Protokoll der Landratssitzung vom 29. November 2007

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2007-173 vom 10. Juli 2007
Vorlage: Revision des Gesetzes über den Schutz von Personendaten (Datenschutzgesetz) vom 7. März 1991: Anpassung an Schengen/Dublin (1. Lesung)
- Bericht der Justiz- und Polizeikommission vom 17. Oktober 2007
- Beschluss des Landrats am 29. November 2007: < 1. Lesung abgeschlossen >



Nr. 222

Landratspräsidentin Esther Maag (Grüne) bittet den Rat, in diesem Tempo fortzufahren, sie möchte mindestens bis Traktandum 13 gelangen und untermauert diesen Wunsch mit dem Androhen einer Zusatzsitzung am 29. Februar.


Kommissionspräsident Ivo Corvini (CVP) führt aus, der Beitritt der Schweiz zum Vertragswerk Schengen/Dublin mache die vorliegende Teilrevision des Baselbieter Datenschutzgesetzes notwendig. Im Vertrag von Schengen geht es um eine europaweite Fahndungsdatenbank und beim Vertragswerk Dublin um eine elektronische Datenbank zur Erkennung von mehrfach gestellten Asylgesuchen. Beide Abkommen haben somit den intensiven Austausch von Personendaten zum Inhalt. Da ein entsprechender Datenschutzstandard gewährleistet sein muss, sind auf rechtlich übergeordneter Basis einige Regelungen für den Datenschutz aufgestellt worden. Diese müssen nun, damit der Beitritt vollzogen werden kann, im kantonalen Datenschutzgesetz umgesetzt werden. Zu den wichtigsten Revisionsbedürfnissen gehört die Ausstattung der Datenschutzbehörde mit 1. völliger Unabhängigkeit und 2. wirksamen Einwirkungsbefugnissen.


In der Kommissionsberatung traten zwei Hauptdiskussionspunkte zutage: Zum einen, ob die Datenschutzaufsichtsbehörde administrativ in der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion oder in der Landeskanzlei angesiedelt werden sollte. Dabei geht es allerdings bloss um eine rein administrative Ansiedelung, was bedeutet, dass die Datenschutzaufsichtsstelle schon von Gesetzes wegen eine eigene Budgethoheit, eine eigene Anstellungshoheit hat und weisungsunabhängig ist. Das Budget der Datenschutzaufsichtsbehörde muss also unverändert an den Landrat gerichtet werden. Ein Antrag, die Datenschutzaufsichtsbehörde bei der Landeskanzlei anzusiedeln, wurde mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt. Die Ablehnung gründet im Argument, dass die Zuordnung zur Justiz-, Polizei- und Militärdirektion zumal in Bezug auf die Gesetzgebung sehr gut ist, denn die Datenschutzaufsichtsbehörde sollte stets schon vor der Vernehmlassung in Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden. Die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde wird damit nicht in Frage gestellt.


Der zweite Hauptdiskussionspunkt betraf die Frage, ob die Datenschutzaufsichtsbehörde ein Verfügungsrecht erhalten oder ob ihr bloss Empfehlungsmöglichkeiten zugestanden werden sollen. Das übergeordnete Recht verlangt wirksame Einwirkungsbefugnisse für die Datenschutzbehörden. Eine kleine Kommissionsmehrheit sprach sich mit 6 zu 5 Stimmen dafür ein Verfügungsrecht der Datenschutzaufsichtsbehörde aus, damit ihre Tätigkeit sinnvoll ausgeübt werden kann.


Die Kommission sieht zudem vor, dass die Bestimmungen über die Wahl der/des Datenschutzbeauftragten analog zu den Wahlbestimmungen des Bankrates vorzusehen ist. Die Justiz- und Polizeikommission schlägt also die Wahl durch den Landrat vor, während die Vorlage die Wahl durch den Regierungsrat vorgesehen hatte. Allerdings bleibt der Landrat an den Vorschlag des Regierungsrates gebunden. Der Landrat kann einem Vorschlag folglich nur zustimmen, oder er kann ihn ablehnen, selber kann er aber keinen Vorschlag machen.


Die Justiz- und Polizeikommission beantragt dem Landrat mit 10 Stimmen ohne Gegenstimme bei 2 Enthaltungen, der revidierten Fassung des Datenschutzgesetzes zuzustimmen.


