Protokoll der Landratssitzung vom 18. Januar 2007
Protokoll der Landratssitzung vom 18. Januar 2007 |
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2006-299
vom 28. November 2006
Vorlage:
34 Einbürgerungsgesuche von Ausländern
- Beschluss des Landrats am 18. Januar 2007: < beschlossen (Nr. 31 zurückgewiesen) >
Nr. 2204
Röbi Ziegler (SP) als Präsident der Petitionskommission bemerkt vorweg, Gesuchsteller Nr. 19 habe inzwischen geheiratet. Deswegen ist im Protokoll der Zivilstand in «verheiratet» zu ändern.
Auch diese Gesuche hat die Kommission gründlich geprüft und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt sind. Deshalb beantragt sie mit 5:0 Stimmen bei zwei Enthaltungen, den Gesuchen zuzustimmen.
Rosmarie Brunner (SVP) beantragt, Gesuch Nr. 31 an die Petitionskommission zwecks nochmaliger Überprüfung zurückzuweisen. Es besteht der Verdacht der «Nichtintegration in die Gesetzgebung».
Auch die freisinnige Fraktion sei grossmehrheitlich für eine Rückweisung dieses Gesuches, teilt Romy Anderegg (FDP) mit. Die Kommission soll nochmals überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einbürgerung wirklich erfüllt sind.
Röbi Ziegler (SP) berichtet, Gesuch Nr. 31 sei bereits in der Petitionskommission eingehend geprüft und behandelt worden. Die Unsicherheit einiger Mitglieder beruht nicht auf mangelnder Integration oder auf der Nichteinhaltung von Schweizer Gesetzen, sondern auf der sprachlichen Abfassung des Berichtes der Abteilung Bürgerrechtswesen. Die Passage über den als Buchautor und -händler tätigen Gesuchsteller, welche zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat, lautet wie folgt:
«Durch seine Recherchen und seinen Beruf hat er ein grosses Wissen über die Schweizer Geschichte und die Politik. Er setzt sich auch für das Menschenrecht ein (Amnesty International), wobei er betont, dass er mit dieser Politik in der Schweiz Mühe hat. Nach der Einbürgerung will er auf jeden Fall das Stimm- und Wahlrecht ausüben.»
Es ist nicht klar, worauf sich der Nachsatz «wobei er betont, dass er mit dieser Politik in der Schweiz Mühe hat» bezieht: auf Amnesty International - was sprachlich richtig wäre, aber kaum so gemeint sein wird -, auf die demokratischen Spielregeln in der Schweiz - was nicht zur Aussage passen würde, dass er vom Stimm- und Wahlrecht Gebrauch machen werde - oder auf den Inhalt gewisser politischer Tendenzen in der Schweiz. Dies gilt aber auch für viele Schweizer, insbesondere für die Mitglieder jener Partei, die sich aufgemacht hat, nach den Wahlen in diesem Kanton für Ordnung zu sorgen.
Bruno Steiger (SD) meint, aus den von Röbi Ziegler zitierten Worten gehe klar hervor, dass der Gesuchsteller die Schweiz kritisiert. Somit erfüllt er die Einbürgerungsbedingungen nicht. Es wäre neben den Schuhen, solche Äusserungen noch ins Positive verdrehen zu wollen.
Die Schweizer Demokraten sind geschlossen gegen die Einbürgerung solcher Leute; es gibt schon genügend schwierige Fälle. Die Petitionskommission hat kaum Zeit, gründlich auf die Gesuche einzugehen. Bei fragwürdigen Dossiers werden einfach die Augen zugedrückt. Viele bei der öffentlichen Hand Angestellte leben gut von den Ausländern, die dann als Belohnung eingebürgert werden und erst noch ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft beibehalten dürfen. Das ist eine Ungerechtigkeit gegenüber den Einheimischen, die zu Bürgern zweiter Klasse verkommen.
Rosmarie Brunner (SVP) hält fest, es gehe nicht nur um den vom Kommissionspräsidenten vorgelesenen Text. Der Gesuchsteller ist auch vorbestraft.
Kommissionspräsident Röbi Ziegler (SP) weist Bruno Steigers Vorwürfe in aller Form zurück. Die Petitionskommission hat die Akte eigens in ihre Sitzung holen lassen und den Fall während mindestens einer Dreiviertelstunde ausgiebig beraten. Von einer unsorgfältigen Prüfung darf jemand, der nicht dabei gewesen ist, nicht reden; sonst zieht er als Nestbeschmutzer die Politik in den Dreck.
Wer verlangt, dass jemand, der eine kritische politische Position einnimmt, nicht eingebürgert werden darf, will nur noch Heuchler einbürgern.
