Protokoll der Landratssitzung vom 14. Dezember 2006

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2006-159 vom 8. Juni 2006
Interpellation von Karl Willimann, SVP: Energiepolitik, Energieversorgung und Energieproduktion
- Schriftliche Antwort des Regierungsrates vom 24. Oktober 2006
- Beschluss des Landrats am 14. Dezember 2006: < erledigt >



Nr. 2189

Karl Willimann (SVP) beantragt angesichts der Aktualität des Themas Diskussion.


://: Diskussion wird bewilligt.


Karl Willimann (SVP) dankt der Regierung für die Beantwortung seiner Fragen.


Energie ist ein Thema, das in den nächsten 20-30 Jahren nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit zum Dauerbrenner wird. Der Regierung ist bewusst, dass ab 2020 mit einem Engpass an elektrischer Energie zu rechnen sein wird. Offensichtlich ist auch, dass trotz aller Sparappelle der Stromverbrauch stetig steigt. Ab 2020 werden die ersten Atomkraftwerke wohl ausser Betrieb gesetzt, worauf der genannte Engpass folgen dürfte.


Mit grosser Aufmerksamkeit hat der Interpellant zur Kenntnis genommen, dass sich die Regierung dem Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft verpflichten möchte und zur Erreichung den Termin 2050 nennt. Es ist gut, solche Visionen zu haben; aber wie dieses Ziel zu erreichen ist, ist erst aufgrund einiger Anhaltspunkte skizziert.


Gerade in den Bereichen Wärmedämmung bei Neubauten und bei Renovationen und erneuerbarer Energie besteht ein grosses Energiesparpotenzial. Ein entsprechendes Postulat des Interpellanten liegt zur Zeit zur Bearbeitung bei der Regierung.


Bei der Wasserkraft werden in der Schweiz bereits 70 % der Ressourcen ausgeschöpft, und so bleiben nur noch die oft genannten erneuerbaren Energien wie etwa die Geothermie - aber seit kurzem weiss man, dass auch solche Bohrungen nicht ohne Risiko sind. Es wäre höchst bedauerlich, wenn das Beben vom 8. Dezember 2006 zum Abbruch des Basler Pilotprojekts führen würde; denn diese Technologie ist eine der vielversprechendsten. Weitere Möglichkeiten bietet die Gewinnung von Energie aus Wind, Sonnenkraft und Biomasse.


Per saldo empfindet Karl Willimann die Stossrichtung der regierungsrätlichen Energiepolitik als positiv. Wenn man sich ernsthaft von den fossilen Brennstoffen unabhängiger machen möchte, muss man auf nachhaltige Energieproduktion setzen. Aber trotzdem ist nicht wegzudiskutieren, dass ab 2020 eine Energielücke klaffen wird, die für alle spürbar sein wird. Die Frage ist, wie diese Lücke geschlossen werden soll. Bei nüchterner Betrachtung kommt niemand um die Feststellung herum, dass die nötige Bandbreite der Stromkapazität für Grossindustrie, Haushalte und KMU mit erneuerbarer Energie nicht erbracht werden kann. Auch die Regierung tönt dies an. Die Schlussfolgerung lautet, dass in der Nordwestschweiz mit ihrem nicht zuletzt durch die Pharmaindustrie bedingten hohen Stromverbrauch (allein Clariant bezahlt monatlich eine Stromrechnung von CHF 1 - 2 Mio.) Handlungsbedarf besteht. Wenn - wie es die Verfassung verlangt - weiterhin auf Kernkraft verzichtet werden soll, muss man andere Lösungen suchen. Eine Variante wäre ein Gas-Kombi-Kraftwerk, aber dies würde zu einer Verschärfung des CO 2 -Problems führen. Soll bis in 15 Jahren eine Lösung erreicht werden, muss daran seriös gearbeitet werden.


Hannes Schweizer (SP) betitelt die Interpellation «die späte Einsicht des Karl Willimann». Aber er fügt an, wer sich öffentlich zu seiner Einsicht bekenne, verdiene höchsten Respekt.


