Protokoll der Landratssitzung vom 23. Februar 2006
Protokoll der Landratssitzung vom 23. Februar 2006 |
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2005-243
vom 13. September 2005
Vorlage:
Zur Motion
2002-281
von
Fredy Gerber
vom 14. November 2002 betreffend Konzept zur Einführung von Schnellrichterinnen und Schnellrichtern gegen die Massenkriminalität, insbesondere gegen den Drogenhandel
- Bericht der Kommission vom:
5. Dezember 2005
- Beschluss des Landrats: < beschlossen >
Nr. 1673
Kommissionspräsidentin Regula Meschberger führt aus, seit Einreichen der Motion von Fredy Gerber am 14. November 2002 habe sich einiges getan. Mit dem sogenannten Strafbefehlsverfahren kennt der Kanton ein straffes und schnelles Verfahren, bei dem Untersuchung, Anklage und Urteil in der Hand des Statthalteramtes zusammengefasst sind. Bei kleineren Delikten und gleichzeitig klarer Beweislage wird der Täterin oder dem Täter ein sogenannter Erledigungsvorschlag in Form eines Strafbefehls vorgelegt. Verzichtet die Täterschaft auf eine Einsprache, so wird der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil. Erhebt die Täterschaft Einspruch, so startet das übliche, länger dauernde Verfahren.
Motionär Fredy Gerber anerkannte anlässlich der Anhörung die Effizienz des Strafbefehlsverfahrens, betonte aber auch, es nütze eben wenig bei Drogendealern, weil diese die "Kügelchen" ganz einfach schlucken und damit versuchen, die Beweise zu vernichten. Die Kommission war sich einig, dass die Beweissicherung zur Aufgabe der Polizei gehört, das Problem folglich auf der operativen Ebene und nicht über gesetzliche Grundlagen gelöst werden muss. Die Baselbieter Polizei ist sich dieser Problematik bewusst und erarbeitet verschiedene Startegien.
Die Justiz- und Polizeikommission schliesst aus der Diskussion, dass eine Gesetzesänderung nicht nötig ist, weil mit dem Strafbefehlsverfahren ein effizientes, schnelles Verfahren zur Verfügung steht.
Die Kommission beantragt, die Motion abzuschreiben.
Zur formalen Diskussion im Zusammenhang mit der Motion verweist Regula Meschberger auf den Kommisisionsbericht.
Annemarie Marbet spricht die formalen und die inhaltlichen Aspekte der Motion an.
Zum Inhaltlichen: Mit einem Schnellrichter möchte man in möglichst kurzer Zeit zu einem rechtskräftigen Urteil gelangen. Die SP weist klar und deutlich darauf hin, dass die unabdingbaren Voraussetzungen und Rechtsgrundlagen eingehalten werden müssen. Es müssen also genügend Beweise in ausreichender Qualität sowie Verfahren und Strukturen zur Beweiswürdigung und zur Umsetzung in einem Strafurteil vorhanden sein. Schliesslich müssen auch die Rechtsmittel stets gewährleistet sein. Im Bericht kann nachgelesen werden, dass im Kanton Basel-Landschaft bereits heute sehr schnell gearbeitet wird. Wird jemand in flagranti erwischt und liegen klare Beweise, allenfalls gar ein Geständnis vor, vergehen bis zum Urteilsspruch nur fünf Tage. Liegen keine Beweise vor, wird kein Geständnis abgegeben, wird eingesprochen, appelliert und Fristverlängerung gefordert, so dauert ein Verfahren natürlich länger. Immerhin, die Instrumente sind vorhanden, sie werden angewendet und der Vollzug wird so kostengünstig wie möglich gehalten. Die Motion kann folglich abgeschrieben werden.
Zum Formalen: Bereits im Jahre 2003, als die Motion überwiesen wurde, plädierte der damalige Justizdirektor, Andreas Koellreuter, für ein Postulat. Dazu folgender Protokollauszug:
Ich finde es interessant, dass erst Wenige realisiert haben, dass in unserem Kanton bereits seit drei Jahren die gesetzliche Grundlage für ein Schnellrichterverfahren besteht.
......Hingegen erübrige sich die Motion, da man nicht etwas ins Gesetz aufnehmen könne, was schon darin steht.
Der Regierungsrat erklärte sich damals bereit, den Vorstoss als Postulat zu übernehmen und über die Resultate zu berichten. Motionär und damaliger Landrat aber beharrten auf der Motion, weil ein solches Begehren populär, ja populistisch war und ist. Allerdings hat auch alt Landrat Dieter Voellmin in der Justizkommission die Ungereimtheit festgestellt und eindeutig für ein Postulat plädiert, da es im Begehren weder um eine Gesetzesänderung noch um eine Gesetzesergänzung gehe. Stützen kann man sich einzig auf § 34 des Landratsgesetzes, wo Absatz 1 lit. d sagt:
Die Regierung kann einen Bericht vorlegen.
Die SP, welche für Abschreiben der Motion votiert, weist darauf hin, dass die Instrumente Motion und Postulat nicht unterhöhlt werden dürfen. Ein Postulat erfordert Prüfen und Berichten, eine Motion aber eine Gesetzesänderung.
Fredy Gerber dankt dem Regierungsrat für den Bericht und stellt fest, dass sich die Regierung für diesen Bericht reichlich Zeit genommen hat. Leider muss Fredy Gerber auch die Feststellung machen, dass die gesetzlichen Bestimmungen nicht, wie gefordert, angepasst wurden, sondern bloss ein Bericht geschrieben wurde.
Explizit der Drogenhandel, der unsere Jugend nach wie vor bedroht, darf nicht verharmlost werden. Erreichen wir eine wirksame Bekämpfung des Drogendealens in unserer Region, indem die Region dafür unattraktiver wird, so kann gleichzeitig ein weiteres Problem gelöst werden. Erwiesenermassen ist ja ein grosser Anteil der Asylbewerber in diesem Geschäft tätig. Wird der Drogenhandel bekämpft, das Dealen damit unattraktiver, so werden sich im Kanton Basel-Landschaft auch weniger unechte Asylbewerber aufhalten.
Das neue Strafbefehlsverfahren hat sich in diesem Punkt bewährt, allerdings nur bei den geständigen Delinquenten. Nicht kooperative Dealer schlüpfen leider noch immer allzu oft durch die Maschen des Gesetzes. So hält auch der Kommissionsbericht fest:
Schwieriger wird es, wenn die betroffene Person nicht kooperativ ist und kein Einspracheverzicht erfolgt.
Fredy Gerber erwartet vom Regierungsrat für diese spezielle Situation einen entsprechenden Lösungsvorschlag, wie bereits mit der Motion schon verlangt. Die Motion soll deshalb noch nicht abgeschrieben werden, ein Anliegen, das die SVP-Fraktion grossmehrheitlich unterstützt.
Daniele Ceccarelli pflichtet namens der FDP-Fraktion den Argumenten Annemarie Marbet s bei und konzentriert sich auf das Formale: In der Tat kann der Landrat mit der Motion gemäss § 34 lit. d. den Regierungsrat beauftragen, einen Bericht vorzulegen. Leider schulmeistern die Regierungsräte ("Luscheibe") den Landrat gerne, wenn es darum geht zu bestimmen, was denn nun eine Motion und was ein Postulat ist.
Trotzdem: Am 23. März 2003 meinte Fredy Gerber in der Landratssitzung:
Fredy Gerber hält auf jeden Fall an der Motion fest. Die Idee von Paul Schär habe ihm eingeleuchtet, er möchte den Regierungsrat auffordern, einen entsprechenden Bericht zu erstellen.
Fredy Gerber hat also einen Bericht angefordert und in der Folge einen Bericht erhalten. Where's the problem?
Matthias Zoller schliesst aus der Verwunderung von alt Regierungsrat Koellreuter über die Unkenntnis des Strafbefehlsverfahrens, dass sich dieses Verfahren in der Praxis wohl nicht so schnell durchgesetzt hat. Rückblickend war es sicherlich nicht falsch, die Motion zu unterstützen, und schön ist es, wenn nun festgestellt werden kann, dass sich keine Änderung aufdrängt.
Kaspar Birkhäuser weist darauf hin, dass der Vorstoss die Einführung von Schnellrichterinnen und Schnellrichtern gegen die Massenkriminalität, insbesondere gegen den Drogenhandel fordert. Das tönt gut und weckt hohe Erwartungen.
Zum Zeitpunkt, da die Motion formuliert wurde, war sie in ihrer Zielsetzung teilweise berechtigt und nachvollziehbar. Die regierungsrätliche Vorlage zeigt nun einerseits, dass mit dem Strafbefehlsverfahren, das seit dem Jahre 2000 in Kraft ist, die Hauptforderung der Motion, nämlich schnell zu richten und den Strafvollzug einzuleiten, weitgehend erfüllt ist. Andererseits macht die Vorlage auch klar, dass ein zentrales Problem bei der Sachverhaltsermittlung und der Rechtskraft liegt. Leider kann die Kooperation der Täterschaft weder mit gesetzgeberischen noch mit organisatorischen Massnahmen erzwungen werden. Deshalb stösst die Motion ins Leere.
Nach Meinung der Grünen Fraktion besteht keine Notwendigkeit, mit gesetzgeberischen Bestimmungen ein neues Schnellrichterverfahren einzuleiten. Die Motion kann abgeschrieben werden.
Bruno Steiger findet, wer die unlängst revidierte Strafprozessordnung studiere, stelle unschwer fest, dass die Tendenz mit Möglichkeiten wie etwa Anwalt der ersten Stunde in Richtung Täterschutz zielt. Bruno Steiger hatte ja mit seiner Motion selbigen Inhalts keine Chance, wohl weil sie nicht aus der richtigen Küche stammte.
Im Kanton Zürich hat sich das Schnellrichterverfahren in Sachen Massen- und Kleinkriminalität, auch im Drogenbereich nota bene, gut bewährt. Die Justizbehörde des Kantons Basel-Landschaft aber beharrt auf ihrer geregelten, gewohnten Strafverfolgung. Diese Baselbieter Behörde will ganz einfach nichts Neues einführen. Damit sich aber etwas ändert, wurde der Vorstoss seinerzeit als Motion überwiesen. Gefordert ist also eine Gesetzesänderung inklusive Schnellrichterverfahren. Die Forderung nun einfach beiseite zu schieben, indem der Vorstoss abgeschrieben wird, ist nicht in Ordnung.
Die Schweizer Demokraten unterstützen den Antrag Fredy Gerbers, die Motion stehen zu lassen.
RR Sabine Pegoraro und mit ihr sämtliche Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Landschaft unterstützen selbstverständlich das Anliegen Fredy Gerber s, Drogendealer so schnell und so effizient wie möglich zu verurteilen. Niemand ist an einem langwierigen, komplizierten Verfahren interessiert.
Das in Kraft stehende, erweiterte Strafbefehlsverfahren des Kantons Basel-Landschaft kommt dem Wunsch des Motionärs weitgehend entgegen. Dank dieses Instrumentes konnten in den vergangenen Jahren erfreulicherweise immer mehr Fälle schnellrichterlich erledigt werden.
Die Lösung des Kantons Basel-Landschaft ist zudem effizienter und umfassender als jene des Kantons Basel-Stadt. Und: Gewisse verfahrensrechtliche Grundpfeiler dürfen nicht einfach umgangen werden. Niemand darf ohne ausreichende Beweise verurteilt werden. Richtig ist, dass die Behörde ein Problem hat, wenn "Kügelidealer" vor der Verhaftung das Beweismaterial wegwerfen oder schlucken. Dieses Problem schafft aber kein Gesetz aus dem Weg, hier ist vielmehr eine angepasste Polizeitaktik gefragt. Ein weiteres Merkmal eines Rechtsstaates ist es, dass gegen jedes Urteil appelliert werden darf.
Immerhin versuchen die Behörden, mittels guter Polizeiarbeit, Beweise zu sammeln, damit Verurteilungen möglich sind und die Aussichten auf Erfolg bei einem Rechtsmittelverfahren derart gering sind, dass davon Abstand genommen wird.
Zum Formalen: Tatsächlich belegen die Protokolle aus der Zeit von alt Regierungsrat Andreas Koellreuter, dass man sich seinerzeit einigte, die Motion sei als Motion zu überweisen und es sei ein Bericht vorzulegen. Dies hat die Justizdirektion nun gemacht.
Die Motion soll abgeschrieben werden.
://: Der Landrat verzichtet mit 59 zu 19 Stimmen auf die gesetzliche Einführung eines Schnellrichterverfahrens und schreibt die Motion von Fredy Gerber ab.
Für das Protokoll:
Urs Troxler, Landeskanzlei
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