Protokoll der Landratssitzung vom 16. Februar 2006

43
2006-045 vom 16. Februar 2006
Motion von Rudolf Keller , Eric Nussbaumer und Karl Willimann : Zusatzkredit zum H2-Verpflichtungskredit
- Beschluss des Landrats < zur Vorprüfung an Finanzkommission gewiesen >



Nr. 1646

Eugen Tanner macht beliebt, die Vorberatung nicht nur in der Finanz-, sondern gleichzeitig auch in der Bau- und Planungskommission stattfinden zu lassen, damit die bautechnischen Fragen des Geschäftes durch das Tiefbauamt geklärt werden können.


Nachdem die FDP-Fraktion die Motion über die Mittagszeit angesehen hat, gibt Toni Fritschi bekannt, dass die FDP gegen Überweisung des Vorstosses votiert. Die FDP strebt eine vernünftige ökologische und ökologische Lösung an; diese Basis ist mit der Motion nicht gegeben. Zudem befürchtet die FDP, dass die Investitionen und die Betriebskosten wegen der Tunnelöffnung wesentlich höher, als ursprünglich geplant , ausfallen werden.


Rudolf Keller weist vorab auf die ungewöhnliche parteipolitische Konstellation der drei Motionäre hin und stellt fest, dass sich Eric Nussbaumer , Karl Willimann und der Sprechende selbst trotz dieser ungewohnten Ausgangslage in der Sache einig sind.


Auf diese Strasse gehört ein Deckel, so wie dies das Baselbieter Volk grossmehrheitlich in der Volksabstimmung akzeptiert hat. Seit dreissig Jahren wird von einem Tunnel und nicht von einem teilweise geöffneten Tunnel oder anderen Alternativen gesprochen. Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen dürfen die Motionäre berechtigterweise gar im Namen der Bevölkerung der Gemeinden Füllinsdorf und Frenkendorf sprechen. Die Motion soll nun überwiesen werden.


Die Motionäre hegen die Hoffnung, dank des Vorstosses langwierige Gerichtsfälle vermeiden zu können. Zweifellos sind die vielen Einsprechenden entschlossen, ihre Einsprachen weiterzuziehen. Zudem geht es darum, eine neuerliche Volksinitiative zu verhindern.


Die Kantonsparlamentarier sollten überdies wissen, dass die Botschaft, den Tunnel zu öffnen, gerade im betroffenen Altersheim mit Empörung aufgenommen wurde. Die BewohnerInnen interpretieren die Angelegenheit nach dem Motto: Der Tunnel wird vor dem Altersheim geöffnet, die Alten sollen den Feinstaub und den Lärm haben! Mag der Öffnung des Tunnels auch nicht dieser Gedanke zugrunde liegen, so kommt er doch in dieser Weise bei den betroffenen Menschen an.


Den Freisinnigen, welche die Motion nicht überweisen wollen, sei in Erinnerung gerufen, dass für den Chienbergtunnel zig Millionen zusätzlich bewilligt wurden. Bei der H2 aber, an der seit 30 Jahren "gekaut" wird und für die dem Volk eindeutige Versprechungen gemacht wurden, soll mit fadenscheinigen Begründungen Zurückhaltung geübt werden. Der Landrat ist dringend gebeten, dem Vorstoss zuzustimmen und ihn an die beiden Kommissionen zu überweisen. Damit ist das Begehren zwar noch nicht im Trockenen, doch ist auf diesem Weg sichergestellt, dass die Angelegenheit noch einmal ernsthaft diskutiert werden muss.


Obwohl, so Annemarie Marbet , die SP an sich nicht zur Strassenlobby zählt, unterstützt sie die Motion. Nicht gesagt ist damit, dass die SP das Gesetz eins zu eins übernehmen wird. Trotzdem wirkt die Motion wie ein Befreiungsschlag. Die SP respektiert das Resultat der zwei Abstimmungen und findet, nun sollte das bestmögliche Projekt verwirklicht werden. Eine Verknüpfung des Gesetzes mit der Motion ist für die SP zwingend. Zum einen geht es um den Lärmschutz und die saubere Luft, weiter um den Rückbau der Rheinstrasse und schliesslich um die Spezialfinanzierung. Die Motion soll überwiesen werden, damit eine einheitliche, von allen Parteien mitzutragende Regelung geschaffen wird und die Einsprachen zurückgezogen werden können.


Patrick Schäfli meldet sich als Vertreter einer Minderheit der FDP-Fraktion zu Wort: Die rasche Realisierung der H2 ist seit Langem ein Anliegen der Anstössergemeinden und müsste auch ein Anliegen aller BaselbieterInnen sein. Endlich hat nun die Regierung eine Finanzierungsvorlage aufgelegt, die eine breite Zustimmung finden könnte. Regierung und Parteien wissen, dass damit die Volksabstimmung im Herbst noch längst nicht gewonnen ist. Leider muss festgestellt werden, dass die Anliegen der Gemeinden Füllinsdorf und Frenkendorf im Planungsprozess zumindest in einzelnen Teilbereichen nicht ausreichend ernst genommen wurden. Alternativen zur Tunnelöffnung werden teilweise erst nach beträchtlichem Druck geprüft.


Mit der vorliegenden Motion erhält die ursprüngliche Tunnerlvariante, ergänzt mit den sicherheitstechnischen Auflagen, eine neue Chance.


Es kann und darf nicht sein, dass die betroffenen Gemeinden die Zeche für die nach den Tunnelunfällen durch den Bund in Kraft gesetzten Sicherheitsauflagen bezahlen müssen.


Mit der Überweisung der Motion erhielte der Landrat Gelegenheit, noch einmal Korrekturen vorzunehmen und die Chancen für eine Zustimmung der Finanzierungsvorlage der H2 durch das Volk zu erreichen.


Im Sinne eines Kompromissvorschlags sollte der Landrat der Motion zustimmen.


Isaac Reber und die Grünen hielten die Realisierung des Tunnels H2 noch nie für sinnvoll; an dieser Haltung hat sich nichts verändert. Der viel schneller realisierbare Ausbau der Rheinstrasse, ein keineswegs verstaubtes Projekt, genügte absolut als Problemlösung. Allerdings sehen auch die Grünen ein, dass der Tunnel, wenn er denn wider alle Vernunft realisiert werden soll, nur ohne Loch gebaut werden darf. Das einzige, zugunsten des Tunnels berechtigte Argument und Versprechen, der optimale Lärmschutz, sollte ernst genommen werden. Klar ist aber auch, dass die Rheinstrasse weiterhin laut und verkehrsorientiert bleiben wird.


Karl Willimann und die beiden anderen Motionäre verfolgen mit ihrem Vorstoss das Ziel, dass mit dem Bau der H2 nun endlich begonnen wird. Dies unter Berücksichtigung der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die 260 Einsprechenden das Bundesgericht anrufen werden, wenn den Beschwerden nicht entsprochen würde.


Wie für Kollegin Annemarie Marbet , wirkt die Motion auch für Karl Willimann wie ein Befreiungsschlag.


Zum Thema Finanzen ist zu berücksichtigen, dass während einer gewissen Zeitdauer für den Kanton die Gefahr drohte, die gesamte Finanzlast selber tragen zu müssen. Nun sind gute Aussichten für eine respektable Beteiligung des Bundes gegeben.


Karl Willimann, selber in Füllinsdorf wohnhaft, bittet im Namen all jener, die in Füllinsdorf oder Frenkendorf wohnen, aber auch im Namen aller, welche die Rheinstrasse täglich im Stau erleben müssen, um Zustimmung zur Motion.


Thomi Jourdan wehrt sich zwar nicht gegen die Überweisung der Motion, will aber doch ein paar, anlässlich der gestrigen Finanzkommissionssitzung eingebrachte Gedanken des Kantonsingenieurs Ruedi Hofer zu bedenken geben.


Die Einsprachen gegen die Tunnelöffnung gründen nicht in der Überschreitung irgendwelcher Lärmgrenzwerte oder sonstiger Immissionen. Vielmehr gibt es Einsprachen, weil nicht das gebaut werden soll, was damals in der Vorlage stand. Auch mit einer Tunnelöffnung würden sämtliche Grenzwerte eingehalten. Und: trotz eines Tunnels werden die Frenkendörfer, Füllinsdörfer und Liestaler dereinst feststellen müssen, dass ein grosser Anteil des Verkehrs - nämlich zwei Drittel oder 10'000 bis 20'000 Autos täglich - selbst produziert ist und weiterhin mit den enstprechenden Lärm- und Abgasbelastungen auf der Rheinstrasse und nicht im Tunnel anfallen wird.


Nicht nur die 35 zusätzlichen Millionen an Investitionskosten, sondern auch an die zusätzliche Million an Betriebskosten sollten in Betracht gezogen werden. Ausgehend von einer Betriebsdauer des Tunnels zwischen 60 und 80 Jahren wären also 60 bis 80 Millionen an Zusatzkosten einzurechnen. Damit könnte manch ein Schulhaus im Kanton errichtet werden.


Fakt ist, dass im Jahre 1995 abgestimmt wurde, dass ASTRA Änderungen verlangt hat und dass sich die Regierung dazu entschlossen hat, den 1995 festgelegten Grenzwert der Investitionssumme einzuhalten. Letztlich also stellt sich die Frage, ob der Kostengrenzwert heilig ist oder der Tunnel, eine Veränderung ist gegenüber 1995 in jedem Fall zwingend; man sollte also nicht so tun, als ob nun etwas besonders Überraschendes eingetreten wäre.


Der mit seiner Firma direkt betroffene Peter Holinger setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema H2 auseinander.


Sowohl durch Itingen, wie durch Lausen und Liestal wird die H2 offen geführt. Im Liestaler Fraumattquartier fehlt aber sogar der Lärmschutz. Über den Tunnelabschnitt hat das Volk bereits zweimal, 1995 und 1997, Ja gesagt. Wegen den neuen Sicherheitsauflagen wird nun eine Tunnelöffnung im Raum Schönthal vorgeschlagen. Die dagegen erhobenen Einsprachen stammen vorwiegend aus Füllinsdorf.


Damit endlich vorwärts gemacht werden kann und nach Abwägung aller Faktoren tendiert Peter Holinger dazu, die Motion zu überweisen - übrigens auch an die Bau- und Planungskommission zur technischen Begutachtung.


Regierungspräsidentin Elsbeth Schneider -Kenel :


Mit ihrer Bereitschaft, die Motion als dringlich entgegenzunehmen, zeigt die Regierung ihre Ernsthaftigkeit, nun in dieser Angelegenheit vorwärts zu machen.


Zum Projekt: Der gesamte Abschnitt Pratteln Ost bis Liestal Nord ist 4,5 Kilometer lang, der Tunnel hat eine Länge von 2,2 Kilometern und die Öffnung eine solche von 200 Metern.


Nun, da ASTRA bezüglich der Tunnelsicherheit neue Auflagen stellt, hat sich die Ausgangslage geändert und die Regierung musste über die Bücher. Sie erachtete die Lösung mit der 200 Meter langen Öffnung deshalb als gute Alternative, weil der Bau im Rahmen des bewilligten Kredits realisiert werden sollte. Dem Landrat sei in Erinnerung gerufen, dass das Projekt die Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgreich bestanden hat, dass die Tunnelöffnung bundeskonform ist und vom ASTRA abgesegnet und für richtig befunden wurde. Auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde in Abwägung sämtlicher Aspekte erfolgreich durchgeführt. Die BUD hat somit gemäss den Vorgaben des Landrates gearbeitet.


