Protokoll der Landratssitzung vom 21. April 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 21. April 2005 |
Nr. 1158
1 2004/284 2004/284A
Berichte des Regierungsrates vom 9. November 2004 und vom 18. Januar 2005 sowie der Erziehungs- und Kulturkommission vom 21. März 2005 und Mitbericht der Finanzkommission vom 22. März 2005: Genehmigung des Staatsvertrages über die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und Ergänzungsvorlage zur Vorlage 2004/284; 2. Lesung der Änderung des Bildungsgesetzes
(Fortsetzung der Beratung)
Landratspräsidentin Daniela Schneeberger ruft in Erinnerung, dass die erste Lesung der Bildungsgesetzänderung bereits abgeschlossen sei. Heute steht die zweite Lesung an, ebenso die Genehmigung des Staatsvertrags. Zuvor wird die Regierung nochmals zu den verschiedenen, vor zwei Wochen aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen.
Regierungsrat Urs Wüthrich hat nach der letzten Landratssitzung die Fraktionen und speziell auch die Mitglieder der Erziehungs- und Kulturkommission sowie der Finanzkommission ausführlich informiert. Diese Informationen wurden aus der Regierungsvorlage, aus den Kommissionsberichten und aus den Ausführungen an der letzten Landratssitzung zusammengefasst und ergänzt durch ganz aktuelle Angaben. Zu den Fragen der SVP- und der FDP-Fraktion wurde schriftlich Stellung genommen. Mit deren Einverständnis wurde diese Stellungnahme allen Fraktionen zur Verfügung gestellt, weshalb sie in der heutigen Debatte nicht noch einmal ausgiebig wiederholt werden soll.
Die Kernfrage bleibt bestehen, und diese muss der Landrat heute beantworten: Sagt das Parlament Ja zum Staatsvertrag? Das wäre der Auftrag, gemäss dem Zeitplan weiterzuarbeiten an der Erstellung von Entscheidungsgrundlagen, so dass der Landrat rechtzeitig für einen Entscheid im Herbst Bescheid weiss über den Leistungsauftrag und den Globalbeitrag.
Als Kontrast zu den kritischen Fragen liest der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektor eine Passage aus einem Schreiben von Roche-Verwaltungsrat Markus Altwegg vor, dessen Meinung nicht nur die grossen Pharmaunternehmen, sondern auch die rund 80 KMU-Betriebe in dieser Branche teilen:
«Von Roche aus unterstützen wir Ihren Standpunkt hundertprozentig und wir sind in verschiedenen Gremien sehr bemüht, alles zu tun, damit in Bezug auf Life Sciences die für uns relevanten Lehrinhalte möglichst bald festgelegt werden. Es liegt uns sehr daran, dass die Fachhochschule bereits 2006 mit dem Bachelor-Studiengang ‚Life Sciences' beginnen kann.»
Hinter dieser Aussage stehen Leute, die wohl beurteilen können, ob die Life-Science -Studiengänge an der FHNW ein unnützes Luftschloss oder eine wichtige Stütze für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort werden.
Alle Parteien stünden hinter der Fachhochschulfusion, erinnert sich Elsbeth Schmied an die Debatte vor vierzehn Tagen. Allerdings gab es damals noch einige offene Fragen, die Regierungsrat Urs Wüthrich in der Zwischenzeit überzeugend beantwortet hat.
Die Studiengänge in Life Sciences sollen unter anderem auch die Bereiche Elektrotechnik, Elektronik, Technisches Zeichnen, Orthopädiemechanik, Verfahrenstechnik und Informatik umfassen. Es kann also keine Rede davon sein, dass der ganze Technik-Bereich Muttenz verlassen werde. Viele Berufsleute, die heute aus dem Ausland rekrutiert werden müssen, sollen künftig in Muttenz ausgebildet und dann der Industrie als ausgebildete Fachleute übergeben werden. Das Gebilde «Life Sciences» erhält allmählich - und spätestens bis Ende Mai - klare Konturen.
Das eigentliche Ziel des Staatsvertrags ist die Schaffung der Fachhochschule Nordwestschweiz, gegen die niemand etwas einzuwenden hat. Mit einem einstimmigen Ja setzt sich die SP-Fraktion dafür ein.
Jörg Krähenbühl dankt dem Regierungsrat für die Beantwortung der gestellten Fragen, die er mehrheitlich als zufriedenstellend bezeichnet. Einige Anmerkungen drängen sich aber noch auf:
Zur Pensionskasse: Laut Auskunft der Basellandschaftlichen Pensionskasse wäre es möglich gewesen - wenn detaillierte Auflistungen zur Verfügung gestanden wären -, die Ausscheidung zwischen den beiden Basel bereits vorzunehmen bzw. darüber genauer Auskunft zu geben. Allerdings betrifft das Pensionskassen-Problem nicht alleine die FHNW, sondern die beiden Kantone im allgemeinen.
Zur Immobilienplanung: Heute ist es modern, private Investoren für Liegenschaften zu suchen. Das mag manchmal sinnvoll sein; allerdings gehen dann Bundesbeträge verloren. Es muss genau abgewogen werden, welche Lösung letztlich die bessere ist.
Zum Lohnsystem: Diese Fragen wurden nur unpräzise beantwortet. Es ist nicht klar, in welche Richtung es geht: eher zum höchsten Niveau (Basel-Stadt) oder zum tiefsten (Solothurn)? Wenn mit dem Kanton Zürich verglichen wird, muss berücksichtigt werden, dass dort eine höhere Stundenzahl gilt und dass es sich dabei um den Wirtschaftsstandort Nr. 1 handelt.
Zur Nachprüfung durch die Finanzkontrolle: Ende 2005 muss die FIKO die Projektsysteme gründlich unter die Lupe nehmen, und zwar unabhängig.
Das Geschäft hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Vor der letzten Landratssitzung haben sich die Diskussion vorwiegend in den Fraktionen abgespielt. Aber seither wurde eine richtige Lawine ausgelöst, bestehend aus persönlichen Stellungnahmen, Briefen, E-Mails usw. in grosser Zahl. Dozenten haben sich beklagt, dass sie bei der Entwicklung der verschiedenen Projekte nicht mit einbezogen waren. Damit soll aber nicht gesagt werden, die SVP stehe nicht hinter der FHNW - im Gegenteil: gewisse Schritte gehen sogar eher zu wenig weit. Es ist nicht einzusehen, weshalb es südlich des Juras weiterhin zwei Pädagogik-Standorte (gegenüber einem Standort nördlich des Juras) geben soll - Olten wäre eine gute Alternative gewesen.