Der Gesuchsteller Nr. 31 ist in der Tat vorbestraft. Er ist ein kurdischer Flüchtling aus der Türkei, wo er in Haft war. Bekanntlich werden ja in der Türkei nur ganz Böse inhaftiert - so naiv, dies zu glauben, ist offenbar nicht nur Bruno Steiger. Der Mann wurde auch in der Schweiz straffällig, weil er anfangs der Neunzigerjahre in jugendlichem Alter mit anderen politischen Aktivisten eine türkische Bank in Zürich besetzt hat. Diese Strafe ist im Strafregister längst gelöscht, existiert also aus rechtlicher Sicht überhaupt nicht mehr. Sie darf deshalb auch beim Entscheid über eine Einbürgerung nicht mehr relevant sein. Dem Gesuchsteller aus dem Umstand, dass er einmal mit anderen jungen Leuten zusammen eine Bank besetzt hat, einen Strick zu drehen, wäre unmenschlich.
Die Petitionskommission beantragt, sämtlichen Gesuchen zuzustimmen.
Ruedi Brassel (SP) ist erstaunt darüber, in welcher Art gewisse Ratsmitglieder die Schweizermacherei aufzuziehen gedenken. Worum geht es ihnen eigentlich: Wollen sie richtiggehend Gesinnungsschnüffelei betreiben oder wollen sie jemandem, der sich klar und deutlich dafür ausspricht, die in der Schweiz geltenden Stimm- und Wahlrechte wahrnehmen zu wollen, gerade deshalb genau diese Rechte verweigern?
Der SP-Fraktionschef appelliert an die liberale Geisteshaltung und Tradition jener Parteien, die sich auf den Liberalismus berufen: Wenn sie nun ein Zeichen gegen diese Einbürgerung setzen, zeigen sie, dass es mit der liberalen Substanz nicht weit her ist.
Thomi Jourdan (EVP) meint sarkastisch: «Herzlich willkommen im Wahlkampf!» Soweit er - wahrlich kein Rechtspolitiker - den in relativ freundlichem Ton gestellten Antrag richtig verstanden hat, geht es darum, dass das Gesuch nochmals überprüft wird. Es ist erstaunlich, dass so viel Genervtsein und so viele Emotionen zurück-prallen und dass letztlich sogar eine grundsätzliche Schweizermacher-Debatte entstehen soll. Dem Kommissionspräsidenten stünde es gut an, das Thema mit einer gewissen Distanz zu behandeln.
Wer die Landratssitzung einigermassen anständig überleben möchte, ist aufgerufen, seriöse Politik zu betreiben und den Wahlkampf auf 17:00 Uhr zu verschieben.
Hans Jermann (CVP) betont, neue Erkenntnisse lägen keine vor. Röbi Ziegler hat zum Fall bereits alles gesagt, und deshalb wiederholt Hans Jermann nur, was er bereits an der besagten Petitionskommissionssitzung gesagt hat: Auch Max Frisch war längst nicht mit allem, was in der Schweiz passiert, einverstanden.
Es würde in der Regel fast «von der Stange» eingebürgert, findet Hans-Jürgen Ringgenberg (SVP). Wenn nun einmal ein Fall vorliegt, den man nochmals überprüfen lassen möchte, werden gleich die liberale Gesinnung und das Demokratieverständnis in Frage gestellt. Dabei hat das Parlament das gute Recht, ein Gesuch - von vielen Hunderten Fällen pro Jahr - einmal nachprüfen zu lassen. Nicht mehr und nicht weniger wird nämlich verlangt. Auch in der Bevölkerung bestehen erhebliche Zweifel am heutigen Einbürgerungsverfahren.
Elsbeth Schmied (SP) fragt sich, wer genau die Nachprüfung vornehmen soll, wo doch die Petitionskommission das ganze Dossier bereits äusserst genau untersucht hat.
Der aus Kurdistan stammende Gesuchsteller wurde anfangs der Neunzigerjahre als Flüchtling anerkannt - das war alles andere als einfach und will etwas heissen.
Wer mit der Genehmigung des Gesuches nicht einverstanden ist, soll selber bei der zuständigen Amtsstelle das Dossier einsehen und der Petitionskommission sagen, welche Hindernisse sie für eine Einbürgerung sehen. Die Kommission hat nämlich bereits sämtliche Fragen abgeklärt.
://: Der Landrat stimmt Rosmarie Brunners Antrag, Gesuch Nr. 31 zwecks nochmaliger Prüfung an die Petitionskommission zurückzuweisen, mit 42:40 Stimmen bei einer Enthaltung zu.
://: Der Landrat erteilt mit 66:3 Stimmen bei zwölf Enthaltungen allen Bewerberinnen und Bewerbern ausser Gesuchsteller Nr. 31 das Kantonsbürgerrecht und setzt die Gebühren gemäss den regierungsrätlichen Vorschlägen fest. Der Zivilstand von Gesuchsteller Nr. 19 wird auf «verheiratet» geändert.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung