Protokoll der Landratssitzung vom 2. November 2006

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2006-105 vom 6. April 2006
Interpellation der SVP-Fraktion: Undurchsichtiges Finanzgebaren in der BKSD - zum Zweiten
- Beschluss des Landrats am 2. November 2006 < beantwortet >



Nr. 2068

Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) möchte als Einleitung noch einmal die Rechtsgrundlagen für finanzielle Leistungen des Kantons in der stationären Jugendhilfe in Erinnerung rufen:


Gemäss dem Gesetz über die Sozial-, Jugend- und Behindertenhilfe sorgt der Kanton im Rahmen der Jugendhilfe dafür, dass Wohnheimaufenthalte für Kinder und Jugendliche, die nicht in ihrer angestammten Umgebung leben können, finanziert werden können. Der Kanton stellt die Finanzierung mit Beiträgen an die Aufenthalts-, Betreuungs- und Nachbetreuungskosten sicher. Voraussetzung ist, dass der Aufenthalt in einem anerkannten Heim fachlich indiziert ist oder dass er jugendstrafrechtlich bzw. vormundschaftlich angeordnet worden ist. Die Gemeinden vergüten dem Kanton die Kosten der Jugendhilfe.


Die Verordnung über die Kinder- und Jugendhilfe regelt die Anerkennung solcher Einrichtungen. Der Kanton und die anerkannten Wohnheime schliessen gegenseitige Leistungsvereinbarungen ab. Zuständig für den Abschluss solcher Vereinbarungen ist die Fachstelle für Sonderschulung, Jugend- und Behindertenhilfe im Rahmen eines vom Landrat erteilten Generellen Leistungsauftrages.


Seit 1. Januar 2005 hat eine solche Leistungsvereinbarung mit dem Verein Wohngruppen Baselland bestanden, einer Einrichtung für die sozialpädagogische Dauerbetreuung in Wohngruppen in Liestal, Hölstein und in Externaten. Davor hatte der Kanton Beiträge geleistet für die Unterbringung einzelner Jugendlichen in diesen Wohngruppen; dabei wurden die von den Selbstzahlern nicht erbrachten Restdefizite übernommen.


Das Baselbieter Modell mit Leistungsaufträgen und einem professionellen Controlling-System ist inzwischen in einem Buch dokumentiert, das schweizweit auf grosses Interesse stösst.


Die einzelnen Fragen der SVP-Fraktion können wie folgt beantwortet werden:



1. Sind die Rechtsgrundlagen für die Auszahlungen der BKSD, insbesondere jene an den Verein «Wohngruppen Baselland», überprüft worden?


Die Rechtsgrundlagen sind die vorgängig bereits genannten. Die zuständige Fachstelle zahlt die Beiträge an die Wohnheime in der Regel monatlich aus. Für die Unterbringung liegt stets eine fachliche Indikation oder ein Behördenentscheid vor.


Die Finanzkontrolle überprüft im Rahmen ihrer Tätigkeit periodisch auch die Rechnung der Fachstelle. Die Unterlagen zu jeder Unterbringung sind für die Finanzkontrolle einsehbar.



2. Sind weitere Auszahlungen ohne ausreichende Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit den Leistungsaufträgen der BKSD bekannt?


Die Frage zielt auf den Überbrückungskredit von CHF 260'00, zu dem bereits im Rahmen der landrätlichen Fragestunde am 6. April 2006 Stellung genommen wurde. Die wichtigsten Fakten nochmals zur Erinnerung: Im Februar 2004 drohte die sofortige Schliessung der Wohngruppen mit der Folge, dass zwanzig Jugendliche entweder ohne Betreuung gewesen wären oder dass man Hals über Kopf hätte versuchen müssen, sie in anderen Kantonen unterzubringen - möglicherweise mit wesentlich höheren Folgekosten. Zudem hätten zwanzig Angestellte per sofort auf die Strasse gestellt werden müssen.


