Protokoll der Landratssitzung vom 12. Mai 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 12. Mai 2005 |
22 2005/015
Interpellation der Fraktion der Grünen vom 13. Januar 2005: Asbest in Kindergärten und Schulhäusern. Schriftliche Antwort vom 1. März 2005
Esther Maag verlangt Diskussion.
://: Dem Antrag auf Diskussion wird stattgegeben.
Jürg Wiedemann findet es eindrücklich, wie deutlich die Regierung in ihrer Interpellationsbeantwortung verschiedene Punkte bestätigt, unter anderem folgende Aussagen:
1.
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«Alle Asbesttypen gelten als krebserzeugend und können bösartige Tumore des Brust- und Bauchfells sowie des Herzbeutels [...] und Lungenkarzinome verursachen.»
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2.
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«Es gilt zu verhindern, dass in Zukunft weiterhin so viele Personen an den Spätfolgen von beruflicher Asbestexposition tödlich erkranken wie in den letzten Jahren.» Die Regierung nennt die Zahl von jährlich 70 neuen Fällen in der ganzen Schweiz und schreibt, die meisten Erkrankungen «führen innert weniger Jahre zum Tod.»
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3.
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Bezüglich der Sicherheit in unseren Schulen und Kindergärten schreibt die Regierung, dass eine Gefährdung der Schülerinnen und Schüler nur «weitgehend ausgeschlossen werden» könne, «sofern die Asbest enthaltenden Bauteile nicht beschädigt werden [...] Von einer 100%igen Sicherheit kann jedoch nicht die Rede sein.» Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass derartige Beschädigungen in unseren Schulhäusern vorkommen, weil entweder die Bausubstanz schlecht ist oder weil menschliches Versagen vorliegt.
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4.
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Im Bezug auf die Anzahl lungengängiger Asbestfasern pro Kubikmeter Atemluft schreibt die Regierung, es sei «zu beachten, dass für krebserzeugende Stoffe beim gegenwärtigen Wissensstand keine mit Sicherheit unwirksame Konzentration angegeben werden kann.»
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Die grüne Fraktion hat verschiedene Unterlagen - Briefe zwischen dem AUE und einer Schulleitung, zwischen einer Gemeinde und der Schulleitung und von einer Asbestsanierungsfirma - zugespielt bekommen, die schlicht schockierend sind, weil sie in aller Deutlichkeit aufzeigen, wie grobfahrlässig in unseren Schulen mit dem vorhandenen Asbest umgegangen wird. Dies soll anhand eines Beispiels gezeigt werden:
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Gemäss einem Schreiben der Asbestsanierungsfirma
Abson
vom 21. Januar 2005 spielt sich im Oktober 2003 folgendes in einer Baselbieter Schule ab: Ein Schulhausabwart demontiert fünf asbesthaltige Bleche in einem Schulzimmer. Er reisst sie ohne irgendwelche Schutzmassnahmen aus Rolladenkästen heraus - es ist nicht bekannt, wieso oder in wessen Auftrag. Diese Arbeit dürfte laut SUVA-Bestimmungen nur von einer spezialisierten Asbestsanierungsfirma unter strengsten Sicherheitsbedingungen (Schutzanzüge, Einrichten von Schleusen mit Unterdruck) ausgeführt werden, denn dabei wird die Raumluft massiv kontaminiert.
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Dummerweise lässt der Abwart eine der Platten (2,5 x 0,3 m) im Schulzimmer liegen. Die SchülerInnen werden weiter in diesem Zimmer unterrichtet. Von den Lehrkräften ist niemand verantwortlich, da mehrere Lehrkräfte in diesem Zimmer unterrichten. Neugierig, wie die Kinder sind, spielen sie mit der an der Wand aufgestellten Platte, kratzen daran herum. Erst als eine Lehrkraft erkennt, dass es sich bei der Platte möglicherweise um asbesthaltiges Material handelt, nimmt der Spuk ein Ende: das Zimmer wird von der Schulleitung gesperrt, und das AUE schaltet sich ein. In einem Brief vom 12. November 2003 bestätigt das Amt, «dass das Blechelement mit einem mineralischen Material gefüllt ist, bei dem es sich sehr wahrscheinlich um schwach gebundenen Asbest handelt.» Spätere Unterlagen der Bauverwaltung ergeben, dass es sich um weissen Asbest vom Typ
Chrysotil
handelt, der hochgradig krebserregend ist und damit mitverantwortlich dafür, dass alljährlich laut SUVA 70 neue Erkrankungsfälle auftreten, wovon die meisten zum Tod führen.
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Es ist davon auszugehen, dass das AUE nur von der Demontage einer einzigen solchen Platte weiss. Sie ist fein säuberlich verpackt und um Keller verstaut worden.
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Die grüne Fraktion erachtet es als hochgradig bedenklich, dass Schülerinnen und Schüler in einem staatlichen Schulhaus - wenn auch nur während kurzer Zeit - einer Asbestbelastung und damit einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt waren. Noch bedenklicher ist, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt. Im Januar 2005 ist ein weiterer Fall bekannt geworden: Nur durch reinen Zufall und das schnelle Eingreifen der Schulleitung konnte verhindert werden, dass in zwei verseuchten Zimmern unterrichtet wurde. Das AUE hat die Zimmer sperren lassen, und eine Sanierungsfirma hat eine Spezialreinigung durchgeführt.
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Diese Beispiele zeigen in aller Deutlichkeit, dass ein Sicherheitsrisiko besteht. Wer das bestreitet, handelt fahrlässig. Der Kanton steht in der Verantwortung, und Regierungsrätin Elsbeth Schneider muss ab heute die Verantwortung übernehmen. Von den geschilderten Fällen hatte sie keine Kenntnis, aber nun muss gehandelt werden.
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Die grüne Fraktion verlangt von der Regierung Massnahmen, damit Schulhäuser und Kindergärten asbestsaniert werden. Es darf nie mehr vorkommen im Kanton Baselland, dass SchülerInnen in einem Schulraum mit Asbestplatten spielen und so ihre Gesundheit gefährden.
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Beim Lesen der regierungsrätlichen Interpellationsbeantwortung hat
Jürg Degen
viel gelernt. Die Antwort zeigt, dass es um eine nicht ungefährliche Sache geht. Umso grösser ist sein Unverständnis, dass aus irgendwelchen Datenschutzgründen keine Transparenz herrscht. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, von welchen Gebäuden eine Gefahr ausgeht. Die Regierung muss handeln und die entsprechende Liste offenlegen.
Regierungsrätin
Elsbeth Schneider
teilt die Besorgnis von Jürg Wiedemann, falls sich der Vorfall tatsächlich so abgespielt hat wie geschildert. Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten.
Am 20. Januar 2005 hat die Regierungsrätin bereits im Landrat Auskunft gegeben über die Situation im Allschwiler Breite-Schulhaus. Dafür ist die Gemeinde zuständig und nicht der Kanton. Um herauszufinden, um welche Schule es sich im geschilderten Fall handelt, kann auf die Korrespondenz des AUE zurückgegriffen werden.
Es gilt zu berücksichtigen, dass die Kompetenz und die Verantwortung für den Unterhalt der allermeisten Schulhäuser bei den Gemeinden liegt. Drei kantonale Liegenschaften bedürfen noch einer Sanierung. Darüber soll der Landrat, insbesondere die Bau- und Planungskommission, demnächst informiert werden.
Es ist schade, dass solche Vorfälle der grünen Fraktion zugespielt werden, statt dass die Bau- und Umweltschutzdirektorin informiert wird.
Zu Jürg Degen gewandt, erklärt Regierungsrätin Elsbeth Schneider, dass auf der besagten Liste nicht nur kantonale oder kommunale Liegenschaften verzeichnet seien. Sie umfasst auch viele private Gebäude. Diese darf der Kanton aus Datenschutzgründen nicht veröffentlichen. Hingegen nehmen die Behörden mit den Gebäudebesitzern Kontakt auf und verlangen von ihnen eine Asbestsanierung. Auf der Liste stehen nur ganz wenige Liegenschaften, die im Besitz der öffentlichen Hand sind.
://: Damit ist die Interpellation erledigt.
Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei
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