Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005
Protokoll der Landratssitzung vom 26. Mai 2005 |
Nr. 1237
7 2004/271
Motion von Madeleine Göschke vom 28. Oktober 2004: Neuordnung der Krankenversicherungs-Prämienverbilligung zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen
Adrian Ballmer begründet die Ablehnung der Motion durch die Regierung. Bereits im Rahmen der Revision des EG KVG, welche am 1. Januar 2003 in Kraft gesetzt wurde, legte der Regierungsrat der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission insgesamt fünf Prämienverbilligungsmodelle vor. Bei einem dieser Modelle handelte es sich um eine degressiv angelegte Verbilligungslösung, bei welcher ab einem bestimmten Einkommen ein höherer Subventionssatz zum Tragen gekommen wäre. Ein anderes Modell sah einen stufenlosen, degressiven Lösungsansatz vor. Als Ergebnis der Überprüfung und Beurteilung bestätigte sich damals, dass die geltende Regelung die Zielsetzung betreffend Prämienverbilligung in unserem Kanton vollumfänglich erfüllt, sofern die politischen Behörden die Eckwerte gezielt anpassen. Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert, weshalb die Regierung keinen Anlass sieht, auf ein degressives Verbilligungsmodell umzustellen.
Im Rahmen der Revision des EG KVG wurden simultan die Richtprämie und die Subventionsgrenze erhöht (Subventionsgrenze von 4,25 auf 6,25 % und Erwachsenenrichtprämie von 155 auf 170 Franken, diejenige von Kindern von 50 auf 65 Franken). Neben den Bezügerinnen und Bezügern von Ergänzungsleistungen, welchen die Durchschnittsprämie vergütet wird, profitieren heute Familien mit Kindern und tiefen bis mittleren Einkommen am stärksten von der Prämienverbilligung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das massgebende Einkommen für die Prämienverbilligung für Haushalte mit Kindern im Jahr 2003 abnahm, weil 2001 ein Abzug von 5'000 Franken pro Kind am steuerbaren Einkommen eingeführt wurde.
Die Bundesversammlung beschloss am 18. März dieses Jahres eine Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung, wobei das neue Modell die Kantone verpflichten wird, die Prämien von Kindern bis 18 Jahre bei unteren und mittleren Einkommen und von jungen Erwachsenen in Ausbildung bis 25 Jahre um mindestens 50 % zu verbilligen. Die Kantone müssen dieses neue Modell innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der KVG-Teilrevision umsetzen, voraussichtlich bis Ende 2006.
Der Regierungsrat legte einerseits der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission Eckwerte vor, welche den Bezügerkreis verkleinern und die Beiträge je Haushalt erhöhen und wird der KVG-Teilrevision vom 18. März 2005 Rechnung tragen durch eine Vorlage für eine entsprechende Änderung des EG KVG. Dazu wurde bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt und der Regierungsrat beantragt daher, die Motion 2004/271 nicht zu überweisen.
Sollte der Wunsch bestehen, die vorliegende Motion als Postulat zu überweisen, würde sich der Regierungsrat nicht dagegen wehren. Der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission würde dann ein entsprechendes Modell vorgelegt. Es soll jedoch kein verbindlicher Auftrag für ein bestimmtes Modell vor der Beratung in der Kommission erteilt werden.
Madeleine Göschke-Chiquet stellt fest, der Volkswirt-schafts- und Gesundheitskommission sei nie, auch nicht im Jahr 2003, eine detaillierte Berechnung für ein Modell, wie sie es nun vorschlage, vorgelegt worden, wie dies für die anderen Modelle der Fall war. In unserem Kanton bezieht beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kranken-kassen-Prämienverbilligungen. Dies sei nur möglich, weil in Basel-Landschaft auch Personen mit höherem Einkommen Prämienverbilligungen erhalten, welche dies im Grunde gar nicht brauchen. Wenn schon oben so unnötig subventioniert werde, bekommen dann wenigstens diejenigen Personen mit tiefem Einkommen, was sie brauchen? Leider sei dies nicht der Fall.
Eine Einzelperson, welche vielleicht unfreiwillig einer Teilzeitarbeit nachgeht, bezahle heute bei einem Einkommen von 20'000 Franken 14 % des Einkommens als Nettoprämie (Nettoprämie = Durchschnittsprämie minus Prämienverbilligung). Noch schlimmer sehe es bei den Familien aus. Die Nettoprämie betrage für eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen zwischen 30'000 und 60'000 Franken zwischen 17 und 12 %. Familien mit einem Einkommen von 30'000 Franken bezahlen prozentual also wesentlich mehr als Familien mit 60'000 Franken Einkommen. Dieses Missverhältnis könne nur mit einem variablen Prozentsatz gelöst werden.
