Protokoll der Landratssitzung vom 24. Februar 2005

Nr. 1056

7 2004/291
Interpellation von Urs Hammel vom 11. November 2004: Kampf gegen Schwarzarbeit und Lohndumping. Schriftliche Antwort vom 4. Januar 2005

Urs Hammel beantragt Diskussion.

://: Diskussion wird bewilligt.

Urs Hammel dankt der Regierung für die ausführliche Beantwortung seiner Fragen.
Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit drängen, wie allen Medien entnommen werden kann, mehr und mehr EU-Bürger auf den Schweizer Arbeitsmarkt. Für die Einheimischen nimmt die Konkurrenz zu, und der Druck auf die Löhne steigt. Auch die grossen Gewerkschaftsproteste gegen Lohndumping sind nicht mehr zu überhören.
In Deutschland gibt es bereits Arbeitsvermittlungsfirmen, welche die dortigen, zum Teil gut qualifizierten Arbeitslosen in die Schweiz vermitteln. Seit am 1. Juni 2004 die erste Stufe der Personenfreizügigkeit in Kraft getreten ist, hat die Einwanderung aus der EU um 15 % zugenommen - quer durch alle Branchen, Berufe und Regionen.
Jetzt soll der freie Personenverkehr auf die neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa ausgedehnt werden. Das macht immer mehr Einheimischen Angst: Die Löhne sinken, im Volk wächst die Skepsis, in der Politik die Nervosität. Gegen den Einwanderungsdruck aus der Dritten Welt behilft sich der Bund mit einer Verschärfung der Lebensbedingungen der Flüchtlinge und streicht die Sozialhilfe für abgewiesene Asylbewerber. Dies hatten die SD schon vor Jahren gefordert.
Gegen den Lohndruck durch Arbeitskräfte aus der EU protestieren nun auch die Gewerkschaften, indem sie sich für flankierende Massnahmen zur Absicherung des Lohnniveaus einsetzen.
Der Fernsehsender TeleOstschweiz hat einen Gewerkschaftssekretär auf Baustellen im Rheintal begleitet. Der Kontrolleur hat die Arbeiter der meist aus Österreich oder Deutschland stammenden Baufirmen nach ihren Stundenlöhnen gefragt. Diese haben ihm einen x -beliebigen Stundenlohn angegeben. Ob dieser den Tatsachen entspricht, ist nicht geprüft worden. Die Arbeiter aus dem Ausland werden von ihren Bossen angewiesen, zum Beispiel einen Stundenlohn von CHF 25 anzugeben - obwohl sie nur CHF 18 oder weniger verdienen. Die so genannten flankierenden Massnahmen werden also nicht greifen, weil sie nicht überprüfbar sind. Man müsste die Buchhaltung der Firmen in Deutschland, Polen, Estland oder Malta kontrollieren können, was jedoch völlig unrealistisch ist.
Auch die bis anhin gut geschützten Branchen werden unter Druck geraten: Banken, Versicherungen, Ärzte, Lehrer etc. Mit einem massiven Lohndruck rechnen verschiedene Schweizer Institute, vor allem in den Tieflohnbranchen, aber auch im Bau, im Gastgewerbe oder in der Pflege. Weit verbreitet und am Angstbaromter des Meinungsforschungsinistituts GfS abzulesen ist die Sorge um den Job, die 67 % der Schweizer teilen. 36 % haben Angst vor Flüchtlingen, 18 % vor Ausländern. Die Sorge vor der Überfremdung erlebt eine Renaissance.
Es geht um Lohn, Arbeit und Schutz vor ausländischer Konkurrenz. Viele Firmen entlassen ältere Arbeiter und stellen junge EU-Bürger ein. Bezahlen können dann die Gemeinden, denen neue Sozialfälle entstehen. Die Antwort heisst daher: mehr Kontrollen und striktere Mindestanforderungen auf dem Werkplatz Schweiz sowie harte Bestrafung für Firmen, die sich nicht an die Regeln halten!

