ihr entwaffnen, damit die Ausländer in der Schweiz noch mehr ihr Unwesen treiben können", ereifert sich Bruno Steiger; er finde das absolut daneben. Es ist ein Schildbürger-Streich, überhaupt ein solches Anliegen im Landrat vorzubringen.
Selbstjustiz sei in unserem Land nicht gefragt, erklärt Peter Küng an die Adresse Bruno Steigers. Er bekundet Mühe mit dessen Aufforderung, vom Gewehr Gebrauch zu machen.
An Toni Fritschi gewandt, bemerkt Peter Küng, das "Obligatorische" könnte im Rahmen der Wiederholungskurse absolviert werden - dafür sei genügend Zeit vorhanden, vielleicht würde man so etwas Sinnvolleres machen.
Keine weiteren Wortbegehren.
://: Der Landrat lehnt die Überweisung der Motion ( 2006/012 ) mit 41 : 33 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab.
Für das Protokoll:
Barbara Imwinkelried, Landeskanzlei
Fortsetzung