Bedenklich stimmt die SVP, dass sich verschiedene Dozenten beklagt haben, ihnen sei ein Maulkorb angelegt worden. In unserem demokratischen System ist dies nicht der richtige Weg. Solche Vorkommnisse machen einen stutzig.
Die SVP-Fraktion steht dem Verlauf des Geschäfts weiterhin kritisch gegenüber. Sie wird jeden Schritt kritisch begleiten. Heute sagt die Fraktion mehrheitlich Ja zum Staatsvertrag, auch wenn es in ihren Reihen einige Nein-Stimmen geben wird. Würde heute die 4 / 5 -Mehrheit verpasst, müsste der Souverän entscheiden über diese sehr komplexe Materie.
Den Verantwortlichen für den weiteren Fusionsverlauf wünscht die SVP-Fraktion viel Glück.
Die FDP-Fraktion anerkennt laut Christine Mangold die grosse Arbeit, die hinter der Beantwortung der offenen Fragen steckt. Sie ist jedoch enttäuscht über das knappe Votum von Regierungsrat Urs Wüthrich. Er hat ganz klar eine Chance verpasst, noch einmal fundiert für die FHNW zu werben. Die Fraktionen haben wohl seinen Brief erhalten, aber die Gäste auf der Tribüne, die Medien und die Öffentlichkeit wären bestimmt auch an den darin enthaltenen Antworten interessiert gewesen.
Die FDP-Fraktion hat die Fusion stets als den richtigen Weg erachtet. Sie wollte einfach einige Unklarheiten noch ausgeräumt haben. Der Bereich Life Science kann sich bestimmt zu einer Perle innerhalb des FHNW-Angebots entwickeln, aber einiges dabei war noch wenig greifbar. Deshalb setzte die Partei einen gewissen Druck auf, damit klarer gezeigt wurde, wozu das Parlament letztlich Ja sagt. Das hat funktioniert: In den letzten Tagen und Wochen lief sehr viel an Information auf verschiedenen Ebenen.
Es ist logisch, dass noch nicht alles ganz klar ist. Der Business Plan wird im Mai 2005 vorliegen, und im Herbst können die Parlamente über den Leistungsauftrag und das bereinigte Portfolio befinden.
Nach der vierzehntägigen Auszeit stimmt heute die FDP-Fraktion dem Staatsvertrag überzeugt zu.
Jacqueline Simonet erinnert daran, dass die CVP/EVP-Fraktion sich schon vor zwei Wochen positiv zur FHNW geäussert habe. Inzwischen liegen Antworten zu verschiedenen Fragen, die im Landrat gestellt worden sind, vor; vielen Dank dafür. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Antworten zum Teil nicht ganz so präzis sind, wie einige sie sich wünschen würden. Zum heutigen Zeitpunkt kann noch nicht alles definitiv geklärt sein; dies gilt es zu akzeptieren.
Ein brennendes Problem besteht weiterhin: Der Standort Muttenz darf nicht ohne Ersatz ausgehöhlt werden! Die Angst ist noch nicht ganz ausgeräumt, dass am Schluss einige Gebäude leer stehen werden, auch wenn anscheinend die Nachfrage nach Life-Sciences -Lehrgängen vorhanden ist. Die Sorge um den Standort Muttenz wird die Diskussion um den Leistungsauftrag und das Portfolio im Herbst beleben.
Die Grundlage für die FHNW sind vier erfolgreiche Fachhochschulen. Die zukünftigen Herausforderungen machen einen Zusammenschluss nötig. Mit dem konsequenten Konzentrationsprozess können Synergien geschaffen und Kosten rationalisiert werden. Von der FHNW wird die ganze Region profitieren.
Durch die Nähe zwischen der Universität und der Fachhochschule ergeben sich Vorteile für die Studierenden. Und die Distanzen zu den - gut erschlossenen - Standorten Olten oder Windisch sind leicht zu bewältigen.
Die CVP/EVP-Fraktion ist für eine Stärkung des Standorts Baselland und der ganzen Region und spricht sich deshalb einstimmig für ein Ja zum Staatsvertrag sowie zu den Anträgen der Finanzkommission aus.
Das Projekt «Fachhochschule Nordwestschweiz» sei über mehrere Jahre hinweg geplant, entwickelt und ausgehandelt worden, betont Kaspar Birkhäuser . Die Baselbieter Delegation in der Interparlamentarischen Begleitkommission (IPBK) mit Vertreter(inne)n aller Parteien hat schon 2004 das Projekt mit wenigen Vorbehalten für gut befunden und ihm zugestimmt.
Um so erstaunlicher war es für die Grünen, dass im Landrat von teilweise den gleichen Parteirepräsentanten wie in der IPBK plötzlich Widerstand aufgebaut wurde. Das Geplänkel um die Life Sciences und die Rüge von Christine Mangold an Regierungsrat Urs Wüthrich - was soll das eigentlich? Die Informationen liegen vor, man konnte sie in den Medien nachlesen, die freisinnige Fraktion hat sie schriftlich erhalten - die ständig wiederholten Tritte ans Bein des Bildungs-, Kultur- und Sportdirektors sind also völlig unnötig. Er hat aufgezeigt, dass Baselland auf dem richtigen Weg ist.
Und wieso wird dauernd die Pensionskassen-Frage wieder so aufgebauscht? Den Grünen ist das Beitragsprimat ebenso recht wie das Leistungsprimat. An dieser Frage darf das ganze FHNW-Projekt nicht scheitern. Die De-ckungslücke von CHF 26 Mio. bei der BLPK hat mit der Fachhochschule nichts zu tun. Es wäre polemisch, dieses Problem mit dem interkantonalen Projekt zu vermengen.
Die grüne Fraktion stimmt dem zukunftsweisenden Projekt einer Fachhochschule Nordwestschweiz zu.
Anderer Meinung ist Rudolf Keller : Die Schweizer Demokraten schliessen sich den kritischen Bemerkungen von seiten der SVP und FDP an. Denn sie machen sich grosse Sorgen um den Standort Muttenz. In der Eintretensdebatte haben sie sich nicht geäussert, weil damals noch sehr vieles unklar war. Heute wollen sie aber nicht einfach ohne Begründung Nein stimmen, sondern ihre Haltung auch erläutern.
