Protokoll der Landratssitzung vom 7. September 2006

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2006-162 vom 13. Juni 2006
Vorlage: Teilrevision des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 25. März 1996: Prämienverbilligung und Leistungsaufschub für säumige Versicherte
- Bericht der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom: 24. August 2006
Beschluss des Landrats < 1. Lesung beendet >



Nr. 1949 und 1950

8 2006/162


Berichte des Regierungsrates vom 13. Juni 2006 und der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom 24. August 2006: Teilrevision des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 25. März 1996: Prämienverbilligung und Leistungsaufschub für säumige Versicherte. 1. Lesung


Kommissionspräsidentin Rita Bachmann (CVP) betont einleitend, dass mit der Vorlage einerseits Anpassungen an zwingend auf den 1. Januar 2007 in Kraft zu setzendes eidgenössisches Recht erfolgen, und andererseits Neuerungen wie die Bestimmung des massgebenden Einkommens und die Einführung einer Einkommensobergrenze zur kantonalen Umsetzung des EG KVG aufgenommen wurden.


In § 65 Absatz 1bis bestimmt das revidierte KVG:


Für untere und mittlere Einkommen verbilligen die Kantone ihre Prämien für Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung um mindestens 50 Prozent.


Diese Forderung findet in §8 der Vorlage ihre Umsetzung, wobei der Kanton generöser ist als der Bund, indem er die 50-prozentige Prämienverbilligung auf alle anspruchsberechtigten Kinder und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre ausdehnt. Anspruchsberechtigt bedeutet: das massgebende Einkommen darf die Limite von 25'000 Franken nicht übersteigen.


Bis heute unbefriedigend geregelt ist der Zahlungsverzug beziehungsweise der Wegkauf von Leistungsaufschüben bei den Versicherungen. Die neuen Regelungen in § 6 a. und 6 b. ergänzen das kantonale Sozialhilfegesetz. Dank der Meldepflicht an die kantonale Ausgleichskasse beziehungsweise an die Sozialhilfebehörde wird es nun möglich, die betreffenden Personen frühzeitig zu beraten und die Bedürftigkeit zu unterstützen.


In der Frage des Leistungsaufschubs war das Gemeinwesen bis heute nicht in der subsidiären Plicht, unbezahlte Prämien und Kostenbeteiligungen zu übernehmen. Wegen den neuen Bundesbestimmungen über den Zahlungsverzug und den Leistungsaufschub muss neu gemäss § 6 b. verfahren werden.


§ 8 Absatz 3 Anspruch wurde nicht nur redaktionell geändert, eine kleine Mehrheit beschloss, dass für anspruchsberechtigte Kinder sowie anspruchsberechtigten jungen Erwachsenen bis 25 Jahre mindestens 50 Prozent der kantonalen Jahresrichtprämie (an Stelle der kantonalen Durchschnittsprämie) ausgerichtet wird. Einerseits war man der Ansicht, der Kanton Basel-Landschaft gehe mit seiner Regelung grosszügiger vor als der Bund, und andererseits war gefordert, dass die richtigen Personen eine optimale Unterstützung erhalten.


In § 8a Einkommensobergrenzen, Prozentanteil und Jahresrichtprämie kam einmal mehr die Forderung nach einer progressiven Gestaltung der Prämienverbilligung auf. Weil das Anliegen in der VGK einerseits bereits früher geprüft und verworfen wurde, und andererseits die Zeit für eine erneute Detailprüfung schlicht fehlte, wurde die bisherige Lösung beibehalten. Mit diesem Anliegen wird sich inskünftig die Finanzkommission zu befassen haben.


Weil der Kreis der Prämienverbilligungsbezüger mit jedem Prämienanstieg grösser wird, ist im Dekret eine Einkommensobergrenze beschlossen beziehungsweise angepasst worden.


In § 9 wurde aufgrund immer wiederkehrender Diskussionen die Bestimmung des massgebenden Einkommens revidiert. Heute erhält eine Familie mit zwei Kindern und einem massgebenden Einkommen zwischen 101'000 und knapp 120'000 Franken und eine Familie mit 4 Kindern mit einem massgebenden Einkommen zwischen 128'000 und maximal 160'000 Franken auch noch Prämienverbilligung. Eine Reduktion erscheint tragbar, umso mehr, wenn man mit anderen Kantonen vergleicht.


Die VGK empfiehlt dem Landrat mit 8 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung der Gesetzesänderung und mit 9 Ja zu 1 Nein und 1 Enthaltung dem Dekret zuzustimmen und die drei Vorstösse als erfüllt abzuschreiben.


Eric Nussbaumer (SP) sieht in der Vorlage zwei Schwerpunkte: Die bundesrechtlichen Vorgaben und die Frage, wie das Baselbieter Prämienverbilligungsmodell optimiert werden kann.


Bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben geht es einerseits um die Vergünstigung der Prämien für Kinder und junge Erwachsene und um die Bundesvorschriften im Bereich jener Versicherten, die im Zahlungsverzug sind oder sich im Leistungsaufschub befinden. Diesen neuen Regelungen stimmt die SP zu.


Bezüglich Optimierung des Prämienverbilligungsmodells Baselland existiert die Vorgabe, dass die Prämienverbilligung so ausgestaltet sein soll, dass Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen davon profitieren sollen. Die Baselbieter Regierung hat seit der GAP-Debatte ein neues Ziel darüber gestülpt, nämlich den Ausschöpfungsgrad der Bundesmittel zu senken. Über allem steht das Ziel, nicht mehr als 70 Prozent der Bundesmittel auszuschöpfen, eine Diskrepanz zur eigentlichen Zielsetzung, die Mittel den Menschen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen zukommen zu lassen. In dieser Ausgangslage hat die SP in der Kommission Rückweisung mit der Begründung beantragt, die Revision sei so auszugestalten, dass eine progressive Subventionsgrenze eingeführt werden kann. Eine progressive Subventionsgrenze ist die richtige sozialpolitische Massnahme, welche die SP von der Regierung schon im Rahmen dieser Gesetzesrevision erwartet hätte.


Im geltenden Baselbieter System werden alle berechtigten Einkommensschichten nach demselben Prozentsatz bewertet. Damit müssen die untersten Einkommen, bezogen auf das verfügbare Einkommen, die höchste Belastung tragen. Soll das System optimiert werden, muss den tieferen Einkommen ein tieferer Selbstbehalt und mit steigendem Einkommen ein höherer Prozentsatz auferlegt werden. Nach Auffassung der SP wäre dies die richtige sozialpolitische Ausgestaltung des Baselbieter Prämienverbilligungsmodells. Leider fand der Rückweisungsantrag keine Mehrheit. Immerhin wurde mit der Einführung der Einkommensobergrenze dafür gesorgt, dass nicht immer höhere Einkommen zum Kreis der Prämienverbilligungsbezüger dazu kommen.


Aus Sicht der SP fand bloss eine geringe Optimierung des Baselbieter Prämienmodells statt. Die SP steht dahinter, wird aber nicht aufhören, für das richtige sozialpolitische Modell, das progressive, zu kämpfen.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Thomas de Courten (SVP) widerspricht seinem Vorredner: Das Prämienverbilligungssystem entspricht an sich schon einem Umverteilungsprinzip; die Verbilligungen werden über die Steuern finanziert, also bezahlt, wer mehr hat, deutlich mehr als jene, die über tiefe Einkommen verfügen.


Auch die SVP-Fraktion findet es richtig, dass jene, die es wirklich nötig haben, eine Prämienverbilligung erhalten. Die Grenze zwischen jenen, die es nötig haben, und jenen, die es nicht brauchen, verläuft mitten durch den Mittelstand, also durch die von der SVP vertretene Wählerschicht. Es ist schwierig, die Grenze genau so festzulegen, dass sie gerecht ist.


Es wäre eigentlich gescheiter, statt die Umverteilung weiter zu forcieren endlich die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen und so den Prämienanstieg einzudämmen.


Der Kanton muss Bundesrecht umsetzen, und die Kommission hat einen Kompromiss gefunden, dem die SVP-Fraktion grundsätzlich zustimmen kann. Sie wird zwar noch einen Optimierungsantrag stellen, ist aber bereit zum Zugeständnis, dass auch jene jungen Erwachsenen, die nicht in Ausbildung sind, eine automatische Prämienverbilligung von 50 % erhalten sollen.


