Protokoll der Landratssitzung vom 22. März 2007

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2006-078 vom 23. März 2006
Postulat von Rita Bachmann: Nord-Umfahrung Muttenz
- Beschluss des Landrats am 22. März 2007: < abgelehnt >



Nr. 2343

Die Regierung lehnt das Postulat ab. Regierungsrätin Elsbeth Schneider begründet: Mit dem Postulat versucht Rita Bachmann eine Nordumfahrung Muttenz in den kantonalen Richtplan aufzunehmen und verlangt deren umgehende Realisierung. Eine Analyse der Verkehrszahlen in Muttenz zeigt, dass die Verkehrsmenge in der St.  Jakobs- und der Pratteler Strasse in den letzten 10 Jahren konstant geblieben ist. Gleichzeitig gehen die Verkehrsprognosezahlen für den betroffenen Strassenabschnitt in Muttenz bis ins Jahr 2020 von einem sehr moderaten Wachstum aus. Eine Nordumfahrung Muttenz erachtet man als nicht notwendig, da sie nur ein geringes Verlagerungspotential zur Folge hätte. Im Weiteren stünde eine zusätzlich erhöhte Verkehrsbelastung auf der Rheinstrasse im Hardwald an, was im Widerspruch zum Trinkwasserschutz stünde.


Zu den Details: Drei Verkehrszählungen im Raum Muttenz / Pratteln ergaben, dass der Verkehr in den letzten Jahren kaum zugenommen hat. Bei Messungen im Jahr 1995 in der Pratteler Strasse in Muttenz wurden im Durchschnitt innert 24 Stunden 16'900 Fahrzeuge gezählt, im Jahr 2005 genau gleich viele. Auf der St. Jakobs-Strasse waren es 1995 16'000, im Jahr 2005 15'900, also ein leichter Rückgang. Gemäss Gesamtverkehrsmodell Basel sieht eine zukünftige Verkehrsbelastung wie folgt aus: Für die Periode 2020 wird auf der Hardstrasse in Pratteln eine Zunahme von rund 4'000 Fahrzeugen pro Werktag prognostiziert. Auf der Pratteler Strasse in Muttenz sind es je nach beobachtetem Abschnitt zwischen 2'500 und 4'500 zusätzliche Fahrzeuge, auf der St. Jakobs-Strasse zwischen 2'000 und 2'500. Zur Verkehrsbeziehung und zum Verlagerungspotential: Rund zwei Drittel des Verkehrs auf dem Querschnitt ist hausgemachter Verkehr, nämlich Zielquell-Verkehr aus Muttenz selbst. Etwa ein Drittel der gezählten Fahrzeuge auf dem Querschnitt fährt nach Basel oder kommt von Basel, vom Leimental oder aus dem Birstal nach Muttenz. Der Verkehr in oder aus Richtung Leimental, Birstal beträgt nicht ganz einen Fünftel des gesamten Verkehrs auf diesem Querschnitt. Die zwei Drittel des Verkehrs auf dem Querschnitt Pratteler Strasse, welche Zielquell-Verkehr aus Muttenz sind, lassen sich grundsätzlich nicht auf eine allfällige Nordumfahrung verlagern.


Für den Verkehr in Richtung Leimental und Birstal ist eine Verlagerung aufgrund des längeren Wegs über die Rheinstrasse nur beschränkt möglich. Das Verlagerungspotential einer allfälligen Nordumfahrung Muttenz kann daher nur auf rund 10 % abgeschätzt werden. In absoluten Zahlen wären das ca. 1'500 bis 2'000 Fahrzeuge, die von der Pratteler Strasse auf die Nordumfahrung verlagert und von Muttenz abgeleitet werden könnten. Die Regierungsrätin bittet auch, den Nutzungskonflikt mit dem Grundwasserschutz zu beachten. Aus Sicht des AUE ist der Trinkwasserschutz ein wesentlicher Grund zur Ablehnung einer solchen Nordumfahrung. Man möchte keinen Mehrverkehr auf der Hardstrasse und bittet, das Postulat abzulehnen.


Rita Bachmann -Scherer (CVP) ist angesichts der allseits bekannten, diversen Bauvorhaben - Salina Raurica, Ausbau des Shoppingcenters Grüssen wie auch des Badezentrums Raurica Nova - sehr erstaunt über die regierungsrätliche Antwort. Sie möchte wissen, ob bei den prognostizierten Verkehrsentwicklungszahlen auch alle die in Pratteln aufgegleisten Projekte mit berücksichtigt wurden. Im Turm des Bade- respektive Multizentrums Raurica Nova sollen zwischen 200 und 300 Personen Arbeit finden und das Parking wird 500 Plätze aufweisen. Es muss mit einer sehr intensiven Nutzung der Institution gerechnet werden, da der Eintritt nur für eine Dauer von 1,5 Stunden gültig ist. Zudem werde Raurica Nova auf dem so genannten Henkel-Areal an der Pratteler Strasse gebaut, also in unmittelbar Nähe zu Muttenz.


Mit dem Ausbau des Ikea-Geschäftshauses, von Mediamarkt und Mediamarkt-Neubau, der Überbauung des Früchtetrans-Areals muss nochmals mit einem zusätzlichen, massiven Verkehrsaufkommen gerechnet werden. Eine kleine Notiz in der Basler Zeitung vom 28. November  2006 habe zudem angekündigt, dass der Einwohnerrat einen Quartierplan für ein Center auf dem Areal des Geisseler Lagerhauses prüft: «Geplant ist ein Einkaufszentrum mit einer Nettoverkaufsfläche von 14'500 m 2 und 500 Parkplätzen.»


Rita Bachmann betont nochmals, dass Salina Raurica Mehrverkehr generieren wird. Laut Kantonsplaner Hans Georg Bächtold rechnet man mit insgesamt 28'000 Fahrzeugen mehr. Die CVP stellt in ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung zu Salina Raurica klar fest: «Die Probleme betreffend Individualverkehr auf der Achse St. Jakob, Muttenz, Pratteln, Augst sind nicht gelöst.» Und der Kantonsplaner «sieht den Verkehrszuwachs als ungelöstes regionales Problem und weiss, dass Salina Raurica keine Entschärfung mit sich bringen wird, im Gegenteil, das Projekt wird die Situation noch verschärfen», heisst es in einem Zeitungsbericht zur Verkehrssituation um Pratteln. Zu einem ähnlichen Resultat kommt auch ein Gutachten aus dem Jahr 2002, welches aussagt, dass die Projekte zu einer Verkehrsbelastung führen, die die Leistungsfähigkeit an den kritischen Knoten deutlich übersteigt. Mehrverkehr auf der Pratteler respektive St. Jakobs-Strasse zur bisherigen starken Frequenz führe unweigerlich zu unzumutbaren Zuständen bis zum Verkehrskollaps, meint Rita Bachmann. Man müsse bedenken, dass die St. Jakobs-Strasse Muttenz komplett in zwei Teile aufteilt. Schon heute wird diese Achse als Ausweichroute benutzt, wenn auf der Autobahn Stau herrscht, was hin und wieder der Fall sei. Zudem gibt es tagtäglich speziell zu den Randzeiten regelmässig lange Kolonnen. Schon heute hört man morgens und abends von Staumeldungen zwischen Pratteln und Hagnau oder Basel. Früher waren vor allem Staumeldungen aus dem Raum Zürich zu vernehmen, heute kommen sie aus der Region Basel.


Der Gemeinderat Muttenz äussert sich im Rahmen seiner Stellungnahme zum kantonalen Richtplan wie folgt zum Kantonsstrassennetz: «..., dass der Kapazitätsengpass auf der A2 zwischen Basel und Pratteln sowie im Gebiet Hagnau unter Berücksichtigung der allgemeinen Mobilitätszunahme und den angestrebten Siedlungsentwicklungen in den Gebieten Dreispitz und Salina Raurica zukünftig zu einer unhaltbaren Mehrbelastung des Durchgangsverkehrs auf der St. Jakobs-Strasse führen wird.» Er fordert dazu auf, das Projekt Umfahrung Nord gleichwertig zu den andern Projekten in den Richtplan aufzunehmen und als Vororientierung unter den Richtplanbeschlüssen aufzuführen.


Der Kanton Baselland und die Gemeinde Pratteln haben die so genannte Perlenkette 7 Verkehrskreisel an der Shopping- und Vergnügungsmeile aufgegleist, was aber lediglich ein Instrument für einen flüssigeren Verkehr darstellt. Die An- und Rückfahrtroute ist damit nicht entlastet und führt leider sehr oft durch die Nachbargemeinde Muttenz. Die Landrätin glaubt nicht, dass die Forderung nach einer Nordumfahrung Muttenz ähnliche Forderungen von anderen Gemeinden nach einer eigenen Umfahrung nach sich ziehen wird. Im vorliegenden Fall bestehe unbedingt Handlungsbedarf, findet sie. Im Übrigen, fügt sie an, sei Muttenz kein schlechter Netto-Steuerzahler.


Rita Bachmann verlangt in ihrem Postulat keine umgehende Realisierung, vielmehr solle diese «so bald wie möglich» stattfinden, das heisst, so rasch, wie es die Regierung als möglich erachtet. Sie bittet um Unterstützung des Postulats.


Muttenz hat unbestrittenermassen Verkehr sowie vormittags und abends zu den Rush-Hour-Zeiten Stau, räumt Röbi Ziegler (SP) ein - ähnlichen Verkehr wie München-stein, Birsfelden, Reinach, Oberwil, Therwil und weitere Gemeinden. Würde man den nun von Muttenz aufgestellten Massstab aber überall anwenden, so müsste man tatsächlich in allen Unterbaselbieter Gemeinden Umfahrungsstrassen planen, merkt er kritisch an. Denn tatsächlich habe Muttenz mindestens zwei nördliche Umfahrungen. Regierungsrätin Elsbeth Schneider erwähnte bereits die Autobahn. Und im Falle von Mehrverkehr aufgrund der Einkaufszentren in Pratteln müsste man als eine Massnahme dafür besorgt sein, diesen Mehrverkehr über und auf die Autobahn zu bringen. Die zweite Umfahrung, welche allerdings nicht unbedingt zu empfehlen ist, geht durch den Hardwald; als Alternative böte sich allenfalls ein Ausweichen über Grenzach an. Zu guter Letzt habe Muttenz zwei ganz geniale zentrale Umfahrungen: die Tramlinie 14 sowie die S-Bahnlinie.


Wolle man nun im Hinblick auf Salina Raurica und auf das wunderbare Bad, welches seit 5 oder bald sieben Jahren geplant wird und zum Glück noch nicht plätschert - wie sich Röbi Ziegler ausdrückt- auch noch Strassen im Voraus planen, so bewirke man damit genau das, was man im Grunde vermeiden wolle; nämlich dass die Besucher möglichst mit dem Auto anfahren. Auch beim Einkauf und wenn es darum geht, Vergnügungen nachzugehen, gibt es Alternativen zum Privatverkehr. Und dort sollte man die Planungsschwerpunkte setzen, fordert Röbi Ziegler. Die SP-Fraktion ist gegen eine Überweisung des Postulats.


Urs Hess (SVP) argumentiert, Verkehr sei notwendig, die Mobilität unterstütze unsere Wirtschaft und umgekehrt. In dem Gebiet zwischen Muttenz und Pratteln gibt es riesige Ausbaupläne, es werden grosse Gebiete erschlossen. Bereits jetzt treten Richtung Muttenz, aber auch in Pratteln, grosse Verkehrsprobleme auf. Es kann seines Erachtens nicht angehen, dass man jetzt bei Neuanpassung des kantonalen Richtplans gerade die Umfahrungsstrasse, also eine Querverbindung von der Pratteler Strasse an die Rhein- oder Hardstrasse, ausschliessen wollte. Dort eine gewisse Verbindung zu schaffen sei wichtig. Auch die Hardstrasse gehöre in den Richtplan und müsse als eine der Achsen, die von der Stadt in die Landschaft führt, aufrecht erhalten bleiben, ungeachtet des Grundwasserschutzes. Mittels Postulat könne auch diese Variante gestützt werden. Die SVP unterstützt das Postulat.


Romy Anderegg (FDP) stellt fest, auch die Bau- und Umweltschutzdirektion prognostiziere, dass auf der St. Jakobs-Strasse in Muttenz in Zukunft mit einer vermehrten Verkehrsbelastung zu rechnen ist. Eine Entlastung der St.  Jakobs Strasse und auch der Rennbahn-Kreuzung muss absolut angestrebt werden. Eine Nordumfahrung von Muttenz ist aber nicht die richtige Lösung des Problems. Die FDP lehnt das Postulat ab, nicht zuletzt, da man versichert worden sei, es lägen 'in einer Schublade bessere Lösungsvorschläge' vor.


