Protokoll der Landratssitzung vom 27. April 2006

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2006-083 vom 28. März 2006
Vorlage: Beantwortung von parlamentarischen Vorstössen zum ILS 34. - Direkte Beratung
- Beschluss des Landrats: < beschlossen >


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2006-030 vom 26. Januar 2006
Interpellation von Madeleine Göschke: Instrumentenlandesystem Süd - wie weiter?
- Schriftliche Antwort des Regierungsrates vom 28. März 2006 (Vorlage 2006-083 )
- Beschluss des Landrats: < erledigt >



Nr. 1791 und Nr. 1792

Landratspräsident Eric Nussbaumer gibt bekannt, dass die beiden Traktanden gemeinsam behandelt werden; die Fragen sind in der Vorlage 2006/083 schriftlich beantwortet.


Zudem korrigiert der Landratspräsident Fehler der Vorlage: Auf Seite 1 ist unter Der Fluglärm der Satz Rund 150'000 Menschen werden neu belastet zu ersetzen durch Rund 50'000 Menschen werden neu belastet.


Auf Seite 2 ist unter dem Titel der Regierungsrat wird aufgefordert ... die mittelfristige Nachtflugsperre von 22 bis 05 Uhr durch von 22 bis 06 Uhr zu ersetzen. Derselbe Fehler hat sich auch auf Seite 9 oben im ersten Absatz des Titels d) Nachtflugsperre eingeschlichen.


Marc Joset berichtet, dass die Mehrheit der SP-Fraktion gegen eine Abschreibung der Postulate von Madeleine Göschke und Agathe Schuler ist. Beide Postulate sind inhaltlich nicht beziehungsweise noch nicht erfüllt. Beim ILS 34 geht es um folgende 2 Punkte:


1. Südanflüge sind erst bei einem Nordwind ab 10 Knoten zuzulassen.


2. Der Maximalanteil von Südanflügen darf nicht mehr als 4 Prozent betragen.


Mehr als 1700 Personen der betroffenen Gemeinden haben diese beiden Punkte der Regierung auf den Weg gegeben. Was die Regierung in ihrem Bericht schreibt, ist zu wenig verbindlich, schwammig - und leider zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass absolut verbindliche Abmachungen getroffen werden müssen, wenn die vereinbarten Werte nicht überschritten werden sollen. Die betroffenen Gemeinden behalten sich vor, ihre Forderungen nach französischem Recht durchzusetzen.


Demnächst wird das Kantonsgericht darüber befinden, dass die Mitwirkung der Gemeinden in raumplanerischen Fragen nicht gewährleistet war und ist.


Die Forderungen sind nicht erfüllt, der Widerstand wird weiter gehen.


Thomas Schulte nimmt Stellung zum 4-prozentigen Anteil an Südlandungen sowie zu den Südanflügen ab 10 Knoten Nordwind:


Für die Pistenwahl ist das Wetter zuständig. Eine proportionale Nutzungsbegrenzung, unabhängig von der Wettersituation, widerspräche elementaren Flugregeln. Der Anteil der Südlandungen bewegt sich seit dem Jahre 2000 zwischen 5,3 und 8,3 Prozent. Deshalb erachtet der Regierungsrat den Schwellenwert von 8 Prozent als gerechtfertigt.


Nach wie vor hält die französische Luftfahrtbehörde DGAC am Schwellenwert von 5 Knoten fest; dies entspricht den in Frankreich geltenden Empfehlungen und stützt sich auf die Norm der internationalen Zivilluftfahrt. Damit wird sichergestellt, dass keine Landungen mit einer Rückenwindkomponente von mehr als 10 Prozent erfolgen können.


Die FDP-Fraktion begrüsst die Umsetzung von international gültigen Standards am EAP. Im Weiteren ist festzuhalten, dass Flugzeughersteller für eine sichere Landung nur bis zu Rückenwindkomponenten von maximal 10 Knoten garantieren.


Die flankierenden Massnahmen sind vertraglich abgesichert. In ihrer Stellungnahme vom 1. September 2005 forderte die Regierung, dass die Massnahmen vertraglich festgehalten werden müssen. Dieser Forderung folgten beide Zivilluftfahrtbehörden.


Die FDP begrüsst,


Die FDP stimmt der Abschreibung der Postulate von Madeleine Göschke und Agathe Schuler zu.


Agathe Schuler dankt vorab dem Regierungsrat für den Bericht und für seinen Einsatz zugunsten der betroffenen Bevölkerung im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum ILS 34. Die Konsultation durch die französische Zivilluftfahrtsbehörde DGAC wurde erst aufgrund der Intervention von Behörden in der Schweiz möglich.


Aufgrund der Vernehmlassung durch viele Einzelpersonen, durch Verbände im Baselbiet und umliegenden Kantonen zuhanden des BAZL und der DGAC, die eine klar restriktive Nutzung des ILS 34 forderten, konnten gewisse Verbesserungen erreicht werden. Trotzdem ist das an sich ohne Weiteres erreichbare Ziel nicht erreicht worden. Problemlos möglich wäre etwa, Südanflüge erst ab 10 Knoten Nordwind zu gestatten. Auch eine Begrenzung der Südanflüge auf 4 Prozent nach Einführung von ILS 34 wäre, dies an die Adresse des Vorredners, auch aus meteorologischer Sicht problemlos möglich. Eine Beschränkung der Prosperität des Flughafens oder irgendwelche Behinderungen des Flugverkehrs gingen damit nicht einher. Einziger Effekt: Die Nordanflugroute würde so lange wie möglich genutzt.


Die Meinung des Regierungsrates, der Verhandlungsspielraum sei ausgeschöpft, stellt Agathe Schuler in Frage, weil diese Schlussfolgerung heute verfrüht sei. Dies vor allem, weil sich der Bericht des Regierungsrates auf die vom BAZL mit dem DGAC geführten Nachverhandlungen bezieht. Noch immer aber steht - aus welchen Gründen auch immer - der wichtigste Entscheid, jener des französischen Verkehrsministeriums, der arreté ministériel, aus. Allein dieser Entscheid wird Rechtskraft erlangen und ist gemäss französischem Recht anfechtbar. Vor diesem Hintergrund erscheint die Abschreibung der Postulate Göschke und Schuler nicht angezeigt, ein Grund so schnell aufzugeben, besteht nicht.


Agathe Schuler dankt dem Rat, wenn er ihre Anstrengungen zugunsten eines möglichst wenig mit Fluglärm belasteten Luftraums beim Entscheid in seine Überlegungen mit einbezieht und die beiden Geschäfte stehen lässt.


Madeleine Göschke gibt der Presse vorab zur Kenntnis, Landrätin aus Oberwil und nicht - wie in der Zeitung fehlerhaft vermerkt - aus Binningen zu sein.


Alle Prognosen sprechen von einem stark zunehmenden Flugverkehr und von zunehmendem Fluglärm in Zukunft. Jedermann anerkennt die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens, trotzdem hat für die Grüne Fraktion die Lebensqualität Vorrang. Die Vorschläge des EAP und der Regierung zum ILS sind ungenügend und unverbindlich. In der Vorlage der Regierung sind Widersprüche und Irreführungen festzustellen, beispielsweise auf Seite 6 unten, wo den in Reinach ausgeführten Lärmmessungen von 72 bis 77 Dezibel die Lautstärke eines Gesprächs von 60 bis 65 Dezibel entgegen gesetzt wird. Die Differenz sollte wohl suggerieren, wie klein der Unterschied doch sei. Wichtig aber ist zu wissen, dass das menschliche Ohr zwischen 60 und 77 Dezibel eine Verdreifachung des Lärms wahrnimmt. Möchte man offen und ehrlich informieren, so müsste dieser Zusammenhang dargelegt werden.


Falsch ist in der Vorlage weiter, dass die Schweizerische Lärmschutzverordnung einen Mittelwert über 1 Stunde in der Nacht vorschreibt. Richtig ist, dass sie einen Mittelwert über 2 mal 1 Stunde und von Mitternacht bis morgens um 6 Uhr verlangt.


Einerseits sagt die Regierung im Bericht, nur aus meteorologischen Gründen werde von Süden gelandet; gleichzeitig behauptet sie, die Südanflüge hätten wegen des neuen Anflugverfahrens von 4 auf 8 Prozent zugenommen. Man muss sich fragen, wer der Bevölkerung die Garantie gibt, dass das Anflugverfahren nicht ein weiteres Mal geändert wird. Zu Beginn war von Südlandungen bei über 10 Knoten Nordwind die Rede, später von 5 Knoten und neuerdings heisst es 5 Knoten im Mittel. Die Hälfte der Windstärke kann somit unter 5 Knoten liegen, und man nähert sich dann allmählich einem Nordwind von 0 Knoten.


Wird das Thema Sicherheit diskutiert, so werden gerne die Resultate des ILS der Kategorie 3 bemüht. In Basel ist aber das ILS der Kategorie 1 mit einem Anflugwinkel von 3,5 Grad vorgesehen. Will der Pilot dieses ILS anwenden, muss er mindestens 800 Meter freie Sicht haben, und eine Blindlandung ist wegen des zu steilen Anflugwinkels in keinem Falle möglich, wie Commandant Claude Faesch vom EAP bestätigt hat.


Anlässlich des ersten Binninger Podiums zum ILS meinte der frühere Obmann der Swissair-Piloten, Jakob Seitz, bei einem Gleitwinkel von 3,5 Grad sei das Risiko wesentlich grösser als bei einem Winkel von 3 Grad. Deshalb ist der Winkel von 3,5 Grad nur dann erlaubt, wenn es die Topografie zwingend verlangt. Aus diesem Grunde also wurde ILS 34 gewählt und nicht weil die Bevölkerung schonungsvoll höher überflogen werden soll. Trotzdem brüstet sich die Regierung, dass der Fluglärm dank des Gleitwinkels von 3,5 Grad reduziert werde. Weiss wohl der Regierungsrat, was es bedeutet, wenn Binningen mit 3,5 Grad und 290 Meter Höhe überflogen wird statt mit 3 Grad und 200 Meter Höhe? Maximal 1,5 Dezibel beträgt der Unterschied!


Weiss der Regierungsrat, wie gross der Lärmunterschied sein muss, damit das menschliche Ohr den Unterschied wahrnehmen kann? Mindestens 2 bis 3 Dezibel! Diese Fakten bedeuten, dass 90 Meter Höhenunterschied kaum etwas eintragen. Wirklich rührend, was die Regierung unternimmt, um die Bevölkerung vor dem zukünftigen Fluglärm zu schützen.


Auch das Nachtflugverbot fordern alle betroffenen Gemeinden. Die Regierung aber versteckt sich hinter der Einsprache des Zürcher Flughafens gegen die in Zürich beschlossene Nachtflugsperre.


Die Vorschläge von Regierung und EAP sind unverbindlich. Zu gar nichts verpflichtet Frankreich etwa der Satz: Ab 8 Prozent Südlandungen eine vertiefte Analyse und ab 10 Prozent Beratung über korrigierende Massnahmen ....


Oder: Die Regierung ist überzeugt, dass die vertraglichen Zusicherungen eingehalten werden. Sowas ist blauäugig. Noch nie hat der EAP ein Versprechen gehalten, nicht die Direktsarts nach Süden, nicht die lärm- und schadstoffabhängingen Landetaxen, nicht die Starts auf der Ost-/Westpiste.


Aus all den genannten Gründen sind die beiden Postulate nicht erledigt. Der Landrat wird gebeten, beide Postulate stehen zu lassen.


RR Adrian Ballmer bittet den Rat, beide Vorstösse abzuschreiben. Mit konstanter Regelmässigkeit werden hier im Landrat Debatten geführt und Belehrungen erteilt über die immer gleichen Themen, stellt der Regierungsrat fest. Für entscheidend hält er, dass eine Vereinbarung über die Benutzungsbedingungen des ILS 34 durch die Direktoren der Zivilluftfahrtsbehörden beider Länder unterzeichnet werden konnte. Darin ist festgeschrieben, dass von Süden her nur bei zwingenden meteorologischen Bedingungen gelandet werden darf. Damit sind die Forderungen des Kantons Basel-Landschaft erfüllt. Zudem: Der Landrat kann weder die Physik noch international geltende Standards ändern.


Martin Kessel, Präsident der europäischen Vereinigung gegen die schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs behauptet in der Zeitung, nur 5 Prozent der EinwohnerInnen Europas fliegen. Dazu nun folgende Testfrage im Landrat, diesem zweifellos repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung: Wer ist noch nie geflogen?


(Nur eine Hand geht hoch.)


Hansruedi Wirz spricht sich namens der SVP-Fraktion für die Abschreibung der beiden Vorstösse aus.


Agathe Schuler hält das Geschäft der ILS-Einführung ganz einfach noch nicht für abgeschlosssen. Die französische Luftfahrtbehörde und das BAZL haben nachverhan- delt und die Gesprächsergebnisse nach Paris ins Verkehrsministerium geschickt. Der Entscheid des Ministeriums, der arreté ministériel, muss noch abgewartet werden.


Kaspar Birkhäuser bedauert, dass Regierungsrat Ballmer sich lustig macht und vom eigentlichen Thema ablenkt. Persönlich fliegt Kaspar Birkhäuser seit 1991 nicht mehr, nachdem er gelernt hat, welche Auswirkungen der Flugverkehr auf das Klima hat.


://: Der Landrat schreibt das Postulat 2005/129 von Madeleine Göschke sowie das Postulat 2005/131 von Agathe Schuler mit 42 zu 28 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Fortsetzung

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