Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005

Nr. 1241


11 2004/287


Motion von Florence Brenzikofer vom 11. November 2004: Vaterschaftsurlaub


Adrian Ballmer informiert, der Regierungsrat sei bereit, die vorliegende Motion als Postulat entgegen zu nehmen, gleichzeitig soll der Vorstoss abgeschrieben werden. Der bezahlte Kurzurlaub ist Gegenstand der Personalverordnung und liegt somit in der Kompetenz des Regierungsrates. Eine Änderung des bezahlten Urlaubs im Falle der Geburt eines eigenen Kindes liegt also nicht in der Kompetenz des Parlamentes. Am 10. Mai 2005 änderte der Regierungsrat die Verordnung über den Schwanger-schafts-, Mutterschafts-, Vaterschafts- und Adoptionsurlaub aus Anlass der Änderung der eidgenössischen Mutterschaftsentschädigung für erwerbstätige Mütter, welche per 1. Juli 2005 in Kraft treten wird. Bei dieser Gelegenheit wurde der Vaterschaftsurlaub bereits von 1 auf 5 Tage erweitert.


Florence Brenzikofer zeigt sich vor diesem Hintergrund mit der Umwandlung ihrer Motion in ein Postulat und der anschliessenden Abschreibung einverstanden.


Hanspeter Wullschleger äussert seinen Unmut über das Vorgehen des Regierungsrates. Heute Vormittag debattierte der Landrat über verschiedene Vorstösse, welche nicht innerhalb der gesetzlichen Frist behandelt werden konnten. Andererseits soll hier nun ein Vorstoss umgesetzt werden, welcher im Landrat noch gar nicht behandelt wurde. Die SVP-Fraktion erhielt durch dieses Vorgehen den Eindruck, der Landrat werde nicht ganz ernst genommen. Der Regierungsrat schuf damit ein Präjudiz gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, welche nicht beim Kanton arbeiten und ein Präjudiz auch daher, weil er eine Motion umsetzte, bevor sie vom Parlament beraten wurde. Inskünftig könnte man also verlangen, dass auch andere Motionen sofort umgesetzt werden.


Zum Vorstoss selbst meint Hanspeter Wullschleger, seine Fraktion spreche sich klar gegen das Anliegen aus, auch in Form eines Postulates. Wenn mit den heute durchschnittlich kürzeren Spitalaufenthalten Kosten gespart werden können, bedeutet dies noch lange nicht, dass gleichzeitig neue Kosten generiert werden müssen. Zudem erachtet er es als widersprüchlich, fünf Urlaubstage innerhalb von drei Monaten zu beziehen, wenn doch die Belastung in den ersten Tagen zu Hause am grössten sei. Für ihn selbst ist die Geburt eines Kindes ein erfreuliches Ereignis, wofür er auch gerne vier Ferientage opfern würde.


Peter Küng-Trüssel bezeichnet das vorliegende Anliegen als berechtigt und zeigt sich seitens SP-Fraktion damit einverstanden, dieses zu überweisen und abzuschreiben.


Thomi Jourdan staunte über einen Artikel in der Zeitung "20 Minuten", welcher darüber berichtete, dass die Regierung in eigener Kompetenz einen Vaterschaftsurlaub von fünf Tagen eingeführt hatte. Er anerkenne wohl, dass dies in der Kompetenz des Regierungsrates liege, die CVP/EVP-Fraktion stelle jedoch trotzdem die Frage, ob der Zeitpunkt dafür richtig gewählt war. In zwei Wochen werde man im Landrat über verschiedene Sparmassnahmen (GAP) diskutieren und von Regierungsseite immer wieder hören, wie wichtig das Sparen sei.


Auch inhaltlich fragt Thomi Jourdan sich, ob der Entscheid des Regierungsrates das richtige Signal setze. Es bestehe keinerlei Druck, dass der Kanton ausgerechnet jetzt einmal mehr eine Privilegierung seiner eigenen Angestellten vollziehe. Mitarbeiter in kleinen und mittleren Betrieben können dieses Privileg nicht in Anspruch nehmen. Zudem werde das wirkliche Problem durch den verlängerten Vaterschaftsurlaub nicht gelöst. Bei der ersten Geburt sei seine Frau haarscharf am Tod vorbei gegangen und auch zwei Wochen Vaterschaftsurlaub hätten nicht gereicht, um zu Hause genügend zu helfen. In einem solchen Fall müsse man sich vielleicht sogar einen Monat Zeit nehmen. Wenn es für einen Vater nicht klar sei, dass er bei einer Normalgeburt eine Woche Ferien beziehen werde, so sollte er besser gar nicht Vater werden, da er sich wohl auch in Zukunft nicht die Zeit nehmen werde, welche seine Kinder brauchen. Es sei für jeden Vater möglich, nach einer Geburt Ferien zu beziehen, insbesondere da der Zeitpunkt des Ereignisses viele Monate im Voraus bekannt sei. Auch beim Kanton gebe es wohl genügend kulante Vorgesetzte, welche nach der Geburt eines Kindes Ferien gewähren und sich sogar flexibel zeigen, wenn die Geburt nicht genau am geplanten Termin stattfand.


Es sei nicht erste Aufgabe des Staates, in der Frage des Vaterschaftsurlaubes ein Präjudiz zu schaffen. Der Zeitpunkt dafür sei zudem schlecht und es werde eine Aufgabe der Familienpolitik an den falschen Ort delegiert. Männer sollen ihre Verantwortung wahrnehmen und Freitage beziehen, jedoch nicht damit rechnen, dass der Staat die Probleme des Vaterseins lösen könne.


Daniele Ceccarelli kann sich weitgehend Thomi Jourdans Äusserungen anschliessen, mit Ausnahme der Argumentation zum Vaterwerden. Zum Formellen müsse sich der Landrat an der eigenen Nase nehmen, denn er habe dem Regierungsrat in diesem Punkt die Verordnungskompetenz erteilt und es bringe nichts, nun darüber zu jammern, dass er diese ausschöpfe.


Materiell stört sich die FDP-Fraktion daran, dass die Staatsangestellten wieder einmal besser gestellt werden als Angestellte in der Privatwirtschaft. Dies sei nicht in Ordnung und Daniele Ceccarelli bemerkt, vielleicht suche er eines Tages doch noch einen Job beim Staat.


Florence Brenzikofer betont, die Spitalaufenthalte nach einer Geburt seien heute wirklich kürzer als noch vor wenigen Jahren. So boomen beispielsweise auch Beleghebammen und Geburtshäuser. Die kürzeren Spitalaufenthalte sind aus finanzieller Sicht zu begrüssen. Mit vier Wochen Ferien im Jahr sei es nicht immer einfach, nach der Geburt Ferien nehmen zu können, denn der Geburtstermin könne in der Regel nicht im Voraus klar festgelegt werden. Dazu kommt, dass die durch den Partner geleistete Arbeit zu Hause nach einer Geburt nicht mit Ferien gleichzusetzen ist.


Betreffend Familienfreundlichkeits-Index schnitt der Kanton Basel-Landschaft zwar nicht schlecht ab, was den Vaterschaftsurlaub angeht jedoch sieht es im gesamtschweizerischen Vergleich nicht rosig aus. Die französische und italienische Schweiz schloss im Familienfreund-lichkeits-Index sehr gut ab und gerade im europäischen Vergleich stehe die Schweiz punkto Familienfreundlichkeit auf den hintersten Rängen. Es darf daher nicht überraschen, dass die Geburtsrate in der Schweiz zurückgeht und in Zukunft zu Problemen führen wird.


In Basel-Landschaft besteht zwar die Möglichkeit, dass der Vater 12 Wochen unbezahlten Urlaub bezieht. Wie Nachfragen beim Personaldienst ergaben, wird diese Möglichkeit heute aber kaum genutzt, da sich gerade junge Familien einen unbezahlten Urlaub nicht leisten können. Der Kanton Bern gewährt frisch gebackenen Vätern beispielsweise drei Wochen Vaterschaftsurlaub und auch die Möglichkeit, dass die zweite Hälfte der 16 Wochen Mutterschaftsurlaub vom Vater bezogen werden könnte. Was die Familienfreundlichkeit angeht, besteht in unserem Kanton Nachholbedarf. Mit einer Zustimmung zu ihrem Postulat könnte ein wichtiger Schritt in der Familienpolitik unternommen werde, wie dies grosse Firmen bereits vorgemacht haben. Die Post, die Bahn oder Pharmakonzerne haben den Vaterschaftsurlaub eingeführt und Florence Brenzikofer hofft, dass auch kleinere Firmen nachziehen können. Sie bittet den Landrat daher, ihr Postulat zu unterstützen.


Sabine Stöcklin erwidert Daniele Ceccarelli, mit vier Wochen Ferien könne das Baselbieter Staatspersonal sicher nicht als privilegierter bezeichnet werden als die meisten Menschen in der Privatwirtschaft mit fünf Wochen Ferien.


Annemarie Marbet informiert, mit der Einführung der eidgenössischen Mutterschaftsversicherung spare unser Kanton mehrere Millionen Franken an Personalkosten. Mit dem Vaterschaftsurlaub werde es möglich, dass nicht nur Mütter, sondern auch Väter ein Stück weit von der Mutterschaftsversicherung profitieren können.


Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei


Nr. 1242 (Fortsetzung)


Jörg Krähenbühl bemerkt, nicht nur der Kanton, sondern auch der Bund habe sein ganzes Geld vom Bürger. Es geht nicht an, vierzehn Tage vor der GAP-Debatte eine neue Ausgabe zu beschliessen. Was die Regierung entschieden hat, ist ein Affront.


Diese Prügel nimmt Regierungspräsident Adrian Ballmer auf sich. Er hält die Verordnungsänderung aber nach wie vor für sinnvoll.


[Beifall von der Ratslinken]


Der Regierungsrat hat nicht wegen, sondern trotz der vorliegenden Motion gehandelt. Denn diese ist sowieso keine Motion, bewegt sie sich doch in einem Bereich, in welchem die Regierung zuständig ist. Leider war der Vorstoss mehrmals traktandiert, wurde aber nie behandelt; sonst hätte die Regierung mit dem Entscheid bis zur Behandlung gewartet. Weil aber die Regelungen über den Mutterschaftsurlaub bis zum 1. Juli 2005 in Kraft treten müssen, konnte nicht länger zugewartet werden.


Als Grossvater und Familienminister findet Adrian Ballmer die neue Regelung sinnvoll. Er ist gerade an Ostern zum zweiten Mal Grossvater geworden. Die Grosseltern konnten hilfreich einspringen. Wäre es nicht Ostern gewesen, hätten sich wohl Probleme ergeben. Der Vater des Kindes hätte nämlich nicht ganz so einfach frei machen können.


Mitarbeiter, die sich in einer solchen Lage befinden, sind sehr froh, wenn ihnen entgegengekommen wird. Da beim Kanton die Jahresarbeitszeit gilt, wird sich das neue Regime nicht negativ auswirken. Überdies kennt der Kanton Baselland eine relativ hohe Wochen- und damit auch Jahresarbeitszeit, jedenfalls im Vergleich zu anderen Kantonen und zu jenen Unternehmen, mit denen er auf dem Arbeitsmarkt konkurrenziert, also den grösseren KMU und den Grossunternehmen. Auch in Sachen Ferien ist der Kanton am unteren Rand des Spektrums.


Die Regierung ist darauf angewiesen, dass das Kantons-personal bei GAP mitzieht. Den Mitarbeitern wird einiges zugemutet, und trotzdem bleiben sie loyal. Diese Aufstockung des Vaterschaftsurlaubs ist eine relativ einfache und günstige Möglichkeit, den Kantonsangestellten entgegenzukommen.


Remo Franz kann nichts Vernünftiges darin sehen, wenn während GAP neuerlich Geld ausgegeben wird. Anders als in der übrigen Verwaltung, wo liegen gebliebene Arbeit später nachgeholt werden kann, ist dies bei den Lehrern nicht möglich. Sie müssen direkt ersetzt werden, was Mehrkosten nach sich ziehen wird.


Bei den Lehrpersonen entstünden nur sehr wenige Kosten, hat Regierungspräsident Adrian Ballmer abklären lassen. Fällt eine Geburt in die unterrichtsfreie Zeit, haben sie natürlich kein Anrecht, später noch Ferientage einzuziehen.


Kosten dürften eher in den Spitälern und bei der Polizei anfallen.


://: Die in ein Postulat umgewandelte Motion wird nicht überwiesen.


Für das Protokoll:
Alex Klee-Bölckow, Landeskanzlei



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