Protokoll der Landratssitzung vom 2. November 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 2. November 2006 |
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2005-229
vom 8. September 2005
Postulat
von Romy Anderegg: 175 Jahre Kanton Baselland: Mit neuem Schwung in ein Jubiläum!
- Beschluss des Landrats am 2. November 2006 < überwiesen >
Nr. 2059
Wie Landratspräsidentin Elisabeth Schneider (CVP) bekanntgibt, lehnt der Regierungsrat das Postulat ab.
Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) bemerkt vorweg, es reiche nun für die Diskussion über diesen Vorstoss doch noch knapp vor dem Beginn des Jubiläumsjahres.
Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion hat einen Vorschlag erarbeitet, wie dieses Jubiläum gefeiert werden könnte, sie hat Umfragen gemacht und Ideen gesammelt. Der Regierungsrat vertritt aber die Auffassung, es solle kein Konzept unterbreitet werden, wie der parlamentarische Vorstoss umgesetzt werden könnte, bevor nicht das Parlament entschieden hat, ob der Auftrag dazu überhaupt erteilt wird.
Der Regierungsrat ist der Meinung, es sollte kein offizielles Jubiläumsprojekt in Angriff genommen werden. Hauptgrund ist der Umstand, dass erst 2001 im Rahmen der Feierlichkeiten «500 Jahre keine Schweiz ohne uns» ein tolles, grosses Fest mit Resonanz in der ganzen Schweiz realisiert wurde, ein Fest, dass die Investition von immerhin rund CHF 10 Mio. wert war.
Die Regierung lehnt die Forderung, eine offizielle Jubiläumsfeier zu organisieren, ab, weil sie der Überzeugung ist, dass mit einer zu grossen Dichte solcher Feierlichkeiten die einzelnen Anlässe abgewertet würden. Ausserdem stehen nicht die Ressourcen zur Verfügung, um etwas so Grosses auf die Beine zu stellen, dass es die erhoffte Wirkung erzielte.
Zudem wird mancherorts auch die Auffassung vertreten, dass 175 Jahre gar keine Jubiläumszahl sei - aber darüber könnte man philosophische Debatten führen.
Die Regierung erwartet, dass allenfalls private Kreise, Verbände und Organisationen Ereignisse schaffen, und würde sich darüber freuen. Eigene Aktivitäten entwickeln möchte sie aber nicht.
Der Kanton wird 2008 im Zusammenhang mit der Fussball-EM und 2010 als Gastkanton an der Olma in St. Gallen wieder gross in Erscheinung treten. Es mangelt also nicht an grossen Ereignissen in den nächsten Jahren.
Die erwähnte Sammlung an Ideen und Vorstellungen war ertragreich, aber vor allem auch kontrovers. Die Vorschläge reichten von einem bescheidenen Medienanlass der Regierung bis hin zu einer riesigen, über den ganzen Kanton und über mehrere Monate hinaus reichenden Festhütte. Es braucht aber einen klaren Entweder-oder-Entscheid, auch was die finanziellen Investitionen anbelangt: etwas Kleines würde kaum wahrgenommen, und für etwas Grosses müsste man viel Geld ausgeben.
Aus diesen Überlegungen verzichtet die Regierung darauf, von sich aus eine Vorlage zu unterbreiten, und beantragt, das Postulat nicht zu überweisen.
Romy Anderegg (FDP) hat ihr Postulat im September 2005 eingereicht. Es sei, wie sie süffisant sagt, nett, dass es überhaupt noch diskutiert wird, bevor das Jubiläumsjahr schon wieder vorbei ist.
«175 Jahre Baselland» sollten besonders begangen werden. Jede Generation sollte einmal in ihrer aktiven Zeit ein solches Jubiläum feiern. Dies erhöht das geschichtliche Bewusstsein, gibt dem Kanton Schwung und Ansehen - auch in Bern. Ein solches Jubiläum soll den Baselbietern und der ganzen Schweizer Bevölkerung die Gelegenheit bieten, den Kanton aus nächster Nähe kennenzulernen und mit Exponenten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft ins Gespräch zu kommen.