Im Grundsatz haben die Schweizer Demokraten nichts gegen eine Neuorganisation des Fachhochschulwesens einzuwenden, aber die ganze Sache ist nun allzu einseitig verlaufen. Mit der Übernahme des Bereichs Life Sciences macht sich Baselland branchenmässig und fachlich einseitig von einem Wirtschaftsbereich abhängig, der heute zwar floriert, von dem aber niemand weiss, ob er überübermorgen immer noch so gut dasteht. Im negativen Fall könnte das den Kanton recht teuer zu stehen kommen.
Rudolf Keller staunt über die grüne Fraktion: Mit der Ökologie ist es im Bereich Life Sciences nicht sehr weit her. Aber die Grünen haben ihre Bedenken offenbar schnell zur Seite gewischt.
Auf den Kanton kommen in Bezug auf die Pensionskassen-Deckungslücken hohe Kosten zu. Einmal mehr ist in diesem Geschäft alles offen, und niemand weiss, was sich der Landrat einhandelt.
Die Schweizer Demokraten werden das Gefühl nicht los, dass das ganze Vorgehen recht übereilt ist. Deshalb sind kaum alle Facetten wirklich sorgfältig bedacht worden. Denn vieles hängt am Detail. Wie die Voten der SVP- und FDP-Sprecher gezeigt haben, sind zwar einige Fragen beantwortet, andere sind aber offen geblieben.
Wenn genügend Landräte Nein sagen, kommt es hoffentlich zu einer Volksabstimmung, vor der man alle Bedenken und Einwände nochmals in aller Breite diskutieren könnte. Regierungsrat Urs Wüthrich hat ja bereits gesagt, dass er vor einer solchen Abstimmung keine Angst habe (und wohl auch nicht haben müsste). Es wäre aber bestimmt sinnvoll, diese Angelegenheit noch ausgiebiger zu besprechen.
Noch keine Perle ist der Life-Science -Bereich für Rita Bachmann , da er noch allzu konturlos ist. Sie ist nicht sicher, ob die heute vorliegenden Informationen wirklich ausreichen, um einen solch bedeutenden Entscheid fällen zu können. Es stellt sich eine ganz zentrale Frage: Was ist, wenn sich in einiger Zeit herausstellen sollte, dass die erhofften drei- bis vierhundert Lehrgänge nicht zustande kommen oder dass der Bedarf der abnehmenden Industrie sinkt? Dann sitzt man in Muttenz auf leeren Schulräumen, während in Windisch neue Gebäude erstellt werden müssen.
Der Standort Muttenz muss im Bereich Life Sciences von Null anfangen, obwohl es in der Region schon viele Angebote in dieser Richtung gibt: auf universitärer Ebene etwa das Institut für Systembiologie, daneben den Campus der Novartis und möglicherweise bald auch etwas Vergleichbares bei der Hoffmann-La Roche. Besteht denn überhaupt noch ein Bedarf für das geplante, grosse Life-Science -Angebot auf der Fachhochschule-Ebene?
Für ein solches Experiment, welches der Landrat heute offenbar grossmehrheitlich einzugehen bereit ist, müsste es zumindest eine Art Sicherheitsgurt geben: zum Beispiel eine Regelung, wonach das Portfolio regelmässig - ganz speziell in der Anfangsphase - zwingend überprüft und allenfalls angepasst oder korrigiert werden müsste. Von Regierungsrat Urs Wüthrich wird erwartet, dass er Auskunft gibt darüber, ob solche Überlegungen angestellt werden.
Ruedi Brassel freut es, dass alle Fraktionen Zustimmung signalisieren. Es war richtig, sich zwei Wochen Zeit zu nehmen.
Erstaunlich ist aber doch der teilweise negative Tenor. Die FDP kann nun «überzeugt zustimmen». Diese Beteuerung kommt dort aber wie das Kleingedruckte erst nach einem langen Sermon, während dem lauter Angaben verlangt werden, die schon längst geliefert worden sind.
Eine Parlamentsdebatte kann keine Kommissionsarbeit ersetzen. In der Kommission sind diese Fragen alle bearbeitet und beantwortet worden; auf die meisten Fragen hat übrigens bereits die Vorlage Antworten geliefert. Dem Regierungsrat heute vorzuwerfen, er habe die Chance verpasst, alle diese Antworten nochmals vorzutragen, ist ungerecht. Die Regierung hat jene Landratsmitglieder, welche daran Interesse haben, mehr als genügend mit Informationen versorgt - gerade auch in den letzten zwei Wochen -, und es ist falsch, die Regierung verpflichten zu wollen, im Parlament einfach für die Tribüne zu reden.
Rita Bachmann hat davon gesprochen, der Life-Science -Bereich sei für sie noch keine Perle. Es muss daran erinnert werden, dass Perlen nie von Anfang an als solche erkennbar sind. Eine Perle entsteht aus der Verletzung einer Muschel durch ein Sandkorn; dann wächst langsam eine Perlmuttschicht nach der anderen über das Sandkorn und macht es so zur Perle - genau so wird es sich auch am Fachhochschulstandort Muttenz abspielen. Auf der bürgerlichen Seite fehlt es am unternehmerischen Pioniergeist! Es ist kleinkrämerisch und kleinmütig, wie die Verlegung gewisser Bereiche von Muttenz nach Windisch hochgespielt wird. Die Chance einer Fachhochschule Nordwestschweiz besteht in einem gemeinsamen Aufbruch; es geht nicht darum, was um wie viele Kilometer verschoben wird.
Dem Staatsvertrag kann mit Überzeugung zugestimmt werden.
Das Ja der Finanzkommission ist, so deren Präsident Marc Joset , ein kritisches, aber konstruktives Ja. Deshalb hat die FIK auch einige Zusatzanträge gestellt. Zwei Kommissionen sind seit Januar mit umfangreichen Dokumentationen beliefert worden und haben viele Antworten auf offene Fragen erhalten. Diese Informationen haben also mehr als ein Viertel der Parlamentarier aus erster Hand bekommen. Die FIK wird das Geschäft weiter begleiten; wahrscheinlich schon an der nächsten Sitzung wird die Regierung über das Thema «Rückstellungen» informieren. Spätestens wenn der Leistungsauftrag vorliegt, kann der Landrat wieder in einem hohen Detailierungsgrad Stellung nehmen. Erst nach einem Ja zum Leistungsauftrag und zum Globalbudget tritt der Staatsvertrag in Kraft.
Der Präsident der Erziehungs- und Kulturkommission, Karl Willimann , macht drei Bemerkungen zur Debatte.
An Kaspar Birkhäuser gewandt, betont er, die Pensionskassenfrage habe nur theoretisch nichts mit der Fachhochschule zu tun. Praktisch muss der Kanton immerhin innert fünf Jahren die Deckungslücke ausgleichen; das kostet einiges.
Es wird viel geklagt über den Abgang des Bereichs Technik von Muttenz nach Windisch. Aber niemand sagt, dass auch etwas Neues dazukommt: Bau, Architektur und Planung. Dessen muss man sich bewusst sein. Der Aargau wird diesen Bereich auch nicht mit riesiger Freude abgeben.
Abschliessend gilt es zu bedenken, dass die FHNW eine gemeinsame Hochschule der vier beteiligten Kantone wird, ein wirkliches Pionierprojekt. Das Gemeinwohl geht in diesem Fall kantonsspezifischen Interessen vor. Deshalb verdient die Vorlage Zustimmung.
[Beifall von links]
Regierungsrat Urs Wüthrich ist froh über die Zustimmung aller Fraktionen zum Projekt Fachhochschule Nordwestschweiz. Die Informationen, welche er den Parlamentariern zur Verfügung gestellt hat, sind offenbar zur Kenntnis genommen worden.
Es ist richtig, dass, wie Rudolf Keller kritisiert hat, stark auf die Karte Life Scienes gesetzt wird. Aber auf diesen Bereich setzen auch die beiden Kantonsregierungen und die Wirtschaftsförderung beider Basel. Denn die Branche floriert. Zwar weiss man nicht, wie die Situation in zehn Jahren ist - aber was wäre die Alternative? Die Regierung kann sich nicht vorstellen, auf eine andere Karte zu setzen, die heute nicht mehr floriert, wie etwa die Maschinenindustrie. Über diese Branche wird nämlich im Landrat in der Regel nur noch dann gesprochen, wenn in Krisensituationen Task Forces eingesetzt werden.
Christine Mangold hat gesagt, die Chance für ein flammendes Plädoyer zugunsten der FHNW sei verpasst worden. Der Regierungsrat hat seinen Beitrag geleistet, die Landräte soweit zu dokumentieren, dass sie heute dieses Plädoyer hätten halten können. Er hat ihnen dazu das Manuskript geliefert; sie hätten sich die Federn selber an den Hut stecken können. Denn letztlich muss der Landrat entscheiden.
Zum von Jörg Krähenbühl aufgeworfenen Thema «Maulkorb» bemerkt Regierungsrat Urs Wüthrich, alle, die wollen, seien mit im Boot. Ein Grossteil der Leute, die an der Entwicklung der neuen Lehrangebote mitwirken, sind bisherige Dozierende, darunter auch namhafte Persönlichkeiten. Einzelne wollen nicht in das Boot einsteigen. Niemandem drohen aber arbeitsrechtliche Konsequenzen wegen kritischer Äusserungen. Ausserdem muss man sich überlegen, wie wohl in der Privatwirtschaft reagiert würde, wenn Angestellte eines Betriebes dessen bevorstehende Umstrukturierung in Inseraten als unausgegorenen Kuhhandel bezeichnen würden. In gewissen Firmen käme dann wohl die Methode «Zehn Minuten Zeit, um die Schubladen auszuräumen» zur Anwendung...
Vor einer Volksabstimmung hätte die Regierung überhaupt keine Angst. Es wäre sogar für die Positionierung der zukünftigen FHNW eine Chance, wenn sie durch ein Volks-Ja gestützt würde. Aber der Faktor Zeit spricht dagegen. Jene Fachleute, die zur Zeit mit Hochdruck an der Fusion arbeiten, hingen ein wenig in der Luft, wenn sie auf eine Abstimmung warten müssten. Deshalb wäre eine mindestens 80-prozentige Zustimmung im Landrat wünschenswert.
An die Adresse von Rita Bachmann erklärt der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektor, er könne nicht sagen, wo die Fachhochschule in zehn oder fünfzehn Jahren steht. Aber es ist eine Realität, dass in China jährlich 120'000 Pharmaingenieure diplomiert werden. Dies ist ein Grund mehr, nun rasch vorwärts zu machen, statt dieser Entwicklung tatenlos zuzuschauen. Im Rahmen des Leistungsauftrags besteht jedes Mal wieder die Gelegenheit zur Standortbestimmung und Neuausrichtung. Aber dass die Kantone Aargau und Solothurn in einen Fonds einzahlen, um das Baselbiet zu unterstützen, wenn es ihm nicht mehr so gut geht, ist unrealistisch.
Wenn es der Fachhochschule im Bereich Life Sciences schlecht ginge, wäre dies nur ein Indikator dafür, dass es der ganzen Region schlecht geht. Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch der Fachhochschule gut. Denn das Angebot, das neu geschaffen wird, entspricht einer Nachfrage aus der Wirtschaft.
Regierungsrat Urs Wüthrich dankt Kaspar Birkhäuser, dass dieser sich um seine Schienbeine sorgt. Es ist weniger wichtig, was die Landrätinnen und Landräte mit ihren Füssen tun - ob sie stampfen oder gegen Schienbeine treten (der Lohn eines Regierungsrats reicht für den Kauf von Schienbeinschonern aus) -, wichtiger ist vielmehr, was die ParlamentarierInnen gleich mit ihren Händen tun: nämlich die Stimmkarten zugunsten der Fachhochschule Nordwestschweiz in die Höhe recken.
Landratspräsidentin Daniela Schneeberger schreitet zur Abstimmung.
Landratsbeschluss, Ziffer 1
Genehmigung des Staatsvertrags
Die Präsenz beträgt 82 Stimmen, das 4 / 5 -Mehr liegt bei 66.
://: Mit 73:7 Stimmen genehmigt der Landrat den Vertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
[Applaus]
Landratsbeschluss, Ziffer 2
2. Lesung der Änderung des Bildungsgesetzes
Auf eine Detailberatung wird verzichtet.
Die Präsenz beträgt wiederum 82 Stimmen, das 4 / 5 -Quorum liegt demnach bei 66 Stimmen.
://: Mit 76:0 Stimmen beschliesst der Landrat die Änderung des Bildungsgesetzes.
Eine Abstimmung über Ziffern 3 und 4 des Landratsbeschlusses gemäss Entwurf erübrigt sich laut Landratspräsidentin Daniela Schneeberger .
Anträge der Finanzkommission
Anträge 3.1 bis 3.5
://: Allen fünf Anträgen wird zugestimmt.
