Protokoll der Landratssitzung vom 8. Juni 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 8. Juni 2006 |
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2006-091
vom 4. April 2006
Vorlage:
Änderung des Sozialhilfegesetzes betreffend Eingliederung unterstützungsberechtigter Personen
(1. Lesung)
- Bericht der Kommission vom:
22. Mai 2006
- Beschluss des Landrats < 1. Lesung abgeschlossen >
Nr. 1880
Vizepräsidentin Judith van der Merwe ruft einleitend die drei Aufgaben der Sozialhilfe in Erinnerung:
- Prävention
- Leistung
- Integration
Immer wieder wird auch darauf hingewiesen, dass SozialhilfeempfängerInnen betreut, nicht aber verwaltet werden müssen; zudem wird als Zielsetzung die Wiedereingliederung sowie das Wiederlangen der Selbständigkeit postuliert. Die Strategie sowie die straffe Führung der Behörden zeigen heute deutlich ihre Wirkung. Die optimierte Betreuung in den Gemeinden hat zu einer Senkung der durchschnittlichen Sozialhilfe-Abhängigkeitsdauer von 599 auf 553 Tage geführt. Im Kanton Basel-Landschaft beziehen in etwa 2 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfe, der schweizerische Durchschnitt liegt mit 4 Prozent deutlich höher.
Hauptgründe für den Bezug von Sozialhilfe sind die Arbeitslosigkeit sowie die Situation von allein erziehenden Frauen und Männern.
Heute muss der Landrat über die Änderungen der Eingliederungsmassnahmen unterstützungsberechtigter Personen befinden, weil damals ein Teil des Gesetzes befristet und eine - inzwischen beendete - Evaluation der Massnahmen gefordert wurde. Mit der Vorlage sollen nun die nachweislich sehr erfolgreichen Eingliederungsmassnahmen auf nicht steuerbefreite Unternehmungen ausgedehnt werden. Auf keinen Fall darf die Ausdehnung marktwirtschaftliche Verzerrungen nach sich ziehen und sie soll sozialpartnerschaftlich verträglich ausgestaltet sein.
Jedermann wird sich an die intensiven Diskussionen um die 1000 Frankenjobs erinnern, eine Idee, die neben vielen guten Chancen auch viele Nachteile birgt. Mit dem nun im Kanton Basel-Landschaft vorgeschlagenen System, das sich am geistigen und körperlichen Leistungsvermögen einer Person sowie am Jobmarktwert orientiert, wurde ein Weg eingeschlagen, der aus heutiger Warte kaum noch Nachteile mit sich bringt. Auf den Punkt bringt die Angelegenheit dann die auf sieben Jahre befristete Evaluation.
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission schlägt dem Landrat einstimmig vor, die Gesetzesänderung zu genehmigen.
Simone Abt befürwortet im Namen der SP Eintreten auf die Vorlage und stimmt der Revision des Sozialhilfegesetzes betreffend Eingliederung unterstützungsberechtigter Personen zu. Die SP begrüsst die Ausdehnung auf nicht gemeinnützige Arbeitgebende und ist überzeugt, dass die vorgesehenen, mit den Sozialpartnern abgesprochenen Kontrollmechanismen sinnvoll sind. Die Wirksamkeit von Eingliederungsmassnahmen ist eindrücklich belegt. Jene 95 Personen, welche das Angebot nutzten, konnten vollständig in den primären Arbeitsmarkt integriert werden und bewältigen ihren finanziellen Lebensunterhalt selbständig. Weitere 12 Personen konnten teilweise von der Sozialhilfe abgelöst werden. Auch die übrigen Personen konnten von Abklärungen oder Hilfestellungen profitieren und in ihrer Situation weiterkommen. Werden auch diese Personen dazu gerechnet, so zeigt sich, dass die Erfolgsquote der Eingliederungsmassnahmen noch grösser ist als in der Evaluation ausgewiesen. Die Massnahmen rechtfertigen sich überdies, weil es sich bei den betroffenen Personen nicht einfach um Arbeitslose handelt, sondern um Menschen, die zusätzlich noch mit einem Handicap zu kämpfen haben. Gemäss Gesetzesdefinition sind sie "leistungsreduziert", ihre Vermittelbarkeit ist somit erschwert.
In diesem Kontext wird die SP den Antrag stellen, den Begriff "soziale Integration", der aus § 16 gestrichen wurde, wieder aufzunehmen. "Soziale Integration" zu streichen ist vergleichbar mit dem Streichen des Begriffs Gesundheit bei einem Sportförderungsprogramm. Die berufliche Eingliederung ist in unserer Gesellschaft ein wichtiger Teil der sozialen Integration, berufliche Integration ist somit stets auch soziale Integration. Gestrichen werden soll der Begriff, weil er nicht messbar, statistisch nicht erfassbar sei, wurde argumentiert. Dies ist auch gar nicht nötig, denn Tatsache ist, dass bei allen erfolgreich wieder eingegliederten Personen und auch bei vielen nur teilweise wieder eingegliederten mit Sicherheit ein Beitrag an die soziale Wiedereingliederung geleistet worden ist. Ein wesentliches Ziel des Sozialhilfegesetzes ist damit erreicht worden. Der Landrat soll sich zu dieser Zielsetzung bekennen und die soziale Integration weiterhin stolz auf seine Fahne schreiben. Die SP beantragt, § 16 Absatz 1 in der bisherigen Fassung zu belassen.
Thomas de Courten hält den Eingriff des Staates in das Lohngefüge eines Unternehmens für relativ schwerwiegend und nicht im Sinne der SVP-Fraktion. Bisher war diese Mechanik in gemeinnützigen, staatlichen und steuerbefreiten Organisationen möglich und neu soll die Möglichkeit der Lohnkostenbeiträge auch auf Unternehmen der freien Wirtschaft ausgedehnt werden. Die damit verbundenen Probleme sind also grundsätzlicher Natur, betreffen die Strukturerhaltungs- sowie die Lohndumpingproblematik. Aus diesen Gründen hat sich die SVP in der Vernehmlassung kritisch zur Vorlage geäussert.
Die SVP versuchte in der Kommissionsarbeit, die Rahmenbedingungen dergestalt zu setzen, dass sie tatsächlich griffig ausfallen. Verschiedene Formulierungen erweisen sich als schwammig. So meint die SVP, die Möglichkeit von Lohnkostenbeiträgen sollte zwar bestehen, doch sollte daraus nicht ein Recht auf Lohnkostenbeiträge abgeleitet werden. In den §§ 16 und 19 hätte die SVP deshalb gerne die Formulierungen es werden... zu es können... .umformuliert. Auch eine Maximalquote von Personen, die ein Betrieb unter dem Regime der Lohnkostenbeiträge anstellen darf, hätte die SVP gerne festgesetzt. Nachdem die SVP mit beiden Vorschlägen in der Kommission gescheitert ist, wird sie im Plenum nicht darauf zurückkommen. Erreicht wurde immerhin, dass eine jährliche Prüfung der Lohnkostenbeiträge stattfindet und dass die Massnahmen zeitlich beschränkt werden. Mit diesen Rahmenbedingungen kann die SVP leben, wird auf das Geschäft eintreten und ihm zustimmen.
Marianne Hollinger beantragt im Namen der FDP-Fraktion einstimmig, die Änderungen des Sozialhilfegesetzes über die Eingliederung unterstützungsberechtigter Personen gutzuheissen. Die Evaluation der befristeten Paragrafen über die Eingliederung von unterstützungsberechtigten Personen machte deutlich, dass die Wiedereingliederung in den Berufsalltag sehr gute Erfolge gezeitigt hat. Mehr als jede fünfte Person konnte wieder in den Arbeitsmarkt integriert und von der Sozialhilfe abgelöst werden. Mehr als 20 Prozent jener Personen, die ein solches Programm besucht haben, beziehen heute keine Sozialhilfe mehr. Die NPOs sowie die steuerbefreiten Institutionen können die Nachfrage nach entsprechenden Arbeitsplätzen - 100 bis 150 Personen - nicht mehr alleine abdecken. Damit ist eine Ausdehnung auf die freie Privatwirtschaft angezeigt.
Die Frage, wer in welchem Masse leistungsreduziert ist, wird weder mit einem Gesetz noch mit irgend einer Formel definiert werden können. Man wird sich auf den gesunden Menschenverstand der Sozialpartner verlassen müssen.
Zwei Ziele können erreicht werden: Zum einen die nachhaltige Integration der unterstützungsberechtigten Personen und zum Zweiten kann der enormen Kostensteigerung bei den Sozialhilfekosten entgegen gewirkt werden - zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Die FDP meint allerdings, dass der Erfolg letztlich davon abhängig ist, dass die Arbeitgeber die leistungsreduzierten Personen auch wirklich beschäftigen. Dies wird nur möglich, wenn die versprochene, einfache und papierarme Möglichkeit des Verfahrens auch tatsächlich gegeben sein wird.
Positiv ist weiter anzumerken, dass das Gesetz mit einem Verfalldatum versehen ist. Die FDP empfiehlt einstimmig Annahme der Gesetzesänderungen.
Rita Bachmann unterstützt die Änderungen namens der CVP/EVP-Fraktion einstimmig. Die Fraktion ist aufgrund der erfolgreichen Praxiserfahrungen für die Erweiterung der Integration.
Als Präsidentin der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission weist Rita Bachmann auf die im vergangenen Jahr von der Spezialkommission Parlament und Verwaltung beantragte und vom Landrat bestätigte Verschiebung der Beratungen über das Sozialhilfegesetz in die Finanzkommission hin. Auch die Verhandlungen über die Prämienverbilligung wird ab nächstem Jahr die Finanzkommission führen.
Die nun zur Abstimmung vorgelegte Gesetzesänderung des Sozialhilfegesetzes ist wesentlich geprägt von Rudolf Schaffner, Leiter des Sozialamtes, und Daniel Schwörer, Leiter Stabsstelle Gemeinden. Ein herzliches Dankeschön an die beiden für die langjährige sehr gute Zusammenarbeit und das Bereithalten der hervorragenden Unterlagen und Informationen. Beeindruckend auch war, dass beide Herren den Kontakt zu den Sozialpartnern suchten und in der Folge gute Vorlagen verfasst werden konnten.
Madeleine Göschke , Grüne Fraktion, spricht sich für das Geschäft aus.
Die Anstrengungen für die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt sind, wie von den VorrednerInnen bereits detailliert dargelegt, wichtig, richtig und notwendig. Auch die jährliche Überprüfung jedes einzelnen Falles begrüsst die grüne Fraktion. Unverständlich ist, dass die soziale Eingliederung aus dem Text gestrichen wurde und nur noch von der beruflichen Eingliederung die Rede ist, denn: Das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Kann eine unterstützungsberechtigte Person durch eine bezahlte Arbeit wieder einen Beitrag an ihren eigenen Unterhalt leisten, so findet auch eine soziale Eingliederung statt. Die soziale Eingliederung soll gefördert werden. Sie ist überdies durchaus überprüfbar, beispielsweise im Gespräch mit den Betroffenen, aber auch im familiären und erweiterten Umfeld der betroffenen Person zeigen sich positive Veränderungen. Der Kommission wurde versichert, trotz des Fehlens des Wortes "sozial" werde selbstverständlich angestrebt, die Personen nicht nur beruflich, sondern auch sozial zu integrieren. Warum dann wird das Wort gestrichen? Die Grünen unterstützen den Antrag der SP, die soziale Integration im Gesetz festzuschreiben, einstimmig.
An die Adresse von Thomas de Courten meint Madeleine Göschke, von Lohndumping könne überhaupt nicht die Rede sein, da die paritätisch zusammengesetzte Kommission die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Falles jährlich überprüft. Auch ein Run der Betriebe auf die billigen Arbeitskräfte wird sich nicht einstellen, vielmehr werden die Unternehmen gut bedenken, welchen - auch sozialen - Auftrags sie eingehen und erfüllen wollen. Eine Verzerrung des Arbeitsmarktes ist somit nicht zu befürchten.
RR Adrian Ballmer bedankt sich für die gute Aufnahme des Geschäftes durch den Landrat. Auch die von Rita Bachmann geäusserte Anerkennung und den Respekt gegenüber Rudolf Schaffner und Daniel Schwörer kann der Finanzdirektor nur unterstreichen. Zudem dankt der Regierungsrat der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission für die stets sehr angenehme Zusammenarbeit. In dieser Arbeit verstand sich Adrian Ballmer nicht einfach nur als Finanz-, sondern stets auch als Sozialdirektor.
Die Entwicklung der Sozialhilfe bereitet überall grosse Sorgen. Nicht nur im Baselbiet, auch in anderen Kantonen und anderen Staaten zeigen sich vor allem menschliche, aber auch finanzielle Schwierigkeiten für die öffentliche Hand. Die nun vorgeschlagenen Massnahmen sind sinnvoll und im Rahmen des Möglichen wirksam. Jede einzelne berufliche Integration ist menschlich und finanziell bedeutend. Ganz wichtig ist, dass die Massnahmen im Einvernehmen mit den Sozialpartnern erfolgen.
Speziell und modellhaft ist, dass das Gesetz ein Verfalldatum trägt und dass eine Wirkungskontrolle vorgesehen ist.
Der Regierungsrat bittet den Landrat, das Gesetz integral, gemäss Kommissionsbericht zu beschliessen und Abänderungsanträge abzulehnen.
- Detailberatung
Titel und Ingress
I
Keine Wortmeldung
§ 16 Absatz 1
Die SP beantragt, neben der beruflichen auch die soziale Eingliederung im Gesetz festzuschreiben:
1 ....zur Förderung ihrer beruflichen und sozialen Eingliederung.....
RR Adrian Ballmer bittet diesen wahrlich nicht matchentscheidenden Antrag abzulehnen. Unbestrittene Zielsetzung des gesamten Sozialhilfegesetzes ist die Integration. Zudem schreibt der geltende § 2 Absatz 2 des Gesetzes als Ziel vor, die Selbständigkeit und die Selbsthilfe zu fördern. Dies schliesst die soziale Integration mit ein. Im vorliegenden Gesetzesentwurf schlägt der Regierungsrat vor, nur noch von beruflicher Integration zu sprechen, weil die fünf Jahre Gesetzespraxis zeigen, dass sich soziale Integration erstens nicht definieren und messen lässt und dass sich zweitens kein einziger Fall unter dem Titel soziale Integration ergeben hat. Ausnahmslos alle in den Gemeinden nachgefragten Integrationsangebote betrafen die berufliche Integration. Aus Gründen der gesetzgeberischen Realitätsnähe soll deshalb die Begrifflichkeit soziale Integration gestrichen werden. Die soziale Integration soll selbstverständlich erreicht werden, doch ist sie eine mittelbare Folge der beruflichen Integration. Zudem steht sie bei der Wirkungskontrolle und den Massnahmen im Vordergrund. Wird beruflich integriert, wird auch sozial integriert.
://: Der Landrat lehnt den Antrag der SP, Aufnahme von soziale Integration in das Gesetz , mit 46 zu 27 Stimmen ab.
§ 16 Absätze 2 und 3
§ 19
§ 52
II
III
Keine Wortmeldung
Kein Rückkommen
://: Damit ist die 1. Lesung abgeschlossen.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
Fortsetzung