Regula Meschberger (SP) führt aus, dass Bund und Kantone die Rechtsanpassungen vornehmen müssen, damit die Bilateralen Abkommen über die Assoziierung an Schengen und Dublin in Kraft treten können. In diesem Zusammenhang ist die Revision des Datenschutzgesetzes zu sehen. Wichtig ist die Ausstattung der Datenschutzbehörde mit völliger Unabhängigkeit und wirksamen Einwirkungsbefugnissen.


Die SP-Fraktion tritt auf die Vorlage ein, weil die Revision richtig und wichtig ist. Mit der Zuordnung der Datenaufsichtsstelle zur Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist die SP allerdings nicht einverstanden. Unabhängig ist die Stelle nur dann, wenn sie keiner Direktion zugeordnet ist. Ein begründeter Antrag folgt in der Detailberatung.


Bezüglich des Verfügungsrechts der Datenaufsichtsstelle vertritt die SP die Meinung, für ein wirksames Verhandeln sei das Verfügungsrecht wichtig. Die betroffene Behörde behält ja das Recht, eine solche Verfügung anzufechten.


Aufgrund der technologischen Entwicklung wird der Datentransfer und der Datenaustausch immer einfacher, gleichzeitig aber auch komplizierter, weil umfassender. Dringend nötig ist es deshalb, dass die Datenaufsichtsstelle wachsam ist und mit den nötigen Instrumenten drohendem Missbrauch entgegenwirken kann.


Dominik Straumann (SVP) sieht die Wichtigkeit des Datenschutzes und tritt namens der SVP-Fraktion auf die Vorlage ein. In der Frage der Zuordnung zur Justiz-, und Polizeidirektion beziehungsweise zur Landeskanzlei votiert die SVP für die bisherigen Verhältnisse, den Antrag der SP wird die SVP ablehnen.


Daniele Ceccarelli (FDP) dankt dem Kommisionspräsidenten für den ausführlichen und ausgewogenen Bericht, er bringt die Kommissionsberatung bestens zum Ausdruck. Ein Novum war es für die Kommission, sich auf kantonalem Niveau mit überstaatlichem Recht auseinanderzusetzen.


Die FDP ist der Auffassung, dass die/der Datenschutzbeauftragte durchaus bei der Justizdirektion bleiben kann, die Unabhängigkeit ist gewährleistet.


Auch in der Frage des kaum umstrittenen Wahlvorschlags folgt die FDP der Kommissionsmehrheit.


Gewisse Bedenken hegt die Fraktion dagegen in der Frage ob die/der Datenschutzbeauftragte gewissermassen als vierte Gewalt direkt verfügen können soll. Die/der Datenschutzbeauftragte sollte - analog zum Zürcher Modell - an die betroffenen Behörden Empfehlungen abgeben. Auf einen entsprechenden Antrag verzichtet die FDP.


Christine Gorrengourt (CVP) berichtet, die Vorlage sei in der Kommission ausgiebig und konstruktiv diskutiert worden. Das Weisungsrecht der Datenschutzaufsichtsstelle ist ein einfacher, effizienter Weg, um die wirksamen Einwirkungsbefugnisse gemäss Artikel 28 der EU-Datenschutzrichtlinien zu erfüllen. Die Datenschutzaufsichtsstelle kann sich mit einer Weisung in Form einer Verfügung genau und spezifisch auf jenen Aspekt konzentrieren, den sie bemängelt - und zwar nur insofern, als das Interesse an der Durchsetzung schwer wiegt. Der Weg einer Weisung in Form einer Verfügung ist effizient, einfach und erfüllt die EU-Datenschutzrichtlinien.


Die administrative Zuweisung zur JPMD empfindet die CVP/EVP-Fraktion als sinnvoll, den Antrag der SP wird die Fraktion ablehnen.


Die CVP/EVP-Fraktion tritt auf die Vorlage ein und stimmt dem revidierten Datenschutzgesetz in vorliegender Berichtsfassung zu.


Klaus Kirchmayr (Grüne) wertet die Kommissionsberatung über das Datenschutzgesetz als sehr befriedigend und konstruktiv. Die grüne Partei tritt auf die Vorlage ein und wird den Antrag der SP bezüglich der Unterstellung aus grundsätzlichen Überlegungen unterstützen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Datenschutzstelle auf Bundesebene bei der Bundeskanzlei angesiedelt ist. Ein Grund, im Kanton diesbezüglich andere Wege zu gehen, besteht nicht.


Sabine Pegoraro (FDP) dankt für die gute Aufnahme der Vorlage. Mit Schengen Dublin tritt die Schweiz nicht nur dem Sicherheitsraum Europa bei, sondern auch dem Datenschutzraum Europa. Somit wird nicht nur die polizeiliche Zusammenarbeit, sondern auch der Datenschutz gestärkt. Dazu ist bein griffiges Datenschutzgesetz sowie eine unabhängige und wirkungsvolle Kontrollinstanz nötig. Mit der Gesetzesvorlage werden diese Anforderungen erfüllt.


Der Landrat ist gebeten, auf die Vorlage einzutreten und dem Gesetz gemäss Kommissionsfassung zuzustimmen. Insbesondere sollte die administrative Unterstellung bei der JPMD unangetastet bleiben.


Mit der Variante der Kommission zum Thema Wahl kann sich die Regierung einverstanden erklären, und die getroffene Lösung bezüglich Weisungsrecht geht in Ordnung: Wir müssen den Zürchern nicht alles nachmachen!



- Detailberatung

Titel und Ingress


§§ 3bis 20


keine Wortmeldung


§ 22 Absatz 3


Regula Meschberger (SP) beantragt folgende neue Formulierung von Absatz 3:


3 Sie ist der Landeskanzlei administrativ zugeordnet .


Die Unabhängigkeit der Datenaufsichtsstelle ist nicht bestritten. Wenn die Stelle einer Direktion zugeordnet ist, kann diese Unabhängigkeit möglicherweise gefährdet sein. Aktuell ist dies zwar nicht der Fall und bekannt ist auch, dass die Zusammenarbeit der JPMD mit der Datenschutzbeauftragten sehr gut funktioniert, doch wäre dieses gute Funktionieren auch dann möglich, wenn die Datenschutzaufsichtsstelle bei der Landeskanzlei angesiedelt wäre. Gesetzgebungsprozesse gibt es nicht nur in der Justizdirektion, sondern auch in anderen Direktionen. Es geht um die grundsätzliche Frage einer kantonalen Stelle, welche die Aufsichtsfunktion über alle Verwaltungen und Behörden hinweg hat.


RP Sabine Pegoraro (FDP) bittet den Rat, den Antrag abzulehnen. Seit Inkraftsetzung des Datenschutzgesetzes am 1. Januar 1992 gehört die Aufsichtsstelle Datenschutz administrativ zur Justiz-, Polizei- und Militärdirektion. Die Lösung hat sich ausgezeichnet bewährt, während den 15 Jahren gab es nie einen fachlichen Eingriff oder eine fachliche Weisung an die Datenschutzstelle. Mit dem neuen Gesetz wird die Unabhängigkeit der Stelle noch verstärkt und gesetzlich verankert, indem die Stelle künftig über ein eigenes Budget, eine eigene Anstellungskompetenz und ein eigenes Weisungsrecht verfügt. Die Regierung hat gegenüber dem Datenschutz kein Weisungsrecht, die Unabhängigkeit ist gewährleistet.


Die administrative Zuordnung an die Justizdirektion ist deshalb vorteilhaft, weil die Datenschutzstelle dadurch einen direkten Zugang zum Gesetzgebungsprozess hat. Sehr viele Gesetzesentwürfe werden in der Justizdirektion erarbeitet und die Anliegen des Datenschutzes können auf diese Weise direkt einfliessen. Solche direkten, kurzen, unkomplizierten Wege wären nicht mehr im gewohnten Umfang vorhanden, wenn die Stelle der Landeskanzlei zugeordnet würde. Die Zuordnung an die Justizdirektion ist auch deshalb vorteilhaft, weil die Datenschutzstelle damit eine Stimme im Regierungsrat hat.


Regula Meschberger (SP) wiederholt, es gehe ihr um eine grundsätzliche Überlegung, nicht um die Frage, was bislang gut gelaufen sei. Und: dass bei einer Zuordnung zur Landeskanzlei keine kurzen effizienten Wege möglich sein sollen, ist nicht plausibel. Eigenartig auch das Argument, die Datenschutzstelle habe eine Stimme in der Regierung dank der Zuordnung zur Justizdirektion. Warum soll die Justizdirektorion ihre Stimme zugunsten des Datenschutzes nur dann erheben, wenn die Stelle ihrer Direktion zugeordnet ist? Das Argument spricht dafür, die Datenschutzstelle von der Justizdirektion zu trennen.


://: Der Landrat lehnt den Antrag von Regula Meschberger mit 46 zu 21 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. [ Namenliste ]


§§ 22a bis III.


keine Wortmeldung


Damit ist die 1. Lesung abgeschlossen.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Fortsetzung

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