Noch schlimmer würde es mit den beiden GAP-Varianten. Eine Familie mit einem Einkommen von 30'000 bis 60'000 Franken bezahle dann 18 bis 13 % des Einkommens als Nettoprämie statt maximal 10 %, wie dies der Bundesrat verlangt hatte. Bedacht werden muss dabei, dass das Existenzminimum einer vierköpfigen Familie 51'000 Franken beträgt.
Zusammengefasst weist das heutige System folgende Nachteile auf:
- Der Kreis der Subventionsempfänger ist zu gross.
- Bei kleinen Einkommen wird das bundesrätliche Sozialziel nicht erreicht.
- Familien werden im Vergleich zu Einzelpersonen zu wenig entlastet.
Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der heutigen Situation bestehen? Die vorgeschlagene Erhöhung der Richtprämien bringt eine gewisse Verbesserung für kleine Einkommen und Familien, sie vergrössert jedoch den Fehler Nr. 1 unseres Systems: Der Kreis der Subventionsempfänger wird nach oben vergrössert. Dieser Fehler kann eliminiert werden, wenn mit der Richtprämie auch der Prozentsatz erhöht wird, wie dies im GAP-Vorschlag getan wird. Mit GAP jedoch erhalten nicht nur die oberen Einkommen weniger, sondern auch Familien zwischen 30'000 und 60'000 Franken. Die unteren Einkommen sollen jedoch nicht noch einmal schlechter gestellt werden, denn sie wurden bereits vor zwei und vor drei Jahren schlechter gestellt.
Nur mit einem progressiven Prozentsatz können alle drei erwähnten Systemfehler eliminiert werden. Kleine Einkommen und Familien erhalten mehr Prämienverbilligung und höhere erhalten weniger oder nichts. Sollte der Landrat den vorliegenden Vorschlag ablehnen und weiterhin darauf bestehen, dass Familien mit kleinen Einkommen zu wenig erhalten, würde einfach eine Kostenverlagerung vom Kanton zu den Gemeinden (zur Sozialhilfe) vorgenommen. Eine Kostenverlagerung, welche immer grösser wird. Die Ausgaben der kommunalen Sozialhilfen nehmen laufend zu, wofür die Krankenkassenprämien ein wichtiger Grund sind.
Der aktuelle Vorschlag sei nicht neu. Beispielsweise der Kanton Graubünden wende schon heute den variablen Zinssatz erfolgreich an. Wegen den GAP-Vorschlägen zur Prämienverbilligung, wegen dem überwiesenen SP-Postulat zur Erhöhung der Richtprämien und wegen der bevorstehenden Prämienerhöhung von 10 %! im Schweizer Durchschnitt sei jetzt der Moment gekommen, um die verschiedenen Möglichkeiten genau zu betrachten.
Madeleine Göschke-Chiquet ist damit einverstanden, ihre Motion in ein Postulat umzuwandeln, bittet den Landrat jedoch, dem vorgeschlagenen Modell eine Chance zu geben und eine gründliche Prüfung vorzunehmen, um das Ziel, die kleinen Einkommen zu stützen und oben früher mit dem Subventionieren aufzuhören, zu erreichen.
Jörg Krähenbühl betont, der Landrat habe jedes Jahr über die Prämienverbilligungen diskutiert und diese gebilligt. Man wollte bis 50 % der Bevölkerung mit der Prämienverbilligung begünstigen. Heute existieren andere Vorschläge oder Wünsche, es sei jedoch sinnlos, diese jetzt zu diskutieren, da man dies in einem Jahr so oder so tun werde. Jörg Krähenbühl erklärt, die SVP-Fraktion werde den Vorstoss auch als Postulat nicht unterstützen.
Sabine Stöcklin gibt bekannt, die SP-Fraktion unterstütze das vorliegende Postulat. Mit der Krankenkassenprämienverbilligung, wie sie heute besteht, können die Sozialziele, welche das System eigentlich verfolgt, nicht überall erreicht werden. Die SP-Fraktion ist der Auffassung, mit variablen Zinssätzen könnte das Sozialziel in den verschiedensten Einkommensklassen vermutlich besser erreicht werden als mit dem heutigen, starren System. Die SP bevorzuge ein degressives Modell ohne Sprünge, statt einer Linie mit Absätzen eine Kurve.