Auch der Interpellant macht sich inzwischen Gedanken darüber, wie der Energiebedarf in der Region künftig abgedeckt werden kann. Die Abhängigkeit vom Ausland ist besorgniserregend, und auch Karl Willimann hat festgestellt, dass es nachhaltigere Energien gibt als Öl und Kernspaltung.


2004 hat der Landrat die Gelegenheit verpasst, Pflöcke einzuschlagen und die Förderabgabe sowie die Faktor-4-Initiative anzunehmen. Diese Vorhaben wurden aber, auch mit Karl Willimanns Unterstützung, bachab geschickt. Seine Einsicht hat hoffentlich bis zum nächsten Traktandum Bestand, so dass er dann der Motion betreffend Minergie-Standard zustimmen wird.


Die regierungsrätlichen Antworten zeigen die Richtung künftiger Energiepolitik des Kantons auf, stellt Anton Fritschi (FDP) fest. Zwar ist der Weg geschildert, aber das Ziel steht nicht fest.


Trotz aller Spar- und Effizienzsteigerungsmassnahmen wird die in 20-30 Jahren drohende Versorgungslücke nicht gedeckt werden können. Eine Möglichkeit wäre ein Gas-Kombi-Kraftwerk. Aber ob dies der richtige Ansatz wäre, müsste noch eingehend diskutiert werden, denn ein solches Kombikraftwerk würde nicht nur ein Problem lösen, sondern gleichzeitig auch wieder ein neues schaffen.


Etwas zu wenig klar wird in der Beantwortung, dass alle energiepolitischen Optionen offengehalten werden müssen; dazu gehört auch die Kernenergie.


Christoph Frommherz (Grüne) war vom Dokumentarfilm «An Inconvenient Truth» von Al Gore beeindruckt. Er zeigt, dass im Bereich der Energieanwendung sehr vieles geändert werden muss. Der Film macht unmissverständlich den Zusammenhang zwischen der Klimarerwärmung und dem CO 2 -Ausstoss klar.


Man darf nicht nur so tun als ob - wie dies beim Gegenvorschlag zur Solarinitiative der Fall war -, sondern muss wirklich etwas unternehmen. In der Interpellationsbeantwortung zeigt die Regierung einige Möglichkeiten auf, und die Grünen haben eine entsprechende Initiative gestartet.


Eric Nussbaumer (SP) betont, Karl Willimann und Anton Fritschi hätten eine kleine Atomenergiedebatte vom Stapel gelassen, und bemerkt, im regierungsrätlichen Papier sei durchaus nicht nur der Weg, sondern auch das Ziel - und erst noch sehr klar - vorgegeben: Die 2000-Watt-Gesellschaft. Offen ist lediglich, mit welchen Lenkungsmechanismen dieses Ziel erreicht werden kann.


Wenn nicht einmal das Ziel klar sein sollte, dass in den westlichen Industrieländern der Stromverbrauch wesentlich gesenkt werden muss, wird die Debatte mit dem bürgerlichen Lager sehr schwierig werden.


Wenn es so weitergehe, fürchtet Thomi Jourdan (EVP), werde man die Arktis in der Form ewigen Eises nur noch aus dem Geschichtsbuch kennen, wenn seine Söhne vierzig Jahre alt sind. Diese Prognose hat er dem Internet entnommen.


Ebenfalls im Internet zu lesen war, dass ein gewisser Patrick Moore, ehedem Gründer und Chef von Greenpeace , inzwischen ein Verfechter der Atomenergie ist, weil er zum Schluss gekommen ist, zur Deckung des heutigen Strombedarfs genüge die Nutzung alternativer Energien nicht.


Sollen tatsächlich in energiepolitischen Fragen Fortschritte erzielt werden, gilt es links wie rechts, die Schützengräben zu verlassen. Ein Gas-Kombi-Kraftwerk ist keine Lösung, weil damit das Kyoto-Protokoll mit Füssen getreten würde. Es braucht kombinierte Lösungen. Hoffentlich geht die Entwicklung der Geothermie ohne weitere Erdbeben voran. Aber letztlich birgt jeder Weg, auch dieser, seine Risiken.