Die Einkommensgrenzen sind ein neues Instrument zulasten des oberen Mittelstandes. Wesentlich ist, wo die Grenze festgelegt wird. Mit der Art, wie das massgebende Einkommen berechnet wird, ist die SVP-Fraktion nicht einverstanden und wird deshalb Änderungsanträge zu § 9 stellen.


Finanziell ist die ganze Übung ein Nullsummenspiel, aber de facto handelt es sich um eine Umverteilung vom oberen Mittelstand zu den kleineren und bescheidenen Einkommen. Die SVP-Fraktion ist für Eintreten.


Die Prämienverbilligungsvorlage war für Judith van der Merwe (FDP) schon immer ein wichtiges Geschäft, das die VGK oft beschäftigt hatte. Die aktuelle Vorlage ist eine sehr gute Umsetzung der Bundesvorgaben, und darüber hinaus sind weitere sinnvolle Änderungen vorgenommen worden.


Die Kommission hat sich die Arbeit nicht leicht gemacht; es wurde intensiv diskutiert und um eine Einigung gerungen. Die FDP-Fraktion steht einstimmig hinter dem Resultat und wird alle Änderungsanträge ablehnen.


Das Dossier «EG KVG» liegt künftig in der Kompetenz der Finanzkommission. Bei jeder Änderung hat sich in der Vergangenheit die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission zwei Fragen gestellt:


Der Finanzkommission ist vor allem ans Herz zu legen, sich vor allem auch mit der zweiten Frage intensiv zu befassen. Das Prämienverbilligungs-Geschäft darf nicht auf ein reines Finanzgeschäft reduziert werden. Die sozialpolitische Frage hat in der VGK stets viele Diskussionen ausgelöst, aber sie hat sich stets auf ein gemeinsames Ziel geeinigt.


Erfreulicherweise hat sich die Steigerung der Gesundheitskosten verlangsamt; für das Jahr 2007 ist fürs Baselbiet mit einer Prämiensteigerung von höchstens 3 % zu rechnen. Und zudem haben die soeben beschlossenen Steuergesetzrevisionen einen massgebenden Einfluss auf die Berechnung des der Prämienfestlegung zu Grunde liegenden Einkommens. Diese Faktoren dürften in den nächsten Jahren eine ganz neue Ausgangslage schaffen. Deshalb sollte nicht nur das von der SP geforderte prozentuale Stufenmodell geprüft werden, sondern die Regierung müsste sich bei der Neubeurteilung die Frage stellen, ob die heutige Höhe der Richtprämie wirklich die richtige und nicht möglicherweise zu hoch angesetzt sei. Auch die Senkung der Richtprämie müsste in Betracht gezogen und die Subventionsgrenze überdacht werden.


Es wäre sehr schade, wenn es letztlich nur darauf hinausliefe, die Obergrenze einfach abzusenken, das Gesamtsystem aber nicht mehr neu beurteilt würde.


Mit etwas Wehmut verabschiedet sich Judith van der Merwe von diesem Geschäft. Es war eines der allerersten, mit denen sie sich als junge Landrätin zu befassen hatte, weshalb sie sich stets mit Herzblut damit beschäftigt hat. Sie wünscht der Finanzkommission viele angeregte und engagierte Diskussionen in dieser Sache.


Paul Rohrbach (EVP) meint, wenn seine Vorrednerin sich in diesem Geschäft als «Seniorin» bezeichnet, sei er der «Junior». Denn er hat sich bisher nur teilweise in die komplexe Materie einarbeiten können. In der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission herrscht ein gewisser Abschiedsschmerz, verbunden mit dem Wunsch, die Finanzkommission möge sich seriös und mit der nötigen Sensibilität in dieses Dossier einarbeiten, zumal es sich längst nicht nur um eine finanz-, sondern auch um eine familien- und jugendpolitische Angelegenheit handelt.


Die vorliegende Teilrevision des EG KVG ist ein wichtiges Geschäft. Die bisherige Ausrichtung der Prämienverbilligungsbeiträge aufgrund der alten gesetzlichen Grundlagen hat zu einer gewissen Schieflage geführt. Jedes Jahr sind die Prämien gestiegen, und deshalb ist auch die Zahl der Verbilligungsbezüger jährlich grösser geworden. Wer ehrlich ist, weiss, dass auch viele Leute in den Genuss dieser Beihilfe gekommen sind, die sie gar nicht nötig haben.


