Protokoll der Landratssitzung vom 22. Juni 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 22. Juni 2006 |
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2006-149
vom 7. Juni 2006
Bericht der Petitionskommission 2006: Begnadigungsgesuch von B.T.
- Beschluss des Landrats: < beschlossen gem. Kommission >
Nr. 1918
An sich orientiere sich die Frage, ob man Ja oder Nein zu einem Begnadigungsgesuch sagen könne, am Verhalten und an der Entwicklung des Gesuchstellers zwischen dem Zeitpunkt des Urteils und heute, hält Kommissionspräsident Röbi Ziegler einleitend fest.
Es ist darum nicht üblich, den Delinquenten und sein Delikt im Landrat ausführlich zu schildern. Aufgrund der Diskussionen innerhalb seiner Fraktion hat er aber gemerkt, dass es nicht allen leicht fällt, die Überlegungen und den Entscheid nachzuvollziehen, weshalb er nun etwas detaillierter auf den Fall eingehen wird.
B.T. als Gesuchsteller dieser Begnadigung ist wegen sexueller Handlungen mit Kindern verurteilt worden. Es handelt sich dabei um einen juristischen Tatbestand, wobei der Plural "mit Kindern" juristischer Jargon ist; tatsächlich geht es um einen einzigen Fall.
Was ist geschehen? B.T. wurde in einer Bar von zwei jungen Frauen im Alter von 17 und 15 3/4 Jahren angesprochen; sie waren in einer Art und Weise angezogen, dass die körperlichen Reize sehr wohl sichtbar waren. Die beiden fragten B.T., ob er wisse, wo es eine Möglichkeit gebe, mit Striptease oder Tabledance aufzutreten und Geld zu verdienen. B.T. selber war mit einem Mann befreundet, welcher im Rotlicht-Bereich eine Bar führte, und machte die beiden mit diesem bekannt. Zu Striptease oder Tabledance ist es nie gekommen. Die beiden Männer hatten mit den beiden Mädchen über längere Zeit Kontakte, auch sexuelle.
Röbi Ziegler erklärt, für ihn seien die Motive der beiden Mädchen nicht ganz nachvollziehbar; offenbar hätten sehr viel Neugierde und Abenteuerlust im sexuellen Bereich mitgespielt, aber auch die Vorstellung, auf leichte Art und Weise zu Geld zu kommen.
Es ist für Röbi Ziegler unzweifelhaft, dass B.T. - damals 50 Jahre alt - eigentlich seiner Verantwortung hätte nachkommen und die beiden Mädchen von ihrem Tun hätte abhalten müssen. Offenbar war B.T. damals nicht dazu fähig, verantwortungsbewusst zu reagieren, und liess sich auf das Ansinnen der Mädchen ein.
Sein ebenfalls beteiligter Kollege, der Barbesitzer, ist zu einer bedingten Strafe verurteilt worden, denn er hat eines der Mädchen sogar an andere Männer vermittelt.
Zur Lebensgeschichte B.T.s: Gemeinsam mit seiner Frau hat er eine Phase der Drogenabhängigkeit durchlaufen. Sie haben gemeinsam zwei Kinder, die in einer familiären Situation aufgewachsen sind, welche der reine Horror gewesen sein muss. Die Ehe ist auseinander gegangen; die beiden Kinder wurden in ein Heim verbracht. Die Tochter, das ältere der beiden Kinder, hat in der Zeit im Heim, traumatisiert durch die familiäre Situation, schwere Jahre durchgemacht; sie war über lange Zeit schwer depressiv und suizidal gefährdet. B.T. hat versucht, die Beziehungen innerhalb der Familie zu normalisieren. Es ist ihm gelungen, mit seiner Frau, von der er getrennt und mittlerweile auch geschieden war, einen vernünftigen Umgang zu pflegen, und er hat angefangen, sich um seine Kinder zu kümmern. Die Beiständin des Kinder- und Jugendschutzes Basel-Stadt konnte deshalb beantragen, dass die Tochter, die sich im Heim sehr schlecht entwickelt hatte, zum Vater ziehen konnte. Die Tochter lebt nun seit zwei Jahren beim Vater und hat sich sehr gut entwickelt. Der Vater lebt mit ihr und einer neuen Partnerin im Elsass in ländlicher Umgebung; die Tochter besucht in Basel die Schule. Auch Lehrer der Tochter bestätigen, dass der Vater verantwortungsvoll und kooperativ sei; es sei sehr gut möglich, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Es lässt sich sagen, dass sich B.T.s Persönlichkeit - erstaunlicherweise auch mit mehr als 50 Jahren - gut entwickelt hat. Er hat sich nicht nur beruflich bewährt, sondern hat auch seine Verantwortung als Vater auf ausgezeichnete und erstaunliche Art und Weise wahrgenommen. Die zuständige Person des Jugendschutzes Basel-Stadt spricht von einem seltenen Phänomen, dass sich eine Familiensituation so grundlegend verändern kann.
Es ist primär auf die positive Entwicklung B.T.s im Zeitraum zwischen Verurteilung und heute zurückzuführen, dass die Petitionskommission dem Landrat beantragt, dem Begnadigungsgesuch zuzustimmen. Im Weiteren spielt eine Rolle, dass B.T. sich beruflich gefestigt hat und ein verantwortungsbewusster Vater geworden ist. Ferner ist von Belang, dass die Tochter aus den gegenwärtigen Verhältnissen herausgerissen und in einem Heim untergebracht werden müsste, hätte B.T. nun seine Strafe anzutreten.
Aus diesen Überlegungen heraus beantragt die Petitionskommission dem Landrat, dem Begnadigungsgesuch zuzustimmen, auch wenn das dahinterstehende Delikt auf den ersten Blick stutzig machen könnte; aufgrund der eingehenden Prüfung der Akten ist die Kommission jedoch zur Entscheidung gelangt, dass eine Begnadigung gerechtfertigt und sinnvoll sei.
Röbi Ziegler weist darauf hin, dass B.T. - wie im Kommissionsbericht bereits erwähnt - auch ein Begnadigungsgesuch in Basel-Stadt eingereicht hat. Durch die Verurteilung in Baselland ist eine frühere bedingte Strafe wegen Drogendelikten in eine unbedingte Strafe umgewandelt worden. Der Grosse Rat Basel-Stadt hat B.T. teilbegnadigt, so dass er die Reststrafe mit Electronic Monitoring verbüssen kann.
Paul Schär erklärt, ein Kommissionsbericht könne natürlich nicht alles wiedergeben, wie hier klar zum Ausdruck gekommen sei. Er ist deshalb sehr froh um die zusätzlichen Erläuterungen des Kommissionspräsidenten.
In der Fraktion hat eine intensive Diskussion stattgefunden; ein Teil hat der Begnadigung zugestimmt, der andere Teil war dagegen, mit der Begründung, die Begnadigung nicht verantworten zu können. Jetzt haben alle die Informationen erhalten und können nachvollziehen, warum die Petitionskommission den Antrag stellt, die unbedingte Strafe in eine bedingte umzuwandeln.
Ergänzend zu Röbi Ziegler merkt Paul Schär an, für eine Begnadigung bzw. in diesem Fall für eine bedingte Begnadigung müsse Reue beim Gesuchsteller gegeben sein. Diese Reue hat der Gesuchsteller mehrfach zum Ausdruck gebracht, was für die Petitionskommission ein ganz entscheidender Faktor war, den bedingten Strafvollzug zu gewähren.
Röbi Ziegler habe alles Wichtige gesagt, stellt Elsbeth Schmied einleitend fest. In der SP-Fraktion sind einige Diskussionen geführt worden, aber diese stimmt grossmehrheitlich der bedingten Begnadigung zu.
Eine volle Begnadigung komme für die CVP/EVP-Fraktion in diesem Falle nicht in Frage - dafür sei das begangene Delikt zu verwerflich, erklärt Ivo Corvini . Aufgrund der persönlichen Entwicklung in den letzten Jahren sowie aufgrund der Stellungnahme des Strafgerichtes und der Staatsanwaltschaft kann sich die Fraktion jedoch mit der Gewährung eines bedingten Strafvollzuges, wie ihn die Kommission beantragt, einverstanden erklären.
Ihre Fraktion sei sehr froh um die Ausführungen Röbi Zieglers, zumal diese nicht in der Petitionskommission vertreten sei, bemerkt Esther Maag . Aufgrund der Ausführungen müsste die Tochter erneut in ein Heim verbracht werden, was nicht zu verantworten ist; die Fraktion folgt deshalb dem Kommissionsantrag.
Bruno Steiger findet es auch gut, dass Röbi Ziegler den Fall offengelegt hat. Stutzig ist er allerdings geworden bei dessen Ausführungen, wonach der Grosse Rat Basel-Stadt den Gesuchsteller teilbegnadigt hat und dieser die Strafe mit Electronic Monitoring abbüssen kann. Für Bruno Steiger ist nicht nachvollziehbar, wie die Strafe umgesetzt werden kann, da der Gesuchsteller im Elsass wohnt. Aufgrund dieser Sachlage kann er der Begnadigung nicht zustimmen.
Kommissionspräsident Röbi Ziegler antwortet, die Kommission habe auch die Variante diskutiert, ob nicht eine Begnadigung dergestalt ausgesprochen werden sollte, dass die Strafe mit Electronic Monitoring abgebüsst werden müsste. Sie ist aber zum Schluss gekommen, dass die aktuelle Wohnsituation im Elsass gerade für die Tochter sehr hilfreich ist.
Basel-Stadt hat nun entschieden und zwingt B.T., mit seiner Tochter wieder in die Schweiz zu ziehen, so dass er die Strafe mit Electronic Monitoring verbüssen kann.
Keine weiteren Wortbegehren.
://: Der Landrat stimmt dem Antrag der Petitionskommission, B.T. begnadigungsweise den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren zu gewähren, mit 64 : 10 Stimmen bei 10 Enthaltungen zu.
Für das Protokoll:
Barbara Imwinkelried, Landeskanzlei
Fortsetzung