Als überzeugter Mitte-Politiker sagt Thomi Jourdan, es bringe überhaupt nichts, sich gegenseitig mit festgefahrenen Voten überzeugen zu wollen. So gäbe es nämlich auch 2040 keine Lösungen, sondern höchstens Flickwerk und ganz sicher keine Arktis mehr.


Auch Thomi Jourdan setzt seine Hoffnungen in die 2000-Watt-Gesellschaft. Er ist sich aber auch bewusst, dass die bestehenden Kernkraftwerke irgendwann einmal ersetzt werden müssen und dass Windkraft keine Alternative ist - wer in der Nähe eines Windkraftwerks wohnt, wird früher oder später blöd von diesem ganzen Herumgedrehe. Es müssen neue Wege beschritten werden, und das bedeutet auch, verschiedene Energiequellen zu kombinieren. Die Debatte muss von parteipolitischen Auseinandersetzungen wegkommen hin zu lösungsorientierter Politik. Denn ganz hat Thomi Jourdan die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass seine Söhne auch als Erwachsene noch die Arktis mit ihrem ewigen Eis kennenlernen dürfen.


Mit Interesse hat Isaac Reber (Grüne) zur Kenntnis genommen, dass die Regierung die Zielsetzung einer 2000-Watt-Gesellschaft anstrebe. Beim derzeit angeschlagenen Tempo dürfte dieses Ziel etwa im Jahr 2900 erreicht sein.


Nun muss ein Zacken zugelegt werden. Will man 2020 nicht neue AKWs bauen müssen, muss man gerade in Sachen Nachhaltigkeit nun den Worten konkrete Taten folgen lassen, die wirklich zu merklichen Einsparungen führen.


Das Geothermie-Projekt ist vorerst unterbrochen. Die Erschütterung vom vergangenen Freitag zeigt deutlich, dass Hochsicherheitsrisiken wie das AKW Fessenheim, das alt ist und im Oberrheingraben steht, unbedingt abgeschaltet werden müssen.


Zu Anton Fritschi sagt Isaac Reber, er sei bereit, über alle Technologien zu reden. Aber eine Voraussetzung ist, dass man diese Technologien beherrscht, und dazu gehört wiederum, dass einem klar ist, wie die Abfallprobleme gelöst werden. Man sollte vermeiden, heute die Kernkraft zu nutzen und die Lösung des Abfallproblems auf die Generation von Thomi Jourdans Söhnen abzuschieben. Das ist keine zukunftsgerichtete Politik.


Mehrfache Zwischenrufe von Thomi Jourdan (EVP): Was gibt es denn für Alternativen? Welche Wahl haben wir denn?


Es gebe sehr viele Optionen, antwortet Isaac Reber (Grüne); aber Voraussetzung ist, dass das Abfallproblem sauber gelöst wird.


Regierungsrätin Elsbeth Schneider (CVP) begrüsst, dass dank dieses Geschäfts wieder einmal eine - wenn auch nicht fundierte - energiepolitische Auslegeordnung vorgenommen werden konnte. Die gerade diesen Herbst spürbare Klimaerwärmung muss alle nachdenklich stimmen.


Gerade heute sind wieder zwei Baselbieter Gemeinden (Lupsingen und Roggenburg) mit dem Nachhaltigkeits-Label «Impuls 21» versehen worden. Dies ist der richtige Weg: Jeder Schritt muss auf seine Nachhaltigkeit hin hinterfragt werden.


Persönlich bedauert die Bau- und Umweltschutzdirektorin noch immer sehr die Ablehnung des Energierappens durch den Landrat. Nur zwei Stimmen haben gefehlt; diejenigen Ratsmitglieder, die wegen ihrer Skiferien zu diesem Resultat beigetragen haben - nicht etwa Bürgerliche -, müssen damit selber klarkommen.


Die Regierungsrätin freut sich über die zustimmenden Voten zu ihrer Interpellationsbeantwortung und kündigt die Vorlage in Sachen 2000-Watt-Gesellschaft für anfangs 2007 an.


://: Damit ist die Interpellation 2006/159 erledigt.


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



Fortsetzung

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