Die Interpellationsantwort kommt für Rudolf Keller etwas zu geschliffen daher. Im Herbst 2004 war den Medien zu entnehmen, dass es innert eines halben Jahres wegen der Personenfreizügigkeit und des freien Warenverkehrs zu ungezählten Missbräuchen durch Personen und Firmen aus den alten EU-Ländern gekommen sei: EU-Ausländer haben zu Minimalstlöhnen in der Schweiz gearbeitet, und sie tun dies - aufgrund zahlreicher Ruedi Keller vorliegender Hinweise - immer noch. Überall im Land arbeiten auch so genannt selbständig erwerbende EU-Ausländer, wovon viele illegal arbeiten. Es werden immer mehr.
Ausländische Firmen aus der EU offerieren zu Minimalstpreisen, so dass die hiesigen Gewerbetreibenden nicht mehr mithalten können. Jeder Schweizer Gewerbetreibender, der jetzt der Osterweiterung zustimmt, schaufelt sich sein eigenes Grab. Denn wenn er dieser Konkurrenz ausgesetzt ist, wird es schwierig werden, mit den Tiefstpreisen mitzuhalten. Das geht nur mit Sparen, was bedeutet, dass erstens Arbeiten schneller und damit schludriger ausgeführt werden, dass zweitens noch billigere und damit schlechtere Materialien eingesetzt würden, um den Kostendruck aufzufangen, und dass drittens die einheimischen Gewerbetreibenden die Löhne senken müssten, weil ihnen wegen der EU-Konkurrenz das Wasser bis zum Halse steht.
Dass es diese Missbrauchsfälle seit dem Zustandekommen des Referendums gegen die Ost-EU-Personenfreizügigkeit offenbar plötzlich nicht mehr gibt, haben die SD zur Kenntnis genommen. Es ist ganz klar: Missbräuche gibt es immer noch in Hülle und Fülle, aber niemand will darüber sprechen, weil man Angst hat vor der eidgenössischen Volksabstimmung. Diesen Abstimmungskampf um die Beibehaltung unseres Lohnniveaus und um die lückenhaften Kontrollen werden die Schweizer Demokraten aber führen, und zwar mit aller Konsequenz.
Die Gewerkschaften lassen sich leider über den Tisch ziehen. Am 3. Dezember 2004 haben sie eine sehr lange Liste von Missbräuchen veröffentlicht - auch solche aus dem Baselbiet -, die belegt, dass seit Juni 2004, also seit dem Inkrafttreten des freien Personenverkehrs mit den alten EU-Ländern, solche Missbrauchsfälle massenhaft vorkommen. Was lernt man aus dieser gewerkschaftlichen Auflistung? Wird der Ausweitung des freien Personenverkehrs auf die neuen EU-Länder auch noch zugestimmt, werden die Missbräuche noch stärker zunehmen - genau wie jetzt in Deutschland.
Mit dieser Politik werden die eigenen Arbeitsplätze in der Schweiz gefährdet, weil damit zu rechnen ist, dass der hiesige Arbeitsmarkt schlicht und einfach überrannt wird. Das passiert aktuell in Deutschland, und deswegen läuten dort alle Alarmglocken. Lohndumping macht immer mehr Deutsche arbeitslos. Immer mehr Leute aus den EU-Ost-Staaten drängen nach Deutschland. Vor zwei Wochen hat deswegen die rot-grüne Regierung in Brüssel Alarm geschlagen. Seit Mai 2004 haben dank dieser Entwicklung nachweislich bereits 26'000 Deutsche ihre Arbeitsplätze an die neue Konkurrenz aus den EU-Ost-Ländern verloren. Fast alle dieser Leute sind illegal ins Land gekommen. Deutschland ist nicht mehr in der Lage, die nötigen Kontrollen durchzuführen; und auch die Schweiz wäre dazu nicht in der Lage - selbst wenn die Regierung etwas anderes behauptet.
Die Massnahmen der Kantone werden nicht greifen, und der Druck wird weiter zunehmen. So viel kontrollieren, wie man müsste, kann man gar nicht. Für die Einheimischen, aber auch für alle schon länger in der Schweiz wohnhaften Ausländer wird sich in den nächsten Monaten und Jahren deshalb die soziale Frage immer stärker stellen. Wenn die Behörden die Bewilligungs- und Meldeverfahren nicht mehr im Griff haben - wovon auszugehen ist -, werden der Mittelstand und die Kleinbetriebe aller Branchen einerseits durch den verschärften Preis- und Kostendruck und andererseits durch das auf EU-Niveau steigende Staatsdefizit wirtschaftlich geschwächt. Damit kämen die Löhne ins Wanken, Lohndruck und -abbau wären die Folge - dies zur Warnung an Gewerkschafter, Grüne und Sozialdemokraten!
Die Schwarzarbeit, die schon bisher weit verbreitet gewesen ist, wird auch im Baselbiet weiter zunehmen. Freuen über diese Entwicklung würden sich nur einige wenige Profiteure. Daher ist Ruedi Keller gar nicht befriedigt von der Antwort auf Urs Hammels Interpellation.

Thomas de Courten meint, nach dieser Tirade müsse er mitteilen, dass die SVP-Fraktion mit der Beantwortung der Interpellation zufrieden sei. Die Antwort zeigt klar auf, dass der Kanton Baselland in der Umsetzung des eidgenössischen Entsendegesetzes seine Hausaufgaben gemacht hat und weiterhin machen wird. Denn die Kontrollen finden tatsächlich statt.
Der Kanton Basel-Landschaft beweist heute - was sich nicht von allen Kantonen sagen lässt -, dass solche Kontrollen möglich sind und Wirkung zeigen und dass sie in guter Zusammenarbeit zwischen dem Kiga und den Sozialpartnern durchgeführt werden können. Denn diese sind für die Durchsetzung der Gesamtarbeitsverträge zuständig und mit ihren Kontrollorganen auf den Baustellen präsent. Wer die Gesetze nicht einhält, wird auch bestraft, was wiederum dem Schutz des einheimischen Gewerbes dient.

Das Problem der Personenfreizügigkeit sei nicht die Zuwanderung, betont Daniel Münger . Denn diese findet in einem sehr bescheidenen Rahmen statt, und sie wird auch mit der Osterweiterung nicht dramatisch zunehmen. Das Problem ist die Ortsüblichkeit. Diese ist in den flankierenden Massnahmen vorgeschrieben, und trotzdem wird sie des öfteren unterlaufen.
Im Baselbiet gibt es Kontrollinstrumente, mit welchen die Ortsüblichkeit festgestellt und ihre Einhaltung kontrolliert wird. Der heutige Stand ist noch nicht genügend; das ist allen involvierten Stellen klar. Aber immerhin ist der Kanton jetzt - nach anfänglichen Schwierigkeiten und mehrmaligem Nachfragen - so weit, dass er nicht mehr am Schluss der Tabelle rangiert.
Das zweite grosse Problem nach dem Einhalten der Ortsüblichkeit ist die Gesetzgebung. Diese sieht zwar Strafen vor, aber noch immer gelten Lohndumping und Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt. Wenn jemand einmal erwischt wird, wird ihm keine Strafe auferlegt, die ihn davon abhält, wieder gegen die Vorschriften zu verstossen. Das muss angepackt werden.
Ein weiteres Problem ist die Scheinselbständigkeit. Diese wird aber relativ schnell und gut in den Griff zu bekommen sein.
Das Problem ist also nicht die Zuwanderung. Sondern wenn der Ortsüblichkeit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zum Durchbruch verholfen wird, wird der freie Personenverkehr keine weiteren Probleme verursachen.

Patrick Schäfli fühlt sich von Ruedi Keller herausgefordert, sich ebenfalls zu äussern. Die FDP-Fraktion ist der Regierung dankbar für ihre ausführliche Antwort. Sie ist erfreut zu hören, dass der Kanton Basel-Landschaft bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Lohndumpings eigentliche Pionierarbeit leiste. Insbesondere ist die für die Kontrollen im Bauausbaugewerbe zuständige Zentrale Paritätische Kontrollstelle, die bei der Wirtschaftskammer Baselland angesiedelt ist, dafür verantwortlich, dass eine sehr gute und effiziente Arbeit geleistet wird. Das zeigt, dass gerade in diesem Bereich mit Leistungsaufträgen an sozialpartnerschaftliche Organisationen mehr erreicht werden kann als mit staatlichen Kontrollstellen. Dieses Modell ist auch anderen Kantonen, die teilweise noch beträchtlichen Nachholbedarf haben, zu empfehlen.

Regierungsrat Erich Straumann ist der Meinung, die Zentrale Paritätische Kontrollstelle sei rechtzeitig mit den Sozialpartnern zusammen eingerichtet worden.
Wenn der Bedarf nach weiteren Kontrollen besteht, wird die Kontrolltätigkeit ausgeweitet.
An Ruedi Keller ergeht der Aufruf, Meldungen über Missbräuche dem Kiga zu melden, damit diesen Hinweisen nachgegangen werden kann.

://: Damit ist die Interpellation 2004/291 erledigt.

Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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