Analysiert man den Betrag der zusätzlichen 35 Millionen, so erhält die Frage der Lüftung besondere Bedeutung: Um den benötigten Raum des Lüftungsschachtes bereit stellen zu können, muss der Bau 2 Meter tiefer gelegt werden, eine Massnahme, die natürlich mit Kosten verbunden ist. Will dies der Landrat, so führt es die BUD selbstverständlich aus.


Zu den Betriebskosten: Stand heute geht die BUD - aufgerechnet auf 15 bis 20 Jahre - von jährlich 5,5 Millionen Franken Betriebskosten aus. Die verstärkte Lüftung bedingte eine Erhöhung der Betriebs- und Unterhaltskosten von 1 Million Franken und, dies an die Adresse der Grünen, der Energieverbrauch würde ganz wesentlich ansteigen.


Würde der Landrat die Motion nun überweisen, so beauftragte er die Regierung ganz einfach, 35 Millionen Franken zusätzlich aufzunehmen. Die Kosten stiegen damit von aktuell 267 auf 302 Millionen Franken für die Gesamtstrecke von 4,5 Kilometern. Mit einer Überweisung beauftragte der Landrat die Bau- und Umweltschutzdirektion zudem, eine zusätzliche Vorlage zu erarbeiten, in welcher die baulichen Massnahmen konkret beschrieben würden. Um keine Zeit zu verlieren, ginge der Auftrag noch heute an das Tiefbauamt, sofern der Landrat die Motion überweisen sollte.


Unmissverständlich lässt die Baudirektorin festhalten, dass sie nicht garantieren könne, ob die 35 Millionen für die Zusatzarbeiten ausreichen werden. Eine gewisse Unsicherheit im Bereich der Kostengenauigkeit ist nicht zu übersehen. Bisher ist ja noch kein Bauprojekt beschlossen. Das Erarbeiten der Unterlagen könnte unter hohen Anstrengungen bis Ende Jahr gelingen.


Zu den Terminen: Mehrere Votantinnen und Votanten forderten, nun müsse endlich etwas geschehen.


Dazu ist festzustellen, dass die BUD für den Spatenstich noch in diesem Jahr bereit ist, Bedingung aber ist die Gutheissung der Finanzierungsvorlage durch den Souverän am 24. September.


Start der Arbeiten wäre nicht beim Tunnel, sondern beim Anschluss "Schild". Je nach Lage der Lüftungsschächte können möglicherweise neue Auflagen zum Tragen kommen - ob dann erneut Einsprachen zu bearbeiten sein werden, kann die BUD heute noch nicht beurteilen.


Die Bau- und Umweltschutzdirektion ist willens, die Motion entgegen zu nehmen. Ob das Projekt dann tatsächlich auch realisiert werden soll, kann der Landrat dann im Rahmen der Vorlage entscheiden.


Angesichts der erneut auflammenden hohen Komplexität des Problems gibt Philipp Schoch zu bedenken, dass mit einem Ausbau der heutigen Rheinstrasse auf viel einfacherem Weg dasselbe Angebot, dasselbe Fassungsvermögen realisiert werden könnte. Schade, dass der Landrat eine komplizierte und sehr teure Problemlösung anstrebt.


Landratspräsident Eric Nussbaumer liest den neu geltenden ersten Satz der dringlichen Motion vor:


Der Landrat wird eingeladen, diese Motion im Sinne von § 45 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landrates an die Finanzkommission und die Bau- und Planungskommission zu überweisen.


Die Neuformulierung bedingt, dass sich die beiden Kommissionspräsidenten beraten und ein kurze gemeinsame Stellungnahme zur Überweisung der Motion verfassen.


- Schlussabstimmung


://: Der Landrat stimmt der Überweisung der Motion 2006/045 mit 66 zu 10 Stimmen bei 6 Enthaltungen zu.


Die definitive Überweisung an die Regierung wird für den 23. März 2006 traktandiert.


Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei



Fortsetzung

Back to Top