Landratsbeschluss
betreffend Vertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW): Vertragsänderung und Portfolio
vom 21. April 2005
Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:
1 2004/284 2004/284A
Berichte des Regierungsrates vom 9. November 2004 und vom 18. Januar 2005 sowie der Erziehungs- und Kulturkommission vom 21. März 2005 und Mitbericht der Finanzkommission vom 22. März 2005: Genehmigung des Staatsvertrages über die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und Ergänzungsvorlage zur Vorlage 2004/284; 2. Lesung der Änderung des Bildungsgesetzes
(Fortsetzung der Beratung)
Landratspräsidentin Daniela Schneeberger ruft in Erinnerung, dass die erste Lesung der Bildungsgesetzänderung bereits abgeschlossen sei. Heute steht die zweite Lesung an, ebenso die Genehmigung des Staatsvertrags. Zuvor wird die Regierung nochmals zu den verschiedenen, vor zwei Wochen aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen.
Regierungsrat Urs Wüthrich hat nach der letzten Landratssitzung die Fraktionen und speziell auch die Mitglieder der Erziehungs- und Kulturkommission sowie der Finanzkommission ausführlich informiert. Diese Informationen wurden aus der Regierungsvorlage, aus den Kommissionsberichten und aus den Ausführungen an der letzten Landratssitzung zusammengefasst und ergänzt durch ganz aktuelle Angaben. Zu den Fragen der SVP- und der FDP-Fraktion wurde schriftlich Stellung genommen. Mit deren Einverständnis wurde diese Stellungnahme allen Fraktionen zur Verfügung gestellt, weshalb sie in der heutigen Debatte nicht noch einmal ausgiebig wiederholt werden soll.
Die Kernfrage bleibt bestehen, und diese muss der Landrat heute beantworten: Sagt das Parlament Ja zum Staatsvertrag? Das wäre der Auftrag, gemäss dem Zeitplan weiterzuarbeiten an der Erstellung von Entscheidungsgrundlagen, so dass der Landrat rechtzeitig für einen Entscheid im Herbst Bescheid weiss über den Leistungsauftrag und den Globalbeitrag.
Als Kontrast zu den kritischen Fragen liest der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektor eine Passage aus einem Schreiben von Roche-Verwaltungsrat Markus Altwegg vor, dessen Meinung nicht nur die grossen Pharmaunternehmen, sondern auch die rund 80 KMU-Betriebe in dieser Branche teilen:
«Von Roche aus unterstützen wir Ihren Standpunkt hundertprozentig und wir sind in verschiedenen Gremien sehr bemüht, alles zu tun, damit in Bezug auf Life Sciences die für uns relevanten Lehrinhalte möglichst bald festgelegt werden. Es liegt uns sehr daran, dass die Fachhochschule bereits 2006 mit dem Bachelor-Studiengang ‚Life Sciences' beginnen kann.»
Hinter dieser Aussage stehen Leute, die wohl beurteilen können, ob die Life-Science -Studiengänge an der FHNW ein unnützes Luftschloss oder eine wichtige Stütze für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort werden.
Alle Parteien stünden hinter der Fachhochschulfusion, erinnert sich Elsbeth Schmied an die Debatte vor vierzehn Tagen. Allerdings gab es damals noch einige offene Fragen, die Regierungsrat Urs Wüthrich in der Zwischenzeit überzeugend beantwortet hat.
Die Studiengänge in Life Sciences sollen unter anderem auch die Bereiche Elektrotechnik, Elektronik, Technisches Zeichnen, Orthopädiemechanik, Verfahrenstechnik und Informatik umfassen. Es kann also keine Rede davon sein, dass der ganze Technik-Bereich Muttenz verlassen werde. Viele Berufsleute, die heute aus dem Ausland rekrutiert werden müssen, sollen künftig in Muttenz ausgebildet und dann der Industrie als ausgebildete Fachleute übergeben werden. Das Gebilde «Life Sciences» erhält allmählich - und spätestens bis Ende Mai - klare Konturen.
Das eigentliche Ziel des Staatsvertrags ist die Schaffung der Fachhochschule Nordwestschweiz, gegen die niemand etwas einzuwenden hat. Mit einem einstimmigen Ja setzt sich die SP-Fraktion dafür ein.
Jörg Krähenbühl dankt dem Regierungsrat für die Beantwortung der gestellten Fragen, die er mehrheitlich als zufriedenstellend bezeichnet. Einige Anmerkungen drängen sich aber noch auf:
Zur Pensionskasse: Laut Auskunft der Basellandschaftlichen Pensionskasse wäre es möglich gewesen - wenn detaillierte Auflistungen zur Verfügung gestanden wären -, die Ausscheidung zwischen den beiden Basel bereits vorzunehmen bzw. darüber genauer Auskunft zu geben. Allerdings betrifft das Pensionskassen-Problem nicht alleine die FHNW, sondern die beiden Kantone im allgemeinen.
Zur Immobilienplanung: Heute ist es modern, private Investoren für Liegenschaften zu suchen. Das mag manchmal sinnvoll sein; allerdings gehen dann Bundesbeträge verloren. Es muss genau abgewogen werden, welche Lösung letztlich die bessere ist.
Zum Lohnsystem: Diese Fragen wurden nur unpräzise beantwortet. Es ist nicht klar, in welche Richtung es geht: eher zum höchsten Niveau (Basel-Stadt) oder zum tiefsten (Solothurn)? Wenn mit dem Kanton Zürich verglichen wird, muss berücksichtigt werden, dass dort eine höhere Stundenzahl gilt und dass es sich dabei um den Wirtschaftsstandort Nr. 1 handelt.
Zur Nachprüfung durch die Finanzkontrolle: Ende 2005 muss die FIKO die Projektsysteme gründlich unter die Lupe nehmen, und zwar unabhängig.
Das Geschäft hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Vor der letzten Landratssitzung haben sich die Diskussion vorwiegend in den Fraktionen abgespielt. Aber seither wurde eine richtige Lawine ausgelöst, bestehend aus persönlichen Stellungnahmen, Briefen, E-Mails usw. in grosser Zahl. Dozenten haben sich beklagt, dass sie bei der Entwicklung der verschiedenen Projekte nicht mit einbezogen waren. Damit soll aber nicht gesagt werden, die SVP stehe nicht hinter der FHNW - im Gegenteil: gewisse Schritte gehen sogar eher zu wenig weit. Es ist nicht einzusehen, weshalb es südlich des Juras weiterhin zwei Pädagogik-Standorte (gegenüber einem Standort nördlich des Juras) geben soll - Olten wäre eine gute Alternative gewesen.
Bedenklich stimmt die SVP, dass sich verschiedene Dozenten beklagt haben, ihnen sei ein Maulkorb angelegt worden. In unserem demokratischen System ist dies nicht der richtige Weg. Solche Vorkommnisse machen einen stutzig.
Die SVP-Fraktion steht dem Verlauf des Geschäfts weiterhin kritisch gegenüber. Sie wird jeden Schritt kritisch begleiten. Heute sagt die Fraktion mehrheitlich Ja zum Staatsvertrag, auch wenn es in ihren Reihen einige Nein-Stimmen geben wird. Würde heute die 4 / 5 -Mehrheit verpasst, müsste der Souverän entscheiden über diese sehr komplexe Materie.
Den Verantwortlichen für den weiteren Fusionsverlauf wünscht die SVP-Fraktion viel Glück.
Die FDP-Fraktion anerkennt laut Christine Mangold die grosse Arbeit, die hinter der Beantwortung der offenen Fragen steckt. Sie ist jedoch enttäuscht über das knappe Votum von Regierungsrat Urs Wüthrich. Er hat ganz klar eine Chance verpasst, noch einmal fundiert für die FHNW zu werben. Die Fraktionen haben wohl seinen Brief erhalten, aber die Gäste auf der Tribüne, die Medien und die Öffentlichkeit wären bestimmt auch an den darin enthaltenen Antworten interessiert gewesen.
Die FDP-Fraktion hat die Fusion stets als den richtigen Weg erachtet. Sie wollte einfach einige Unklarheiten noch ausgeräumt haben. Der Bereich Life Science kann sich bestimmt zu einer Perle innerhalb des FHNW-Angebots entwickeln, aber einiges dabei war noch wenig greifbar. Deshalb setzte die Partei einen gewissen Druck auf, damit klarer gezeigt wurde, wozu das Parlament letztlich Ja sagt. Das hat funktioniert: In den letzten Tagen und Wochen lief sehr viel an Information auf verschiedenen Ebenen.
Es ist logisch, dass noch nicht alles ganz klar ist. Der Business Plan wird im Mai 2005 vorliegen, und im Herbst können die Parlamente über den Leistungsauftrag und das bereinigte Portfolio befinden.
Nach der vierzehntägigen Auszeit stimmt heute die FDP-Fraktion dem Staatsvertrag überzeugt zu.
Jacqueline Simonet erinnert daran, dass die CVP/EVP-Fraktion sich schon vor zwei Wochen positiv zur FHNW geäussert habe. Inzwischen liegen Antworten zu verschiedenen Fragen, die im Landrat gestellt worden sind, vor; vielen Dank dafür. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Antworten zum Teil nicht ganz so präzis sind, wie einige sie sich wünschen würden. Zum heutigen Zeitpunkt kann noch nicht alles definitiv geklärt sein; dies gilt es zu akzeptieren.
Ein brennendes Problem besteht weiterhin: Der Standort Muttenz darf nicht ohne Ersatz ausgehöhlt werden! Die Angst ist noch nicht ganz ausgeräumt, dass am Schluss einige Gebäude leer stehen werden, auch wenn anscheinend die Nachfrage nach Life-Sciences -Lehrgängen vorhanden ist. Die Sorge um den Standort Muttenz wird die Diskussion um den Leistungsauftrag und das Portfolio im Herbst beleben.
Die Grundlage für die FHNW sind vier erfolgreiche Fachhochschulen. Die zukünftigen Herausforderungen machen einen Zusammenschluss nötig. Mit dem konsequenten Konzentrationsprozess können Synergien geschaffen und Kosten rationalisiert werden. Von der FHNW wird die ganze Region profitieren.
Durch die Nähe zwischen der Universität und der Fachhochschule ergeben sich Vorteile für die Studierenden. Und die Distanzen zu den - gut erschlossenen - Standorten Olten oder Windisch sind leicht zu bewältigen.
Die CVP/EVP-Fraktion ist für eine Stärkung des Standorts Baselland und der ganzen Region und spricht sich deshalb einstimmig für ein Ja zum Staatsvertrag sowie zu den Anträgen der Finanzkommission aus.
Das Projekt «Fachhochschule Nordwestschweiz» sei über mehrere Jahre hinweg geplant, entwickelt und ausgehandelt worden, betont Kaspar Birkhäuser . Die Baselbieter Delegation in der Interparlamentarischen Begleitkommission (IPBK) mit Vertreter(inne)n aller Parteien hat schon 2004 das Projekt mit wenigen Vorbehalten für gut befunden und ihm zugestimmt.
Um so erstaunlicher war es für die Grünen, dass im Landrat von teilweise den gleichen Parteirepräsentanten wie in der IPBK plötzlich Widerstand aufgebaut wurde. Das Geplänkel um die Life Sciences und die Rüge von Christine Mangold an Regierungsrat Urs Wüthrich - was soll das eigentlich? Die Informationen liegen vor, man konnte sie in den Medien nachlesen, die freisinnige Fraktion hat sie schriftlich erhalten - die ständig wiederholten Tritte ans Bein des Bildungs-, Kultur- und Sportdirektors sind also völlig unnötig. Er hat aufgezeigt, dass Baselland auf dem richtigen Weg ist.
Und wieso wird dauernd die Pensionskassen-Frage wieder so aufgebauscht? Den Grünen ist das Beitragsprimat ebenso recht wie das Leistungsprimat. An dieser Frage darf das ganze FHNW-Projekt nicht scheitern. Die De-ckungslücke von CHF 26 Mio. bei der BLPK hat mit der Fachhochschule nichts zu tun. Es wäre polemisch, dieses Problem mit dem interkantonalen Projekt zu vermengen.
Die grüne Fraktion stimmt dem zukunftsweisenden Projekt einer Fachhochschule Nordwestschweiz zu.
Anderer Meinung ist Rudolf Keller : Die Schweizer Demokraten schliessen sich den kritischen Bemerkungen von seiten der SVP und FDP an. Denn sie machen sich grosse Sorgen um den Standort Muttenz. In der Eintretensdebatte haben sie sich nicht geäussert, weil damals noch sehr vieles unklar war. Heute wollen sie aber nicht einfach ohne Begründung Nein stimmen, sondern ihre Haltung auch erläutern.
Im Grundsatz haben die Schweizer Demokraten nichts gegen eine Neuorganisation des Fachhochschulwesens einzuwenden, aber die ganze Sache ist nun allzu einseitig verlaufen. Mit der Übernahme des Bereichs Life Sciences macht sich Baselland branchenmässig und fachlich einseitig von einem Wirtschaftsbereich abhängig, der heute zwar floriert, von dem aber niemand weiss, ob er überübermorgen immer noch so gut dasteht. Im negativen Fall könnte das den Kanton recht teuer zu stehen kommen.