Nun ist eine gewisse Umverteilung geplant, mit der auch einige störende Elemente des alten Gesetzes eliminiert werden. So ist das massgebende Jahreseinkommen verändert worden, indem gewisse Elemente wie Liegenschaftsunterhalt, Einkauf in die 2. Säule, Beiträge in die 3. Säule usw. nicht mehr abgezogen werden können.


Einen Anspruch auf Prämienverbilligung sollen die unteren und mittleren Einkommen haben. Diese Zuschüsse im höheren Einkommenssektor zu begrenzen, ist richtig. Die 50-prozentige Ermässigung für Kinder und Jugendliche ist insbesondere der CVP ein grosses Anliegen.


Die CVP/EVP-Fraktion steht hinter der Vorlage, die sie als ausgewogen erachtet und auf die sie deshalb eintritt.


Madeleine Göschke (Grüne) dankt der Regierung für die Verkleinerung der Prämienverbilligungs-Giesskanne. Seit Jahren setzen sich die Grünen dafür ein, dass hohe Einkommen weniger und tiefe Einkommen mehr Unterstützung erhalten. Ganz konsequent und sozial wirklich gerecht liesse sich dies nur mit dem progressiven Prozentsatz lösen. Zeit dafür wäre genügend gewesen; ihren entsprechenden Vorstoss hat Madeleine Göschke bereits 2004 eingereicht. Andere Kantone machen gute Erfahrungen mit dem progressiven Modell. Diesen Weg wird auch das Baselbiet künftig gehen müssen, wie bereits Eric Nussbaumer deutlich gemacht hat.


Die Nettoprämien für Verbilligungsbezüger sind seit dem Jahr 2002 durchschnittlich um 50 Prozent angestiegen. Dieser massive Anstieg ist nicht nur auf die höheren Krankenkassenprämien zurückzuführen, sondern auch auf die Tatsache, dass die Verbilligungsbeiträge für einen grossen Teil der kleineren und mittleren Einkommen während der letzten fünf Jahre gekürzt worden sind. Das Resultat ist eine Nettoprämie, die für viele Prämienverbilligungsbezüger schlicht nicht mehr tragbar ist.


Zu § 8 wird die grüne Fraktion einen Antrag stellen. Die Berechnung des massgebenden Jahreseinkommens hält sie nach wie vor für unbefriedigend. Es sind noch zu viele Abzüge möglich, weshalb immer noch zu viele Leute, die es gar nicht nötig haben, in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen; dieses Geld fehlt dann für die Entlastung der wirklich tiefen Einkommen.


Mit den übrigen Neuregelungen ist die grüne Fraktion einverstanden; sie tritt deshalb auf die Vorlage ein.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) dankt für die gute Aufnahme der komplexen Vorlage. Er wünscht schon jetzt der Finanzkommission für die Einarbeitung in dieses Gesetz alles Gute. Er ist zwar nicht der Meinung, dass diese dazu nicht in der Lage sei, gibt aber zu bedenken, dass es deutlich anspruchsvoller sei als ein bisschen Prozentrechnen. [Heiterkeit] Wenn der Finanzdirektor auch Sozial- und Familienminister sein kann, kann selbstverständlich auch die Finanzkommission über dieses Geschäft befinden.


Mit der Teilrevision des EG KVG wird Bundesrecht umgesetzt; die Umsetzung ist zwingend per 1. Januar 2007 nötig. Leider hat dies zu einem exogenen Zeitdruck geführt, und der Handlungsspielraum für den Kanton war von vornherein begrenzt. Die Vorstellungen darüber, was sozial gerecht und richtig ist, gehen sehr weit auseinander, und deshalb ist letztlich ein Kompromiss nötig, der Zugeständnisse beider Seiten voraussetzt.


Am seit 1996 geltenden und bewährten Prämienverbilligungssystem, das in dieser Zeit immerhin von null auf CHF 90 Mio. hochgefahren worden ist, gibt es keine tiefgreifenden Änderungen. Das System ist in den letzten Jahren immer wieder bestätigt und verfeinert worden. Die jetzt vorgeschlagene Revision bringt eine weitere Optimierung. Die Neuerungen betreffen primär den Zahlungsverzug. Die drei Kernpunkte der Revision - Mindestanspruch für junge Erwachsene und Kinder (die Umsetzung von Bundesrecht), Fixierung der Einkommensobergrenze (eine sinnvolle Optimierung des heutigen Systems) sowie Regelungen zu Zahlungsverzug und Leistungsaufschub - sind in der Vernehmlassung bei Parteien, Gemeinden und Sozialhilfebehörden auf eine grosse Akzeptanz gestossen. Und am Schluss ist auch die VGK auf diesen Weg eingeschwenkt.


Das Ziel der vollständigen Ausschöpfung der Subventionen war die Idee irgendwelcher Bundesämter und Bundesräte. Aber man muss sich bewusst sein, dass diese Subventionen zuerst von den Kantonen nach Bern geschickt werden, bevor sie ausgeschöpft werden können. Als Geberkanton hat Baselland nicht unbedingt ein Interesse daran, das Bundessubventionen um jeden Preis voll ausgeschöpft werden.


Die Absicht der Regierung war nicht, einfach möglichst billig zu sein. Sondern das Ziel der ganzen Übung war, die Absicht des Bundesgesetzes umzusetzen, also eine Unterstützung jener, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben. In einem der bestsituierten Kantone eines der vermögendsten Länder der Welt sollte man sich genau überlegen, was noch als bescheidene wirtschaftliche Verhältnisse gelten kann. Thomas de Courten sei gesagt, dass der Mittelstand bei jeder Umverteilung verliert. Wer meint, es könne möglichst viel für seine eigene Klientel umverteilt werden, ist als Mittelstandsvertreter auf dem Holzweg. Denn in einem Umverteilungssystem beträgt der Wirkungsgrad immer unter 100 %. Es wird immer weniger Geld verteilt als zuvor kassiert wird. Eine nüchterne Betrachtungsweise kann nicht schaden.


Zuvor hat der Landrat in erster Lesung einer Neuerung bei der Familienbesteuerung zugestimmt. Selbstverständlich wird auch diese Revision Auswirkungen haben auf die Einkommensberechnung, weshalb das Prämienverbilligungssystem demnächst wieder überprüft und optimiert werden muss. Mit der heutigen Vorlage wird also nichts auf längere Zeit zementiert, sondern mit der Finanzkommission wird die Diskussion schon bald wieder aufgenommen werden, und dann können alle verschiedenen System verglichen und besprochen werden, wie dies schon in der VGK der Fall war.


Der Finanzdirektor bittet den Rat, den Anträgen der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission integral zuzustimmen.


Er spricht dreien seiner Mitarbeiter, nämlich Lothar Niggli, Rudolf Schaffner und Daniel Schwörer, seinen herzlichen Dank aus für ihren wesentlichen Beitrag zur mathematisch und juristisch überaus anspruchsvollen Vorlage.


://: Eintreten ist unbestritten.



- Detailberatung

Titel und Ingress keine Wortbegehren


I.


§§ 6, 6a, 6b keine Wortbegehren


§ 8 Absätze 1 und 2 keine Wortbegehren



§ 8 Absatz 3


Madeleine Göschke (Grüne) blickt zurück: Die Regierung hat vorgeschlagen, für Kinder und Jugendliche 50 % der Durchschnittsprämie auszuzahlen. Die VGK hat aber - nur mit dem Stichentscheid der Präsidentin - die Durchschnitts- durch die Richtprämie ersetzt. Dies bedeutet für 18- bis 25-Jährige, dass sie pro Jahr CHF 550 mehr Prämien bezahlen müssen. Ist dies die Baselbieter Familien- und Jugendpolitik? Junge Menschen haben schon genügend Probleme mit der Arbeits- und Lehrstellensuche.


Aus diesen Gründen beantragt Madeleine Göschke, den Begriff «Jahresrichtprämie» durch «Durchschnittsprämie» zu ersetzen, so wie die Regierung es ursprünglich vorgeschlagen hat. Die Antragstellerin bittet vor allem die CVP, welche am Vormittag bei der Behandlung der Steuergesetzrevision ihr Herz für Familien- und Jugendfragen geöffnet hat, nun auch entsprechend zu entscheiden.


Eric Nussbaumer (SP) unterstützt den Antrag der Grünen, der auch der Regierungsmeinung entspricht.


Die Jahresrichtprämie ist eine politische Grösse, die von der Regierung festegelegt wird, während die Durch-schnittsprämie ein kalkulatorischer Wert ist, der in der ganzen Schweiz gleich ermittelt wird. Im Blick auf allfällige Auseinandersetzungen wäre es viel einfacher, die Durchschnittsprämie zu nehmen, um die Vorgaben des Bundes zu erfüllen.


Judith van der Merwe (FDP) berichtet, die Kommission habe jene Lösung gewählt, welche auch der Bund vorgeschlagen hat. Viele der 18- bis 25-Jährigen sind noch in der Ausbildung und werden vom Elternhaus unterstützt; weshalb sollten sie also eine so grosszügige Unterstützung erhalten?


Bei der Vergünstigung wird nicht darauf geachtet, ob die Nutzniesser Kinder reicher Eltern sind oder nicht. Die FDP-Fraktion meint, man solle sich an die Bundesvorgaben halten.


Thomas de Courten (SVP) erklärt, die Durchschnittsprämie basiere auf dem Schnitt aller Krankenkassenprämien, der teuren gleich wie der günstigen. Die Jahresrichtprämie dagegen liegt mit Sicherheit näher an den günstigsten Prämien. Diese zu nutzen, ist bestimmt erstrebenswert.


Das Jugendliche, wie Madeleine Göscke gesagt hat, CHF 550 mehr bezahlen müssen, liegt nur daran, dass sie ihre Kasse nicht wechseln. Täten sie dies, wären die Prämien viel tiefer.


Der Antrag ist ein theatralischer Aufschrei, für den die SVP-Fraktion nichts übrig hat. Sie lehnt ihn ab.


Das Votum von Judith van der Merwe möchte Isaac Reber (Grüne) nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen. Er fragt: Wann sind Kinder am teuersten? Die Antwort kennt er als Familienvater genau: Wenn sie in der Ausbildung sind. Die Argumentation der FDP stimmt also nicht, und deshalb soll mit dem Antrag wieder zur regierungsrätlichen Fassung zurückgekehrt werden.


://: Der Änderungsantrag von Madeleine Göschke wird mit 40:35 Stimmen bei vier Enthaltungen abgelehnt.


§ 9 Absatz 1


Thomas de Courten (SVP) ist froh, dass auch der Finanzdirektor Umterverteilungsübungen als etwas grundsätzlich Schlechtes beurteilt.


Das für die Prämienverbilligung massgebliche Jahreseinkommen ist bereits in der bisherigen Gesetzgebung geregelt. Neu gilt eine Einkommensobergrenze, d.h. der obere Mittelstand wird bereits getroffen. Zusätzlich wird das Einkommen aber auch noch weiter erhöht durch die Anrechnung des Einkaufs fehlender Beitragsjahre in der 2. Säule, der den Pauschalabzug übersteigenden Liegenschaftsunterhaltskosten und der Einzahlungen in die Säule 3a. So wird der obere Mittelstand also gleich doppelt benachteiligt.


Es besteht aber überhaupt kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Einzahlungen ins Vorsorgesystem - seien sie obligatorisch oder freiwillig - und dem Liegenschaftsunterhalt einer- und der Prämienverbilligung andererseits. Niemand nimmt Unterhaltsarbeiten an seinem Haus nur vor, um in den Genuss von Prämienverbilligungen zu kommen. Wer, was finanz- und steuerpolitisch erwünscht ist, eigenverantwortlich in seine Vorsorge investiert, sollte nicht bestraft werden.


Deshalb beantragt Thomas de Courten die Streichung von § 9 Absatz 1 lit. d, e und f.


Eric Nussbaumer (SP) lobt Thomas de Courten für seine Ehrlichkeit. Dieser hat gesagt, er engagiere sich für ein Prämienverbilligungsmodell für genau die von ihm vertretene Wählerschicht. Es ist aber nicht Aufgabe des Parlamentes, Gesetze für gewisse Wählerschichten zu erlassen, sondern das umzusetzen, was der Bund verlangt: nämlich die Ausgestaltung eines Prämienverbilligungsmodells, das die zur Verfügung stehenden Mittel jenen Personen zukommen lässt, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Für diese Schichten mit kleineren und tiefen Einkommen sorgt die SVP, wie nun klar geworden ist, nicht.


Wer den Streichungsanträgen zustimmt, generiert damit Mehrkosten in Millionenhöhe. Denn damit würde der Kreis von Anspruchsberechtigten massiv ausgedehnt. Allein schon deswegen sind die Anträge unsorgfältig: die Auswirkungen sind schlicht nicht quantifizierbar.


«Umverteilung» immer nur plakativ als etwas Böses zu verteufeln, ist nicht vereinbar mit verantwortungsvoller Politik, die den sozialen Ausgleich im Auge hat.


Den Aufstellungen, die der VGK zur Verfügung gestellt worden sind, ist zu entnehmen, dass in der Einkommensklasse von null bis CHF 10'000 jährlich CHF 32 Mio. für Liegenschaftsunterhalt abgezogen worden sind. Es kann doch nicht akzeptiert werden, dass solche Leute sich teure Unterhaltsarbeiten leisten können und am Jahresende Prämienverbilligungsrechnungen an den Kanton schicken. In der Einkommenskategorie von CHF 10'000 bis 20'000 wurden Liegenschaftsunterhaltskosten von CHF 10 Mio. angegeben usw.


Ähnlich verhält es sich bei den Einzahlungen in die Säule 3a: In der untersten Einkommensklasse wurden dafür CHF 3 Mio. aufgewendet. Diese Leute können es sich also leisten, mitunter hohe Beträge in die Vorsorge einzuzahlen, und am Schluss sollen sie auch noch Prämienverbilligungen erhalten. Das kann nicht die Idee dieses Systems sein.


Die Streichungsanträge widersprechen der Absicht, das Prämienverbilligungsmodell so zu optimieren, dass es wirklich den mittleren und tiefen Einkommen zugute kommt. Die Anträge sind unverantwortlich und gehören abgelehnt.


Namens ihrer Fraktion widersetzt sich auch Judith van der Merwe (FDP) den Streichungsanträgen. Tatsächlich wurde lit. e eingeführt, um dem recht weit verbreiteten Missbrauch Einhalt zu gebieten. Es gibt Leute mit gutem Einkommen, die wegen grösserer Liegenschaftsunterhaltskosten plötzlich einen Anspruch auf Prämienverbilligungen bekommen. Eigentlich sollte man meinen, dass solche Leute den entsprechenden Brief zurückschicken und auf die Verbilligung, da sie darauf nicht angewiesen sind, verzichten - aber es scheint, dass viele tatsächlich die Verbilligungen in Anspruch genommen haben. Das darf nicht sein.


Zu den Punkten d und f nur so viel: wer in der glücklichen Lage ist, für die Zukunft sparen zu können, soll dafür nicht noch mit einer Prämienverbilligung subventioniert werden.


Um die beiden vorangegangenen Voten ist Madeleine Göschke (Grüne) froh. Krankenkassenprämienverbilligungen sollen nur jene bekommen, die es wirklich nötig haben. Liegenschaftsumbauten und freiwillige Vorsorgeeinzahlungen leisten sich nur Leute, die das Geld dafür haben. Die Summen, die für Prämienverbilligungen zur Verfügung stehen, sollten jenen vorbehalten bleiben, die es wirklich nötig haben. Die Streichungsanträge verdienen keine Unterstützung.


Eva Chappuis (SP) könnte sich bei lit. d allenfalls dem Antragsteller anschliessen, wenn er diesen Punkt umformuliert, so dass nur noch der obligatorische Teil der zweiten Säule gemeint ist. Denn dabei geht es nur um das Auffüllen von Beitragslücken bei einer obligatorischen Versicherung.


Thomas de Courten (SVP) hält es, an Eric Nussbaumer gewandt, nicht für falsch, sich für den Mittelstand einzusetzen. Der Mittelstand stellt nicht nur die Hauptwählerschicht der SVP, sondern er ist es auch, der unser Staatswesen wesentlich mitträgt und mit seiner Arbeit, seinen Steuern und seinen Abgaben unsere Sozialwerke finanziert.


Die bisherige Ausgestaltung der Einkommensberechnung wurde als gerecht angesehen; deshalb ist nicht einzusehen, weshalb nun Verschärfungen vorgenommen werden sollen.


Liegenhaltsunterhalt - und nicht etwa Umbauten, wie dies Madeleine Göschke gesagt hat - dient letztlich dazu, dass Häuser erhalten bleiben und dass in ihnen ordentlich gelebt werden kann. Das ist also auch eine Art der Vorsorge.


Weil sich abzeichnet, dass die Anträge nicht durchkommen, geht Thomas de Courten auf Eva Chappuis' Anregung ein und beantragt deshalb folgende Umformulierung von lit. d:


die Einkäufe von fehlenden Beitragsjahren in den obligatorischen Teil der 2. Säule.


Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) bittet, nur Anträge zu stellen, deren Auswirkungen man kennt. Die vorliegenden Anträge hätten zur Folge, dass nicht nur gerade Peanuts umhergeschaufelt würden, sondern es geht um sehr viel Geld.


Der Anspruch auf Prämienverbilligung wird seit der Einführung des Systems aufgrund der rechtskräftigen Steuerveranlagung automatisch berechnet.


Dass Liegenschaften unterhalten werden, dass fehlende Beitragsjahre in der beruflichen Vorsorge weggekauft werden, dass in die Säule 3a eingezahlt wird, ist alles sinnvoll. Aber wenn jenen, die dies vermögen, nicht auch noch Prämienverbilligungen gewährt werden, kann von Bestrafung keine Rede sein.


Der Mittelstand ist, auch nach Ansicht der Regierung, sehr wichtig. Er bildet in erster Linie jene Solidargemeinschaft, welche die wirtschaftlich Schwächeren unterstützt. Würden die Anträge durchkommen, schöben sich einfach Mittelstandsangehörige gegenseitige Prämienverbilligungen hin und her; das wäre nicht sinnvoll.


Der Finanzdirektor hält fest, er habe nie gesagt, Umverteilungen seien generell etwas Sinnloses. Für Menschen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen braucht es in unserem Staatswesen eine gewisse Umverteilung. Dazu steht die Regierung, solange es in einer sinnvollen Grössenordnung stattfindet. Aber Umverteilungsaktionen innerhalb des Mittelstandes sind eine Illusion.


Es ist störend, dass Gutsituierte Verbilligungen in Anspruch nehmen. Denn sie profitieren doppelt: einerseits in Form einer tieferen Steuerbelastung - die gewollt ist -, andererseits auch durch die Prämienverbilligung - und dies ist nicht Absicht der Regierung. Diese Praxis hat inzwischen ein Ausmass erreicht, dass es um viele Millionen jährlich geht. Die Neudefinition des massgeblichen Einkommens wird zu Einsparungen von immerhin CHF 5,5 Mio. führen; aber trotzdem bekommen die Liegenschaftsbesitzer immer noch CHF 17,2 Mio. Es gibt also keinen Grund, die Anträge zu unterstützen.


Eva Chappuis (SP) entschuldigt sich für einen Denkfehler, der ihr beim Formulieren der Anregung zuhanden des Antragstellers unterlaufen ist. Damit Thomas de Courten ihre Zustimmung bekommt [Heiterkeit] , müsste lit. d wie folgt lauten:


die Einkäufe von fehlenden Beitragsjahren in den überobligatorischen Teil der 2. Säule.


In Anbetracht dieses Zickzackkurses bleibt Thomas de Courten (SVP) bei seinen ursprünglichen Streichungsanträgen.


://: Der Antrag von Thomas de Courten, § 9 Absatz 1 lit. d zu streichen, wird mit 56:22 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.


://: Der Antrag von Thomas de Courten, § 9 Absatz 1 lit. e zu streichen, wird mit 57:22 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.


://: Der Antrag von Thomas de Courten, § 9 Absatz 1 lit. f zu streichen, wird mit 57:22 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.



§§ 11b, 12a, 13 Absatz 1 Satz 2


keine Wortbegehren


II. keine Wortbegehren



- Rückkommen


Es wird kein Rückkommen beantragt.


://: Damit ist die erste Lesung beendet.


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



Fortsetzung

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