Judith van der Merwe bezeichnet den aktuellen Vorstoss als völlig überflüssig und aufgewärmten kalten Kaffee. Wie von Adrian Ballmer ausgeführt, wurde die vorgeschlagene Variante damals intensiv überprüft und es lagen nicht weniger Berechnungen dazu vor, als zu den anderen Modellen. Sie wurde zugunsten des jetzigen Modells abgelehnt und in der Kommission wurde klar angekündigt, im nächsten Jahr werde alles wieder über den Haufen geworfen und sämtliche Modelle, welche sich als relativ tauglich erwiesen, werden neu geprüft, auch das Vorgeschlagene. Sie freue sich auf eine tolle Kommissionsberatung und spreche sich nicht dagegen aus, das Anliegen als Postulat entgegen zu nehmen, da man die Überprüfung so oder so vorgenommen hätte.
Rita Bachmann bestätigt, die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission habe sich vor drei oder vier Jahren sehr intensiv mit der degressiven Subventionierung befasst und es lag sehr viel Zahlenmaterial dazu vor. Auch beim degressiven Modell stellte man fest, dass Ungleichheiten geschaffen würden, deshalb lehnte die Kommission damals ein solches Modell ab.
Die CVP/EVP-Fraktion möchte den Vorstoss weder als Motion noch als Postulat unterstützen, da die Subventionierung per 1. Januar 2007 vollkommen anders aussehen wird, indem alle Kinder- und Jugendlichenprämien von Eltern mit tiefen Einkommen obligatorisch zu 50 % subventioniert werden. Alles Andere muss dann neu berechnet werden.
Auch bei den aktuellen GAP-Varianten wurde die degressive Subventionierung besprochen und ein solches Modell wäre für die CVP/EVP nicht tabu. Dafür brauche es jedoch kein Postulat.
Madeleine Göschke-Chiquet stellt sich dem Vorwurf entgegen, sie habe mit ihrem Vorstoss nur kalten Kaffee aufgewärmt. Sie sei nun seit rund vier Jahren Mitglied der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission und habe von Anfang an immer von einem degressiven Prozentsatz gesprochen, die Kommission jedoch habe einen solchen nie im Detail geprüft. Zudem habe sich in den letzten vier Jahren im Gesundheitswesen, mit den Krankenkassen, den Löhnen und der Arbeitslosigkeit sehr vieles getan. Es sei also höchste Zeit, die bestehenden Modelle zu überprüfen. Mit gutem Willen sei es möglich, die Prämienverbilligungen sehr sorgfältig und gerecht - auch ohne Sprünge in der Abstufung - zu verteilen. Ihr gehe es nur darum, unten eine gerechte Verteilung zu erreichen, indem oben weniger Verbilligungen verteilt werden.
Sie bittet den Landrat noch einmal, das von ihr vorgeschlagene Modell sorgfältig zu prüfen. Dazu hätte sie gerne die entsprechenden Unterlagen.
Adrian Ballmer korrigiert, im Jahr 2003 hätten nur 38 % und nicht 50 % der Bevölkerung Prämienverbilligungen bezogen. Es waren dies 100'740 Personen. Wenn man von einem massgebenden Einkommen von 20'000 Franken ausgehe, so dürfe nicht unterstellt werden, dies seien arme Leute. 20 % der Bevölkerung gehören diesem Einkommenssegment an, 4 % der Bevölkerung beziehen Sozialhilfe. Adrian Ballmer behauptet daher, es gebe in diesem Einkommenssegment Menschen, welche über wesentlich mehr Taschengeld verfügen, als viele Familienväter. Beispielsweise seine beiden Kinder seien ab 18 auch bezugsberechtigt gewesen und so gebe es noch viele Personen, welche sicher nicht in schlechten Verhältnissen leben.
In der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission betonte Adrian Ballmer, eine Einkommenskategorie von 20'000 bis 50'000 Franken sei für ihn viel wichtiger, als Personen mit einem Einkommen unter 20'000 Franken. Ein massgebendes Einkommen von 20'000 Franken bedeute zudem ein Nettoeinkommen von rund 40'000 Franken, womit das Sozialziel erfüllt werde.
://: Der Landrat beschliesst mit 37:29 Stimmen, die Motion 2004/271 als Postulat an den Regierungsrat zu überweisen.
Für das Protokoll:
Andrea Maurer-Rickenbach, Landeskanzlei
Fortsetzung >>>
Back to Top