Protokoll der Landratssitzung vom 2. November 2006

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2006-172 vom 22. Juni 2006
Motion von Rudolf Keller, SD: Handy-Verbot an den Baselbieter Schulen
- Beschluss des Landrats am 2. November 2006 < als Postulat überwiesen >



Nr. 2088

Landratspräsidentin Elisabeth Schneider -Schneiter (CVP) gibt bekannt, dass die Regierung bereit ist, den Vorstoss als Postulat zu übernehmen.


RP Urs Wüthrich (SP) glaubt feststellen zu dürfen, dass das Handy zu einem unverzichtbaren Objekt der heutigen Kommunikationsgesellschaft geworden ist. Man ist ja mit der Tatsache konfrontiert, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht Lesen und Schreiben können, es sei denn, sie schauten auf ein kleines Display und auf ein paar Telefontasten.


Dass Handys - gewissermassen als Nachfolge früherer Papierflieger - zur Störung des Unterrichts beitragen können, ist der BKSD ebenso bekannt wie die Tatsache, dass sich die Problematik sehr unterschiedlich manifestiert. Die Schule gibt es eben nicht. Zum Grundauftrag der Schule gehört es, auftauchenden Problemen mit entsprechendem pädagogischen Handeln zu begegnen. Schulleitungen und Lehrpersonen sind befähigt, orts- und klassenbezogen, aber auch individuell passende Massnahmen zu ergreifen. Die BKSD ist konkret wie folgt tätig:


1. Eine Arbeitsgruppe der BKSD befasst sich mit der Frage, wie bei disziplinarischen Vergehen vorzugehen ist. In der Verordnung ist die von Landrat Rudolf Keller geforderte Missbrauchsregelung aufgenommen.


2. In Respektierung der Unterschiedlichkeit hegt die BKSD die Absicht, insbesondere für den Missbrauchsfall eine schriftliche Instruktion mit konkreten Handlungsanleitungen zu Handen der Lehrpersonen vorzubereiten. Vermieden werden soll die Demotivation von Lehrpersonen, die wegen ungeschickten Vorgehens möglicherweise in der Justiz auflaufen.


3. Die Fachstelle Jugend und Gesellschaft des Amtes für Volksschulen steht in Verbindung mit der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, um den Schulen mit präventiven Aktionen über die Missbrauchsproblematik bei der Verwendung von Handys im Zusammenhang mit Pornographie und Gewalt beizustehen.


Die Kurzinformationen sollen aufzeigen, dass die BKSD nicht nur prüft, sondern auch handelt. Gerne wird die BKSD auch berichten, wenn Rechtsgrundlagen und Massnahmen in Kraft treten.


Das Handy ist heute selbstverständliche Wirklichkeit, stellt Rudolf Keller (SD) voran. Darum aber geht es Rudolf Keller nicht. Ungelöst sind etwa die heissen Probleme der Handystrahlung, der Pornographie oder des "happy slapping". Tagtäglich kann man auch beobachten, dass sich viele Erwachsene beim Gebrauch des Handy nicht vorbildlich verhalten. Je jünger die Menschen, die diese Technologie gebrauchen, desto problematischer ist sie. Auf die Motion trafen deutlich mehr Reaktionen ein als üblich. Tenor ist, der Handygebrauch sollte insbesondere in bestimmten Situationen, in den Schulen etwa, eingeschränkt werden. Auch in einem Büro darf ein privates Handy ja nicht beliebig eingesetzt werden, auch für Erwachsene ist somit nicht alles erlaubt.


In der Zeitschrift "20 Minuten" steht: Zwei Basler WBS-Schulen verbieten Handys im Haus . Eine Umfrage der baz ergab, Schulen sollten ein Handy einziehen dürfen, wenn es ihnen nötig erscheint. In einer Umfrage der Coop-Zeitung wollten 32 Prozent der Befragten das Handy auf dem gesamten Schulareal verbieten, 54 Prozent möchten das Handy im Unterricht generell verbieten und nur 12 Prozent meinten, Einschränkungen seien unnötig. Viele Lehrkräfte stehen speziell dann vor Problemen, wenn es darum geht, allfällige Sanktionen umzusetzen. Eine klarere, einschränkendere Linie - in welcher Form auch immer - zu Handen der Lehrkräfte drängt sich auf.


Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich gab Empfehlungen zur Handhabung des Handys an Schulen heraus. Diese Richtlinien zeigen Eltern und Lehrpersonen, in welche Richtung zu gehen ist. Problematisch ist ja, dass eine Schule irgend einen Entscheid fällt, der dann rechtlich unter Umständen nicht haltbar ist. Es soll nicht so sein, dass die Frage im Kanton Basel-Landschaft uneinheitlich gehandhabt wird.


Rudolf Keller bittet um Unterstützung des Vorstosses, nicht zuletzt zum Schutz der Lehrpersonen.


Regula Meschberger (SP) erklärt die Bereitschaft ihrer Fraktion, den Vorstoss als Postulat überweisen zu lassen. Grundsätzlich vertritt die SP die auch im neuen Bildungsgesetz enthaltene Auffassung, die teilautonomen, geleiteten Schulen müssten in der Lage sein, Regelungen für den Umgang mit dem Handy zu finden. Eine kantonale Regelung ist dazu nicht erforderlich. Unterstützenswert aber ist, wie vom Regierungspräsidenten ausgeführt, dass gewisse Richtlinien gesetzt werden, um Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Ebenso unterstützenswürdig ist, dass das Handy Thema des Präventionsprogramms in der Gesundheitsförderung wird. Unterschiedliche Regelungen an den Schulen des Kantons Basel-Landschaft sollen weiterhin möglich sein. Auch ein grundsätzliches Verbot ist abzulehnen, denn die Kinder und Jugendlichen sollen einen sinnvollen Umgang mit dem Handy lernen. Ein Verbot würde die Attraktivität des Handys enorm steigern.


Daniela Gaugler (SVP) unterstützt die Motion. Allerdings müsste Rudolf Keller bereit sein, in der Klammerbemerkung seines Auftrags ...und auf Schulplätzen zu streichen. Auch einer allfälligen Überweisung als Postulat würde die SVP-Fraktion zustimmen. Das Problem des Handygebrauchs an den Schulen darf nicht unterschätzt werden. Für alle Schulen im Kanton geltende Richtlinien bedeuteten einen Schritt in die richtige Richtung.


Bea Fünfschilling (FDP) muss ihr vorbereitetes Votum beiseite legen, denn sie versteht Rudolf Keller nun so, dass dieser nicht das Mitnehmen eines Handys in die Schule, sondern den Gebrauch desselben während des Unterrichts und auf dem Schulhof verbieten will.


Gegen 90 Prozent der Sek 1 und Sek 2 SchülerInnen tragen - im Einverständnis mit ihren Eltern - ein Handy auf sich, um jederzeit erreichbar zu sein. Ein Verbot würde den Intentionen der Eltern, aber auch des Rechts somit völlig zuwiderlaufen. Einer Lehrperson ist es nicht gestattet, Rucksäcke oder gar Hosensäcke zu durchsuchen. Diese Rechtslage ist den SchülerInnen bekannt. Folge: Die Lehrperson steht im konkreten Falle mit abgesägten Hosen da. Als Lehrerin duldet Bea Fünfschilling den Handygebrauch während des Unterrichts selbstverständlich nicht.


Die FDP-Fraktion unterstützt den Vorstoss weder als Motion noch als Postulat. Die Schulen sind aber sehr wohl berechtigt, ihren Bedürfnissen entsprechende Regelungen zu erlassen. Nur ein minimaler Prozentsatz an SchülerInnen hält die Bestimmungen nicht ein.


Handlungsbedarf seitens des Kantons ist nach Auffassung der FDP also nicht gegeben, die Problemlösung soll den Schulen überlassen werden.


Agathe Schuler (CVP) unterstützt die Motion namens der Fraktion nicht, ist aber bereit, einem Postulat zuzustimmen. Speziell von Interesse wäre die Bekanntgabe der von der BKSD in Bearbeitung befindlichen Wegleitungen, insbesondere im Falle rechtlicher Fragestellungen. Im Übrigen kann sich Agathe Schuler den Erfahrungen Bea Fünfschillings anschliessen. Probleme mit dieser Technologie zeigen sich zudem eher im Erwachsenenbereich, die Jugendlichen haben sie im Griff.


Für Kaspar Birkhäuser (Grüne) und seine Fraktionskolleginnen und -kollegen wirkt die Motion seltsam. Eine Mehrheit der Fraktion lehnt das Verbot ab. Eine für den ganzen Kanton geltende Missbrauchs-Sanktionsregelung halten die Grünen aber für richtig.


Wichtig ist, dass die Kinder im richtigen Umgang mit dem Instrument instruiert werden. Die Technik des Handys befindet sich im Wandel, kurz vor der Verwirklichung ist die Kombination von Handy-, PC- und Internetzugang. Möglicherweise ist das Handy ein Medium, das schon bald in den Schulen sinnvoll eingesetzt werden kann.


Die von Rudolf Keller erwähnten, im Kanton Zürich bereits eingeführten Richtlinien könnten auch für den Kanton Basel-Landschaft richtig sein.


Eine Minderheit der Grünen Fraktion würde wegen der Strahlenproblematik auch eine Motion unterstützen.


Margrit Blatter (SD): Angesichts der bekannten Fälle von SMS-Versenden während des Unterrichts, Fotografieren von Gewaltattacken, Herunterladen von Pornos und Stören der Lehrerschaft und des Unterrichts, vom Elektrosmog ganz zu schweigen, sind wir gezwungen, die Benützung des Handys während der Schulstunden grundsätzlich zu verbieten. In Reigoldswil versenden SchülerInnen während des Unterrichts SMS, es herrscht also keine Disziplin. Sogar viele Erstklässler tragen Natels mit sich herum und spielen damit. Privat sollen sie machen, was sie wollen, die Schule aber ist ein Arbeitsplatz für die SchülerInnen. Die Kinder sind anzuhalten, sich auf die gestellten Aufgaben zu konzentrieren. Als Erwachsene müssen wir die Angelegenheit ernst nehmen. Es gibt Lehrer, die wagen nichts zu sagen und nicht zu handeln, weil sie hinterher den Konflikt mit den Eltern scheuen oder sich vor den Kindern fürchten. So weit sind wir!


Dazu kommt, dass jede übermässige Benutzung eines Angebots - gleich welcher Art - auch zu Gesundheitsschäden führt. Man denke an die Disziplin, das Wohlbefinden und die Lebensqualität aller Menschen, speziell aber der Kinder - und handle danach! Weiterdenken, wo andere aufgehört haben zu denken!


Martin Rüegg (SP) beleuchtet die Situation an der Sekundarstufe 2, wo er selber unterrichtet: Als Unterrichtender ist Martin Rüegg verpflichtet, ein Handy auf sich zu tragen, zum Beispiel auf Exkursionen oder Reisen.


Für den Antrag von Rudolf Keller hegt Martin Rüegg durchaus Sympathie. Zu klären ist etwa der Punkt, was unter Missbrauch im Unterricht zu verstehen ist. Läutet es im Unterricht, so ist dies klar ein Missbrauch. Was der Lehrer aber meist nicht bemerkt, ist der Gebrauch des Handys zwecks Verschicken eines SMS oder Spielens. Vor diesem Hintergrund ist auch die FDP und Kollegin Bea Fünfschilling gebeten, wenigstens einem Postulat zuzustimmen.


Als Präsident des Schulrats Gymnasium Laufen kann Rolf Richterich (FDP) nicht nachvollziehen, was bekämpft werden soll. Wenn ein Lehrer tolerieren sollte, dass während des Unterrichts telefoniert wird oder SMS verschickt werden, wäre ein Motion sicherlich die falsche Lösung. Der Vorstoss zielt weit über das Ziel hinaus. Den teilautonomen Schulen soll überlassen werden, wie sie das Problem in den Griff bekommen wollen. Nicht einzusehen ist für einen liberal denkenden Menschen, warum der Handygebrauch auf den Pausenhöfen verboten sein soll. Mit einem Verbot würde der Landrat das Gegenteil von dem erreichen, was er beabsichtigt, der Landrat soll ein positives Zeichen setzen. Für das Aufzeigen der rechtlichen Grenzen durch die BKSD ist eine Motion und auch ein Postulat absolut unnötig.


Daniel Wenk (FDP) spricht die Frage der rechtlichen Kompetenz der Schulräte an: In der systematischen Gesetzessammlung sind Artikel enthalten, welche den Schulräten die Kompetenz zugestehen, Massnahmen zu treffen. Angesichts dieser klaren rechtlichen Ausgangslage ist auch ein Postulat unnötig.


Zwar ist auch Christine Gorrengourt (CVP) für ein Postulat, doch wäre ihr wegen der höheren Verbindlichkeit eine Motion lieber. Verbindlicher hiesse für Christine Gorrencourt, dass der Regierungsrat klar darlegen würde, wann die disziplinarischen Ordnungen und Handlungsanleitungen der BKSD in den Schulen verfügbar sein werden.


Wichtig für die Schulen und die Schulräte ist, dass möglichst bald im ganzen Kanton Klarheit geschaffen werden kann.


Es war durchaus angezeigt, meint Rudolf Keller (SD), dass der Landrat das offensichtlich unter den Nägeln brennende Thema nun besprechen konnte. Die "liberalistische" Haltung der FDP nimmt Rudolf Keller zur Kenntnis, gibt dieser Fraktion aber mit, es gelte im Vorstoss der fettgedruckte Text, der nicht davon spreche, dass Handys eingezogen werden sollen, sondern dass der Gebrauch des Handys in den Schulen verboten werden sollte.


Mit der Umwandlung in ein Postulat ist Rudolf Keller einverstanden, bittet den Regierungsrat, die Angelegenheit beförderlich zu behandeln und hofft, dass die BKSD schon bald ordnende Richtlinien herausgibt.


Einig dürfte man sich sein, dass Handys während des Schulunterrichts nicht gebraucht werden dürfen, stellt Jürg Wiedemann (Grüne) seinem Votum voran. Aufgabe der Lehrkraft ist es, den SchülerInnen eine Plattform zu bieten, die konzentriertes Arbeiten ermöglicht.


Dass die Kinder die Handys absichtlich läuten lassen, bestreitet Jürg Wiedemann. Die Kinder müssen während eines Schulmorgens derart viel überlegen, dass sie auch mal vergessen, das Handy auszuschalten. Das Postulat sagt, das Handy solle abgeschaltet sein. Auch während der kurzen Pausen sollte das Handy nicht in Betrieb sein, eine Regelung während der grossen Pausen wäre zu diskutieren. In den Schulen gelten sehr unterschiedliche Regelungen, bekannt ist etwa auch der Einzug des Handys während einer Woche. Damit aber begibt sich eine Lehrperson in den illegalen Bereich. Gut ist deshalb der Hinweis des Regierungsrates, dass für die Schulleitungen Weisungen erarbeitet werden. Unbedingt zu vermeiden ist, dass solche Weisungen dazu führen, dass sich eine Lehrperson in einem illegalen Bereich bewegt.


Das Postulat soll überwiesen werden und in den Schulen ist darauf hinzuwirken, dass das Handy während der Schulstunden und den kurzen Pausen abgeschaltet ist.


Eva Chappuis (SP) ging bisher davon aus, der Kanton Basel-Landschaft habe vor vier Jahren teilautonome, geleitete Schulen eingerichtet. Die Debatte lässt nun befürchten, es seien bloss teilautonom geleitete Schulen geschaffen worden. Bei allem Respekt vor den Sorgen und Nöten sollten die Landrätinnen und Landräte den Schulen die Verantwortung nicht wegnehmen. Jede Schule soll das Problem so lösen, wie es sich für sie als am besten erweist.


(Applaus)


RP Urs Wüthrich (SP) präzisiert, ein etwas umfangreicher Handzettel mit Weisungen sei bereits ausgearbeitet und bezüglich der Disziplinarmassnahmen bilde der Bereich Natel nur einen Teil der Verordnung.


://: Der Landrat überweist den Vorstoss von Rudolf Keller mit 43 zu 30 Stimmen bei 2 Enthaltungen als Postulat.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



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