Rudolf Keller staunt über die grüne Fraktion: Mit der Ökologie ist es im Bereich Life Sciences nicht sehr weit her. Aber die Grünen haben ihre Bedenken offenbar schnell zur Seite gewischt.
Auf den Kanton kommen in Bezug auf die Pensionskassen-Deckungslücken hohe Kosten zu. Einmal mehr ist in diesem Geschäft alles offen, und niemand weiss, was sich der Landrat einhandelt.
Die Schweizer Demokraten werden das Gefühl nicht los, dass das ganze Vorgehen recht übereilt ist. Deshalb sind kaum alle Facetten wirklich sorgfältig bedacht worden. Denn vieles hängt am Detail. Wie die Voten der SVP- und FDP-Sprecher gezeigt haben, sind zwar einige Fragen beantwortet, andere sind aber offen geblieben.
Wenn genügend Landräte Nein sagen, kommt es hoffentlich zu einer Volksabstimmung, vor der man alle Bedenken und Einwände nochmals in aller Breite diskutieren könnte. Regierungsrat Urs Wüthrich hat ja bereits gesagt, dass er vor einer solchen Abstimmung keine Angst habe (und wohl auch nicht haben müsste). Es wäre aber bestimmt sinnvoll, diese Angelegenheit noch ausgiebiger zu besprechen.
Noch keine Perle ist der Life-Science -Bereich für Rita Bachmann , da er noch allzu konturlos ist. Sie ist nicht sicher, ob die heute vorliegenden Informationen wirklich ausreichen, um einen solch bedeutenden Entscheid fällen zu können. Es stellt sich eine ganz zentrale Frage: Was ist, wenn sich in einiger Zeit herausstellen sollte, dass die erhofften drei- bis vierhundert Lehrgänge nicht zustande kommen oder dass der Bedarf der abnehmenden Industrie sinkt? Dann sitzt man in Muttenz auf leeren Schulräumen, während in Windisch neue Gebäude erstellt werden müssen.
Der Standort Muttenz muss im Bereich Life Sciences von Null anfangen, obwohl es in der Region schon viele Angebote in dieser Richtung gibt: auf universitärer Ebene etwa das Institut für Systembiologie, daneben den Campus der Novartis und möglicherweise bald auch etwas Vergleichbares bei der Hoffmann-La Roche. Besteht denn überhaupt noch ein Bedarf für das geplante, grosse Life-Science -Angebot auf der Fachhochschule-Ebene?
Für ein solches Experiment, welches der Landrat heute offenbar grossmehrheitlich einzugehen bereit ist, müsste es zumindest eine Art Sicherheitsgurt geben: zum Beispiel eine Regelung, wonach das Portfolio regelmässig - ganz speziell in der Anfangsphase - zwingend überprüft und allenfalls angepasst oder korrigiert werden müsste. Von Regierungsrat Urs Wüthrich wird erwartet, dass er Auskunft gibt darüber, ob solche Überlegungen angestellt werden.
Ruedi Brassel freut es, dass alle Fraktionen Zustimmung signalisieren. Es war richtig, sich zwei Wochen Zeit zu nehmen.
Erstaunlich ist aber doch der teilweise negative Tenor. Die FDP kann nun «überzeugt zustimmen». Diese Beteuerung kommt dort aber wie das Kleingedruckte erst nach einem langen Sermon, während dem lauter Angaben verlangt werden, die schon längst geliefert worden sind.
Eine Parlamentsdebatte kann keine Kommissionsarbeit ersetzen. In der Kommission sind diese Fragen alle bearbeitet und beantwortet worden; auf die meisten Fragen hat übrigens bereits die Vorlage Antworten geliefert. Dem Regierungsrat heute vorzuwerfen, er habe die Chance verpasst, alle diese Antworten nochmals vorzutragen, ist ungerecht. Die Regierung hat jene Landratsmitglieder, welche daran Interesse haben, mehr als genügend mit Informationen versorgt - gerade auch in den letzten zwei Wochen -, und es ist falsch, die Regierung verpflichten zu wollen, im Parlament einfach für die Tribüne zu reden.
Rita Bachmann hat davon gesprochen, der Life-Science -Bereich sei für sie noch keine Perle. Es muss daran erinnert werden, dass Perlen nie von Anfang an als solche erkennbar sind. Eine Perle entsteht aus der Verletzung einer Muschel durch ein Sandkorn; dann wächst langsam eine Perlmuttschicht nach der anderen über das Sandkorn und macht es so zur Perle - genau so wird es sich auch am Fachhochschulstandort Muttenz abspielen. Auf der bürgerlichen Seite fehlt es am unternehmerischen Pioniergeist! Es ist kleinkrämerisch und kleinmütig, wie die Verlegung gewisser Bereiche von Muttenz nach Windisch hochgespielt wird. Die Chance einer Fachhochschule Nordwestschweiz besteht in einem gemeinsamen Aufbruch; es geht nicht darum, was um wie viele Kilometer verschoben wird.
Dem Staatsvertrag kann mit Überzeugung zugestimmt werden.
Das Ja der Finanzkommission ist, so deren Präsident Marc Joset , ein kritisches, aber konstruktives Ja. Deshalb hat die FIK auch einige Zusatzanträge gestellt. Zwei Kommissionen sind seit Januar mit umfangreichen Dokumentationen beliefert worden und haben viele Antworten auf offene Fragen erhalten. Diese Informationen haben also mehr als ein Viertel der Parlamentarier aus erster Hand bekommen. Die FIK wird das Geschäft weiter begleiten; wahrscheinlich schon an der nächsten Sitzung wird die Regierung über das Thema «Rückstellungen» informieren. Spätestens wenn der Leistungsauftrag vorliegt, kann der Landrat wieder in einem hohen Detailierungsgrad Stellung nehmen. Erst nach einem Ja zum Leistungsauftrag und zum Globalbudget tritt der Staatsvertrag in Kraft.
Der Präsident der Erziehungs- und Kulturkommission, Karl Willimann , macht drei Bemerkungen zur Debatte.
An Kaspar Birkhäuser gewandt, betont er, die Pensionskassenfrage habe nur theoretisch nichts mit der Fachhochschule zu tun. Praktisch muss der Kanton immerhin innert fünf Jahren die Deckungslücke ausgleichen; das kostet einiges.
Es wird viel geklagt über den Abgang des Bereichs Technik von Muttenz nach Windisch. Aber niemand sagt, dass auch etwas Neues dazukommt: Bau, Architektur und Planung. Dessen muss man sich bewusst sein. Der Aargau wird diesen Bereich auch nicht mit riesiger Freude abgeben.
Abschliessend gilt es zu bedenken, dass die FHNW eine gemeinsame Hochschule der vier beteiligten Kantone wird, ein wirkliches Pionierprojekt. Das Gemeinwohl geht in diesem Fall kantonsspezifischen Interessen vor. Deshalb verdient die Vorlage Zustimmung.
[Beifall von links]
Regierungsrat Urs Wüthrich ist froh über die Zustimmung aller Fraktionen zum Projekt Fachhochschule Nordwestschweiz. Die Informationen, welche er den Parlamentariern zur Verfügung gestellt hat, sind offenbar zur Kenntnis genommen worden.
Es ist richtig, dass, wie Rudolf Keller kritisiert hat, stark auf die Karte Life Scienes gesetzt wird. Aber auf diesen Bereich setzen auch die beiden Kantonsregierungen und die Wirtschaftsförderung beider Basel. Denn die Branche floriert. Zwar weiss man nicht, wie die Situation in zehn Jahren ist - aber was wäre die Alternative? Die Regierung kann sich nicht vorstellen, auf eine andere Karte zu setzen, die heute nicht mehr floriert, wie etwa die Maschinenindustrie. Über diese Branche wird nämlich im Landrat in der Regel nur noch dann gesprochen, wenn in Krisensituationen Task Forces eingesetzt werden.
Christine Mangold hat gesagt, die Chance für ein flammendes Plädoyer zugunsten der FHNW sei verpasst worden. Der Regierungsrat hat seinen Beitrag geleistet, die Landräte soweit zu dokumentieren, dass sie heute dieses Plädoyer hätten halten können. Er hat ihnen dazu das Manuskript geliefert; sie hätten sich die Federn selber an den Hut stecken können. Denn letztlich muss der Landrat entscheiden.
Zum von Jörg Krähenbühl aufgeworfenen Thema «Maulkorb» bemerkt Regierungsrat Urs Wüthrich, alle, die wollen, seien mit im Boot. Ein Grossteil der Leute, die an der Entwicklung der neuen Lehrangebote mitwirken, sind bisherige Dozierende, darunter auch namhafte Persönlichkeiten. Einzelne wollen nicht in das Boot einsteigen. Niemandem drohen aber arbeitsrechtliche Konsequenzen wegen kritischer Äusserungen. Ausserdem muss man sich überlegen, wie wohl in der Privatwirtschaft reagiert würde, wenn Angestellte eines Betriebes dessen bevorstehende Umstrukturierung in Inseraten als unausgegorenen Kuhhandel bezeichnen würden. In gewissen Firmen käme dann wohl die Methode «Zehn Minuten Zeit, um die Schubladen auszuräumen» zur Anwendung...
Vor einer Volksabstimmung hätte die Regierung überhaupt keine Angst. Es wäre sogar für die Positionierung der zukünftigen FHNW eine Chance, wenn sie durch ein Volks-Ja gestützt würde. Aber der Faktor Zeit spricht dagegen. Jene Fachleute, die zur Zeit mit Hochdruck an der Fusion arbeiten, hingen ein wenig in der Luft, wenn sie auf eine Abstimmung warten müssten. Deshalb wäre eine mindestens 80-prozentige Zustimmung im Landrat wünschenswert.
An die Adresse von Rita Bachmann erklärt der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektor, er könne nicht sagen, wo die Fachhochschule in zehn oder fünfzehn Jahren steht. Aber es ist eine Realität, dass in China jährlich 120'000 Pharmaingenieure diplomiert werden. Dies ist ein Grund mehr, nun rasch vorwärts zu machen, statt dieser Entwicklung tatenlos zuzuschauen. Im Rahmen des Leistungsauftrags besteht jedes Mal wieder die Gelegenheit zur Standortbestimmung und Neuausrichtung. Aber dass die Kantone Aargau und Solothurn in einen Fonds einzahlen, um das Baselbiet zu unterstützen, wenn es ihm nicht mehr so gut geht, ist unrealistisch.
Wenn es der Fachhochschule im Bereich Life Sciences schlecht ginge, wäre dies nur ein Indikator dafür, dass es der ganzen Region schlecht geht. Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch der Fachhochschule gut. Denn das Angebot, das neu geschaffen wird, entspricht einer Nachfrage aus der Wirtschaft.
Regierungsrat Urs Wüthrich dankt Kaspar Birkhäuser, dass dieser sich um seine Schienbeine sorgt. Es ist weniger wichtig, was die Landrätinnen und Landräte mit ihren Füssen tun - ob sie stampfen oder gegen Schienbeine treten (der Lohn eines Regierungsrats reicht für den Kauf von Schienbeinschonern aus) -, wichtiger ist vielmehr, was die ParlamentarierInnen gleich mit ihren Händen tun: nämlich die Stimmkarten zugunsten der Fachhochschule Nordwestschweiz in die Höhe recken.
Landratspräsidentin Daniela Schneeberger schreitet zur Abstimmung.
Landratsbeschluss, Ziffer 1
Genehmigung des Staatsvertrags
Die Präsenz beträgt 82 Stimmen, das 4 / 5 -Mehr liegt bei 66.
://: Mit 73:7 Stimmen genehmigt der Landrat den Vertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
[Applaus]
Landratsbeschluss, Ziffer 2
2. Lesung der Änderung des Bildungsgesetzes
Auf eine Detailberatung wird verzichtet.
Die Präsenz beträgt wiederum 82 Stimmen, das 4 / 5 -Quorum liegt demnach bei 66 Stimmen.
://: Mit 76:0 Stimmen beschliesst der Landrat die Änderung des Bildungsgesetzes.
Eine Abstimmung über Ziffern 3 und 4 des Landratsbeschlusses gemäss Entwurf erübrigt sich laut Landratspräsidentin Daniela Schneeberger .
Anträge der Finanzkommission
Anträge 3.1 bis 3.5
://: Allen fünf Anträgen wird zugestimmt.
Landratsbeschluss
betreffend Vertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW): Vertragsänderung und Portfolio
vom 21. April 2005
Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:
1.
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Der Vertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) wird in der geänderten Fassung vom 18. Januar 2005 genehmigt.
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2.
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Die Änderung des Bildungsgesetzes wird beschlossen.
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Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
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