Protokoll der Landratssitzung vom 10. März 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 10. März 2005 |
Nr. 1128
25 2004/310
Motion der SVP-Fraktion vom 8. Dezember 2004: Ausbildungsdarlehen statt Stipendien
Regierungsrat
Urs Wüthrich
beschränkt sich auf die Begründung, weshalb die Regierung den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen bereit ist. Er behält sich vor, die etwas ausführlichere ablehnende Haltung zu einer Motion nachzureichen, falls die SVP-Fraktion an einer solchen festhalten sollte.
Neulich hat ein Mitglied des Universitätsrats Zürich und Vizepräsident der
Credit Suisse
vorgeschlagen, die Studiengebühren zugunsten des Ausbau des Lehrangebots an den Hochschulen massiv auf CHF 5'000 zu erhöhen. In diesem Zusammenhang müsste der Bereich der Ausbildungsdarlehen natürlich stark ausgedehnt werden, und es bräuchte neue, zeitgemässe Rückerstattungsmodelle, so dass der Rückerstattungsaufwand in einem vernünftigen Bereich bliebe und trotzdem den unterschiedlichen sozialen Situationen der Studierenden Rechnungen getragen werden könnte.
Im Rahmen solcher Diskussionen ist die Regierung gerne bereit, das Postulat entgegenzunehmen und die aufgeworfene Frage zu prüfen. Gegen eine Motion spricht sich der Regierungsrat aus, weil er mit einem konsequenten Systemwechsel, wie er gefordert wird, nicht einverstanden ist.
Die SVP-Fraktion habe sich, wie
Dieter Völlmin
versichert, schon überlegt, weshalb sie eine Motion und kein Postulat eingereicht habe. Denn sie will einen Systemwechsel. Und auch das vom Regierungsvertreter Gesagte spricht für einen solchen Wechsel.
Das Ziel von Ausbildungsbeiträgen ist es, im Sinne der Chancengleichheit jungen Menschen, wenn diese nicht über genügend Mittel verfügen, dabei zu helfen, dass sie eine angemessene Ausbildung absolvieren können: Niemand soll wegen seiner Abstammung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse von einer Ausbildung abgehalten werden. Zu diesem Ziel steht die SVP-Fraktion zu hundert Prozent.
Die BKSD hat verdankenswerterweise genaue Zahlen zur Verfügung gestellt: Jährlich werden zwischen CHF 11 und 12 Mio. Stipendien bezahlt, aber nur ca. CHF 750'000 Studiendarlehen. Das ist nichts anderes als eine Verschwendung von Ressourcen. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat Beiträge ausschüttet, die weit über das Ziel - nämlich die Ermöglichung der Ausbildung - hinaus schiessen. Das Geld wird nur vorübergehend benötigt, aber dauerhaft abgegeben.
Wenn das Ziel erreicht, also das Studium abgeschlossen wird, braucht man im Normalfall eben keine staatliche Unterstützung mehr. Und dank der erhaltenen Beiträge ist die betroffene Person dann in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Es gibt kein Argument, weshalb solche Unterstützungsbeiträge, falls wirtschaftlich möglich, nicht zurückbezahlt werden sollten. Es kann nicht Aufgabe des Sozialstaates sein, Beiträge endgültig zu bezahlen, die eigentlich nur vorübergehend benötigt werden - das hat zwar Tradition, ist aber deswegen noch nicht vernünftig.
Im Gesetz heisst es, Rückzahlungen seien erwünscht. Das bleibt aber ein frommer Wunsch, wie die Zahlen belegen: Im Jahr 2003 haben drei Personen insgesamt CHF 4'075 zurückbezahlt, was 0,03 Prozent der ausbezahlten CHF 11 Mio. Stipendien entspricht. 2002 war kein repräsentatives Jahr, weil eine grosse Zahlung einging. Trotzdem sind auch dann nur gerade CHF 36'000 zurückbezahlt worden. Diese Werte zeigen, dass das heutige System schlicht falsch und tatsächlich eine Verschwendung ist.
Wenn die Ausbildung läuft wie erwünscht und das Ziel erreicht wird, sollte man von einem Zehnjahreszyklus dieser Beiträge ausgehen können: erst werden sie während fünf Jahren für das Studium gebraucht und dann während weiterer fünf Jahre zurückbezahlt. Mit diesen zurück fliessenden Geldern kann dann bereits wieder die nächste Generation von Studierenden unterstützt werden, und es braucht keine neuen Mittel mehr. Das wäre eine klassische
Win-win-Situation
für die Gesellschaft, für die direkt Betroffenen und für den Staat. Während rund zehn Jahren braucht der Kanton also rund CHF 15 Mio. jährlich, und dann läuft der Kreislauf - es braucht kein neues Geld mehr. Danach liessen sich jährlich zweistellige Millionenbeträge einsparen. Heute jedoch leistet sich der Kanton eine Verschwendung von rund CHF 12 Mio. jährlich.
Härtefälle gibt es. Diese können selbstverständlich mit angemessenen Rückzahlungsbedingungen aufgefangen werden. Unter bestimmten Umständen kann auch auf eine Rückzahlung verzichtet werden.
Dieter Völlmin rät seinen Ratskollegen zu einem Blick über die Grenzen: Die meisten Länder kennen gar keine nicht-rückzahlbaren Stipendien, sondern leisten nur Ausbildungsdarlehen.
Effizienz kann auch in der Sozialpolitik verlangt werden. Es besteht ein Sparpotenzial, und ein solcher Systemwechsel würde erst noch niemandem weh tun. Deshalb hält die SVP-Fraktion an ihrer Motion fest und bittet den Landrat, diese zu überweisen.
Dieter Völlmin gehe von zwei falschen Annahmen aus, erwidert Regierungsrat
Urs Wüthrich
, nämlich dass auch Leute Stipendien erhalten, die das gar nicht brauchen, und dass alle nach einem Studium hohe Einkommen erzielen und problemlos ihre Darlehen zurückzahlen könnten.
Immerhin besteht wohl mindestens der Konsens, der Kanton habe dafür zu sorgen, dass Menschen, die die Voraussetzungen erfüllen und motiviert sind, auch dann ein Studium sollen absolvieren können, wenn ihre Eltern es nicht finanzieren können.
Mit einem totalen Systemwechsel würde das Baselbiet schweizweit zu einem Sonderfall und widerspräche damit dem Anliegen der interkantonalen Harmonisierung.
Das heutige System mit den zwei Schienen Stipendien und Ausbildungsdarlehen funktioniert gut und hat sich bewährt. Die Zielsetzung, das Potenzial im Bildungskapital auszuschöpfen und die Chancengleichheit zu wahren, wird damit erfüllt. Leute, die Stipendien bekommen, stammen meist aus eher bildungsfernen Schichten, und ihnen von Anfang an Darlehen aufzubürden, wäre nicht richtig.
Es ist gut, dass Dieter Völlmin den Blick ins Ausland gerichtet hat; nur ist dieser Blick etwas oberflächlich geblieben. Denn wohl gibt es etwa in Skandinavien nur Ausbildungsdarlehen, aber diese werden an 70 bis 80 Prozent aller Studierenden ausgerichtet; in der Schweiz nehmen nur rund elf Prozent der Studierenden solche Unterstützungsmassnahmen in Anspruch. In vielen Ländern geht der Trend nun eher in Richtung des Schweizer Systems, und es wirkt vermehrt abgerückt vom System der Darlehen, für die es einen grossen administrativen Aufwand braucht. Zudem ist der Rückfluss meist unbefriedigend.
Es ist erstaunlich, von der SVP zu hören, dass sie sich sorge, reiche Leute kämen zu gut weg. Von ihr ist man sonst eine andere Argumentation gewohnt, nämlich dass Leute, die hohe Steuern zahlen und teils mit freiwilligen Zuwendungen Beiträge leisten an Forschung und Lehre, Arbeitsplätze schaffen und somit Steuergelder generieren, welche es dem Kanton wiederum ermöglichen, in die Bildung junger Menschen zu investieren, die später dazu beitragen, solche Stipendien zu ermöglichen.
Die Regierung bittet den Landrat, die Motion abzulehnen.
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Ordnungsantrag
Ruedi Brassel
findet, dieses wichtige Geschäft verdiene eine ausgiebige Diskussion. Die Meinungsbildung solle nicht unter einem massiven Zeitdruck stattfinden. Deswegen beantragt er, die Beratungen zu unterbrechen und an der nächsten Sitzung weiter zu führen.
://: Der Ordnungsantrag wird angenommen, die Beratung somit unterbrochen.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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