Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 16. November 2006 |
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2006-076
vom 23. März 2006
Postulat
von Karl Willimann: Läufelfingerlinie zur zweiten Jura- Bahntransversale ausbauen - ohne Wisenbergtunnel
Beschluss des Landrats am 16. November 2006: < abgelehnt >
Nr. 2110
Der Regierungsrat möchte das Postulat, wie Landratspräsidentin Elisabeth Schneider (CVP) ankündigt, nicht entgegennehmen.
Regierungsrätin Elsbeth Schneider (CVP) erklärt dazu, die bereits heute vorhandenen Kapazitätsengpässe im Ergolztal würden sich aufgrund der zu erwartenden Verkehrsentwicklung ganz bestimmt noch verstärken. Dass die heutige Infrastruktur den künftigen Anforderungen nicht genügt, ist hinlänglich bekannt.
Gegenüber der inzwischen eingestellten Planung der Bahn 2000, 2. Etappe, sind leider vom BAV und von den SBB in der Nordwestschweiz qualitativ und quantitativ bereits wesentliche Abstriche vorgenommen worden. Ohne neue Infrastruktur ist ab 2009 kein weiterer Ausbau des Reisezugangebot mehr möglich - weder im Fern- noch im Regionalverkehr. Ein Ausbau der Läufelfingerli-Strecke ist aber auch keine Alternative zum Juradurchstich am Wisenberg. Zwar bestehen bahntechnisch keine unüberwindbare Hindernisse für die vermehrte Nutzung der Strecke durch Personenzüge oder leichte Güterzüge; das Lichtraumproblem würde genügen. Aber die Strecke entspricht nicht den Martkanforderungen im Bezug auf die Fahrzeiten. Dabei geht es um Minuten, ja Sekunden.
Für schwere Güterzüge ist die Strecke wegen der Steigungsverhältnisse ungeeignet. Daran lässt sich mit verhältnismässig geringem Aufwand nichts ändern.
Aber mit einer kleinen Korrektur am Gleistrassee liesse sich die Geschwindigkeit leicht erhöhen. Zusammen mit einem allfälligen dritten Gleis zwischen Liestal und Sissach könnte die Kapazität für die Juraquerung leicht ausgebaut werden. Für eine echte zweite Juratransversale ist die Strecke aber wegen der Steigungsverhältnisse und der längeren Fahrzeit ungeeignet. Diese Meinung teilen auch die SBB.
Es gibt zum Wisenbergtunnel also keine realistische Alternative. Allerdings ist die ursprünglich vorgesehene Finanzierung aus dem FinÖV-Fonds aufgrund des erhöhten Mittelbedarfs für andere Projekte wie die Neat kaum mehr möglich; dies ist ausserordentlich bedauerlich.
Solange noch keine definitiven Entscheide vorliegen zum - anerkanntermassen notwendigen - Wisenbergtunnel, darf und soll der Kanton keine Alternativen prüfen; das würde den Wisenbergtunnel gefährden.
Bevor ein allfälliges Vorprojekt ausgearbeitet werden kann, müssen ein Fahrplan- und ein Betriebskonzept vorliegen, ebenso wie eine Studie über die notwendigen Anlagen. Bis zum Vorliegen eines Vorprojektes wäre mit einer Bearbeitungszeit von rund drei Jahren zu rechnen, und es entstünden Kosten von - über den Daumen gepeilt - ca. CHF 100'000.
Die Finanzierung eines solchen Vorprojekts hielte die Regierung für sehr fragwürdig, wenn schon jetzt klar ist, dass das Ergebnis den zukünftigen Anforderungen nicht genügen würde. Deshalb bittet der Regierung, das Postulat nicht zu überweisen.
Karl Willimann (SVP) stellt erleichtert fest, sein Postulat werde anscheinend überwiesen, da bereits das zuvor behandelte Postulat überwiesen worden sei. Denn der Ausbau der Läufelfingerlinie zur Juratransversale baut auf dem dritten Gleis im Ergolztal auf.
Die Neat-Tunnel Lötschberg und Gotthard werden demnächst eröffnet. Der Engpass liegt dann am Jura, zwischen Liestal und Sissach. Bis der Wisenbergtunnel eröffnet würde, vergingen rund zwanzig Jahre. Aber schon vorher würden die neuen Neat-Tunnel zu einem solch starken Verkehrsdruck auf der Nord-Süd-Achse führen, dass gehandelt werden muss.
Der Postulant hat lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach und möchte das beste aus der jetzigen Situation machen: Das bedeutet, wegen des Engpasses auf die Läufelfinger-Strecke auszuweichen.
Ingenieur- und planungstechnisch bekommt die Strecke durch das Homburgertal sehr bald eine erhöhte strategische Bedeutung. Wenn nun mit der Projektierung begonnen wird, dauert es anschliessend nicht mehr so lange bis zur Umsetzung.