Dem Vernehmen nach wurde eine Sammlung von tollen Ideen und Aktivitäten zusammengetragen. Mittels einer Umfrage hat die BKSD Personen aus den verschiedensten Tätigkeitsfeldern gefragt, wie sie dieses Jubiläum feiern möchten. Es sind gute, realisierbare Ideen zusammengekommen, welche die Jugendlichen als Zukunft des Kantons in den Mittelpunkt stellen, Leistungen von Industrie und Gewerbe aufzeigen und das Ansehen der Landwirtschaft im Baselbiet festigen.
Es wäre beispielsweise denkbar, dass sich jeder Bezirk auf seine Weise vorstellt. Das Laufental, erst seit 1994 beim Kanton, hätte die Chance, sich bekannter zu machen. Auch sportliche Begegnungen und Anlässe sollten gefördert werden, und die Entwicklung von damals bis heute könnte an den Schulen zu einer Vision über das Baselbiet in 25 Jahren weitergesponnen werden.
Analog zum «Weg der Schweiz» könnte ein «Weg des Baselbiets» geschaffen werden. Baselland Tourismus könnte dieses Jubiläum als Chance nutzen und seinen Veranstaltungskalender mit vielen besonderen Events aufwerten. Der Baselbieter Bevölkerung könnte der eigene Kanton auf unterhaltsame Art und Weise näher gebracht werden, und so könnte man in der Nordwestschweiz Präsenz markieren.
Es besteht die grosse Chance, den Kanton Basel-Landschaft in der ganzen Schweiz noch weiter bekanntzumachen. Die Gelegenheit, den 175. Geburtstag des Kantons in einem würdigen Rahmen zu feiern, sollte nicht verpasst werden. Jeder andere Schweizer Kanton tut dies - weshalb soll ausgerechnet das Baselbiet, das sich immer wieder über mangelnde Beachtung beklagt, diese Chance nicht nutzen?
Es braucht jetzt Willen, Begeisterung und ein paar Leute, welche die Ärmel hochkrempeln. Das Baselbieter Volk würde etwas anderes nicht verstehen.
Hanni Huggel (SP) attestiert der Postulantin, dass sie ihre Idee mit viel Schwung vorgestellt habe. Ein Jubiläum ist immer etwas Tolles, umso mehr, wenn damit das geschichtliche Bewusstsein gestärkt werden soll. Aber: Es ist viel zu spät! Wenn wirklich etwas Rechtes auf die Beine gestellt werden soll, kann man dies für «200 Jahre Baselland» planen.
Für die 150-Jahre-Feier wurde eine Ausstellung geschaffen, an der ganz viele Historiker und Leute aus der Verwaltung mitgearbeitet haben. Auch ein dickes Buch wurde dazu veröffentlicht - so etwas lässt sich aber nicht in kürzester Zeit realisieren.
Die SP-Fraktion ist der Ansicht, es sollte für das 200-Jahre-Jubiläum etwas Grosses geplant werden - die Planungen dafür sollten in spätestens zehn Jahren anlaufen -, und lehnt deshalb das Postulat ab.
Die SVP-Fraktion stimme, wie Rosmarie Brunner (SVP) bekanntgibt, einstimmig für die Überweisung des Postulats. Den 175. Geburtstag sollte ein selbstbewusster Kanton auf irgend eine Art und Weise nach aussen tragen, und zwar über die Belchenfluh und über das Dreiländereck hinaus. Es gibt viele Ideen, die sich realisieren liessen, ohne einen gewissen Finanzrahmen zu sprengen.
Wenn nun auch die Zeit bereits knapp ist, liessen sich doch einige Ideen umsetzen: etwa eine schlichte Feier auf dem «Baselbieter Rütli», der Hinteren Egg auf 1'169 m. ü. M., ein Sternmarsch zu Fuss oder mit der neuen Wasserfallenbahn, die Einweihung einer Gedenktafel auf der Hinteren Egg oder die Wiederaufrichtung des Bauerndenkmales. Die Hauptsache ist doch, dass sich alle gerade im Jubiläumsjahr ganz besonders für das Baselbiet einsetzen.
Peter Zwick (CVP) nimmt Romy Anderegg in Schutz: Dass das Postulat erst heute besprochen werden kann, ist nicht ihre Schuld.
Seien wir stolz auf unseren Kanton! Seien wir stolz auf die Chance, ein Fest zu feiern! Seien wir stolz auf das bisher Erreichte! Die Regierung hat sich bereits einige Gedanken gemacht, und wäre sie nicht ebenfalls stolz auf diesen Kanton, hätte sie das nicht getan. Das Postulat verlangt kein CHF 10 Mio. teures Fest.