Die Fachstelle hat sich in Absprache mit dem Direktionsvorsteher für den Überbrückungskredit ausgesprochen, um so einen Konkurs zu verhindern. Das Geld ist zweckgebunden für die Finanzierung von Pensionskassenbeiträgen genutzt worden. Die Fachstelle hat überprüft und sichergestellt, dass diese Vorgabe eingehalten wurde. Die entsprechenden Rechnungen sind bezahlt worden. Zu jenem Zeitpunkt konnte noch davon ausgegangen werden, dass eine Sanierung des Vereins möglich ist. Der Beitrag hat sich ungefähr in jener Höhe bewegt, in der auch der Verein selber seine strukturelle Unterfinanzierung bezifferte.


Nach Rücksprache mit der Finanzkontrolle und dem Rechtsdienst des Regierungsrates wurde klar, dass es für diesen Überbrückungskredit keine genügenden gesetzlichen Grundlagen gab. Dies ist ein Fehler, an dem es nichts zu beschönigen gibt. Den ganzen Vorgang wird die Regierung noch einmal ausführlich darlegen in der Landratsvorlage, mit welcher die besagte Summe formell durch das Parlament abgeschrieben werden soll. Das ist jedoch erst möglich, wenn die Rechtsverfahren klargestellt haben, dass das Geld nicht mehr einbringbar ist. Zur Zeit wird immer noch die Konkursfähigkeit des Vereins geprüft.



3. Wird die Auszahlungspraxis der BKSD durch die Finanzkontrolle ausreichend geprüft?


Diese Frage könnte am ehesten die Finanzkontrolle beantworten. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Mitglied der landrätlichen Finanzkommission pflegt der Bildungsdirektor eine gute, konstruktive Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle. Er versteht ihre Tätigkeit als Unterstützung, und ihre Empfehlungen sind für ihn wichtige Grundlagen der Führungsarbeit. Die Leistungsvereinbarungen und die verbuchten Zahlungen stehen der Finanzkontrolle jederzeit zur Einsichtnahme offen.


Dieses Jahr sind die einzelnen Institutionen im Bereich der Jugendhilfe Schwerpunkt von Prüfungen durch die Finanzkontrolle. Es soll festgestellt werden, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder ob es auch bei anderen Institutionen Probleme gibt. Die BKSD hat die Institutionen beauftragt, ihre Revisionen zu professionalisieren und sie durch externe Revisionsstellen vornehmen zu lassen. Dem Verein Wohngruppen Baselland haben vor der Intervention der Direktion jeweils interne Rechnungsrevisoren einen Blankoscheck ausgestellt. Erst bei einer professionellen Revision wurde das strukturelle Defizit entdeckt.



4. Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass die in der Öffentlichkeit dargestellte Auszahlungs-Praxis der BKSD im Widerspruch zum Finanzhaushaltsgesetz stünde?


Obschon die Frage generell formuliert ist, bezieht sie sich wohl auch auf den geschilderten Einzelfall. In diesem Fall ist, wie geschildert, tatsächlich ein Fehler passiert.



5. Welche Konsequenzen zieht der Regierungsrat aus der Tatsache, dass ungerechtfertigte Auszahlungen tatsächlich stattgefunden haben?


Am 7. Dezember 2004 hat die Regierung auf Vorschlag der BKSD beschlossen, die Leistungsvereinbarungen um verschärfte Bestimmungen in Sachen Berichterstattung, interne Organisation und Vorgaben zu Rechnungsprüfung und Finanzcontrolling zu erweitern. Nach den vorliegenden Informationen ist diese Massnahme jedes Mal umgesetzt worden, bevor die Fachstelle Leistungsvereinbarungen erneuert hat. Das Finanzcontrolling ist seitens BKSD intensiviert und standardisiert worden.



6. Wie gedenkt der Regierungsrat sicherzustellen, dass das Finanzhaushaltsgesetz in Zukunft auch in der BKSD eingehalten wird?


Für die BKSD besteht wie für jede andere Direktion die Aufsicht durch das Parlament, aber auch eine direkte Kontrolle durch die Finanzkontrolle. Sie überprüft, ob die gesetzlichen Vorgaben respektiert werden. Es gab bei der BKSD - wie auch bei den anderen Direktionen - nie die Absicht, das Finanzhaushaltsgesetz zu verletzen.


Thomas de Courten (SVP) beantragt Diskussion.


://: Diskussion wird bewilligt.


Thomas de Courten (SVP) dankt Regierungsrat Urs Wüthrich herzlich für die offene Beantwortung der gestellten Fragen.


Es ist beunruhigend, dass bereits zum wiederholten Mal solche Zahlungen ohne Rechtsgrundlage erfolgt sind, und deshalb ist zu befürchten, dass sich solche Fehler wiederholen könnten. Deshalb sind die getroffenen Massnahmen, wie so etwas künftig vermieden werden kann, nicht ganz befriedigend.


Eine gesetzliche Grundlage besteht, damit Beiträge an die erbrachten Leistungen bezahlt werden - aber nicht an die Organisation der Trägerschaften. Die fälschlicherweise ausbezahlten CHF 260'000 waren aber als Unterstützung des Vereins gedacht und nicht für die von ihm erbrachten Leistungen. Dieser Betrag, den der Kanton nun in den Kamin schreiben muss, hat zudem gar nichts gebracht; der Verein hat sich als nicht sanierungsfähig erwiesen und ist inzwischen konkurs.


Es bestehen Anhaltspunkte, dass weitere Zahlungen erfolgten und dass somit eine Praxis eingeschlagen wurde, die nicht toleriert werden darf. So steht zum Beispiel im Raum, dass nach dem Überbrückungskredit für den alten Verein auch dem aus der Konkursmasse hervorgegangenen und mit den weitgehend gleichen Leuten besetzten neuen Verein ein Startkredit von CHF 350'000 bezahlt worden sei. Stimmt das?


In der Leistungsvereinbarung mit dem neuen Verein ist die Pro-Kopf-Pauschale wesentlich höher als in jener, die mit dem alten Verein bestanden hat. Die Pauschale wurde von CHF 11'400 auf CHF 14'500 erhöht, was eine erhebliche Steigerung wäre. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage stellen, ob mit der neuen Pro-Kopf-Pauschale nicht der alte Verein hätte überleben und die CHF 260'000 für den Kanton hätten gerettet werden können.


Für einen Aussenstehenden, der keinen Einblick in die Leistungsvereinbarung hat, ist es befremdend, dass die Jahresabschlüsse des Vereines nicht mehr öffentlich sind. Früher waren sie im Internet publiziert; nun findet alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.


Offensichtlich haben auch Gerichtsverfahren bestätigt, dass der neue Verein Jugendwohngruppen für die Schulden des alten Vereins aufkommen müsse. So ist offenbar eine Lohnzahlung für den früheren Vereinsleiter vom neuen Verein übernommen worden. Mit welchem Geld? Wurde es etwa aus dem neuen Startkredit entnommen oder aus der neuen Pro-Kopf-Pauschale?


Es sind also noch viele Fragen offen, und hoffentlich kommt bald etwas mehr Licht in diese Angelegenheit.


Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) will sich jetzt nur knapp, in der kommenden Landratsvorlage dann aber umso ausführlicher äussern.


Der Startkredit ist in Absprache mit der kantonalen Finanzverwaltung ausgerichtet worden, also ist die Zahlung korrekt.


Die Tarife sind nicht 1:1 vergleichbar; denn neu gibt es je nach Leistungsumfang differenzierte Tarife. In der tieferen Pauschale wurden auch viele günstigere Leistungen, z.B. im Nachbetreuungsbereich, zur Vollpauschale abgegolten; heute wird differenziert, ob jemand das volle Angebot innerhalb seines stationären Wohngruppenaufenthaltes beansprucht oder ob er nur noch eine wesentlich günstigere Nachbetreuung in Anspruch nimmt.


Die Zahlungen, zu denen das Gericht den neuen Verein angehalten hat, sind, sofern es sich um Lohnnachzahlungen handelt, aus Rückstellungen sichergestellt worden.


Thomas de Courten (SVP) erkundigt sich, wann mit der angekündigten Vorlage gerechnet werden dürfe.


Sobald die entsprechenden rechtskräftigen Gerichtsurteile vorlägen, antwortet Regierungspräsident Urs Wüthrich .


://: Damit ist die Interpellation 2006/105 beantwortet.


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



Fortsetzung

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