Philipp Schoch (Grüne) meint, aufgrund der Ausführungen der Postulantin könnte man den Eindruck gewinnen, die drittgrösste Gemeinde im Kanton bestehe aus einer Strasse, was natürlich keineswegs der Fall sei. Durchschneide man vom Rhein her Richtung Süden das Gebiet von Muttenz, so treffe man auf einer Länge von einem Kilometer auf sage und schreibe 3 Hochleistungsstrassen, hält er ihr entgegen. Es gibt also nicht nur die St. JakobsStrasse in Muttenz. Er versteht nicht, dass nun von Seiten SVP und CVP ein 'grosses Gejammer' losgeht und man sich frage, wo der ganze Verkehr in Pratteln durchgehen soll, denn letztlich seien nie die Grünen die Befürworter der verkehrsintensiven Infrastrukturen in Pratteln gewesen, sondern hätten sich immer für nachhaltige Entwicklungen eingesetzt. Hingegen hätten CVP und SVP explizit im Pratteler Einwohnerrat alles verhindert, um die Projekte irgendwie moderater zu gestalten. Das heutige Stauaufkommen auf der Rheinverbindung der St. Jakobs-Strasse hat seine Ursache hauptsächlich in der Autobahnbaustelle, argumentiert er; die Totalsanierung verhindere flüssiges Fahren. Die Grünen sind strikte gegen die Nordumfahrung Muttenz - sonst müsste man letztlich auch noch für Ammel eine Umfahrung bauen, spöttelt er...


Elsbeth Schneider bestätigt Rita Bachmann, dass bei der Prognostizierung der Verkehrszahlen die geplanten Bauvorhaben berücksichtigt wurden. Man geht aber davon aus - und hat dies auch anhand von Salina Raurica aufgezeigt -, dass die An- und Wegfahrten zu den neuen Bauten über die Autobahn geführt werden. Es wird zudem eine neue Strasse gebaut, eine Umfahrungsstrasse Augst ist in Diskussion. Die Gemeinde Pratteln wiederum habe sich klar gegen ein weiteres Einkaufszentrum ausgesprochen; mit einem Grosseinkaufszentrum sei also auf Pratteler Boden nicht zu rechnen. Das Verkehrsaufkommen setzt sie demjenigen auf der Rheinstrasse mit täglich 45'000 Fahrzeugen oder auf der Autobahn, pro Tag 120'000, gegenüber. Dagegen könne man den Verkehr auf der St. Jakobs-/Pratteler Strasse mit 1'500 - 2'000 Fahrzeugen nicht als Verkehrsbelastung bezeichnen.


Rita Bachmann -Scherer (CVP) ist sehr erstaunt über die offenbar vorhandenen besseren Pläne für Muttenz, welche Romy Anderegg in ihrem Votum antönte. Sie möchte wissen, in welche Richtung diese Pläne gehen. Zudem stört sie sich an der mehrmals gehörten Formulierung "jede andere Gemeinde", denn jede andere Gemeinde sei nicht in unmittelbarer Nähe der Gemeinde Pratteln als Shoppingmeile, was vor allem an den Wochenenden, ab Freitagnachmittag bis Samstagabend, eine Belastung darstelle. Nach Fertigstellung von Salina Raurica werde man wohl dereinst auch den schnellsten Weg nehmen, welcher nicht über die Autobahn-Auffahrt führt, sondern über Muttenz. In Bezug auf die Frequenz verweist die Landrätin auf die Statistik zum Verkehrsaufkommen im 3. Quartal 2006, publiziert in der Bau- und Umweltzeitung. Dort wird ein Frequenzzuwachs für Muttenz/ St. Jakobs-Strasse von immerhin 13 % ausgewiesen; eine klare Zunahme.


Um zu wissen, was Romy Anderegg genau mit den vorhandenen Planungsalternativen gemeint hat, müsste Elsbeth Schneider erst mit der Landrätin Rücksprache halten. Was es aus der Baudirektion zu berichten gibt, habe sie selbst dargelegt. Sie verhehlt nicht, dass mit Salina Raurica ein Verkehrsproblem besteht. Es werden gemeinsam mit der Gemeinde Pratteln Lösungen gesucht. Und als Reinacherin entgegnet sie Rita Bachmann, wenn man schon von Verkehrsbelastung rede, so müsste sie selbst dringend eine Umfahrung Reinach fordern ... [Heiterkeit].


://: Der Landrat spricht sich mit 25 Ja-Stimmen : 46 Nein-Stimmen bei 1 Enthaltung gegen die Überweisung des Postulats 2006/078 aus.


Für das Protokoll:
Brigitta Laube, Landeskanzlei



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