Die CVP/EVP-Fraktion unterstützt das Postulat, und zwar aus Stolz aufs Baselbiet.
Christoph Frommherz (Grüne) findet, den sozialen Kitt im Kanton zu stärken, wie dies in der Diskussion angeregt worden ist, sollte nicht nur alle 25 Jahre versucht werden, sondern dies sei eine Daueraufgabe. Der Kanton täte dies am besten mit intakten sozialen und kulturellen Institutionen - bei welchen heute oft geknausert wird - und einer zweckmässigen Infrastruktur - wohingegen leider zu häufig auf überrissene Neubauprojekte wie die H2 gesetzt wird.
Deshalb ist die grüne Fraktion gegen die Überweisung des Postulats. Wenn schon ein Fest gefeiert werden muss, dann sollte es nicht etwa ein 175-Jahre-Trennungs-, sondern ein 175-Jahre-Partnerschaftsfest sein.
Karl Willimann (SVP) kritisiert die schleppende Planung angesichts eines seit langem bekannten Jubiläumstermins. Er kann sich noch an das 150-Jahre-Jubiläum erinnern, das alles andere als zurückhaltend gefeiert wurde. Es ist seltsam, dass die Behandlung dieses Postulats über ein Jahr lang immer wieder verschleppt wurde; so lässt sich nun einfach sagen, die Zeit reiche nicht mehr, irgend etwas zu planen.
Niemand verlangt eine pompöse Feier. Hinter der Verschleppungstaktik steckt wohl die Angst, Basel-Stadt mit einer Jubiläumsfeier zu verärgern. Dafür besteht kein Grund, und es ist sehr zu hoffen, dass der Regierungsrat nicht kuscht vor der baselstädtischen Regierung, weil diese zum Ausdruck gebracht hat, sie würde eine Baselbieter Jubiläumsfeier nicht schätzen.
Die Feierlichkeiten könnten zu einem partnerschaftlichen Geschäft erklärt werden - das ist zurzeit ja in . [Heiterkeit]
Ruedi Brassel (SP) erklärt, wegen eines persönlichen Interesses in diesem Geschäft werde er sich bei der Abstimmung enthalten. Er wollte sich eigentlich gar nicht zu Wort melden, aber das Votum Karl Willimanns erfordert Widerspruch.
Wenn dieser Kanton 175 Jahre alt wird, ist dies allemal ein Anlass, sich Gedanken zu machen, wie und weshalb es dazu gekommen ist, diesen Kanton zu gründen, und wie mit der überaus merkwürdigen Konstellation in der Nordwestschweiz umzugehen sei. Diese Überlegungen müssen aber nicht nur angestellt werden, wenn ein Jubiläum ansteht, sondern täglich. Denn täglich treten Probleme zutage, welche die Existenz zweier Parallelkantone schafft. Immer wieder muss sich die Politik damit auseinandersetzen und nach möglichst effizienten und möglichst demokratischen Lösungen suchen. Dabei gilt es, sowohl Identitäten zu bewahren als auch eng zusammenzuarbeiten.
Wenn die Regierung nun keinen speziellen Kredit sprechen möchte, ist dies ganz bestimmt nicht mit Hintergedanken oder irgendwelchen Ängsten verbunden. Wer Ängste schürt im Bezug auf die Partnerschaft, sind diejenigen, welche eine solche Motivation insinuieren. Davon sollte Abstand genommen werden.
Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) möchte Karl Willimann den zeitlichen Vorgang nochmals klar darlegen: Die Regierung hat am 13. Juni 2006 ein Konzept auf der Grundlage verschiedener Umfragen - in die auch die Postulantin Romy Anderegg einbezogen war - diskutiert und dabei entschieden, kein Jubiläum feiern zu wollen. Dem Regierungsrat kann also keine Zeitverzögerung vorgeworfen worden, denn ab jenem Zeitpunkt war es Sache der Ratskonferenz, über die Traktandierung des Vorstosses zu entscheiden. Wenn man schon einen Verzögerungsvorwurf erheben möchte, dann bestimmt nicht an die Regierung.
://: Das Postulat 2005/229 wird mit 45:23 Stimmen bei sieben Enthaltungen überwiesen.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung