Protokoll der Landratssitzung vom 21. April 2005

Nr. 1179

10 2004/313
Motion von Margrit Blatter vom 8. Dezember 2004: für eine Standesinitiative: Ehescheidung - gemeinsames Sorgerecht der Eltern

Namens des Regierungsrates empfiehlt RR Sabine Pegoraro die Ablehnung der Standesinitiative mit der Begründung, das Thema ist für Baselland zu wenig wichtig und weltbewegend, als dass dafür eine Standesinitiative eingereicht werden muss.
Materiell weist sie darauf hin, dass die Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts mit dem aktuellen Scheidungsrecht bereits gegeben ist, unter der Voraussetzung dass ein gemeinsamer Antrag beider Elternteile erfolgt.
Bringen die Eltern es nicht fertig, gemeinsam ein Sorgerecht einzureichen, können sie sich auch in anderen Bereichen nicht einigen und insofern ist das gemeinsame Sorgerecht Illusion.

Margrit Blatter dankt der Regierung für die Prüfung der Motion und bittet sie, diese entgegen zu nehmen, denn sie kämpfe für die Gleichberechtigung.
Das Männerbüro habe sie ebenfalls gebeten, etwas zu unternehmen.
Aus einem Bericht eines Direktors des Instituts für Geschlechterforschung der Uni Bremen zitiert sie: "Es geht nicht um Opfer und Täter sondern um einen gesellschaftspolitischen Wandel der Scheidungspraxis. Mitleid hilft niemandem weiter.
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass gebildete Männer mit hohem Einkommen grosszügigere Besuchsregelungen erhalten, als solche mit niedrigem Bildungsniveau und kleinem Gehalt. Der Kontakt zu den Kindern läuft bei den Frauen oftmals übers Geld. Es stellt sich die Frage, ob die Männer dem Ruf nach neuer Väterlichkeit nur nachkommen dürfen, wenn sie die Erwartungen ihrer Ex-Partnerin nach finanzieller Absicherung erfüllen.
Politisch müsste eine Pflichtberatung für Scheidungswillige durchgesetzt werden, denn die meisten Paare sind sich nicht bewusst, dass jede Scheidung mit einem sozialen Abstieg verbunden ist. Wenn das Geld knapp wird beginnt der Streit und dann setzt vielfach jene Dynamik ein, die in der Verweigerung des Besuchsrechts gipfelt.
Auch Richterinnen und Richter müssen noch umlernen, sollen die Belastungen für die Kinder einigermassen erträglich sein."
Die ökonomische Gleichstellung von Mann und Frau würde die Frauen von den finanziellen Forderungen stark entlasten und räumt den Männern gleichzeitig die Möglichkeit alternativer Lebensformen ein. Männer benötigen dringend eine reale und finanzierbare Wahlmöglichkeit, damit sie sich vermehrt an Erziehung und Familienarbeit beteiligen können.
Margrit Blatter bittet deshalb um die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts. Viele Konflikte entstehen durch die nacheheliche Kinderbetreuung. In der Schweiz ist das gemeinsame Sorgerecht leider nur auf gemeinsames Begehren hin möglich und kommt bei schwierigen Trennungen nicht zum Tragen.
Sie bitte die Regierung sowohl höflich wie dringend, die Motion entgegen zu nehmen.

Elisabeth Schneider stellt fest, auch in der CVP-Fraktion hat das Thema hohe Wellen geworfen. Aus diesem Grund vertrete sie nur die Hälfte der Fraktion.
Irrtum vorbehalten wurden im Baselbiet die ersten Scheidungsurteile mit Inkrafttreten der elterlichen Gewalt vollzogen. Ein fortschirittlicher Oberbaselbieter-Gerichtspräsident hat das gemeinsame Sorgerecht lange vor dem Bundesgesetz verfügt. Dies hatte zur Folge, dass sich Paare aus der ganzen Schweiz im Baselbiet scheiden liessen.
Insofern übernahm der Kanton Baselland, was das gemeinsame Sorgerecht anbelangt, eine Vorreiterrolle.
Mit der vorgeschlagenen Standesinitiative würde Baselland erneut vorpreschen, denn die beste Lösung wäre, die Eltern könnten sich die Verantwortung für ihre Kinder teilen. Viele Paare wären dazu auch in der Lage.
Die Erfahrung hingegen zeigt, dass Ehepartner bei Scheidungen überfordert und bei getrennten Haushalten oft nicht in der Lage sind, die Obhut der Kinder gemeinsam wahr zu nehmen. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob die getroffene Regelung überhaupt dem Wunsch der Kinder entspricht.
Ein gemeinsames Sorgerecht bedeutet Einigkeit in wesentlichen Fragen. Voraussetzung dafür ist Vertrauen in die Fähigkeiten des Partners. In den meisten Fällen passieren die Ehescheidungen jedoch gerade auf einem gestörten Vertrauensverhältnis resp. der Uneinigkeit in wesentlichen Fragen. Ein gemeinsames Sorgerecht setzt einen kontinuierlichen Kontakt der beiden Partner, der über das übliche Besuchsrecht hinausgeht, voraus.
Bei einer Scheidung ist dieser Kontakt aber nicht mehr in jedem Fall gewollt. Deshalb hat der Gesetzgeber im Rahmen des neuen Scheidungsrechts daran festgehalten, dass die Zuteilung an einen Elternteil die Regel ist.
Ueberdies können die Partner, wünschen sie das gemeinsame Sorgerecht, gemeinsam einen entsprechenden Antrag stellen.
Die zuständigen Aemter prüfen die Voraussetzungen, wobei die Interessen der Kinder dabei immer im Vordergrund stehen.
Die Hälfte der CVP/EVP-Fraktion unterstützt die heutige Regelung und findet die Standesinitiative sei unnötig.

Simone Abt-Gassmann erklärt, dass die SP-Fraktion im Wesentlichen der Argumentation von RR Sabine Pegoraro und Elisabeth Schneider folgen kann. Persönlich möchte Simone Abt ihre Sympathie für das Anliegen und das Engagement von Margrit Blatter zum Ausdruck bringen. Leider sei die Realität aber so, dass die Kinder vorwiegend von einem Elternteil betreut würden. Aufgrund der herrschenden Gesellschaftsstruktur handle es sich dabei in der Regel um die Mutter; allerdings sei das nicht zwingend. Die Eltern haben die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Dies setze jedoch eine ausserordentlich hohe Sozialkompetenz voraus. Es setze voraus, dass man die persönlichen Interessen zurücksetze und das Kindeswohl in den Vordergrund stelle. Bei Scheidungen sei es aber leider sehr häufig so, dass das Kindeswohl von Dritten geklärt werden müsse. Ein Paar werde nicht zum Wohl des Kindes anständiger miteinander umgehen, nur weil das Gesetz als Regelfall das gemeinsame Sorgerecht festlege anstelle der Zuweisung des Sorgerechts an einen Elternteil und der Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts auf Antrag.
Die SP-Fraktion ist der Ansicht, dass man mit der heutigen Regelung leben kann. Damit das gemeinsame Sorgerecht wirklich und gut gelebt werden könnte, müsste sich die Gesellschaft wandeln.

Helen Wegmüller erinnert an die Aussage von RR Sabine Pegoraro, dass das gemeinsame Sorgerecht bereits nach heutigem Scheidungsrecht möglich ist. Wenn jedoch gestritten werde, gehe das nicht mehr gut. Deshalb hat die SVP-Fraktion ein gewisses Verständnis für das Anliegen. Bei der heutigen Gleichstellung von Frau und Mann könnte man zum gemeinsamen Sorgerecht grundsätzlich Ja sagen. Gleichwohl ist die SVP-Fraktion der Ansicht, dass es noch zahlreicher Abklärungen sowohl administrativer als auch rechtlicher Art bedarf. Zudem sollte das vom Bund aus gesamtschweizerisch geregelt werden. Der Vorstoss ist für die SVP-Fraktion auch kein A-Geschäft und sie sind der Auffassung, dass eine Standesinitiative nicht das richtige Instrument ist. Aus diesen Gründen stimmen sie dem Vorstoss nicht zu.

Matthias Zoller hält vorab fest, dass erstens für sie alle das Kindeswohl an erster Stelle stehen muss. Diesbezüglich bestehe auch eine Pflicht und Aufgabe der Richterinnen und Richter. Zweitens sei der Idealfall ein gemeinsames Sorgerecht. Allerdings handle es sich dabei nicht immer um den real eintretenden Fall. Ebenfalls allen klar sei, dass drittens das Sorgerecht immer auch eine Sorgepflicht ist, eine Sorgepflicht welche für beide Partner über die Scheidung hinaus anhält.
Ausgehend von diesen Prämissen ist Matthias Zoller überzeugt, dass der Staat das Idealziel fördern muss. Der Staat sollte das fördern, was er für richtig erachte und er sollte die Gesetze nicht auf die Probleme ausrichten, sondern Gesetze schaffen, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Es stelle sich nun die Frage, von welcher Seite man "das Pferd aufzäume". Soll das gemeinsame Sorgerecht beantragt werden müssen oder soll beantragt werden müssen, dass das alleinige Sorgerecht erteilt wird? Die CVP/EVP-Fraktion ist der Ansicht, dass das gefördert werden sollte, was förderungswürdig sei und das sei für sie im Grundsatz das gemeinsame Sorgerecht. Dies heisse nicht, dass ein Antrag auf ein alleiniges Sorgerecht nicht soll gestellt werden können.
Er spricht an, dass gross angelegte Studien in Deutschland zeigten, dass der Systemwechsel durchaus positive Auswirkungen hatte. Er ist sich bewusst, dass nicht 90 % oder 95 % dem Idealfall angehören würden. Aber das Sorgerecht sei nicht unbedingt mit der elterlichen Obhut gleichzusetzen. Es resultiere daher kein Hin-und-her-Geschiebe. Es sei wichtig, dass sie von Seiten Staat zeigen, welches der eigentlich gewünschte Weg wäre; dass sie versuchen, die gewünschte Lösung zum Normalfall zu erheben, im Bewusstsein, dass Ausnahmen möglich und manchmal auch richtig sind. Das Idealziel müsse voran gestellt werden. Deshalb unterstützt die CVP/EVP-Fraktion diese Motion.

Florence Brenzikofer führt aus, dass in denjenigen Ländern, in denen es die gemeinsame elterliche Sorge gibt, dieses Modell als positiv bewertet wird. In vielen Bereichen sei es auch geeigneter als die alleinige elterliche Sorge. Die bezüglich der Kinder nötige Kommunikation und Kooperation der Eltern werde positiv beeinflusst und der Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen werde gefördert, was auch dem Kindeswohl zugute komme. Gewisse Ansätze akzeptiert und unterstützt die Fraktion der Grünen. Bei der Diskussion in der Fraktion stellten sie fest, dass es zu diesem Thema oft auch eigene Geschichten gibt.
Auf Bundesebene hat Nationalrat Reto Wehrli vor einem Jahr ein Postulat zum Thema elterliche Sorge eingereicht. Der Bundesrat hat dieses bereits behandelt, der Nationalrat diskutiert den Vorstoss demnächst. Aus Sicht der Fraktion der Grünen braucht es deshalb keine Standesinitiative vom Kanton Basel-Landschaft. Sie lehnen die Motion ab.
Florence Brenzikofer spricht an, dass die Motion auf eine Förderung der gemeinsamen elterlichen Sorge beim nicht mehr verheirateten Paar zielt. Diese Förderung müsse aber schon viel früher ansetzen. Bei neun von zehn Paaren mit Kindern stehe der Mann im Erwerbsleben und verdiene das Geld. Da erstaune es kaum, dass bei einer Scheidung in neun von zehn Fällen der Mutter das Sorgerecht zugeteilt werde. In dieser Situation sei der Mann das Opfer tradierter Rollenbilder. Es sei ein Spiegel dessen, was die Gesellschaft heute lebe. Bevor man sich also mit skandinavischen Ländern oder Frankreich vergleiche, wo die gemeinsame elterliche Sorge zur Regel gehöre, müsse man dafür sorgen, dass im Erwerbselben noch ein paar Schritte Richtung Gleichstellung gemacht werden.

Rudolf Keller schätzt RR Sabine Pegoraro sehr. Er ist jedoch ob deren mageren Begründung zu diesem tiefgreifenden Thema etwas enttäuscht. Er traute seinen Augen nicht, als er las, dass die Regierung, welche sich sonst immer so fortschrittlich gebe und Wert auf Gleichberechtigung lege, diesen Vorstoss ablehnt. Die Motion sei sehr moderat abgefasst, weshalb man sie kaum aufgrund des Textes ablehnen könne. Die Ablehnung rühre hoffentlich nicht daher, dass die Motion aus der falschen Ecke komme.
Aufgrund von Fällen in seinem Bekanntenkreis weiss Rudolf Keller, dass es sich bei der Frage des gemeinsamen Sorgerechts nach der Scheidung um ein sehr tiefgreifendes gesellschaftliches Problem handelt, von dem sehr viele Eltern und Kinder betroffen sind. Wie einige VorrednerInnen bereits erwähnten, ist das gemeinsame Sorgerecht in vielen europäischen Ländern bereits der Normalfall und hat sich dort auch bewährt. Dies werde durch mehrere Studien belegt. Wieso also hinkt die Schweiz bei dieser Frage und somit auch beim Thema Gleichberechtigung hinten nach? Es sei egal, ob ein Mann ein Softie, ein Hausmann, ein Macho oder ein Mustervater sei - fast immer wenn eine Beziehung im Kampf auseinander gehe, ziehe der Mann bei der Frage der Kinderbetreuung "den Kürzeren". Laut Statistik sprechen die Gerichte bei einer Kampfscheidung das Sorgerecht in neun von zehn Fällen der Mutter zu. Rudolf Keller stellt die Frage in den Raum, ob das Gleichberechtigung ist.
Rechtlich gesehen präsentiere sich die Situation unglaublich. In den meisten Fällen wolle die Mutter das gemeinsame Sorgerecht nicht und nach der geltenden Rechtsprechung könne sie die Einwilligung zum gemeinsamen Sorgerecht ohne Angabe von Gründen tatsächlich verweigern. Dann habe der Mann keine Chance. Rudolf Keller zitiert aus der Dezemberausgabe 2004 der Zeitschrift Facts : "'In unserem Rechtsstaat', sagt der Zürcher Rechtsanwalt Rioult, 'kann es Menschen, vor allem Vätern, passieren, dass ihnen das gemeinsame Sorgerecht grundlos verweigert wird, dass ihnen die Kinder entzogen werden, die sie jahrelang miterzogen haben, und dass der Umgang mit ihnen systematisch vereitelt wird, ohne dass sie dagegen etwas unternehmen können.'" Weiter werde festgestellt, dass die helvetische Rechtsprechung in einer Ideologie von gestern verhaftet sei.
Rudolf Keller merkt an, natürlich gebe es Väter, welche ihre Pflicht lediglich mit einem monatlichen Check erfüllen - wenn überhaupt. Für diese Fälle sehe die Motion denn auch die Anwendung einer Ausnahmeregelung vor.
Er kann sich nicht vorstellen, dass dieser Vorstoss dem Kanton nicht gut ansteht. Es handle sich um einen fortschrittlichen Vorstoss, welcher die Gleichberechtigung anstrebe. Es sei wichtig, dass zu diesem Thema nun auf allen politischen Ebenen Druck gemacht werde; je mehr, desto besser. Das Scheidungsrecht müsse in diesem Punkt revidiert werden.
Er war Mitglied des Nationalrats, als die Revision des Scheidungsrechts diskutiert und beschlossen wurde. Damals sei erklärt worden, dass mit dem neuen Scheidungsrecht auch das gemeinsame Sorgerecht verwirklicht werden solle. Wenige Jahre später zeige sich nun, dass diese Aussagen und Wünsche, welche sogar der Bundesrat geäussert habe, absolut nicht verwirklicht und reine Makulatur seien, weil die Formulierungen nicht gut genug seien. Er appelliert an die Kolleginnen und Kollegen, der Motion im Interesse der betroffenen Kinder zuzustimmen. Diese Kinder hätten, wenn immer möglich, ein Anrecht auf Vater und Mutter.
Bei seinen Recherchen stiess Rudolf Keller auf den zuvor erwähnten Vorstoss von CVP-Nationalrat Reto Wehrli. Dieser Vorstoss wurde von 48 Parlamentsmitgliedern - u.a. Pascale Bruderer (SP), Toni Brunner (SVP), Jean-Michel Cina (CVP), Rosmarie Zapfel (CVP), Daniel Vischer (Grüne), Felix Gutzwiller (FDP), Josy Gyr (SP), Norbert Hochreutener (CVP) - unterzeichnet und der Bundesrat möchte das Postulat annehmen. Mit diesem Postulat werde im Prinzip dasselbe gefordert wie mit der Motion. Aus allen Parteien gebe es also auf Bundesebene für ein solches Anliegen massivste Unterstützung. Rudolf Keller staunt deshalb, dass im Kanton Baselland die Regierung und allenfalls auch Landrätinnen und Landräte erklären, es sei zwar ein Thema, aber eigentlich sei es nicht so wichtig und man lehne es ab. Das sei eine Desavouierung aller betroffenen Kinder und Eltern. Denjenigen Eltern, welche sich in einer Kampfscheidung befinden oder welche bezüglich der Frage des gemeinsamen Sorgerechts Probleme haben, müsste man helfen, indem die nötigen Rechtsgrundlagen geschaffen werden.
Es gehe um eine zentrale Frage des Kindesrechts, welche auch über die Zukunft der Gesellschaft mitentscheide. Er hofft auf die Unterstützung aller Landrätinnen und Landräte.

Werner Rufi-Märki erklärt, dass die FDP-Fraktion gegen Überweisung der Motion ist. Sie haben Verständnis für das Anliegen und es ist ihnen bewusst, dass es sich beim gemeinsamen Sorgerecht um ein wichtiges Institut handelt. Wie RR Sabine Pegoraro ausgeführt habe, sei es denn auch bereits umsetzbar.
Bei seiner Tätigkeit als Anwalt hat er mit dieser Frage zu tun. Letztendlich handle es sich um einen Dialog zwischen den Eltern. Diese müssten eine allfällige Lösung finden. Laut Motion solle das gemeinsame Sorgerecht zum Normalfall werden und es solle ein Ausnahmekatalog erstellt werden. Das würde sehr schwierig. Seines Erachtens sollte man das sich pragmatisch entwickeln lassen. Wie gehört, laufe auf Bundesebene etwas. Diesbezüglich unterstützt er die Ausführungen von Florence Brenzikofer. Sie sollten das nun beobachten und es sollte kein politischer Druck aufgesetzt werden. Denn letztendlich müssten die Betroffenen eine Lösung finden. Zudem bestehe, wenn man einen zu grossen Druck ausübe, das Risiko, dass am Schluss das vom Gericht verfügte gemeinsame Sorgerecht bezüglich des Kindeswohls gewisse Probleme mit sich bringe. Er kennt einige Fälle, bei denen das gemeinsame Sorgerecht nicht praktikabel war und nachträglich eine andere Lösung gefunden und das Scheidungsurteil abgeändert werden musste.
Er ist überdies der Ansicht, dass eine Standesinitiative hier eine Stufe zu hoch ist. Es sei viel besser, wenn Margrit Blatter mit dem "hohen Bern" Kontakt aufnehme und dafür sorge, dass sie dort ihre Ideen einbringen könne. Denn dort seien bereits gewisse Bestrebungen im Gange. Er stimmt Sabine Pegoraro zu, dass die geltende Reglung ausreicht. Es gebe durchaus Möglichkeiten, auch dem armen, nicht gleichberechtigten Mann zu helfen. Wenn der eine Partner mitmache und es für die Kinder gut sei, mache meist auch der andere Partner mit.

Florence Brenzikofer greift noch einmal das Postulat von Reto Wehrli auf und erklärt, dass darin dasselbe gefordert wird, wie es mit der Standesinitiative der Fall wäre. Aus diesem Grund braucht es die Standesinitiative aus Sicht der Grünen Fraktion nicht. Der Bundesrat beantrage Annahme des Postulates und dieses werde, wie von Rudolf Keller ausgeführt, auf breiter Basis unterstützt.

Christoph Rudin war Gerichtsschreiber in Sissach, als dort zum ersten Mal in der Schweiz in einem Urteil das gemeinsame Sorgerecht erteilt wurde. Die GPK des Landrats habe damals überprüft, ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Der Gerichtspräsident veröffentlichte in der schweizerischen Juristenzeitung einen langen Artikel darüber, weshalb das gemeinsame Sorgerecht möglich ist. Aber erst mit der Scheidungsrechtsrevision im Jahr 2000 wurde eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen.
Er findet die Forderung der Schweizer Demokraten sehr sympathisch. Allerdings müsse dazu bemerkt werden, dass jede Scheidung individuell sei und es keinen Normalfall gebe. Zweitens habe man heute die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Man sei autonom. Der Staat sollte sich beim Auferlegen von Normen betreffend die Intimsphäre Familie zurückhalten. Wenn Eltern das gemeinsame Sorgerecht wollen, können sie es haben. Wenn sie es nicht wollen, müssen sie es nicht haben. Als dritten Punkt führt er an, ideal sei, wenn nach der Scheidung das Betreuungsverhältnis gleich weiterlaufen könne wie vor der Scheidung. Tatsache sei aber, dass in 90 % der Fälle schwergewichtig die Mütter die Kinder betreuen. Die Väter gehen zur Arbeit. Wenn der Landrat sich für die Förderung der familienergänzenden Betreuung einsetzen würde und wenn bei mehr als 50 % der Familien Vater und Mutter gleichberechtigt zu den Kindern schauen würden, würde er den Vorstoss sofort unterstützen. Solange das aber nicht der Fall sei, könne das Anliegen nicht unterstützt werden. Denn die Väter haben in der Regel ein Besuchsrecht, bei dem sie die Kinder alle zwei Wochen für ein Wochenende zu sich nehmen, während die ganze übrige Zeit die Mutter sich um die Kinder kümmert. Die Väter wollen dann aber dennoch das Mitspracherecht. Teilweise gehe es um heikle Fragen (Ausbildung, ärztliche Behandlung usw.). Ein "Besuchsvater" könne nicht gleich mitbestimmen.
Christoph Rudin weiss, dass v.a. die Vereinigung der geschiedenen Männer der Schweiz das gemeinsame Sorgerecht zu ihrem Programm gemacht hat. Die Männer sollten aber schon während der Ehe im gleichen Umfang zu den Kindern schauen wie ihre Frauen und das nicht erst bei der Scheidung wollen. Sei das irgendwann der Fall, könnten sie mit dieser Forderung kommen. Bis dahin, seien sie mit der Forderung aber zu früh.

Esther Maag bestätigt Rudolf Keller, dass es schwierig ist, hier aufgrund grundsätzlicher Gleichtstellungsgründe zu argumentieren. Sie möchte jedoch anhand eines konkreten Beispiels demonstrieren, was das gemeinsame Sorgerecht bedeuten könne: Wenn das gemeinsame Sorgerecht bestehe und ein Elternteil wieder eine neue Partnerin, einen neuen Partner habe, zu dem sie/er gerne ziehen würde - z.B. von hier in den Kanton Zürich - könne der alte Partner tatsächlich mitbestimmen, ob die Mutter/der Vater der Kinder in einen anderen Kanton ziehen dürfe oder ob das zu einer Entfremdung von den Kindern führe. Dies sei sehr heikel. Mit dem gemeinsamen Sorgerecht könne quasi die Weiterentwicklung oder ein Neuanfang schwerwiegend gestört werden. Dies wirke sich letztlich nicht aufs Kindeswohl aus, sondern perpetuiere lediglich etwas, unter das man vielleicht einen Strich ziehen müsste.

Landratspräsidentin Daniela Schneeberger begrüsst an dieser Stelle auf der Tribüne die beiden alt Landräte Lukas Ott und Andres Klein.

://: Die Motion 2004/313 wird abgelehnt.

Für das Protokoll:
Ursula Amsler, Landeskanzlei


Für das Protokoll:
Seline Keiser, Landeskanzlei



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