Das Verhalten der SP ist enttäuschend: Endlich bringt die SVP einmal einen schlauen Vorschlag wie den Drei-Gleis-Ausbau, und dann sind die Sozialdemokraten dagegen - offenbar einfach, weil der Vorstoss von der falschen Seite kommt. Aber um diesen Ausbau kommt man nicht herum. Ob der Wisenbergtunnel jemals gebaut werden wird, ist geologisch absolut fraglich. Wenn schon ein zweieinhalb Kilometer langer Chienbergtunnel solche Schwierigkeiten macht, was geschieht dann alles in einem 20-km-Tunnel? Ausserdem bemerkt Karl Willimann, er möchte auf keinen Fall so lange Zahnweh haben, wie es dauert, bis der Wisenbergtunnel fertig gebaut ist.
Die SP-Fraktion sei nur aus taktischen Gründen dagegen gewesen, das Postulat 2005/280 zu überweisen, erklärt Andreas Helfenstein (SP), denn die Kräfte sollten, wie Dieter Schenk richtig bemerkt hat, nicht verzettelt werden.
Gegen das Postulat Karl Willimanns aber spricht sich die SP-Fraktion nicht nur aus taktischen, sondern auch aus inhaltlichen Gründen aus.
Man sollte schon nur den Titel des Vorstosses genau lesen, heisst er doch: «Läufelfingerlinie zur zweiten Jura-Bahntransversalen ausbauen - ohne Wisenbergtunnel! » Das wäre eine sehr deutliche Botschaft aus dem Baselbiet. Wer die Anliegen des Kantons mit Füssen treten und torpedieren möchte, muss dieses Postulat überweisen. Das kann wirklich noch warten bis 2007, wenn die ZEB-Vorlage auf dem Tisch liegt.
Beim Bund ist zur Zeit das Güterverkehrsgesetz in der Vernehmlassung. Wenn man als flammender Befürworter des öffentlichen Verkehrs und eines zusätzlichen Juradurchstichts hört, was dort an Rückmeldungen eingeht, ist man gleich etwas zuversichtlicher gestimmt. Denn weitherum, nicht nur im Raum Basel, wird erkannt, dass auf der Nord-Süd-Transitachse etwas geschehen muss. Vielleicht gibt es dann doch noch Mittel für den Wisenbergtunnelbau. Aber diese Chance sollte nicht mit stümperhaften Vorstössen minimiert werden.
Wer meint, das Läuferfingerli könne den Wisenberg ersetzen, ist auf dem Holzweg. Von den Profilen und der Topographie her ist es nicht möglich, im Homburgertal einen Zubringer für die alpenquerende Flachbahn einzurichten. Denn die Steigung liegt mit max. 26 ‰ teilweise höher als am Gotthard und am Lötschberg.
Der Vorstoss kommt zum falschen Zeitpunkt, er gefährdet den Wisenbergtunnel, und deshalb ist er abzulehnen.
Auch Rolf Richterich (FDP) meint, der Landrat sei drauf und dran, den Wisenbergtunnel zu begraben. Der Kanton braucht sich nicht zu wundern, dass ihm die restliche Schweiz nicht mehr über den Weg traut, wenn er einerseits 2-Milliarden-Forderungen aufstellt, und andererseits durchs Hintertürchen an einer billigeren Lösung arbeitet. So wird das Baselbiet unglaubwürdig. Wer den Wisenbergtunnel will, muss lautstark den Wisenbergtunnel fordern und nicht der Oberen Hauensteinlinie das Wort reden. Denn diese verfügt über die gleiche Steigung wie die alte Bergstrecke am Gotthard. Auch dort kommt keiner auf die Idee, diese weiterhin für den Fernverkehr zu nutzen, wenn der Basistunnel offen ist.
Die CVP/EVP-Fraktion lehne das Postulat ab, gibt Remo Franz (CVP) bekannt. Die Gründe sind bereits von der Regierungsrätin und den Vorrednern ausgeführt worden.
Isaac Reber (Grüne) will den Viertelstundentakt, und zwar bis Gelterkinden und nicht nur bis Liestal. Alles, was es dazu braucht, war als Prüfoption im vorher behandelten Postulat 2005/280 enthalten.
Aber Karl Willimanns Vorstoss ist dezidiert abzulehnen, weil es direkt und unmissverständlich gegen den Wisenbergtunnel gerichtet ist. Deshalb stimmt die grüne Fraktion Nein.
Röbi Ziegler (SP) bemerkt, mit der ersten Forderung an die Regierung, «eine Vorstudie mit den Varianten ein- und zweispuriger Ausbau der Läufelfingerlinie zwischen Sissach und Olten als zweite Jura-Bahntransversale in Auftrag zu geben», fordere das Postulat eine ganz neue Aufgabenteilung zwischen den Kanton und den SBB.
Denn die Planungsarbeiten für landesquerende Bahntransversalen waren bisher Aufgaben der SBB. So etwas kann sich nur ein Kanton leisten, der im Geld badet; und zu diesen Kantonen zählt das Baselbiet leider nicht.
://: Der Landrat lehnt das Postulat 2006/076 mit 56:16 Stimmen bei einer Enthaltung ab.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung